Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, October 29, 1896, Image 9

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    in Ruß,
E,N! (tiidjKau bfin :Holfiiimlai Jnol.
Auf dem Solder" (Ballon) des tlri
nen ä8itl)bslu(e im lorfe Grätsch saß
eine Sommerabends, zur Zeit, als
Grätsch och nicht modisch eingerichlet
war, ein junger Wiener Künstler. Er
hatte zwar sein Slizzenbuch vor sich, um
die umliegende Lanbschast im wechseln
den Lichte der untergehenden Sonne zu
zeichnen, doch gab er diese Zlbsicht aus
und ergötzte sich am süßen Nichtsthun.
Hatte er doch bereit der Skizzen genug
von Merans wundervoller Umgebung.
Nun sand er eS aiimntheiidcr, bei mit
dem Muskateller mit der liebreizenden
Gretel, dem Töchterlein der Wirthin,
zu plaudern. Das junge Mädchen wurde
nicht müde, die malerischen Vlroeiten fei
ner Hand anzustaunen.
Und da ist auch unser Kirchü!"
rief sie in ihrem herzlich klingenden
Dialekt. Mei wia ist dös oalls so
schön !"
Der Maler beobachtete sie mit warmen
Blicken.
Da hätte ich wenigstens eine begei
sterte Kritikern,!" sagte et lachend.
Weißt Tu. kleine Fee, es ist schade,
das, ich lein Porträtmaler, sondern nur
Landjchaster bin. Ich würde Dich
selbst malen und Dein Bild in die
Wiener Kunstausstellung senden. Das
wurde .Aller Augen entzücken, wie die
meinigen."
O, an mir ist doch nichts Besonde
res," erwiderte das Mädchen ini!beschei
den gesenkten Augen.
Blickst Du denn nicht manchmal in
den Spiegel, um zu sehen, wie schön Du
bist?" fragte er mit dem Ausdrucke voll
ster Aufrichtigkeit.
Ein glühende Erröthen kam auf
Gretel's Gesicht, sie wagte es nicht, zu
ihm aufzusehen.
Sie schmeicheln nur, Herr "
Wilbald heiße ich nenne mich so,
kleine Fee! Und sag' mir: hat Dir noch
nie ein Mann Aehnliches ausgespro
chen ?"
Was. Herr Herr Wilbald ?"
Daß Du das schönste Mädchen weit
und breit bist ?"
Ach. Herr...."
Na, sei mal aufrichtig, Gretchen,
wie ist's mit dem Saltner (Weinhilter),
dem schwarzäugigen Riesen? Ist das
nicht Dein Liebhaber ?"
Das junge Mädchen zupfte verlegen
an ihrer Schürze.
Die Leute sagen so," antwortete sie
befangen. Der Anton kommt oft her
und ist gut gegen mei Mntterl "
Und gegen Dich, wie? Du hast ihn
lieb ?"
Ich hab Niemanden lieb, als mei
Mutterl," erwiderte dasMädchen stockend
und dabei quollen ihr ein paar Thränen
aus den Augen hervor.
Der Maler, ein heißes Wiener Blut,
faßte ihre Hand.
Könntest Du wohl mich ein wenig
lieb haben, liebe kleine Fee ?"
Einen Moment erhob sie wie freude
strahlend ihren Blick und sah ihn lächelnd
an. Tann entzog sie ihm schnell die
kleine, von Arbeit rauhe Hand.
'Jetzt muß ich aber fort !" sagte sie.
Mutterl ist gewiß bös, . daß ich hier so
lange müßig plaudere." Rasch schlüpfte
sie daizon.
Aber eS währte nicht lange, da kam
sie wieder und machte einen kleinen,
sehr durchsichtigen Borwand, wie sie
schon oft gethan hatte, feit der kurzen
Zeit des Aufenthalts des Malers.
Denn wie mit Zaubergewalt zog es sie
zu dem jungen, einnehmenden Manne
hin, und nachdem er ihr deutlich zu
verstehe gegeben hatte, daß sie ihm
nicht wie jedes andere Mädchen sei, war
ihr schuldloses Herz an ihn gefesselt wie
mit tausend Ketten und Banden. Sie
war wirklich das schönste Mädchen unter
den Dörflerinnen weit und breit, beliebt
bei allen Burschen des Dorfes. Aber
keiner von denen war im Stande, ihr
so säße Worte zu sagen, wie der fein
geartete Großstädter, der doch kein
Modegeck war, sondern ein natürliches,
kraftstrotzendes Wesen an sich hatte.
