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About Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901 | View Entire Issue (Nov. 5, 1896)
wer viel geliebt Izat, dem wird viel vergeben. Von Mancita , Markomcs. Die Luft war so rein und still, man , hätte den Ton eines Glöckchens. den Ge sang eines Bauern wohl eine Meile weit hören können. Nichts regte sich, nur aus dem silberglänzenden Aether ließ sich der schrille Ruf eines Falken verneh. men. Im dicht umbuschten Waldpsade, wo der Ginster in mannshohen Sträuchern seine gelben Bliltben wiegt, leuchtete da und dort ein rothes Tuch durch die Oliven und Kastanieiihalden! ein nack ter, kleiner brauner Fuß trat unachtsam d,e wilden Maiblumen uns erg, meinnicht am Wege nieder endlich erschien die kleine Gestalt eines Mad chens. Vorsichtig und zierlich wie eine Ei. dechse kam es aus dem Buschwerk und schaute aus schwarzen, brennenden Au gen über den natürlichen Zaun aus Heckenrosen, der einen Theil einer mor schen Hiitte umsäumte. Das war ein merkwürdig Obdach wenn es als solches noch gelten konnte. Ganz ohne Zweifel der Ueberrest eines zerfallenen kleinen Tempels, bot das Häuschen einen malerischen Anblick. An ein paar massive Quadern, die den Jahrhunderten getrotzt, schmiegten sich zerbröckelte Säulen, klebten sich un geschickt gestampfte Lehmwände, in die man allerlei aufgefundenes Bildwerk gedruckt. Zerbrochene Statuen, ein halber antiker Kopf mit Helm, da ein Fuß, und dort der obere Theil eines schönen Frauenarmes. Ueber all' das kroch frisches-hell griineS, wildes Rebengeranke. &o übertüncht die !atur alliährliq mit immer neuem Liebreiz was längst der Zerstörung anheim gefallen. In einem Rahmen, der das einzige Fenster vorstellen sollte, steckte etwas, wie die bunte Scheibe aus einem Kirche,lchor. Ein ehemals hohes Portal zeigte zur Hälfte sich vermauert, während die untere Hälfte der Thllr aus schlichten, ungehobelten Brettern gezimmert war, Bis zu ihr reichte der Heckenrosen zaun. Das Häuschen, dessen Dach aus zep brochenen Holzsparren und verwittertem Schilf bestand, beschattete eine Gruppe Kastanien, hinter denen der iibergraste Fuß des Berges stch wölbte. Die Sonne warf rothgoldene Lichter durch die Kastanien und über die m statt eines Schläfers, der, den Arm unter das schwarzqelockte Haupt gelegt. auf saftigen Kräutern unweit des gen fters tiesathmend ruhte. Hierher kam auch das Mädchen. Mater mia wie schöwder Checco Ist!" So flüsterten ihre rothen Lippen, und dieser kleine Mund sprach die volle Wahrheit. Der kaum dreißigjährige Mann, der da im Grase ruhte, war zwar nur ein Eseltreiber, dessen sich die Fremden de dienten, um Grottaferata, Rocca di Papa oder Castel Gandolfo zu sehen doch dieses edle Antlitz, dieser echt römische Kopf erinnerte an jene Mar morbildnisie, in denen die Herrscher der alten Roma auf die Nachwelt gekommen sind. Schlank, geschmeidig und'kräftig zu gleich, hatte der braune Checco, unbe kitmmert um Sonnenstrahlen und Süd. wind, seine Glieder in's duftige Gras gestreckt! mit frisch gerötheten Wangen, tief athmend lag er da. Den Oderkörper nach vorn gebeugt, wie ein lauschender Hase, so stand das Mädchen eine geraume Zeit, den Schlä fer betrachtend. Wäre das alte Mähr chen Wahrheit, daß der glühende Blick eines Menschen einen Anderen aus tief, ftem Schlummer erwecken könne, Checco hätte unmöglich weiter träumen können. Das rothe Tuch war ihr vom Haupte geputscht und hing über