Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, October 22, 1896, Image 11

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    3ronic des Schicksals.
Vtiöt)1uitfl von D. E.
Kuf einer giifiteiff durch Thüringen,
wobei ich mich absci,z der vielbetretenen
Touristepf,ade hielt, kam ich eines Stock)
mittags bei Hi'inusireten ans einer
anmulhigen , Mlduug auf einen der
schönste ftlee.i Erde, die mir noch ans
Meiner Weltwanderung anfgestoiien find.
In dieser Landschaft schienen sich alle
dem schonen Thüringen eigenthumlichen
Vorzüge z einem ganz besonders reiz
vollen Bilde vereinigt, ja gewissermaßen
erdichtet zu haben und Feld und Wiese,
sanstgeschwungene Httgelreihen, klare
Bäche und grünende Laubwälder ver
einigten sich zu einem Ganzen, wie man
ti anheimelnder wohl selten antrifft.
Ein besonder anziehender Punkt in
dem Gesammtdild war ein mehr Villen
als schloßartigeS Herrenhaus, das in
mitten, eines schattigen GartenS zu lie
gen schien. Ein vorübergehendes Bau
ernmädchen nannte mir auf meine
Frage nach dem Bescher den bürger
lichen Namen Obermann! dem Herrn
gehörten auch, so sagte sie mir, die uni
liegenden Gefilde, so weit das Auge
reichte. Ich näherte mich dem prächti
gen Gebäude und schaute einige Minu
ten durch das Gitter, das den Garten
von der Landstraße abschloß, hinein,
m mich an den sorgsam gehaltenen
Blumenbeeten, insbesondere an der
Fülle der herrlichen Rosen, meiner
Lieblingsblumen, zu ergötzen. Auf
dem Rasenplätze spielten einige Kinder,
lustwandelnd sahen ihnen ei etwa vier
zigjühriger Herr nnd eine um einige
Jahre lünaere Tme zu.
Ich war in den Anblick des reizvollen
Familienbildes so verliest, daß ich nicht
bemerkt hatte, wie och Jemand zu mir
getreten war und ebenfalls die glücklichen
Menschen beobachtete. Erst ein tiefer
Seufzer lenkte meine Aufmerksamkeit
aus ihn; es war ein Mann in mutleren
Jahren, aber früh gealtert und blaß
dem Anschein nach ein Beamter auf VLz
lau. Sorge und Arbeit hatten tiefe
Furchen in sein Gesicht gegraben.
Ich grüßte ihn und äußerte: Gliick
lich, wer es so haben kann wie die
Herren dicseS köstlichen Besitzes!"
Ja. Sie haben recht," antwortete
er, und eS zuckte schmerzlich um seine
Lippen, Wohl wenige Menschen kön
nen sich so gliicklich preisen wie der Be
sitzer von Linderhöhe. Aber wissen Sie,
daß eS Herrn Obermann eigentlich gar
nicht voii Rechtswegen besitzt, und daß
ein armer Teufel in der Welt herum,
läuft, dem es eigentlich gehört?"
Der muß sehr edelmütbig sein, daß
er seine Ansprüche nicht geltend macht!"
antwortete ich ungläubig.
Er lachte höhnisch. Edelmüihia!"
rief er. Nein, das ist er nicht! Ader
das ist eine ganz kuriose Geschichte,
Wenn eS Sie intereffirt, erzähle ich sie
Ihnen."
,DaS wiirde mich wirklich interef.
siren."
-Als aut. Wir haben, denke ich,
denselben Weg nach B. Bis wir hin,
kommen, ist die Geschichte erzählt."
Wir traten von dem Gitter auf die
Landstraße zurück, und mein Reisege
führte, der mir etwas wunderlich vor
kam, erzählte :
Das Herrenhaus da drüben gehörte
vor 2 Jahren einem alten, halbver
rückten Filz, der unverheiratet geblie
den war und sich von einer alten Die
nenn haushalten ließ. Sie war treu
und märchenhast häßlich, aber ihre
Tochter Helene war ein auffallend schö
neS Mädchen. Der Alte hatte sich in
die fixe Idee festgebiffen, daß sie nicht
heirathen sollte, weil er die Ehe für die
Quelle alles Unglücks hielt. Wie schön
daS Mädchen war, können Sie noch an
der Frau beurtheilen Sie haben sie
ja vorhin gesehen eZ ist die Schloß
Herrin."