Aber auch der Maler widmete dem
lieblichen Mädchen eine warme Zunei
gung, ohne daza zu kommen, sich die
ernsteren Folgen derselben vorzustellen.
Alle Bewohner des Torfes wurden ihm
vertraut, alle Burschen sahen scheel auf
ihn, und ganz besonders wurde ihm der
Saltner, der sich als Gretl's Verlobten
betrachtete, feindlich gesinnt.
Eines Tages war Gretel von ihrer
Mutter nach Meran gesandt worden,
um Einkäufe zu machen. Sie halte
dies dem Maler gesagt und er hatte
versprochen, ihr entgegen zu kommen
und sie nach Hause zu begleiten.
Der Saltner war im Dienst und be
obachtete Beide, als sie in traulicher
Unterhaltung den Weg hinauf kamen.
Plötzlich stand er vor ihnen. Seine
schwarzen Augen funkelten unter dem
phantastisch geschmückten breiten Hute
hervor, krampfhaft umspannte seine
nervige Faust die Hellebarde, während
seine Linke auf dem Griffe des Piftols
in seinem breiten gestickten Gürtel ruhte.
Der Maler sah nichts von seiner
Aufregung, oder wollte nichts sehen.
Er grüßte ihn mil heiterem Zurufe.
Freut mich. Sie zu sehen, Salt
ner !"
.Ich wollte Sie nicht sehen, Herr, son
dern das Gretf," engegnete Anton
finster.
.So ; nun, da ist sie !" versetzte der
Maler, einen Schritt zur Seite tretend.
.Und sie sprechen", setzte der Saltner
hinzu.
Der
Jahrgang 17.
Tann will ich nicht mehr stören
bemerkte der Maler lächelnd. Wenn
solch' ein Tapferer Sie geleitet, Gret
chen, sind Sie in sicherem Schutze. Ich
werde allem vorausgehen.
Das Mädchen blickte hiilflos auf ihn
und hätte ihn am liebsten zurückgehal
ten, aber sie durste ihre Empfindungen
nicht verrathe und der Maler entfernte
sich auch bereits. Absichtlich schritt der
Saltuer nur langsam des Weges, so
daß das Mädchen nach einigen Minuten
mit ihm allein war.
Was hast mir zu sagen, Anton?"
fragte sie, ohne ihn anzusehen.
Kannst Dir'S nicht denken?" ent
gkgnete er rauh. Fragen wollt ich
Dich, wnS hast mit dem s?tadtherrn?"
Mit wem?" fragte sie, sich verstel
lend, Ich mein' den Farbenkleckser! Will
er Dich etwa heirathen?"
Diese Frage gab ihr einen Stich in's
Herz. Heirathen! Noch mit keiner Silbe
hatte der Mann, den sie über Alles
liebte, eine solche Andeutung gemacht.
Harmlos war sie in einem eingebildeten
Paradies gewandelt, nun kam dieser
rauhe Dörfler und stellte mit derbem
Wort die Wirklichkeit vor ihre Augen.
Welches Recht hast Du, mich so zu
fragen?" entgegnele sie.
Mehr Recht wie er!" versetzte der
Saltner trotzig. Und wenn Du auf
meine Frage nicht antworten kannst,
wenn er Dich zum Narren hat und vor
allen Leuten zum Gespött macht, will
ich ihm das Genick brechen!"
Er hat doch Dir nichts gethan!" rief
sie mit bebender Stimme. Ist freund
lich und zutraulich zu Allen."
Ja. zu Dir, Thörichte!" stieß Anton
heftig hervor. Mag er bleiben, wo er
will ! Hier bei uns soll er den Frieden
nicht stören. Was willst Du mit ihm?
Laß diesen Gioßstädter. Gret'! Du
weißt, was ich Dir bin. Ich will jetzt
mit Dein' Mutterl sprechen und Dich
heirathen. So mach' ein End', Mäd
chen!" Ich kann Dich nit heirathen. An
ton," sagte das Mädchen mit unsicherer
Stimme.
Kannst nit wegen ihm?" fuhr er
auf.