die rechte Schulter herab, die Fluth des tief, schwarzen Haares freigebend. Das braune, schmale Gesicht wies unregelmäßige Züge, um den rothen Mund lag Trotz und Spottsucht, und selbst sein Lachen ließ wohl zwei Reihen schneeweißer Perlen sehen, aber dies Lachen schien unfroh und erwärmte nicht. Zu dem Munde paßten die großen schwarzen Augen, die Spiegel verschie dener Leidenschaften. Die Nase gerade, mit leicht zitternden Flügeln, sein ae zeichnete Augenbrauen, die auf niedri. ger Stirn thronten. Hände und Fuße auffallend klein. wie die eines Kindes; freilich war auch das ganze Figllrchen Filigran, doch trotz der Maaerkeit nichts eaig, nichts un schön im naiven Reize seiner siebzehn Jahre. Sanitmuth und Geduld waren jedenfalls nicht Eigenschaften, die man vieler vluuiir uurnim juuuuic. TaS igle sich gleich. Als der junge Eseltreiber keine Miene machte, seinen lrättigen Schlaf abzu kürzen, trat daS Mädchen zur grünen Hecke, rupfte ungeduldig Blätter und Knospen ad und warf sie in weitem Bogen dem Träumer geschickt in'S blühende Gesicht. Dann duckte sie sich hinter den Zaun, während seine Augen wie die einer jn gen Katze blitzten, die zum ersten Male auf Pogelraub ausgeht. Nach dem ersten Blätter-Bombarde ment rieb sich Shecc die Nase, was sei. nem schwarzen Störenfried zu leisem Sichern Peranlafsung bot. Ein ganzer Ziosenzweig aber, der alZ compaktneZ! Wurfgeschoß diente, machte lZhecco aus sahren. In halber Schlafsucht drückte er sich die Dornen in die Stirn, von der gleich darauf ein paar purpurne Tropfen rannen. Das vertrieb ihm den Schla Während er mit den graubraunen Semdsärmeln sich über s Antlitz fuhr, trat eine Falte des Unmuths zwischen seine Brauen. ..Du bist es Ginscppina btt krieche Dich nicht ! Ich weiß, daß Du da b Was will t Tu h,er ?" Erst lachte das Mädchen schrill auf, dann kam eS zum Vorschein, trat näher und lehnte sich an die Wand der Hütte. Während die heißen Augen unter den halb gesenkten, lang bewimperten Lidern verschwanden, flog e, ipoiliiqer Jug um ihren Mund. Ei Du empfängst mich ja mit besonderer Güte I Bin ich schlechter, als Tiriddi, unser Hund, den Du sonst streichelst?" Checco hatte sich halb aufgerichtet und stützte den Oberkörper aus den rech, ten Arm. ' Tiriddi ist treu und ehrlich; Du aber bist " Ein Kobold eine Eule ein Unthier ! Sag's nur heraus ! Sie sa gen's ja Alle I" Er wandte den Blick bon ihr und richtete ihn in die Ferne. Drüben lag der Monte Calvo, wie in riesise Wolkenschleier gehüllt. Fast klang es wie ein leises Bedauern, als Checco erwiderte : Ist's nicht Deine Schuld, daß Tu z verhaßt machst? Wem thatest Du jemals Liebes? Wem hast Du je Zuneigung bewiesen? Als kleines fünsiähriges Gelchöps lchon hast Du dem Oheim, der Dich an Kindesstatt zu sich genommen, das Strohdach über dem Kopfe angezündet und verstecktest Dich drei Tage in dem Magnolien gedüsch, bis man Dich halb verhungert auffand !" Giuseppina trat zornig mit dem klei nen Fuß auf den Boden. Erinnere mich nicht an diesen Kin verstreich, den man mir Hunderte Male, zuin Ekel schon, vorgeworfen! Mar silli, der Oheim, hatte mich blutig ge- schlagen ich wollte mich rächen !" Und Enrichetta, die Base, der Du zehn junge Schweine mit Phosphor der- giftet, als Du schon Böses vom Guten unterscheiden konntest Das Mädchen lachte hell auf. Selbst die Erinnerung schien ihm Vergnügen zu machen. Die Base ? Sie schickte mich Bet teln nach Grottaferrata ! Ich brachte viel