(Ein Traum. r,;ii,l,mg von 'JlDolf Kincr. Im Januar des JahieS 187!' schiffte ich mich i Prniillue aus dcm vortreff' lichen Dampfer Niger" ein, um nach Montevideo zuriickzulchren, wo ich seit einigen Jahren in dem Veschä!tsl,ase des Herrn Ramon Pomcz die Stellung eine Korrespondenten bekleidete. Meine grundlichen Kenntnisse in der franzö fischen Sprache hatten Herrn Pomcz veranlaßt, mich trotz meiner Jugend ich war erst dreiundzwanzig Jahre alt mit einem geschäftlichen Austragc nach Paris zu senden, der eigentlich eine gesetztere Perso,ll,chl! ersoroerr ane. Die Angelegenheit war jetzt zur Zusrie. denheit meines lsä erledigt, und mit dem frohen Geslihle. daS in mich gefetzte Vertrauen gerechtfertigt zu haben, ging ich an Bord. Die ersten Tage unserer Fahrt, im Golfe von Biscaya und an der Küste Portugals, waren regnerisch und stür misch, so daß ich sast Niemanden von meiner Reisegesellschaft zu Gesichte be kam. Erst nachdem wir Lissabon der lassen, und das Wetter sich ausgeklärt hatte, kam Einer nach dem Anderen aus seiner Kabine heraus, um sich in der milden Friihlingssonne von den Strapazen der Uberstandenen Seekrank heit zu erholen. Wir bildeten eine ziemlich bunt zu sammengcwllrfelte Gesellschaft: Fran zoscn, Spanier, Portugiesen. Argenti nier. Brasilianer ich war der einzige Deutsche an Bord. Ans einer längeren Seereise entwickelt sich gewöhnlich bald ein familiärer Verlehr zwischen den Paffagiere. Die aus dem Lande so ängstlich beobachteten Rangunterschiede schwinden hier in dem Gedanken an die mannigfaltigen Entbehrungen und Ge fahren, die den vornehmsten wie den Geringsten in gleichem Maße treffen, und die Langeweile thut ein Uebriges, um die Reisenden zur Geselligkeit zu stimmen. So hatte auch ich mich bald einer Familie angeschlossen, die aus einer Argentinierin und ihren beiden Töchtern bestand. Das Haupt der Ja milie, Don Manuel Graciano, war in politischen Angelegenheiten plötzlich von Paras abgerufen worden, und da das Aufgeben des Hausstandes längere Zeit beanspruchte, war er mit einem früheren Dampfer vorausgereift, um m Monte Video seine Liebe zu erwarten. Dona Franziska war eine liebens würdige, etwas schmermiithig ange bauchte Dame von etwa fünfzig Jahren, die schon ganz Europa bereift hatte und mit Borliede von ihren vielsacyen ir lebniffen sprach. Elena, ihre jüngste Tochter, mochte ungefähr dreizehn Jahre alt sein. Sie war acht Jahre später als ihre Schwester auf die Welt gekom men und wurde noch immer wie ein kleines Kind behandelt. Sie verkehrte mit mir mit der ganzen Naivetät eines Backfisches, während Senora Graciano sich in der Rolle einer mütterlichen Freundin gefiel. Leider ging die Freundschaft dieser Beiden so weit, daß sie mich von früh bis spät in Anspruch nahmen und mir nur selten Gelegenheit gaben, mich Eduard, der älteren Toch tcr Dona FranziSka's zu nähern. Gerade diese aber, um es nur gleich zu sagen, war für mich der Hauptan ziehuugspunkt der Familie. Von mitt lerer Statur und zierlich schlankem Wüchse, besaß sie all lenen Liebreiz, der den argentinischen Damen in so hohem Grade eigen ist. Die frische rosige Farbe ihres feinen Gesichtes, die dunkeln gluthvollen Augen und ihr be zauberndes Lächeln hatten bald die Herzen sämmtlicher junger Leute an Bord entflammt. Jeder geizte dar nach, ein freundliches Wort von ihr zu erHaschen. Daß es mich unter diesen Umständen verdroß, saft nie einen Augenblick für sie übrig zu haben, war um so mehr begreiflich, als ich mit den scharfsehenden Augen eines Verliebten zu bemerken glaubte, daß sie für die Aufmerksamkeiten eines jungen Fran zofen. Monsieur