Ich - ich hab' Dich nit lieb," ent
gegnele sie; nit so lieb, daß ich Dich
heirathen könnt."
Er schaute sie lange mit sinsterem
Ausdruck an.
Ist das Dein letztes Wort?"
Darüber, ja!"
Bedenk, was Du sagst, Gret'! Du
willst mich nicht?"
Nein," erklärte sie nun mit festem
Tone.
Der Saltner murmelte ein Fluchwort
vor sich hin, wendete sich um und verließ
das Mädchen. Ihr Gesicht war todten-
bleich geworden, ihr Herz war voll
Furcht und Pein. Sie besorgte, daß
der rachsüchtige Man ihrem geliebten
Maler ein Leid anthun könne.
Am andern Nachmittag sah sie den
Geliebte wieder. Sie saß allein auf
dem Solder und schälte Obst.
Nun, kleine $m" sagte er. Tu
stehst so blaß aus. Ist Dir das Zu
sammentreffen mit Deinem Berehrer
nicht gut bekommen?"
Ich hab' keine Verehrer, Herr," er
widerte rett leise.
Bin ich es nicht?" versetzte er. Bin
ich nicht mehr als das? Weiß ich nicht,
daß Tu die lieblichste Fee in LaurinS
altem Rosengarten bist, von der ich mich
nicht mehr losmachen kann?"
Ach. Herr...."
Plötzlich trat er ihr ganz nahe, nahm
ihren Kopf zwischen seine Hände und
küßte mit leidenschaftlicher Innigkeit
ihre Lippen. Ehe sie sich in holder er
wirrung seiner zu erwehren vermochte,
hörte sie mit Schrecken die Stimme
ihrer Mutter. Der Maler trat sogleich
zurück und lehnte sich über das Gelän
der, scheinbar mit Betrachtung der Ge
gend beschäftigt, aber die heraustretende
Wirthin, welche durch den Saltner arg
wöhnisch gemacht war, ließ sich nicht so
leicht täuschen. Gretel beugte sich tief
über ihre Arbeit, um ihr glühendes Ge
sicht nicht sehen zu lasten, doch dies ge
lang ihr schlecht.
Riesft nach mir Mutterl?" fragte sie
ohne aufzublicken. Auch ihre bebende
Stimme verrieth sie.
.Was schaffst hier so lange?" sagte
die Wittwe scharf. .Ist hier ein Ar
beitsplatz für Tich. oder ist der Solder 1
für die Gäste? Mach' Tich fort in die!
Küchcl. wy T' hing'hörst!" j
Tief betreten, ohne noch ein Wort zu j
sprechen, stand Gretel auf, nahm ihre ;
Schüssel und ihr Obstkörbchen und ent
fernte sich.
Die Wirtbin hatte sich vorgenommen, 1
dem Stadtberrn scharfe Worte zu sagen,
aber der Blick, mit dem er sie maß, i
schüchterte sie ein und sie zog sich stumm j
zurück. I
A.n nächsten Tage war Gretel nicht ;
, sehen. Ihre Mutter hatte sie weit!
Sonntagsgast
Bettage zum Nebraska Staats-Anzeiger.
fort auf die Alm gesandt, weil der
Saltn:r die Kunde von der Erkrankung
einer oben befindlichen Nichte der
Wirthin gebracht hatte.
Erst nach drei Tagen konnte Gretel
heimkehren. Es war mit der Erkran
kung ihrer Cousine gar nicht so schlimm
gewesen. Der Saltuer hatte absichtlich
übertrieben. Mit beflügelten Schritten
machte das Mädchen ihren Heimweg,
und immer schaute sie auf, ob sie den
Geliebten irgendwo sehen könne. Doch
sie sah ihn nicht. Und als sie in ihrem
Häuschen angelangt war, bekam sie ihn
auch nicht zu Gesicht. Einen Tag lang
hielt sie die Pein der Erwartung ans,
dann wurde sie kopfhängerisch und
bleich und wo sie ging und stand, war
sie wie in Träume verloren. Die Mut
ter sah es.
Schaust eh nach dem fremden Stadt
herrn aus?" sagte sie. Der ist fort,
und gut ist es. Hat eine Telegraphen
botschaft bekommen, daß er gleich nach
Wien reisen mußt."
Gretel taumelte wie betäubt zurück.