Seebohm, so hieß der Alte, halte
drüben in Australien sein Glück ge
macht; heimgekehrt kaufte er Lindcr
Höhe, und dann erinnerte er sich seiner
beiden Schwestern, die er vormals in
kümmerlichen Verhältnissen zurückgelas
sen hatte. Beide waren verstorben,
jede mit Hinterlaffung eines Sohnes;
Fritz gudirte von Stipendien, Julius
war Zollbeamter mit 20 Thalern An
fangsgehalt. Seebohm nahm Beide
zu sich, unter der ausdrücklichen Be
dingung. daß sie sich nicht in die schöne
Helene zu verlieben hätten: geschehe
dies dennoch, so würden sie enterbt
werden.
DaS Verbot half natürlich nichts,
und Beide verliebten sich so schleunig
wie möglich in die holdselige Helene.
Nur war JuliuS schlau genug, es nicht
merken zu laffen, während Fritz s ehr
lich der so dumm war, es seinem
Oheim zu gestehen. Der Alte lachte
grimmig dazu und sagte: Schön,
mein Sohn, Tu weißt ja, was die
Folge sein wird. Schreibe eS Deiner
Narrheit zu."
Am andern Tage kam der Rotar
nach Linderhöhe, uud Jedermann
wußte, was daS zu bedeuten hatte.
DaS war im Svötherdfte gewesen,
und im folgenden Januar starb See
bohm. Man telegraphirie eS dem Ro
tar, und dieser telegraphirie zurück, er
werd am nächsten Morgen zur Testa
mentseröffnung kommen.
Während nun Fritz bei Helene saß
und daS arme Mädchen zu trösten be
müht w. durchsuchte Julius, vom
Teufel habsüchtiger Nevgier geplagt,
die Papiere M Vnftorbenm indessen
f.
rdeitS,imm. Sicht, kam n denn
auch auf ein öouvert. dessen Ausschrift :
Mein Testament" ihm nicht geringes
Herzklopfen verursachte. Zweimal legte
er es eröffnet wieder hin, das dritte
Mal siegte die Neugier im Bunde mit
der Habsucht.
DaS Testament war vor Jahresfrist
ganz nach den gesetzlichen Borschristen
abgefaßt und vollzogen ; eS füllte meh
rere Soliofeiten mit der umständlichen
Aufzählung aller Grundstücke. Gelder,
StuatSpapiere u. s. m. Bei jeder ein
zelnen Nummer war der Erbe angegeben
immer derselbe Name dem nur die
Verpflichtung auferlegt war, dem Fräu
lein Helene May bis zu ihrer Verhei
rathung eine Rente von 50 Thalern
monatlich auszuzahlen.
Julius war erdfahl im Gesichte, in
einen Stuhl niedergesunken; der immer
wiederkehrende Name war der seines
Eousins Fritz! Er selbst war mit keiner
Silbe erwähnt und also vollständig ent
erbt.
Niedergeschmettert von diesem ganz
unerwarteten Schlage saß er einige Mi
nuten da; dann erfaßte ihn eine unbän
dige Wuth. Er ergriff das unseliges
s .ri i . -!n v X v"4
Ciuincni, ng e iniiien uirnu unu
warf es in's Ofenfeuer. Stieren Auges
sah er zu, wie die Flammen das Schrift
stück ergriffen und i Asche verwandet
ten; sekundenlang glühten die Buch
staden roth aus, dann erlosch Alles und
der Lustzug entführte wirbelnd die
Aschenflocken.
Jetzt erst ward Julius inne, daß er
sich eines schweren Vergehens schuldig
gemacht habe: aber das bängliche Ge
sühl, das ihn hierbei überkam, war
rasch beschwichtigt; er beruhigte sein Ge
wiffen mit dem tröstlichen Gedanken,
daß min eine ehrliche und gerechte Thei
lung des ErbeS zwischen ihm und Fritz
stattfinden mllffe, und daß Helene nicht
zu kurz komme, dafür würde Fritz schon
sorgen.