Godin, nicht ganz un empfindlich war. Indessen tröstete ich mich damit, daß Tona Franziska ficht lich Gefallen an mir fand und mich in jeder Weife bevorzugte. Ich spielte die Geige leidlich, und Dona Franziska war eine recht ge wandte Pianistin; Abends nach dem Thee, wenn die meisten Passagiere sich in's Freie begaben, um die erfrischende Seeluft zu genießen, saßen wir Beide im Schissssalon und spielten Duette. Sehr häufig hatte ich die Freude, daß Eduard sich zu uns gesellte und an dächtig unserem Spiele lauschte ge dämpft wurde diese Freude allerdings durch die Thatsache, daß sie fast immer in der Gesellschast Mr. Godin'S er schien, der es nie versäumte, uns die ausgesuchtesten Komplimente Über unser Spiel zu machen. ES fehlten nur noch wenige Tage an unserer Ankunst in Montevideo, als Dona Franziska eines Morgens mit abgespanntem GesichtSausdrucke am ruhftückstische erschien. Auf unsere Frage, ob sie sich nicht wohl befinde, erwiderte sie, daß sie eine schlaflose Nacht gehabt und an Migräne leide. Den ganzen Tag über hielt dieser Zu stand an: zum ersten Male, seitdem ich sie kennen gelernt, saß sie stundenlang auf ihrem Schiffsftuhle, ohne ein Wort zu sprechen, bei jedem Geräusche zuckte sie nervös zusammen, auf unsere Fra gen gab sie zerstreute Antworten kurz, ihr ganzes Wesen war wie umge wandelt. Nach den, Abendessen setzte sie sich w gewohnt an's Klavier, mitten! im Sviele aber sprang sie auf und er klärte, die heiße Luft im Zimmer ersticke sie. Ednarda s Anerbieten, einen kpn ieraana mit ihr auf Deck zu machen, lehnte sie ab mit dem Vorgeben, daß sie allem sein wolle, um so mehr über raschle eS mich, als sie gleich darauf zu mir kam ud mich bat, ihr och etwas Gesellschaft z leisten. Wir beaaben uns nach dem Vorder, theil dcS Schisfes, wo wir 'eine Zeit lang schweigend nebeneinander gesessen hatten. Nach einiger Zeit unterbrach Tona Franzisla daS schweigen. Ich muß mit Ihnen sprechen, Ton Enrique," sagte sie, ein beängstigender Traum hat mich in der vergangenen Nacht ge quält ich fürchte, uns steht Schreck liches bevor Daher Ihre Aufregung?" fragte ich lächelnd. Hören Sie mich, bitte, ohne Unter brechung an," fuhr sie hastig fort; ich muß Ihnen ein Erlebnis? aus meiner Jugend erzählen, damit Sie einsehen, daß ich Grund habe, mich zu beunruhi gen. Es sind jetztLS Jahre her. Mein Mann war in Geschäften nach Rio Grande do Sul gereist und hatte mich zum ersten Male seit unserer Ver heirathung mit meinem Sohne Ricardo, der damals zwei Jahre zählte, allein gelassen. Wenngleich die Trennung nur vier Wochen dauern sollte, fiel uns Beiden der Abschied unendlich schwer es lag wie ein Vorgefühl künftigen Unglücks auf uns, besten wir uns vergebens zu erwehren suchten. Schon nach vierzehn Tagen erhielt ich einen Brief von meinem Manne, worin er mir mittheilte, daß sein Aufenthalt sich wahrscheinlich auf mehrere Monate ausdehnen würde, und da, wie er schrieb, die Sehnsucht nach uns ihm alle seine Ruhe und Thatkraft raubte, bat er mich, ihm nachzureisen und den Win ter mit ihm zusammen in Rio Grande zu verleben. Natürlich ging ich mit Freuden auf seinen Vorschlag ein und begab mich alsbald an Bord des kleinen Küstendampfers Paraguay", der ge rade zum Auslaufen bereit im Hafen lag. Tiefe Reise schien ohne Unfall zu verlaufen, das Wetter war schön, ein leichter Südwind beschleunigte unsere Fahrt, und schon nach wenigen Tagen verkündete uns der Kapitän, daß wir nur noch vierundzmanzig Stunden von unserem Bestimmungsorte entfernt seien. Ich erinnere mich deutlich, mit welch' freudigen Gefühlen ich mich an diesem Abend zur Ruhe