Und, Mutterl, hat er nichts hinter
lasten?" fragte sie mit stockendem Athem.
Nichts für mich?"
Einige Momente zögerte die Wirthin,
dann holte sie ein kleines Couvert vom
Sims.
Wenn D' so sehr danach verlangst
hier ist's, was er hinterlassen."
Gretel riß begierig das Couvert auf.
Ein kleines Billet lag darin, welches
folgendermaßen lautete:
Liebe kleine Fee! Gern hätte ich,
von hier abgerufen, Ihnen persönlich
Lebewohl gesagt. Es konnte nicht sein,
wie Ihre Mutter mir mittheilte. Ich
wußte auch nicht, wohin Sie gegangen
waren. Man verschwieg ä mir wohl
absichtlich. Ich sollte wohl Ihrem
Bräutigam nicht in den Weg treten.
Adieu denn und aus Wiedersehen!
Wilbald."
Gretel's Hände zitterten, als sie das
Billet zusammenlegte. Still ging sie
damit hinweg und ihre. Mutter blickte
ihr kopfschüttelnd nach,' Er hat ihr
was in den Kopf gefetzt", dachte sie.
Es war höchste Zeit, daß er sich fort
machte." Gretel empfand e'ne entsetzliche Leere
in und um sich. Einen so dürftigen
Trost wie dieses kurze Adieu, hatte sie
nicht erwartet. Und was sollte das mit
dem Bräutigam? Sie zermarterte ihren
Kopf mit Nachdenken und vermochte
dennoch nicht zur Klarheit zu kommen.
Der Saltner kam wiederholt in's Haus,
bedrängte sie mit seinen ernst gemeinten
Anträgen, und ihre Mutter lag ihr in
den Ohren, sie möge keine Thörin sein.
Der Saltner sei der tüchtigste Bursche
im Dorfe und weit umher, er könne eine
stattliche Frau aus ihr machen; und ob
sie denn ohne einen Ehemann alt wer
den wolle?
Gretel hörte das alles an, ohne daß
es Eindruck auf sie machte. Als aber
der Saltner mit aller Entschiedenheit
von ihr abgewiesen wurde und nun an
sing, sie mit dem feinen Stadtherrn
aufzuziehen, lernte sie ihn Haffen.
Andere Burschen im Torfe verspotteten
sie auch ; sie blieb einsam für sich, brü
tete und wartete. Hatte doch Wilbald
geschrieben : Auf Wiedersehen !"
Es vergingen drei Jahre. Der Land-
schaftsmaler Wilbald hatte sich mit einer
reichen Frau vermählt, und die reiche
Frau war von schwächlicher Gesundheit
Der Hausarzt rieth Meran zu langem
Aufenthalt. Selbstverständlich hatte
der beglückte Gatte die angenehme
Pflicht, seine Erwählte dahin zu beglei
ten. Im Hotel hatte sie König Lau
rin's Rosengarten" gelesen und da die
ganze wohlsituirte Welt von Meran ge
wohnt ist, den heutigen Rosengarten
deS Burggrafenamts, diesen schönen
sonnigen Gau. zu besuchen, so ging es
eines Tages hinaus nach Weffodrunn
und weiter nach Grätsch.
Sieh doch, Wilbald, mit welch bö
sem Blicke Dich der schwarze Mann dort
anschaut !" sagte in der Nähe des Tor
fes die Frau des Malers mit den Augen
zur Seite deutend. Diese Gestalt
könnte mich fürchten machen; wie ein
italienischer Bandit."
Der Maler blickte in der angedeute
ten Richtung. Er sah eiren finstern,
schlechtgekleideten, hohlwangigen Men
schen, in welchem er sogleich den ehema
listen Saltner Anton auch ohne die
Tracht eines solchen erkannte. Tann
lachte er gezwungen.
Banditen giebt es hier nicht, liebes
Kind. Sei unbesorgt! Der Mann
scheint betrunken zu sein. Was küm
mert er uns?"
Ader plötzlich wurden alle Erinnerun
gen an seinen früheren Aufenthalt in
ihm wach und eine unangenehme
Empfindung bemächtigte sich seiner,
durch vieles Reden und einen gewissen
Galgenhumor suchte er sie zu bannen.
Wa? hatte er denn Unrechtes gethan?