heim an dem Abend, und sie nahm mir Alles! Aber einen schönen gold funkelnden Dukaten, den eine fremde blonde Deutsche mir gegeben, behielt ich und wollte mich damit schmücken, wenn ich erwachsen sein würde. Er war mein, man hatte ihn, mir geschenkt. Doch als ich ihn unter der Pinie hinter der Hüte vergraben wollte, schlich Base Enrichetta mir nach. Sie nahm mein Kleinod, obwohl ich sie kratzte und biß, mißhandelte mich und sperrte mich in den Keller !" Und die Ferkel ?" fragte Checco. Der Riegel der Kellerthllr war schlecht; ich rannte mir eine Bresche. Bald mar ich draußen. Nacht war's, und Neumond. So kain ich an den kleinen Stall, in dem die Ferkelchen quietschten. Ich erinnerte mich, welche Freude die Base gkhadt, als die kleinen Ungeheuer aus die Welt gekommen. Jetzt waren sie schon sechs Wochen alt. fraßen allein ; ich mußte sie füttern mit Jungmais. Da kam mir ein Gedanke Das wird sie ärgern, die gute Base sagte ich mir und schlich in die Hütte. Tort stahl ich ihr zwanzig Pallete Zündhölzer, mit denen sie Handel trieb. Am nächsten Morgen lagen sie da der Base Lieblinge und rührten kein Beinchen mehr ! Checco sah von Mitleid und Abscheu bewegt sie an. Uns Tu V Ich ? Ich entfloh und trieb mich drei Monate in Rocca di Papa und der Umgegend umher. Aber es war kalt und keine Tame schenkte mir Du katen ! So kroch ich zu Kreuze und ließ alle Strafe über mich ergeben. Aber in mir, da wühlte es wie glühendes Feuer. Hat nur der Stärkere die Macht und die Gewalt über den Schwachen, weil dieser schwach ist und die Krüste ihm nicht gegeben, so muß er sich wehren, so gut er kann, und schaden, wo ihm sich Gelegenheit bietet !" Giuseppina sah sinster vor sich hin. Wie er sie so betrachtete, erschien sie Checco mit ihrem biegsamen Leide wie eine zum Sprung bereite Schlange. Er erhob sich. Tu irrst Dich. Mädchen ! Vor dem himmlischen Vater find alle Geschöpfe gleich und alle haben das gleiche Recht, den gleichen Antheil an seinen Gaben ! Nicht schöner, nicht goldiger scheint die Sonne sür den König, wie für den armen Elfeltreiber die Blumen duf ten nicht herrlicher für ihn, als für mich ; das gleiche Lüftchen fächelt meine Wange, wie die seine, und nicht über ihn allein, über Millionen Menschen spannt der Himmel sein Sternenzelt !" Sie lachte bitter. .Tu bist genügsam. tzhecco! Wenn Tei Her, nichts Anderes begehrt, als Sonne und Blumen und Lul und Sterne ! Doch aus Tir spricht der Fra ter Adesso, bei dem Tu so lange im Tienfte gewesen. .ämvien deikt leben und eden ! ft kampsen," sagt grater Adesso. Setze! Dich einmal daher in den Schalten, Giuseppina !" Sie that, wie er ihr geheißen, band die Haarfluth wieder in das rothe Tuch, und als er sich unweit zu ihr setzte, breitete sie sorgfältig den kurze, grii nen Rock und die bunte Schürze über die nackten Füße. Bei all' ihrer Wildheit hat sie sich weibliches Schamgefühl bewahrt, sagte sich der junge Eseltreiber. Da gefiel ihm. Deshalb wollte er ihr in'S Gewissen reden. ich , Giuseppina, wir sind in einem Dorfe neben einander aufgewach sen; unsere Großmütter waren Schwe stern. Schon lange liegt's mir aus der Seele, wie verfehlt Du Dein Leben hin bringst." Sie sah neugierig zu ihm hinüber. Verfehlt? Was sollte ich denn be ginnen?" Du mißverstehst mich, Kind ! Es ist gleich, was Du treibst. Nur meine ich wandle Dein Wesen, Deinen üblen Charakter. Nimm Dir vor, die schöne Gotteswelt mit freundlichen Augen zu betrachten; gieb Dir