begab. Lange noch lag ich in meiner Koje wachend, meinen kleinen Ricardo im Arme, im mer nur an das baldige Wiedersehen denkend, das ich mir mit den lebhaf testen Farben ausmalte. Endlich schlief ich ein. Gegen Morgen erwachte ich in Schmeiß gebadet und an allen Gliedern zitternd; ch hatte geträumt, da ein wüthender Orkan uns kurz vor der An kunft überrascht und unser Schiff gegen einen Felsen geschleudert habe. Mit entsetzlicher Natürlichkeit hatte, ich alle Schrecken eines Schiffbruches durchlebt. Ich bedurste einiger Augenblicke, um zu mir zu kommen, denn ein betäubender Lärm machte mich unfähig, klar zu den ken. Endlich ermannte ich mich und öffnete die Thür meiner Kabine. Welch' ein Anblick bot sich mir dar! In gren zenloser Verwirrung stürzte Alles durch einander. Aus den hastigen Reden der Leute entnahm ich, daß ein Sturm ausaedrochen, daß unser Schiff auf einer Sandbank läge, und keine Hoff- nung vorhanden sei, es wieder flott zu machen. Tona Franziska hielt erregt mm; die Erinnerung an jene Schreckensnacht hatte sie Uoerwältigt, sie svrang auf und schaute mit entsetzten Blicken auf die See hinaus, die in erhabener Ruhe vor uns lag. Verzeihen Sie," fuhr sie fort, bei dem Gedanken an all' das Schreckliche, das ich erlebt, gerathe ich noch heute außer mir. Ich will Ihnen nicht die Einzelnheiten der Katastrophe schildern es genüge Ihnen, daß ich meinen Traum verwirklicht sah. Bis auf den kleinsten Umstand erfüllte sich, was ich auf so sonderbare Weise schon einmal durcherlcbt. Vierundzwanzig Stunden lag ich hoffnungslos aus dem Wrack, meinen Kleinen ängstlich an mich pres send, bis die langersehnte Rettung ein traf." Und wie geschah das?" fragte ich. Unser Schiffbruch hatte dicht vor dem Hasen stattgefunden; vom Lande aus hatte man unsere Nothschüsse ge hört und war zu unserer Hilfe herbei geeilt. Am anderen Tage hatte ich das Glück, meinen Mann zu umarmen, der uns schon verloren gegeben hatte und in Sorge und Angst fast vergan gen war." Wieder trat eine Pause ein. Ihre lebhaste Schilderung hatte mich wider Willen ergriffen. Es fröstelte mich trotz der warmen Abendluft; ich trat an den Rand des Schiffes, um mich durch den Anblick des wellenlosen MeereS zu über zeugen, daß wir ein ähnliches Unglück nicht zu befürchten hatten. Der Mond war ausgegangen und verbreitete sein mildeS Licht über die unendliche Waifer fläche, geräuschlos durchschnitt das Schiff den Öeean, nur am Bug leicht schäu mende Wellen erzeugend, auS dem Zwischendeck erschallte leise ein fröhlicher Gesang zu unS herauf AlleS athmete Ruhe und Frieden. War eS möglich, daß dieses selbe Element in zügelloser Wuth ein Schiff zu Atomen zerschmet tern konnte? Wie eine Antwort aus meine unau! gesprochene Frage klang es mit unbeirrt! licher Ruhe von Dona Franziska Munde: Wir werden Montevideo nicht wiedersehen, Was veranlaßt Sie zu dieser Prophezeihung?" fragte ich erschrocken. Mein Trauin der vergangene Nacht," erwiderte sie. Wie vor 25 Jahren, sah ich auch diesmal unser chrn dem Untergänge preisgegeben." Wie könne Sie einem Traume solche Bedeutung beilegen?" srngte ich. mich zu einem Lächeln zwingend.' Tusi Ihnen die lange fei e, der An, blick des Meeres gerade jetzt, kurz vor der Ankunst. Ihr schreckliches Erlebniß wieder in's Gedächtniß zurückrust ; daß der Gedanke daran Sie selbst im Schlase nicht verläßt ist daS nicht natürlich? Weshalb wollen Sie sich durch eine so leicht erklärliche Thatsache in Angst und Schrecken setzen lassen?" Ich habe seither manche Seereise ge macht und bis zur vergangenen Nacht nie wieder einen solchen Traum ge habt", ersetzte Tona Franziska