Mit einem hübschen Wirthsiöchterlein
gescherzt und geliebelt und sie einmal!
ein einziges Mal nur geküßt.
Das war ein wonniger Moment gewe
sen. Was weiter? Sollte er sich gar
deswegen das Herz schwer machen, das
in einem reichen Ehestande ruhiges Ge
nügen fand?
Mit energischem Fuß betrat er an der
Seite eines Weibes dasselbe Wirth
haus, in welchem er drei Jahre früher
so gern geweilt, denselben Balkon, auf
dem er mit der kleinen Fee gescherzt
hatte. Was mochte aus ihr geworden
sein? Würde er sie sehen und welches
Gesicht würde sie machen? War sie am
Ende doch die grau des !vianneS gewov
den, der, vielleicht aus neu erwachender
Eisersucht, ihn mit den Augen erdolchen
zu wollen schien? Es war ihm eine
förmliche Erleichterung, als er kein be
kanntes Gesicht, sondern eine fremde
Wirtinn sah. Er wagte nur keine
Frage zu stellen.
Nachdem beide vom Solder aus urn
geschaut und er seiner Gemahlin die
ihm bekannten Orte gezeigt hatte, sprach
er den Wunsch aus, seine Skizzen zu
einem Gemälde, welches er vorhatte,
einmal revidireu zu wollen. Zu diesem
Zwecke hatte er sich sein Malzeug nach
tragen lassen. Seine Frau erklärte,
einstweilen auf dem Ballon Siesta hal
ten zu wollen. Sie sei etwas erschöpft.
Ruhe süß!" sagteer, indem er sie
auf ihr goldenes Haar küßte. Dann
ging er.
Als er wiederkehrte und seine Frau
anblickte, war er betroffen. Es standen
ihr Thränen in den Augen.
Was ist Dir begegnet?" fragte er
besorgt.
Oh, nichts", erwiderte sie. Die
Wirthin hat mir soeben eine sehr trau
rige Geschichte erzählt, die sich hier zu
getragen hat. Sie war redselig und
wollte die Herrschaften" näher kenne
lernen, die ihr Haus beehrten. Als ich
ihr sagte, mein Mann sei ein berühmter
Maler, da erzählte sie mir, ein junger
Maler habe var drei Jahren hier ein
schweres Unheil angestiftet. Er habe
der Tochter der früheren Wirthin Liebe
in den Kopf gesetzt und versprochen,
wiederzukommen, sei aber nicht wieder
gekommen. Das arme Mädchen sei vor
Gram stillem Wahnsinn verfallen und
daran gestorben. Die Mutter sei ihr
vor einem halben Jahr in's Grab nach
gefolgt und der Bräutigam des jungen
Mädchens, sonst ein stattlicher Bursche
und Weinhüter, habe sich aus Verdruß
den Trunk angewöhnt und strolche nun
umher, ein Schimpf für alle Dorfbe
wohner." Sie blickte ihn an.
WaS sagst Du dazu?" fragte sie mit
Betonung.
Wilbald aber war minutenlang
sprachlos.
Ist es nicht schändlich?" fuhr seine
Frau fort. Drei Leben aus frivoler
Laune ruinirt! Wie muß das arme
unglückliche Mädchen gewartet und ge
hofft haben, ehe der Tod sie brach ! Lei
der konnte mir die Wirthin den Namen
des Malers nicht nennm. Ich hoffe,
es ist keiner von Deinen Bekannten.
Wen ich ihn kennte, würde ich ihm
meine Verachtung nicht vorenthalten.
Er hat feig und nichtswürdig gehan
delt; meinst Tu nicht?"
Ich ich" stammelte Wilbald. doch
gewaltsam raffte er sich zusammen.
Wer weiß, ob die Sache nicht anders
ist, liebes Kind", sagte er mit festerer
Stimme. Man kann nicht alles so
glauben, wie es Bauernverstand dar
stellt...." Aber der Tod der Tod sprach
doch Wahrheit !" rief sie heftig. Ach,
Wilbald, wie bedaure ich, heule hierher j
gekommen zu sein !' Die Geschichte wird ;
mich noch lange verfolgen und mir die
gute Kimmung Iruven. jtomni, las;
uns gehe !"