Mühe, die Men. schen zu lieben, statt zu Haffen" Zu lieben, statt zu ha en, sagte sie leise ihm nach. Ich weiß, es wird der Anfang Dir wer werden; dennoch wird Frieden und ein Gefühl des Glückes in Deine Seele ziehen. Mache nur den Versuch, Giuseppina, und die jetzt Dir übel wol len, werden sich in Deine treuesten Freunde verwandeln!" Zu lieben, statt zu hassen?" Mit großen, brennenden Augen sah sie ihn an, um sich schnell abzuwenden, während ihr hohe Röthe über Antlitz und Hals huschte. Checco Checco ! Würde t Du ge- ahnt haben, was seit Langem in dieser Mädchenseele vorging, Du hättest den türm nicht höher entfesselt, und Dein Wort vom Lieben" wäre ungesprochen geblieben ! Etwas Weiches, Ungewohntes erschien aus Giuseppina s Antlitz. Wie der Morgenthau die durstige Natur er- frischt, so trafen Checco s milde Lehren aus eine ihr selbst unbekannte Saite ihres Herzens. Sie reichte ihm die Hand. Ich will's versuchen um Deinet willen, Checco ! Warst du blind. Du junger Eseltrei ber, daß Du die Wandlung nicht so- gleich bemerktest? Seit diesem Tage sah man die beiden Verwandten öfter beisammen. Giusep pina wurde stiller, widersprach nicht in allen Füllen. Sie kleidete sich sorgfältig und fand eine kokette, zierliche Art, das üppige Haar zu ordnen. Das ging so ein gutes Weilchen, Der Herbst kam in's Land und jagte ganze Wolken goldbraun gesprenkelter Blätter über Thal und Berg, die selten etwas vom nordischen Winter erfahren; aber die Regenzeit ist oftmals empfind lich kühl. Checco, der ein artiges Säckchen blinkender Soldi sich erspart hatte, sperrte seine Hütte, die seine Kostbar leiten barg, nahm Diu-Diu," seinen Grauschimmel, und beschloß, einem ge lehrten deutschen Professor als Diener nach Venedig zu folgen. Das lern so rasch und unerwartet, daß Checco nicht die Zeit blieb, sich drüben im Dorfe bei Base Enrichetta und seiner Freundin Giuseppina zu verabschieden. Nur dem Ziegenhirten Beppo trug er Grüße auf: Zur Maienzeit, da hoffte er zurückzukehren. Wie ein Blitzstrahl aus heiterem Him mel traf Giuseppina diese Nachricht, die sie erst eine Woche später empfing. Checco fort ohne Abschied ! Vor ihr versank die Welt, da der Einzige gegan gen, für den sie lebte. , Mit erschreckender Klarheit kam das Bewußtsein über sie, daß sie in leiden schastlicher Liebe an Checco hänge und er? Gleichviel ein Dasein ohne ihn schien ihr unmöglich. Und in derselben Nacht war'Giusep pina verschwunden. Man feierte den Karneval in Vene dig. der schönen Dogenftadt. Auf den Lagunen schaukelten sich blumenbekränzte und mit Tausenden von Lichtern geschmückte Gondeln. Reizende Damen in den herrlichsten Kostümen, begleitet von ihren Kavalie ren, warfen sich Rosen zu. Ueberall Jauchzen, süße Lieder und die Klänge der Mandoline. Auf dem St. Markusplatz wogte die frohe Menge. Mit dem romantischen Zauber der alten Patrizierpaläste mischte sich das moderne elektrische Licht und ersuchte, dein silbernen Mondenschein an Stärle zuvor zu kommen. Von de, mit last baren Teppichen behängten Ballons grüßten elegant maskirte Damen, weh- ten Spitzen und Schleier, und Eonfetti flogen auf die Köpfe der lachenden Narrenwelt, die auszog, ihr Geld und den Verstand auf die amüsanteste Weise loszuwerden. Neben der Thür eines Case S stand ! ein Blumenmädchen Giuseppina. I Sie hielt den ord mit den dusti ! gen Blüthen fast mechanilch, ruhelos j schweiste ihr Auge durch die wogende Menge. Sie riet keine Käufer an und