Er ging wieder an das Fach deS
Schreibtisches, dem er das Testament
entnommen hatte, und sah flüchtig die
anderen Papiere an, die dort noch lagen;
sie boten kein besonderes Jntere e.
Plötzlich aber fühlte er sich wie von
einem Schwindel erfaßt: Kodinu zu
meinem Testament", hieß es da auf
einem Eouveit. Hastig riß er es ans und
ein gräulicher Fluch entrang sich seinen
Lippen.
DaS Kodizill. ebenfalls allen Anfor
derungen entsprechend, batikte vom No
vember des vorigen Jahres und lautete
kurz und bündig:
Ich bestätige hierdurch mein Test
ment vom 2. Dezember 18,. in allen
Einzelheiten, mit der einzigen Ausnahme
jedoch, daß überall, wo dort mein Niffe
Fritz Obermann genannt ist, der Name
meines anderen Reffön Julius Schmist
a dessen Stelle zu treten hat."
Wäre Julius nicht gezwungen atm
sen, sich möglichst ruhig z verhalten, er
hätte in tobender Wuth Alles im Zim
mer kurz und klein geschlagen. Er ballte
die Fäuste, daß die Nägel sich in das
Fleisch eingruben, raufte sich die Haare
und biß sich die Lippen blutig. Aber
das half Alles nichts, seine thörichte
llcbereilung hatte ihn um fein Erbe ge
bracht.
Das Kodizill ohne das Testament war
ganz werthlos: zudem konnte, wenn es
allein zum Vorschein kam, der Argmohn,
daS fehlende Testament beseitigt zu ha
den, nur auf ihn allein fallen; es blieb
ihm nichts Anderes übrig, als es eben
falls zu vernichten.
Das Kodizil wanderte in den Ofen
wie das Testament und Julius sah sei
ner Verbrennung zu, wie er der Ein
äscherung des Testaments zugesehen
hatte wahnsinnige Wuth im Herzen.
Kaum fand er in dem Gedanlen Trost,
daß ihm doch immer die Hälfte der Gü
ter bliebe.
Am anderen Tage kam der Notar;
man suchte auf seine Anordnung im
Arbeitszimmer des Todten nach dessen
letztem Willen, aber eS fand sich nichts
vor; der Notar schüttelte verwundert den
Kopf und sagte:
Ich habe selbst daS Testament ent
worfen und weiß, daß eS hier aufbe
wahrt worden ist. Ich kann mir kaum
denken, daß Herr Seebohm eS vernichtet
hat. SS findet sich vielleicht doch noch.
Ader gleichviel; Herr Seebohm hat es
als vorsichtiger Mann in zwei Exempla
ren ausgefertigt und eins mir zur Auf
bewahrunz übergeben. Hier ist es"
er zog eS aus der Tasche wenn die
Herrschaften erlauben, werde ich es vor
lesen."
Niemand bemerkte, wie leichenblaß
JuliuS geworden war.
Das Testament, genau dem Inhalt
des derbrannten entsprechend, ward ver
lesen; mitleidige Blicke trasen Julius,
aber den eigentlichen Grund der sürch
terlichen Aufregung, die das konvulsi
vische Zucken seiner Gesichtszüge kund
gab, errieth doch keiner der Anwesen
den.
AIS die Verlesung zu Ende war.
blickte der Notar auf und sah Julius
an. Und das kodizill?" stammelte die
ser, seiner selbst nicht mächtig.
Ein Kodizill ist freilich vorbanden
gewesen," sagte der Notar, Julius
mit tigentbümlichen Blicken musternd.
Aber hier ist eS nicht, und ich habe es
auch nicht. Es ist nur in einem Exem
plar ausgefertigt worden, daS im Be
sitze des Herrn Seebohm geblieben ist.