ner vös. Weil die äußeren Umstände der schieden waren", beruhige ich sie. Diesmal ist Ihr Gatte vor Ihnen sortgereist und erwartet Ihre Ankunft oll Ungeduld, gerade wie vor fünf undzwanzig Jahren; die Aehnlichkeit der Sachlage ist es, die Sie erregt und Ihre Nerven in Aufregung bringt! Lassen Sie das nutzlose Grübeln und ersuchen Sie zu schlafen der mor gige Tag wird Ihre Besorgnisse zer streuen." Ich wünsche, daß Sie Recht behal ten", antwortete sie tonlos. Es nützt auch nichts, über die Wahrscheinlichkeit meiner Befürchtung zu streiten. Es ist spät geworden ; wir wollen zur Ruhe gehen. Gute Nacht." Sie gab mir die Hand und ging in ihre Kabine. Auch ich begab mich nach unten und legte mich in mein Bett. Die Erzüh lung Dona Franziska's beschäftigte mich noch einige Zeit, ohne mir jedoch sonderliche Unruhe zu verursachen. Im ersten Augenblick hatte ihre unheimliche Prophezeihung allerdings einen be ängstigenden Eindruck auf mich ge macht; bei ruhiger Ueberlegung aber überwand ich denselben bald. Das Schiff ging geräuschlos je auf einem Flusse, alle Anzeichen deuteten auf gutes Wetter hin weshalb also mit einem Schreckensbilde mich quälen, das nqer nur einer nervös erregten Phan taste entsprungen war I AlS ich am anderen Morgen erwachte. war dennoch mein Erstes, an das Kajü tensenster zu eilen und nach dem Wetter zu sehen. Ein undurchdringlicher Nebel umgab uns. In kurzen Zmischenräu men hörte ich die Dampspseise ertönen. zur Warnung für andere Schiffe, die sich möglicherweise in unserer Nähe be fanden und ebenso wie wir, an einem freien Ausblick gehindert waren. Als ich an den Frllhslllckstisch trat und die Familie Graciano bearükte. sagte Tona Franziska nur das eine sllr mich verständliche Wort; Heute! Ich lächelte, konnte mich dabei aber nicht eines unangenehmen Gefühles er wehren. Die übrige Tischgesellschaft war in der heitersten Stimmung. Der Kapi tön hatte ihnen gesagt, daß das Wetter sich gegen Mittag aufklären würde, und er bestimmt darauf rechne, um fünf Uhr cm anderen Morgen in Montevidio einzulaufen. Nach zwölf Uhr kam die Sonne wirk kich zum Vorschein, ein Windstoß ver agte den Nebel, und nach wenigen Mi nuten strahlte der Himmel im herrlich ften Blau. Ich konnte mir die Genug thuung nicht versagen, zu meiner Freundin zu gehen, um sie zu fragen, ob sie noch immer an ihren Traum denke. . Haben Sie schon einen Pampero aus See erlegt?" fragte sie mich ruhig. Ich verneinte. Nun denn," fuhr sie fort, so lassen Sie sich belehren, daß diese gefährlichen Stürme fast immer ohne vorherige Anzeichen bei heiterem, wol kenlosem Himmel ausbrechen. Inner halb vierundzmanzig Stunden werden Sie Gelegenheit haben, sich von der Wahrheit meiner Behauptung zu über zeugen." Meinetwegen", lachte ich, in vier undzwanzig Stunden hoffe ich schon längst auf dem Lande zu fein." Wir werden Montevideo nicht wie dersehen," war AlleS, was sie erwiderte. Ich wandte mich ärgerlich von ihr ab ; dieses eigensinnige Festhalten an ihrer sixen Idee verdroß mich und beunruhigte mich zu gleicher Zeit. Ich mied es, mit ihr allein zu fein, und da auch sie meine Gesellschast nicht suchte, war es mir zum ersten Male während unserer Ueberfahrt möglich, mich Eduard zu nähern, die heute freundlicher als je zu mir war. Ich unterhielt mich lange Zeit mit ihr und wurde von ihrem liebenswürdigen Wesen so Hingeriffen, daß es mir schwer wurde, ihr meine Neigung zu verder gen. Wie sehr bedauerte ich, daß unsere Reise sich schon so bald ihrem Ende nahte ! Ich nahm mir fest vor, gleich nach unserer Ankunft in Montevideo die Familie zu besuchen, und theilte Eduard