i nahm, was man Waare. ihr gab. für ihre Giuseppina war nun seit Monate in dem schönen Venedig; doch ihn, den fte luchte m fand ne nicht, und jeder Abend, der sie in die ärmliche I Herberge heimkehren sah, fand sie tröst loser. Sollte Beppo, der Ziegcnhirt, sie betrogen haben? Sollte Checco nach Rom, nach Neapel und nicht nach Venedig gewandert sein? Das Ende des Karnevals noch wollte sie abwarten. Ach ! Wie verlassen sie in der Fremde war ! Daheim, in ihrem Dorfe hatte man sie verspottet aber es kannte sie jedes Kind, und seit sie eine Andere geworden, da ließ man ab, sie zu kränken. Niemand kümmerte sich hier um sie. Und wo war denn der Muth und Trotz, es mit zwanzig auszunehmen, die wider sie waren? Wo war denn die Lust, Anderen zu schaden? Ach ! all' das hatte der Checco ihr genommen. Das Samenkorn vom Lieben" hatte Wur zel geschlagen. Was aber nützte es ihr nun? Was hier, wo Niemand ihre Liebe begehrte? Noch stand sie so, vor sich hin sin nend, an der Casa picola da schlug eine wohlbekannte Stimme an ihr Ohr, eine Stimme, die sie unter Tausenden wieder erkannt haben würde, und die jetzt ein pspuläres Liebchen sang: Längst sind die Saiten gesprungen. Der Liebestraum ist vorbei." Checco!" schrie sie ans, und vergaß Ort und Menschenmenge, m sich ihm an die Brust zu werfen. Doch siehe er war nicht allein; zwei Gondolieri, vermuthlich seine guten Kameraden, trällerten mit ihm und an seiner Seite ein Mädchen. Auch er hatte sie gleich erkannt. Doch schien sein Empfinden beim Wiedersehen nicht im Mindesten dem ihren zu gleichen. Während Giusep pinas Herz die körperliche Hülle zu spren gen drohte, wandte sich Checco kalt zu ihr. Kein Freudenstrahl erhellte sein Antlitz. Du, Giuseppma? Wie kommst Du daher? Und wo ist die Base? Wann kehrst Du wieder heim?" I Und seine Hand wühlte unter den Tuberosen und Kamelien. Die schönste wählte er aus und ihr, Giuseppina, ein Geldstück in den Korb werfend, reichte er die Blumen seiner Beqlev terin, einer goldblonden, braunäugigen Schönheit. Als verschwinde der Markusplatz mit Allem, was aus ihm, im blutrothen Nebel, so taumelte Giuseppina einen Augenblick. Das Nächste war das Werk zweier Sekunden. Während der Blumenkorb zu Boden siel, hatte das Mädchen ein kurzes Sti' let aus dem Gürtel gezogen und dasselbe gegen die Nebenbuhlerin gezückt. Doch schon hatte Checcos eiserne Faust ihr Handgelenk umklammert die Gon dolieri entwanden ihr vollends die Waffe. Wie die Natter sticht!" keuchte er kommt die Bestie wieder in Dir zum Vorschein? Schäme Dich, Giuseppina und Tu, Marietta. fürchte Dich nicht! mein Arm wird Dich stets zu schützen wi en, leibst vor die er " Eine wohlthätige Ohnmacht empfing Giuseppina 3 Sinne. Tann kam ein glühender Sommer, ein Winter und wieder ein Sommer. und der Eseltreiber hatte sein romanti sches Hllttchen frisch gedeckt, das Innere wohnlich eingerichtet und die holde Ve netianerin als trautes Weib heim geführt, der damals Giuseppina's Dolchstoß gegolten. Von ihr selbst kam keine Kunde. Sie schien verschollen. Unter den blühenden Rosenbüschen vor dem Häuschen gab es in niedriger Holzmulde ein kleines Menschenkind, das fuß schlummerte, indeß seine Mut ter, Checcos Weib, am Rande des Olivenhaines stand, sehnsüchtig des Gatten Rückkehr erwartend. Und wieder, wie vor wenigen Iah ren, schaute es mit brennenden Augen über die Rosenhecke und schlich sich vor sichtig in die Nähe der Hütte, wie ehe malS aber ach ! der