Er muß es nachher wohl wieder ver
nichtet haben. Vielleicht findet es sich
noch. Andernfalls muß es bei den Be
stimmungen des Testaments sein Be
wenden haben."
Man suchte noch einmal ich dem
Kodizill, mit besonderem Eifer Herr
Julius Schmidt, obgleich Niemand
besser mußte als er, daß alles Suchen
nutzlos sein würde.
Am Tage darauf verschwand er spur
los aus dem Schlosse und der glückliche
Erbe Friß, sowie dessen grau Helene
haben ihn niemals wieder zu Gesichte
bekommen.
Mein Reisegefährte schwieg, und ich
sah ihn voll aufrichtigen Mitleids an.
Armer Juli!" sagte ich. Er hat
für seine Thorheit hart gebüßt. Haben
denn die Besitzer von Linderhöhe sich
niemals nach Ihnen umgesehen? Nie
mals etwas für Sie gethan?"
Er machte keine Miene, zu leugnen.
daß er selbst der unglückliche Julius sei.
Wohl haben ne mir nachaesor cht,"
antwortete er, und ausfindig gemacht,
daß ich in meine frühere Carriere zu
rllckgetreten war. Sie haben mir alle
möglichen Anerbietungen gemacht, aber
ich habe Alles zurückgewiesen. Ich
legte mir selbst die Strase anf, mich
nicht anders behandeln zu lassen, wie
ich Fritz behandelt haben würde, wäre
ich im Sinne de KodizillS Erbe gewor
den. Er hätte nichts von mir zu er
warten gehabt, ich habe nichts von ihm
genommen. Geldsendungen, Packele,
Einladungen Alles habe ich zurück
gewiesen.
Er schwieg einige Augenblicke still
und begann dann wieder: Ich habe
ein Gehalt, mit dem ich nur eben aus
kommen kann; aber so viel Ersparnisse
mache ich doch, daß ich doch alljährlich
in meiner Urlaubszeit eine Reise bc
streiten kann. Dann komme ich hier
her, schaue in das irdische Paradies, das
ich mir verscherzt habe und verschwinde
wieder unerkannt, wie ich gekommen
bin. DaS ist meine Buße."
Aarnickel hat angefangen. ,
Bild aus dem Thierleben, Von Hilde-brandt-Strchlen,
Der alte Nimrod war ein Erbstück
vom guten Onkel Leopold; der schöne
Hühnerhund war sein treuer Begleiter
aus allen Ausflügen gewesen und ward
uns von dem Sterbenden auf die Seele
gebunden.
Mein Freund und Liebling war das
brave alte Thier schon lange geworden;
darum sah ich eS als eine besondere
Gunst an, als ich von meinem Vater
mit der speziellen Versorgung unseres
Kostgängers betraut wurde.
Trudchen mein siebenjährige!
Schwesterchen mußte stets zuvor
meine Erlaubniß nachsuche, wenn sie
mit ihm spielen oder in den Wald gehen
wollte.
An einem Sonntag war's, als Ger
trud von einem Besuch aus dein nahen
Städtchen zuriickkehrte.
In die Kinderstube kam sie geformt'
gen, wo die Mutter an der Wiege des
Kleinsten saß.
,Ach liebe, süße Mama! versprich
mir, daß ich es behalten darf!"
Was denn. Tu Wildfang!?"
Was ich hier in der Schürze hab'!
Es ist zu reizend und lieb!"
Nürrchen! weißt Du denn nicht,
daß blinde Versprechungen nicht gel
ten? Zuvor muß ich doch wissen,
was es ist."
Da kauerte Trude vor der Mutter
nieder, öffnete ihre Schürze und ließ ein
niedliches, schneeweißes Kaninchen auf
den Boden hüpsen. Forstmeisters Len
chen hatte es ihr mit Genehmigung
ihrer Eltern geschenkt.
Mama hatte gegen die Wünsche ihres
Töchterchens nichts einzuwenden, denn
auch sie liebte die Thiere und sah es
gerne, wenn ihre Kinder eine Freude
darin fanden, ihnen Liebes und Gutes
zu erweisen.