Der Maler folgte ihr wie ein Gerich
teter. Die Schalten der Todten gingen
mit ihm. Sie stellten sich noch lange
zwischen ihn und die Frau, die er statt
des armen Landmädchens heimgeführt
hatte.
Der INiinchhausen auf ZZiizen.
Der greise Wirth auf Stubbenkam
mer, bereits vor mehreren Jahren ge
storben, war eine berühmte Person in
Rügen und Vorpommern. Das Voll
nannte ihn den alten Lehrend"; er
war eine imposante Erscheinung, sechs
Fuß hoch, mit langem, weißem Bart,
dichtem Haupthaar und einem so vor
nehmen Benehmen und Wesen wie ein
Lord auS dem Oberhause. Seine Gäste
hatten bei ihm stets des Gefühl, als ob
er sie nur aus Höflichkeit bewirthe. Er
war ein gerader und zuverlässiger Phn
laltei, der a der Wahrheit hielt, Halle
er aber an der Tafelrunde seiner Gäste
den Ehreniitz eingenommen, dann kam
der Geist Münchhaufen'S über ihn und
er gerielh in das haarsträubendste Jä
gerlatein. Der trockene Humor und die
No. 24.
unbändige Lust am Hänseln brachen
mit unwiderstehlicher Gewalt bei dem
alten Herrn durch, und ohne Schonung
von Rang und Stand und ost gehör
ten seine, Gäste den höchsten Ständen
an band er ihnen Allen mit der ehr
barste Miene die fürchterlichsten Bä
reu auf.
Ganz zufällig, wie immer, begann
Lehrend eines Abends mit seinen Nach
barn ein Gespräch, und Anfangs ging
Alles höchst harmlos und glaubwürdig
zu ; er erzählte, daß der alte Messing
Theekessel aus dem Eckspiude noch ei
Geschenk vom Ezaren Peter dem Großen
an den kühnen Seeräuber Störtebecker
sei, dann von der Ledernen Kanone",
die der große Schwedenkönig Karl der
Zwölste auf Stubbenkammer zurückge
lassen habe, als er vom Königsstuhl aus
die Seeschlacht der dänischen und schwe
dischen Flotte beobachtete. Diese Ka
none sei einer der ältesten Hinterlader
und aus einer Reihe abgetragener Stul
penstiefel gefertigt worden, als den
Schweden bei der Belagerung von Slral
fund daS metallene Geschlitzmaterial
auszugehen begann.
Nun fingen die übcigen Gäste an,
aufzuhorchen, und erkundigten sich nä
her nach der merkwürdigen Lederkanone ;
bald beherrschte Behrend das ganze Ge'
spräch mit seinen merkwürdigen Mit
theilungen und Erfahrungen, die er in
seinem weltvergessenen Winkel gemacht
haben wollte. Große Sensation rief
seine Erzählung von den gezähmten
Seehunden hervor, die er in einem
Stalle an dem Fuße der Klippe dicht an
der Ostsee beherberge. Seine Seehunde
seien so gut dressirt, daß sie die ihm ge
hörigen Fischerboote an's Land zögen,
die Raubfische von den Lachsfüngen ver
jagten, die Häringe vom Meere in die
Slellnetze an der Küste trieben und ihre
eigenen ungezähmten Kameraden von
den Fifchgrllnden, denen sie als große
gi chräuder gefährlich werden, in die
Tiefe der Ostsee zurücktrieben.
Alle lauschten, von ehrlichem Stau-
nen füllt, und Behrend versprach
einem anwesenden Profeffor der Natur
künde, gelegentlich Alles schriftlich auf
zusetzen, damit es in einem fachwissen
schaftlichen Blatte veröffentlicht werden
könne.
Da erhob plötzlich ein kleines dicker
Herr mit, einem ungeheuren Borstenkopf
seine Stimme und sagte sanft, aber
nachdrücklich: Gezähmte Seehunde
das will noch gar Nichts sagen ich habe
zu Hause einen zahmen Lachs. Wenn
meine grau ihr Taschentuch in s Was
ser wirft und sagt : Hans, bring's
wieder," dann apportirt dieser Lachs so
fort das Tuch. Allerdings habe ich den
erst sehr scheuen Fisch von klein aus per
sönlich ausgepäppelt; er war nämlich im
zartesten Alter zur Waise geworden.