Gang war so schleppend und langsam, und nur der Schatten der jugendfrischen Giuseppina wankte daher nur eines war geblie den: das alte, haßerfüllte schwarze Auge. Sie schleppte sich mühsam bis zur Hütte, stieß die Thür auf, um sich zu überzeugen, daß sie recht beobachtet und daß sie leer sei. Welch' ein Bild des Jammers! Giuseppina's Antlitz war schön gewor den, eine seltsame, überirdische Schön heit; abgemagert, blutlos, das lange, schwarze Haar feucht: und diese Augen, die wie glühende Kohlen das bleiche Antlitz erleuchteten. ?!in war sie bei der improvisirten Wiege und streckte die Hand nach dem Kinde aus, das süß schlief. Meilenweit war sie in ihrer Todes schwäche gewandert, um in der Heimath zu sterben. Rächen aber wollte sie sich noch! Sie hatte von (einer Heirath ersah ren und auch von dem Kinde wenn !sie ihm das noch rauben könnte! ES wurde ihn treffen und ihn elend machen. so wie eS sie elend gemacht hatte! Dieser Kerzlose Checco, der gute Lehren er- Heute, vom Hauen und Lieben . und dann gesühllos. wie ein Steinblock, sie von sich stieß und eine .Natter" nannte, Sie hatte von Weitem gelauert. Stunden lang nun war ti allein. baS fllfinr. tut flirt! S 6sltthIn! Toch was mit dem Kinde beginnen? Es todten? Erwürgen t In die Schlucht jenseits des Monte Calvo eS werfen? Nein! Das Kind war un schuldig sie wollte mit der Sünde des Mordes nicht aus dieser Zeitlichkei) gehen. Ader es stehlen weit, weit fort bringen. . Ei Schwindel überlief sie. Sollte sie den Weg umsonst gemacht habe? Sollten die Kräfte sie früher verlasse,,, ehe sie ihr Vorhaben ausgeführt und sich gerächt hatte ? Mit Anstrengung nahm sie das Kleine aus seiner Wiege. Da schlug daS Kind die Augen aus und sah sie an mit Checco's Augen, die sie allezeit so geliebt es lachte und griff mit den grübchenvollen Hündchen nach ihrem Munde. Wie eine Offenbarung Überkam es Giuseppina das Weid, gctränmte Mutterliebe erwachten in der voin Haffe Irregeleiteten sie nahm das Kind zärtlich an ihre Brust und drückte einen Kuß der Versöhnung auf seine Stirn. Die Vesperglocken läuteten. Die zn Tode erschreckte Marietta fand ihr Kind in den Armen einer Verstor denen. Neben den Klostermauern von Grot taferrata hat man sie gebettet. Obwohl Checco noch beute keine Ahnung hat, wie viel er eigentlich an Giuseppina frühem Tode schuldig, Pflegen er und teilt iunges Weib nach ledem Kirche gange ein Paternoster an dem Grabe der Verstorbenen zu beten. wenn der Vater Sohne mit dein Humoristische fie von War Bittrich, Siebzehn Jahre war ich alt, also glücklich aus den Pumphosen heraus und in die Zeit der ersten Liebe hinein spaziert. Mein Vater, mit dem ich in einem öden Oertchen hauste, mar Wittmer. Der that eines Tages die Aeußerung, es wäre nöthig, daß wir wieder ein ver wandtes weibliches Wesen in die Wirth schast bekämen, mit fremden Leuten habe man nur Verdruß. Da ich ein sogenannter heller Junge war, sagte ich mir: das ist die klarste Aufforderung an mich, unter den Töch tern des Landes Umschau zu halten. Tie Liebste war mir eine Jugend gespielin aus dem Nachbardorf, ein zwanzigjähriges Margaretlein, das uns oft besucht, um im Garten mit mir in die Kirschen zu gehen." Später, als die Aepfel reiften, kam auch in dem Margaretlein die angeborene Eva zum Vorschein. Obwohl ich diese Art Früchte nicht gern aß, bekehrte mich das Mädchen zum Apfelspeisen durch den Hinweis, in der Frucht sei sehr viel Phosphor, der auf das Gehirn