Gertrud war nun ganz glücklich, auch
ein Wesen zu besitzen, das sie mit ihrer
Sorge umgeben, mit ihren Zärtlichkeiten
überschütten durfte; obwohl eS ihr nicht
gestattet war, daS liebe Geschöpf, wie
eine Puppe, Stunden lang auf dem
Arm herumzuschleppen.
Ungeschickte Liebkosungen können
Anderen weh thun," hatte die Mutter
gesagt.
Hänschen so war das Kaninchen
getauft worden benutzte die ihm
gewährte Freiheit auf's Beste; sie schien
ihm auch sehr gut zu bekommen, es
wurde rund und fett dabei.
Während seiner Freistunde" vfleate
die ganze Familie sich in der Küche zu
eriammeln. fcogar der Säugling aus
der Mutter Arm langte mit seinem
Pätschchen nach dem kleinen Possen,
reißer. Laut jauchzte er vor Lust, wenn
er herabgelassen wurde und HSnschen,
an ihm sich aufrichtend, Mund und
Wange ihm küßte.
Gertrud aber behauptete, .ihr Lieb
ling sei klüger, als alle andere Kanin-
chen," denn er lernte aus zwei Beinen
gehen, schildmache stehen, durch den
Reifen springen, Bettelmann spielen
nnd ähnliche Künste.
Eines TageS. als daS weiße Männ
chen zur gewohnten Stunde eben feine!
Porstellungen gab, ging plötzlich die!
Tbüre aus und herein kam. mit leisem
Tritt Nimrod. Er mochte das
Wild" gewittert und die Thür sich mit
der Pfote selbst geöffnet haben.
Die Ruthe hoch gehoben. daS Saar
gesträubt, näherte er sich schleichend der
erwöhnlkn Jagdbeute. I
Mitrud schrie laut auf und wollte
ihren Schützling unter der Schürze ver
stecken. Der aber, neugierig, wie Kar
nikel sind, sprang von ihrem Schooße,
lief auf den fremden Eindrinalinc: ni.
richtete sich an ihm empor und brachte
sein Cchnüllzchen dicht an Nimrod'S
flockigen Behang, als wolle er ihm
etwas in'S Ohr sagen.
Solche Frechheit war dem alten
Hunde noch von keinem jagdbaren
Thiere vorgekommen. Wie versteinert
stand er da) halb Zorn, halb Staunen.
Den kleinen Springinsfeld" schüchterte
jedoch des Großen drohende Haltung
nicht im Mindisten ein. Er suchte und
fand in ihm nur den willkommenen
Spielgefährte seiner Art, dehnte und
reckte sich so lange, bis er mit seinem
Mäulchen deS Hundes Nase berührte,
der ein Kiißchen" zu appliziren ver
suchte.
Da rüttelte und chüttelte sich Nim
rod, klemmte die Ruthe ein und begann
den Rückzug, Hänschen mußte ihn
gekitzelt haben.
Bon diesem Augenblicke an war Nim
rod deS Kleinen erklärter Liebling und
auch Nimrod dachte nicht mehr daran,
sich an dem Liebling Aller zu ergreifen.
Eine Zeit lang zwar versuchte er eS
wohl, gegen den Zudringlichen den Zu
rllckhaltenden zu spielen: das half ihm
jedoch wenig. HSnschen'S Ehrgefühl
war nicht so zarter Natur, daß Zeichen
stummer Verachtung ihn qekrSnlt
hätten.
Wo der alte Hund sich auch verstecken
mochte; Hänschen hatte eine feine Nase;
Hänschen fand ihn doch. Allerdings
nur in der liebevollen Abficht, den
Grämlichen zu zerstreuen, mit ihm zu
tändeln, zu spiele, schön zu thun. AI-
lein was nützt die gute Meinung",
wenn ihre Aeußerung weh thut. Nim
rod war alt nnd mürrisch, zu tollem
Spiel und heiteren Scherzen selten noch
aufgelegt. Mit der Zeit gewann cr
zwar so viel Selbstüberwindung, um
sich die tollen streiche seines lugend
lichen Gesellen ein Weilchen gefallen zu
lassen ; geduldig ließ er sich von ihm
necken und lecken, rupfen und zupfen.