Jetzt ist er aber so zahm, daß er jeden
Morgen an unser Frllhstückszimmer her
anschwimmt wir wohnen nämlich dicht
beim Wo er mit der Ruckenflo e an
die Fensterscheibe klopst und sich seine
Kaffeesemmel ausbittet."
Einen Augenblick herrschte starres
Entsetzen an der ganzen Tafel, im näch
sten Augenblicke brach ein unbündiges
Lachen los; nur der alte Behrend stand
starr und stumm von seinem Armstuhl
aus, schleuderte einen wüthenden Blick
auf den fürchterlichen Konkurrenten im
Aufschneiden und sagte mit bebender
Stimme zu demselben: Mein Herr,
dann kennen Sie wohl auch die Geschichte
von den Aalen ?"
Ich weiß nicht welche," antwortete
höflich fein unerschütterliches 'iegenüber;
meinen Sie die. wie die Rügen Fi
scher wasserdichte Strümpfe ohne Naht
aus Aalljüuten gewinnen? Man fängt
zwei armdicke Aale, nagelt sie lebendig
mit dem Schwanz an einen Thür
Pfosten, macht den Aalen einen Schlitz
zwischen die Augen und kitzelt sie so
lange, bis sie durch diesen Schlitz leben
big aus der Haut fahren ; die zurück
gelassene Haut gibt sodann prächtige
wasserdichte Fischerftrümpfe ohneNaht."
Es war wohl das erste Mal, daß der
alle Bhrend seinen Mann gefunden
Halle, der ihm in Mllnchhausiadcn über
war. Einen Augenblick kämpfte noch
Aerger mit Lachlust in ihm, dann siegte
die Letztere und mit einem kräftigen
Faustschlag auf den Tisch fragte der alte
Herr seinen lustigen l'iegner, mit wem
er denn eigentlich die Ehre habe.
Mein Name ist Fritz Reuter," lau
tete die Antwort.
Nur wer da weiß, welche ungeheure
Volksthümlichkeit der berühmte platt
deutsche Dichter besonders unter den
Plattdeutschen genoß, kann sich denken,
w.'lch' freudige Aufregung losbrach bei
der Mittheilung, daß sie Fritz Reuter
unter sich Hütten. Der älteste Rothwein
und der feinste Ehampagner wurden
aufgefahren, und Behrend zog die
Spendirhosen" an.
Am nächsten Morgem fuhr der Fremde
früh ab. Natürlich wurde ihm keine
Rechnung überreicht. Als er fort war.
eilte Behrend zum Fremdenbuch, um
das kostbare Blatt mit Reuter'S Namen
unter t'ilaS und Rahmen zu legen.
Aber mit dem Ausruf : Herrgott, hat
der Kerl gelogen!" legte er still da
Buch wieder zur Seite ; den da stand
nicht Fritz Reuter, Schriftsteller au
Eisenach" d'ri zu lesen, sondern Fritz
Reuter Weinreisender ans Lübeck."
Abgerichtete Illigalore.
Eine in fast ganz Texa bekannte Per
sönlichkeit ist ein alter Ansiedler. Namen
Buck" StobbinS, der sich vor vielen
Jahren in dem Waldesdickicht in der
Nähe von Houston niederließ und des
sen Haupt und LieblingSbcschästigiuig
von jeher die Bärenjagd gewesen ist
und der eS wie Keiner versteht. Jagd
geschichten zu erzähle, wobei er, wie es
ja bei derartige Geschichte üblich und
erlaubt ist, sich ost meilenweit von der
Wahrheit entfernt. Nach seinen eige
nen Angaben hat er eilt halbes Jahr
hundert lang der Bärenjagd obgelegen
und in dieser Zeit genug Mitgliedern
der weitverbreiteten Familie Petz den
Garaus gemacht, um mit ihrem Fleisch
eine ganze Armee zu füttern.