günstig wirke, wie sie in der Pension gelernt habe. Auf mich wirkte denn auch der Phos- phor des ersten Apfels so günstig, daß ich nicht mehr genug der Früchte erlan gen konnte. Meine Schüchternheit ließ ebenfalls nach. Ursprünglich hatte ich meine Lieb! dadurch kundgethan, daß ich, während ich dem Mädchen gegenüber saß, ein Vergißmeinnicht Stränßchen in der Hand hielt, wobei ich ein bischen roth wurde, während Margaretlein hauchte: Du Marel!" Ich frage jeden Menschen: War das von der Kleinen nicht außerordentlich poetisch und treffend gedacht und ausge drückt? Später wagte ich schon, ihr solch' ein Sträußchen zu überreichen. Dann ien s, als sn unser Brunnen jäh zur Hippokrene geworden: ich machte Verse. Mein Vater beschäftigte sich mit der Kleinen von Besuch zu Besuch mehr. DaS freute mich. Nur wenn ihm das Mädchen gefiel, würde ich's nehmen können, dachte ich. Er blickte, während er sich mit Mar- garetlein unterhielt, immer besonders schmunzelnd darein. Einmal, als ich Beiden gegenübersaß, wünschte er Mar garetlein möchte mit mir gut auskom men und umgetehrr. ueoer vieles Wrven des BaterS für mich war ich wiederum tief beschämt und rückte demüthig noch weiter nach der tnyllante vor, als eS schon vorher ge ehen war. Am nächsten Sonntagabend nahm ich allen Wuth zusammen. Ter Vater hatte sich auf einige Augenblicke aus der uns bergenden Laube entfernt. Er wollte den Hut holen und mein Lieb chen, mit dessen Eltern er etwas zu de sprechen hättte, nach Hause geleiten. Ich führ einstweilen ganz verlegen mit dem Finger zwischen Hals und Kragen, als ob beides nicht zusammen paßte und stammelte etwa folgenden Antrag: Sieh mal, Gretchen, wenn wir stets beieinander bleiben könnten Tas kann geschehen, ehe Ia'3 denkst, j Marel. Aber werden wir uns denn j vertragen?" Tie Stimme schien vor j Rührung etwas zu zitiern, dann aber hörte ich wieder verhaltenes Lachen her aus. ja, antwortete ich. vertragen, würden wir uns. wenn Tu nur mit! dem Papa fertig wirft, weißt Tu, Und ganz Mann werdend, setzte ich hinzu: TaS braucht Tich eigentlich wenig zu kümmern; der hat uns nachher nichts zu sagen." Ia ertönte aus Margaretlein'S Munde schallendes Gelächter, sie stürzte auf mich zu, zwang mich, ihr sein Ge sich! zuzuwenden, und forschte. Ich glaube gar. Tu bist verliebt?" Sie wußte nicht, daß ich verliebt war! Das konnte ich, der ich für sie grzii tert und gcbebt hatte, nicht begreifen. Kein Wort bekam ich heraus, doch weinen mußte ich, jämmerlich weinen. Der Vater kam zurück und schalte mich armen Jungen und das nun eben salls verlegen gewordene Mädchen an, Nanu, Kinder! Was ist denn borge gangen?" . Ich sah nicht recht ans, doch vermihi ich, wie sich Margaretlein an des Batero Brust warf und ihm etwas in's Ohr tuschelte. Mein Vater lachte, Margaretlein war still, und ich weinte, weinte, bis der Vater zu mir kam und sagte: Sei vernünftig. Junge. Wir müssen, das habe ich Dir oft genug an gekündigt, eine Frau im Hause haben, Margaretlein soll sie werden, und zu gleich Deine neue Mama." Ich war so erstaunt, daß ich sogar das Weinen für ein Weilchen vergaß. Hinter meinem Rücken; nein, vor mei nen Augen. Tann kriegte ich vom Vater und von der neuen Mama" etliche Kliffe, die mir trotz der jämmerlichen Umstände sehr wohl thaten. Ich habe mein Unglück am selten Abend einer alten Magd gebeichtet, die in allen Erdenleid meine Vertraute ge wesen war. Für meine jetzige Noth hatte sie indeß kein