meine Absicht mit. Sie ermunterte mich mit einem freundlichen Lächeln und versicherte mir, daß ihr Vater ge wiß erfreut sein würde, mich kennen zu lernen. Ueberglllcklich verließ ich sie. Für den Abend war ein Abschiedsfcft verabredet. Nach dem Thee versammel ten sich alle Paffagiere im Salon, um zum letzten Male in geselliger Fröhlich keit beisammen zu fein. Die Eham Pagnergläser klangen, wieder und im mer wieder wurde auf unsere glückliche Fahrt aiigcstoßen, die auch nicht von dem kleinsten Unfall getrübt worden war. Um elf Uhr begaben sich die Da men zur Ruhe, während die Männer mich dein Rauchzimmer gingen und dort noch trinkend und singend zusammen blieben. Als sich Tona Franziska von mir verabschiedete, sagte sie: Ai!f Wie dersehen!" und fügte leise hinzu: Heute Nacht!" Bei dieser unheiinlichcn Mahnung Überlief es mich kalt einen Augenblick kam es wie eine Todesahnung über mich, ber die nächsten Gläser Eh.irn pagner verscheuchten nieine trüben Ge danken. Mitternacht war, längst vorbei, als Einer nach dem Anderen ausstand, ihn seine Koje auszusuchen. Auch ich wollte mich erheben, fühlte aber, daß der reichlich genossene Ehainpagner nicht ohne Wirkung geblieben war. Ich vermochte mich nicht zu erheben. Den Kopf in die Hände gestützt, mochte ich wohl eine Viertelstunde allein im Saale gesessen haben, als ein dum pfes Brause mich stutzig machte. Schon vorher hatte ich bemerkt, daß das Schiff nicht mehr seinen ruhigen Gang hatte, jetzt aber begann plötzlich ein Stoßen und Schaukeln, daß die Gläser vom Tische rollten. Im Augenblick war meine Weinlnune verflogen. Ich eilte auf Deck, wo ich die Bemannung in fieberhafter Thätig keit fand. Was mir vor einer Stunde noch undenkbar geschienen, war einge treten: ein wüthender Pampero hatte uns überrascht und trieb das Schiff mit unwiderstehlicher Gewalt gegen die nördliche Küste des La Plata. der hier an der Mündung eine Breite von mehr als hundert Meilen hat und sich nur durch die trübe Farbe seines Waffers vom Ocean unterscheidet. Vergebens keuchte die Maschine gegen die mächtige Wallerinenge an; der Anprall war zu heftig und unerwartet gekommen. Der Sturm pfiff heulend durch das Tauwerk und peitschte die Wellen ungestüm gegen das schwankende Fahrzeug, das sich jetzt haushoch erhob, um im nächsten Augen, blicke wieder in den kochenden Schaum zu versinken. Mit unsäglicher A, strengung gelang es mir, in die Nähe der Kommandobrücke zu gelangen, wo der Kapitän in eifriger Berathung mit seinen Cmueren land. Bon Ant zu Zeit hörte man die eintönigen Rufe des Matrosen, der vorne am Bug das Senkblei in das Meer warf, um die Tiefe des Fahrwassers zu messen. Acht Faden!" schallte es jetzt, und gleich darauf: Zwölf Faden!" Ich athmete beruhigt auf; wir schienen uns von den drohenden Riffen zu entfernen Zwanzig Faden!" Der Kapitän nickte befriedigt mit dem Kopfe. ..Achtgaben!" Vier Faden!' Ter erste Offizier stürzte erschrocken an das Sprachrohr, um dem Maschm,, stcn ein lautes Rückwärts!" zuzurufen z spät ! Ein furchtbarer Krach er, schüttelte das Schiff: der Bug senkte flcy, er Hintertheil des Dampfers erhob sich über das Meer, schwebte einen Augenblick frei in der Luft und fiel dann schwerfällig wieder in's Wasser zurück. Wir waren auf eine Klippe gerannt, die sich tief in das machtlose Fahrzeug hineinbohrte und es mit ge waltiger Krast sesthielt. Jetzt stürzten alle Paffagiere verzwei felt auf's Deck; es herrschte ein unbe schreibliches Durcheinander nur zwei Menschen hatten ihre Fassung bewahrt: der Kapitän und Dona Franziska. Ruhig ging diese auf den Kommandan ten zu und fragte ihn, ob