lagen und wagen, wenn aber der U
band gar nickt aufhören wollte, riß ihm
mitunter doch die Geduld. Er fing
dann an zu knurren und zu murre,
sich zu rütteln und zu schütteln, um den
Quälgeist los zu werden. Als aber
auch das nicht mehr helfen wollte, als
der Unband sich unterstand wen der
Alte sich müde und schläfrig in die Sonne
gelegt aus ihm herumzutrommeln
als wäre sein ehrlicher Hundebalg ein
gegerbtes Kalbsfell, dann sprang er
wohl wüthend und zähnefletschend ans,
daß Gertrud fürchtete: er werde ihr
weißes Eugelchen zerreißen.
Ader auch das war nur blinder Lärm.
Nimrod war zu gut erzogen, nie ließ er
den Friedensstörer die Ueberlegenhcit
seines Gebisses fühlen ; höchstens war
er ihn. mit der Schnauze in die Luft,
daß er sich überkugelte und in irgend
einen Winkel taumelte; immer nur, um
nach kurzem Zander, Putzen und Be,
sinnen, das alte Spiel vo neuem zu
beginnen. Resignirt schien der !üielge
plagte in sein Schicksal sich zu ergeben,
Ich allein besaß ein volles Verstände
niß für die Leiden des alten treuen
Thieres; war er doch mein Nimrod.
Ich bereitete ihm ein Lager auf dem
hohen, von einer halbkreisförmigen
Lebne aciäiiiklen Gartenstuble. in dem
ich ihn, so oft er mir ruhebedllrftig
schien. mit Aufbietung aller meiner
Kräfte, emporhob. Vergebens! Auch
dieses Asyl ward nicht respettirt. HänS
chen stutzte einen Augenblick, hüpfte
neugierig heran, stellte sich auf die Hin
terbeine, reckte und streckte sich nach
Möglichkeit. Da es ihm aber nicht
lang: mit der Nase nur ein Härchen
seines Freundes zu erreichen, duckte er
nieder, Iprang und hu chte zwischen
den Sprossen der Lehne hindurch zu
dem Hoch m des Hundes, um aus de e
Rücken ein warmes und weiches Lager
pch zurechtzulratzen" . .
Wenn sie dann beide friedlich bei ein
ander schliefen, gewährten sie einen gar
lieblichen Anblick.
Gab es dagegen wieder einmal Krieg,
so trug geo,ß der kleine Kobold die
chuld.
Will's ihm nur wünschen, daß seines
großmüthigen Freundes Geduldsfaden
nie gründlich reiße.
Für alle Fälle wi en wir letzt, wie
wnhlbegründet daS alte Sprichwort :
Karnickel hat angefangen."
Xer Professor und sein Student.
CtanislausAignan Julien (1799 bis
1872) betrieb mit großem Eifer die
chinesische Sprache und wurde nach Adel
Remusat $ Tode Professor dieses Lehr
saches am College de Franee" zu Paris
(1832). AIS er feine Vorlesungen be
ginnen wollte, herrschte gerade ein ganz
abschenlicheS Wetter. ES regnete in
trdmen, die Straßen waren mit
chmutz und Psützen bedeckt, ein kalter
Wind drang durch Mark und Bein.