Mag dem nun sein, wie ihm wolle,
nicht erfunden ist, wie wir aus zuver
lässiger Quelle wiffen, die Thatsache,
daß Farmer StobbinS", wie er ge
wohnlich genannt wird, ein Paar abge
richtete Alligatoren besaß, deren Gelehr
samkeit und Geschicklichkeit an das Wun
derbare grenzte. Diese beiden Saurier
wurden vor Jahren, als Stodbins' ein
ziger Sohn zehn Jahre alt war, von
diesem gefangen. Auch sie verlebten
damals noch die glückliche Jugendzeit,
die ihnen allerdings bald durch die Be
chränkungen in ihrer Freiheit, die ihnen
der junge Stobbins auferlegte, verdit-
lert wurde. Der Bursche kam auf die
originelle Idee, ihnen Ringe durch die
Nase zu ziehen und sie wie ein Paar
Ochsen einzuspannen. Mit Hülfe einer
Mistgabel gelang es ihm auch nach und
nach, sie seinem Willen gesügig zu ma
n. Der Knabe und die Alliaatoren
wuchsen zusammen auf und als der
junge Stobbins, zum Manne gereift.
vom Sumpffieber dahingerafft wurde,
hatten seine Lieblinge wohl schon eine
Länge von lg Fuß erreicht.
Farmer Stobbins nahm sich den Tod
seines Sohnes so zu Herzen, daß er sei
nen Kummer durch Schnaps zu ersticken
suchte, und je mehr er trank, desto mehr
ging es mit seiner Farmwirthschaft den
Krebsgang, bis schließlich sogar das
letzte Paar Ochsen durch die Gurgel"
gegangen waren. Nun war er rathlos,
wie er sein Feld bearbeiten solle; nach
langem Hin-und Hersinnen aber kam
seine treue Lebensgefährten Nancy auf
den gefcheidten Gedanken, es einmal mit
den Alligatoren zu versuchen, und siehe
da! es ging. Die Thiere wurden vor
den Pflug gespannt und verrichteten die
Arbeit so willig und gut, wie es die
Ochsen gethan. Weniger glaubhast
klingt es indeß, wenn der alle Stobbins
erzählt, daß er nach dieser glücklichen
Erfahrung sein Alligator-Gespann auch
dazu benutzt habe, mit seiner Nancq
nach der Stadt Houston zu fahren, um
Einkäufe zu machen, und wie Alles sei
nem wunderlichen Fuhrwerk respekt
voll ausgewichen sei, bis ihm in einer
der Hauptstraße der Stadt eine Cir
cusparade begegnete. Als die Pferde
vor dem Musikantenwagen das Amphi
diengethier rochen, wurden sie so wild,
daß sie durchbrannten und die Insassen
des Wagens in den Straßenstaub ab
luden, aber auch unter dem übrigen
Theil der Parade richtete das sonderbare
Zweigespann allerlei Unheil an, sodaß
schließlich eine allgemeine Panik ent
stand. Das Ende vom Liede war, daß
auch Farmer Stobbins die Controlle
über feine Alligatoren verloren, sodaß
dieselben in wildem Laufe davonstllrm
ten, bis sie die Bnffalo-Bai erreichten
und mitsammt dem Fuhrwerk in's
Wasser plantschten. Mit Mühe rettete
Farmer Stobbins sich und seine Nancy
vor dem Ertrinken, und von den Alli
gatoren hat er seither nichts wieder ge
sehen! Tcr humoristische Gerichts-,
lieber.
Ein Gerichtsvollzieher hatte in einem
Cafe im Nordpol in Berlin Alles, was
nicht niet- und nagelfest war. gepfändet
und abholen lassen. Der Beamte hatte
so gründlich ausgeräumt, daß in dem
Lokal weiter nichts verblieb als die nack
ten vier Wände. Dieser Tage erschien
wieder ein Gerichtsvollzieher, welcher
nichts Pfändbares vorfand als eine auf
dem Dache stehende Fahne. Tiefe de
fand sich aber in einem so abgenutzten
Zustande, daß sie die Pfändungstoften
nicht zu decken vermochte, und so ließ
der Gerichtsvollzieher die Fahne weiter
flattern, indem er sie als Zeichen der
Trauer über seine mißglückte Pfändung
auf Halbmast setzte.
Schnell gcsszt.
. Können Sie denn ack fvir
Baron, meiner Tochter eine gesicherte
Ezistenz bieten?"
Aber. Herr hommerzienrath, da
sraaen Sie ftbren iuliinflinn
Schwiegersohn?!"
ine ante Auinihrmiz.
Wahrend meines Landaufenthalts
bin ich mit meiner Familie in's Thea
ter in die Ränder" gegangen. Es
wurde so natürlich gespielt,
daß, als das Theater aus mar, meiner
Frau das Armband fehlte!"