das Schiff zu retten sei. Auf seine verneinende Ant wort sah sie mit nachdenklichen Blicken um sich, als ob sie die schreckliche Gegen wart mit ihrem Traume vergliche, dann wandte sie sich zu mir und sagte: Nun müssen wir sterben, Ton Enrique es ist Alles gekommen, wie es kommen mußte." Ich starrte sie an, unfähig, ein Wort zu sprechen, der Schreck hatte mich ge lahmt, Ta erblickte ich Eduard, die ihre Schwester weinend - umschlungen hielt. Ihr Anblick gab mir meine Kaltblütigkeit zurück, mit einem Sprunge war ich an ihrer Seite. Muth!" rief ich ihr zu. noch ist nicht alle Hoffnung verloren, wir sind in der Nähe des Landes!" An die Boote!" erklang des Kapi tänS befehlende Stimme, und seiner Weisung gemäß füllte sich das Fahrzeug mit den Frauen, unter ihnen Senora Graciano, die in der allgemeinen Ver wirrung von ihren Töchtern getrennt wurde. Eduarda und Elena wollten ihr sollen, aber der befehlende Offizier hielt sie zurück. Das Boot ist voll stoßt ab!" schwie er den Matrosen zu, die daS Ruder erhoben, um vom Tarn pfer abzustoßen. Jetzt hörte ich Tona Franziska's Stimme, die mir zurief: Sorgen Sie für meine Kinder!" Bis zum letzten Athemzuge!" schrie ich zurück und empfing Eduard, die mir ohnmächtig in die Arme sank. Das Boot stieß ab, wurde aber so gleich von dem kreisenden Strudel fort- gerissen, die Mannschaft kämpfte mit der Kraft der Verzweiflung gegen die Brandung umsonst ! eine Woge, die sich mit reißender Schnelligkeit heran wälzte, schleuderte das Boot in die Höhe und begrub es dann in die wild schäu mende Fluth. Ein Schrei deS Entsetzens entrang sich den an Bord Zurückgebliebenen die letzte Hoffnung auf Rettung war bei diese, Anblick aus jeder Brust ge wichen. Plötzlich fühlte ich mich von hinten gepackt. Lassen Sie das Mädchen loS!" schrie eine heisere Stimme. Ich ließ Eduard auf das Deck glei te und wandte mich um. Vor mir stund Mr. Godin mit zorneiitstellten, Gesichte. Fort von hier! Sie ist ,ei! rief er und vernichte, mich zur Seite zn stoßen. Ich stellte mich ihm entschlossen gegen über. Mir hat die Mutter sie anver, traut so lange ich lebe, werde ich sie nicht verlassen," jagte ich. Nun denn," entgegnete er, ich ent bebe Sie Ihres Versprechens." und mit Blitzesschnelle zog er einen Revolver und zielte auf meine Brust. Ta geschah etwas Unerwartetes. Eduard, die wieder z sich gekommen war, stürzte ans ihn z und versuchte es. ihn, die Waffe z entreißen; der Schuß ging los, ohne Jemanden zu verletzen. Im nächsten Augenblick lag Eduarda an meiner Brust und um klammerte mich ängstlich. Schütze mich vor diesem Menschen." ries sie, Dich liebe ich, Dich allein!" Godin raste. Inmitten all' der Schrecken, die uns umgaben, Angesichts des entfesselten Elements, das uns zu verschlingen drohte, entspann sich ein verzweifelter Kampf zwischen uns Beiden. Keuchend vor Wuth und Anstrengung gelangten wir an den Rand des Schif seS; mit einer Kraft, die ich mir selbst nie zugetraut hätte, hob ich nieinen Feind in die Höhe, ihn in's Meer zu schleudern, aber ehe ich mein Vor haben ausführen konnte, legten sich zwei kräftige Arme um meine Schultern und rissen mich zurück. Machtlos, mich dieses neuen Angriffes zu erwehren, ließ ich Godin los, der halb belaubt zur Seite taumelte, schüttelte mit einer letz ten Anstrengung meinen unbekannten Gegner von mir ab, wandte mich um und blickte in das lächelnde Gesicht deS Stewards, der mich freundschaftlich an den Armen festhielt und mich sanst rüttelte. Senora Graciano wartet draußen, um sich von Ihnen zu verabschieden." Ich sah mich um. War es möglich? Ich lag auf einem Sopha des Rauch salons