Verständniß, viel mehr sagte die alte Jungser recht spitz findig: Sei nicht so dumm, schon an Liebe lei zu denken. Schau, wie alt ich bin. Wenn Kinder heirathen würde, wer sollte dann wohl Syrup lecken?" Da leckte ich keinen Syrup, weil ich kein Kind mehr, und heirathete nicht, weil ich noch kein Mann war. Geärgert hat's mich aber doch, daß mich gleich drei Menschen auf einmal in meiner Noth sitzen ließen. Ganz im Stillen möchte ich noch ver rathen, daß ich ans damaliger Zeit noch eine Sammlung von Liebesgedichten, einem Magaretlein gewidmet, habe: falls daher unter den Mädchen von heute ein Magaretlein märe, das mich möchte, so könnte dieses die bewußte Sammlung ja gleich erhalten. Pustcba Erfolg. Eduard Pusteback war Mitglied der Diideldummer Stadtkapelle und hatte als solches jeden Sonntag im Volks garten ein paar Solovorträge zu leisten, d. h. er mußte die verlaufenen Kinder ausblasen; diese Kunst hatte auch seinen ausgewachsenen College schon so man chen Schoppen eingebracht, die unreifen Kunstjllnger von der Pauke an auf. wärts bekamen natürlich nichts ab. Nun kündigte aber der Herr Kapell meister und Stadtmustkus während der Sommergartenzeit blos Militär Con zerte an; seine zumeist aus Musik-Eleven bestehende Kapelle machte dann Blech und Knllppelmufik ganz wie das Mili tär, und das fanden die Dudeldummer reizend. Darum ließ er es sich auch etwas kosten und trug dem Zeitgeiste Rechnung, der bei Militär-Conzerten Fanfaren-Musik verlangt; er beschaffte die nöthigen Instrumente, und unser Pusteback stand dann mit drei anderen gleich großen Musikanten in ansrechter Haltnng da und schmetterte in den Garten: Die Kuh brannte durch. Alle weg !" Tie dazu gehörige Mimik und Gymnastik hatten alle Vier ganz vor züglich 'raus,iUnd das gefiel den Dudel dummem na ob ! Eines schönen Sonntags halte sich nun wieder 'mal ein kleines Unglücks wurm verlausen: der jüngste Pauken schläger Musikanten dienen bekannt lich alle von der Pauke auf nahm dasselbe bei der Hand und stellte es dem Publikum vor. Pusteback wußte Be scheid: er ergriff die Trompete, trat hin ter die Gruppe und gab sein Kleinkin derbewahrungs Signal ab. Leider hatte er kurz vorher Fanfaren schmet tern lassen, und so zuckte die Gymnastik noch in seinem Arm: er setzte die Trom pete ab, um sie mit einem hörbaren Ruck lenlrechi gegen die Brust zu werie, er reichte dabei aber die Angftröhre deS vor ihm stehenden Paukengnomen und trieb sie ihm bis auf die Schultern hinab, bei welchem Unfall sie einen nicht wieder gut zn machenden, langen Riß bekam. Ter Erfolg war großartig, riesiger Beifall brach los und Puftedack konnte zufrieden sein. Sein Chef war aber weniger zufrieden: er mußte sür seinen Zögling einen neuen Cylinder beschaf fcn, und da bei solchen Kapellen die kleinsten Knirpse des Ausgleichs wegen die größten Rauchstöpsel haben müssen, so mar dies keine Kleinigkeit. Auch eine Prob. Wenn sich eine arabische Wittwe zum zweiten Mal tu verdciratben aedenlt. so geht sie vorher in dnnller Nacbt um Grabe des verstorbenen Gatten, beglei tet von einem Esel, der zwei Schläuche voll Waner tragt. Am Grade kniet sie nieder und bittet den Verblichenen, da er seine Einmilliauna u ibrer neuen Heirath geben möge. Kommt nun der also Anaerusene aus keinem Otabt nicht heraus, so gilt dies sIS Zustimmung. Die Wittwe gießt als dann das mitgebrachte Wasser als eine Art Tankopser über daS C!rab und reitet vergnügt auf ihrem Eicl räch Hause.