das Schiff stand still, und durch die Fenster erblickte ich Masten und Wimpel und in der Ferne die Stadt mit ihren bunten freundlichen Häusern, die im Sonnenschein glänzten. Wo bin ich?" fragte ich, mir die Augen reibend. Im Hafen von Montevideo," er wwerie lacheno ver lsiewaro. ,ate schliefen so fest, daß es uns unmöglich war, Sie zu wecken, um Sie in Ihre iiavme zu bringen, feie scheinen leb, hast geträumt zu haben." Dona Franziska lebt also?" fragte ich immer noch nicht meinen Sinnen trauend. Ja, woll ei Tank!" riet eine Stimme, die meiner Freundin, Senora Graciano, anzugehören schien. Ist's erlaubt, näher zu treten?" Ich prang erschrocken in die Höhe und ordnete in litte meinen etwas ver wahrlosten Anzug. Gestalten Sie mir, Ihnen meinen Mann vorzustellen !" sagte sie lächelnd; und sich an einen stattlichen Herrn wen dend, der mit ihr in das Zimmer getre ten war, fuhr sie fort: Das ist Don Enrique, der junge Deutsche, von dem ich Dir erzählt und der uns so treu Ge- sellfchaft geleistet hat." Ich suchte vergebens nach Worten. Dona Franziska nahm mich zur Seite. Verzeihen Sie mir," sagteste, daß ich Sie mit meinen trüben Ahnungen ge quält, die sich glücklicherweise als unbe gründet erwiesen haben. Tasllr sollen Sie auch jetzt der Erste sein, dem ich ein freudiges Familienereigniß anvertraue: meine Tochter Eduarda hat sich mit Herrn Godin verlobt, den sie, wie ich erst jetzt ersahren habe, schon von Paris her kannte. Denken Sie nur," fuhr sie lachend fort, während wir ahnnngs los mufizirten, haben sich die beiden Herzen gesunden. Jetzt trat Eduarda mit ihrem Vorlob ten zu mir und schüttelte meine Hand herzlich. Wir sind Ihnen so dankbar !" sagte sie schalkhast lächelnd. Wer weiß. ob wir obne sie jetzt so glücklich wären. Nicht wahr, Sie werden uns ost be suchen?" Ich weiß nicht mehr, was ich erwi derte; als die Familie einen Augenblick später daß Schiff verließ, und ich zur Besinnung kam. hatte ich nur das Ge sühl, eine ziemlich traurige Figur bei dieser Abschiedsscene gespielt zu haben. Der Gentleman. Humoreske von Georges Ciiriol rCaiiS). Es waren einmal einmal ist nicht immer zmeiHerren; der eine war rother Gesichtsfarbe und schauderhaft kahl köpsig; der andere bleich und skandalös struppig. Ter dicke Kahlkopf kam eines Mor genS zu dem behaarten Blaßgeficht, ver beugte sich zu dem Innern seines Hutes. als wollte er die dort ausgeklebten An sangsbuchstaden seines Namens in Augenschein nehmen und sprach: Mein Herr, ich habe die Ehre. Sie zu begrüben." Mein Herr, erwiderte der Strup pige, den haarigen Schmuck seines kopfei schüttelnd, .ich bin. wie man so sagt, entzückt Sie zu bemerken, doch Kotz der Freude, die ich empfinde, Sie in blühender Gesundheit zu sehe, muß ich Ihnen gestehe, daß Sie mich au einer großen Verlegenheit befreie würden, wenn Sie mir den Zweck Ihres Be sucheS aiiseinaudersetze wollten." Damit schob er ihm einen Stuhl hin, Der Andere setzte sich, ließ als Ein. leitung dc Stuhl i seinen Fugen er beben und fuhr fort: Sie habe jedenfalls schon von mir gehört?" Ich gestehe Ihnen mit der größten Zerknirschung, daß der Ruf Ihres Namens und Ihrer Bedeutung noch nicht bis zu mir gedrungen ist. Wenn das Gerücht in der Minute 310 Meter wie man behauptet durchläuft so nehme ich also an, daß Sie mindestens in Ehina wohnen." Durchaus nicht, ich wohne in der Rue de la Paix". Hiibsche Gegend, mein Herr, sehr hübsche Gegend. Und was thun Sie, wenn die Frage nicht unbescheiden ist, in der Rue de la Paix?" Mein Herr, ich bin Schneider, und ohne mich zu rühmen, daß ich der erste Schneider von Paris bin, wage ich doch zu behaupten, daß ich kein gewöhn licher Schneider bin; denn ich bin auch Ihr Schneider." Mein Herr, Sie sind sehr liebcns würdig, daß Sie mich aufgesucht haben; doch wahrhastig, augenblicklich brauche ich gar nichts !" Sie irren, mein Herr! Wenn ich Sie ausgesucht habe, so geschah eS, weil ich gerade etwas brauche. Mit einem Wort, mein Herr, ich komme m Geld,. .." Mein Herr," erwiderte der Behaarte mit liebenswürdigern Lächeln, ich bin bereit, Ihnen mein letzleS Hemd zu überlassen, sobald ich es ' von der Wäscherin zurückerhalte, doch ich habe nicht die geringste Summe zur Ver sügung. Sie sehen mich entsetzt, aber ich kann Ihnen diesen Monat nichts geben." Also immer noch dieselbe Ge schichte?" Der Refler der Liebenswürdigkeit, der das Gesicht des Haarigen bis zu diesem Bugenblick verklärt hatte, ver schwand plötzlich bei diesen Worten und er fragte trocken: Was für eine Geschichte?" Ich sage ganz einfach: immer die selbe Geschichte! Ich nehme an, Sie verstehen mich?" Nein, mein Herr, ich verstehe Sie durchaus nicht. Vielleicht mangelt eS mir an Divmationsgabe, doch ich weiß nicht, von welcher Geschichte sie sprechen. und eben so wenig kenne ich die übrigen Geschichten, auf die Sie anspielen." Verzeihung, mein Herr; ich spiele nicht an!"' Sie thun es doch!" versetzte der Blasse; Sie thun es doch, mein Herr; ich bin ein Gentleman, und ich gestatte picht, daß mir eine Schneiderscele in meiner eigenen Wohnung auf den Fuß tritt nicht einmal mit Worten. Ich sage Ihnen, es ist mir in diesem Monat nicht möglich! Das ist klar und deut lich; oder genügt Ihnen das nicht?" Er machte zu diesen Worten eine äußerst strenge Miene, kreuzte die Arme, hob sich ans den geben und fragte: Oder zweifeln Sie etwa an meinen Worten? Glauben Sie vielleicht, ich werde Ihnen diese elende Summe nicht bezahlen?" Ich bin durchaus nicht unruhig," erwiderte der rothbäckige Schneider mit schwacher Stimme, ich weiß, Sie sind ein Gentleman; doch ich muß Ihnen bemerken, daß Sie mich seit bald einem Jahr umsonst hierher laufen lassen. Jedes Mal, wenn ich Ihnen meine Rechnung vorzeige, antworten Sie: ES ist mir in diesem Monat rein unmög lich. Ihnen etwas zu geben. Tag geht nun schon seit neun Monaten." Als die blasse, struppige Persönlichkeit diese Worte gehört, schien sie sich etwas zu beruhigen und sagte: Mein Herr, an dem Tage, an dem ich Ihnen Geld versprechen werde, werde ich Ihnen auch welches eben. denn ich bin ein rechtschaffener, korrekter Mann, ein Mann von Wort. Wäh rerid dieser neun Monate, sagen Sie selbst, habe ich Ihnen erklärt, ich würde Ihnen nichts geben. In Folge dessen bin ich neun Monate meinem Ver-, sprechen treu geblieben Oder habe ' ich mein Wort auch nur ein einziges Mal gebrochen?" Nein...." Nun also! worüber beklagen Sie sich dann?" Guter Na,,,. Einem etwas zaghasten Jüngling, der zu ängstlich war, um hinsichtlich ei ner Lebensgefährtin die entscheidende Wahl zu treffen, gab ein erfahrener Freund folgende Rathschläge: Wenn Sie sich beweiben wollen unv mit Ihrer Wahl noch nicht im Reinen find, so be folgen Sie diesen Rath : 1. Von zwei jungen.'gesangkundigen Damen nehmen Sie die, welche Alt fingt sie wird auch in der Ehe nicht immer die erste Geige spielen wollen. 2. Veraessen Sie bei Ihrer Angebetenen einen zerrissenen Handschuh ; giebt sie Ihnen denselben sauber geflickt wieder, so wird sie eine gure HauSsrau sonst laen sie ad von ihr. 3. Paffen Sie auf. ob sie einen Knoten durchschneidet oder ihn aufkno tet. Thut sie das letztere, so wird sie in Geduld auch alle Wirrnisse der Ehe zu lösen im Stande sein. Und nun .Glück aus zur Wahl!"