Julien hatte deshalb befohlen, seinen
Hörsaal gehörig zu heizen, nm den
Studenten den Aufenthalt darin so an
genehm, wie möglich, zu machen. Als
die Stunde der ersten Vorlesung heran
gekommen war, packte er seine Papiere
und Bücher zusammen und stieg in
einen Fiaker, der ihn bald an das Col
lege brachte. Er sprang schnell aus dem
Wagen, rief dem Kutscher zu. er solle
auf seine Rückiebr warten, und betrat
tn Hörsaal. Gähnende Leere starrte
ihm entgegen ! Kein Mensch war an
wesend. Achselzucken seZie sich der
Professor auf seinen Leb'.ftuhl und ver
tieste sich in seine Schriitep. Er wußte
selbst nicht, wie lange er so gesessen, da
öffnete sich die Tbiir und herein trat
eine triefende Gestalt, eingehüllt in
inen langen Mantel, und nahm stumm
neben dem Ofen Platz. Gewiß ein tie
ser Kenner deS Chinesischen," der trotz
dieses Wetters kommt, meine Kenntnisse
z pulsen, dachte dieser. Tamit begann
er seine Vorlesung. Er sprach über den
Philosophen Mengtse, über die Lehre
des Taotse und deS Tao teking: er
sprach über die Dramen Hoci-laivki
und Tschao-chi'koneiil: sein Zuhörer
saß in unerschütterlicher Ruhe da und
hörte zu. Nachdem sich der Professor
fast heiser gesprochen hatte, schlug die
Uhr, und er schloß befriedigt seine erste
Vorlesung mit einer Verbeugung vor
dem Herr Studenten.
Auch dieser erheb sich und sagte:
DaS hat lange gedauert ! Meine arme
Pserde werde sich hoffentlich unterdes
se nicht erkältet haben; ich habe mich
angewärmt: kommen Sie schnell und
steigen Sie ein ! Wohin soll ich Sie jetzt
fahren?"
Der arme Etanislaus hatte seine
Abhandlung über die chinesische Sprache
seinen Kutscher gehalten !
Die erst Tuppe.
Unsere Vorfahren müssen eine Kost
geliebt haben, welche so eigenthümlicher
Art war, daß wir heut z Tage nur
noch mit einem gelinden Schauer daran
denlen könne. Suppe kannte man
lange Zeit hindurch gar nicht. Dasür
schwamm das fleisch in einer Brühe,
welche man stark mit Pfeffer, auch wohl
E?aran, wurzle, denn es wurde wie
ein altes Speiselied erzählt von einer
solchen Brühe verlangt, sie sollte
schars fein, daß der Mund gleich einer
Apotheke rieche und aus dem Becher ein
heißer Rauch aufsteige. Diese Brühen
waren die Vorläuferinnen unserer Suv
pen. Auch die Weine waren nicht min-
der stark gewürzt. Da kann es uns
nicht wundern, wenn der Durst kein
Ende nehmen wollte.
Als Begründung hierfür mag theil
weise gelten, daß man im Mittelalter
Fleischsorten zubereitete, welche heut' zu
Tage entweder gar nicht mehr oder doch
nur nebenher genoffen werden, und
welche wegen ihrer Nüchternheit der
schar en Brühen eher bedurften. So ,,
B. wurden nicht nur Pfauen und
Reiher, sondern in den besten Häusern
im dreizehnten Jahrhundert auch Kra
niche, Störche, Schwäne, Krähen und
Rohrdommeln gegessen; selbst Habicht
und Rabe wurden nicht verschmäht.
Der eigentlichen Suppe begegnen wir
zum ersten Male gegen Ende des Mittel
alters anf der Tafel der Hochmeister der
berühmten Teulschtttter zu Marienburg.
Diese ersten Suppen waren mit Peter-
stlienwurzeln, Mohrrüben und ,Knb
lauch zubereitet.
Die Hofhaltung es Regus Mniclik.
Eine Besonderheit des Hofes von
schga sind; wie in einer Studie von Ph,
Paulitschte über die Hofhaltung des Ne,
gus Menelik ausgeführt wird, die Mas
sen-Abspeisungen des Volkes, die das
ganze Jahr über dauern, vornehmlich
aber vor nd an Festtagen veranstaltet
werden. Der sogenannte Trondo, das
ist der Genuß fast ganz rohen Fleisches,
ist bei ihnen üblich. Fremde muß es
eigenthümlich berühren, bei dem Er
scheinen zur Hoftafel die Rinder, deren
Fleisch in nächster Stunde gegessen er
den soll, noch wohlgemuth, im Vorhofe
spazieren zu sehen. Im Abdarasch. der
großen Halle, sind lange, den Gasten
bis an s Kinn reichende Tafeln gedeckt,
und die Geladenen werden in mehreren
Gruppen eingelassen. Der Negus mit
dem Hofstaat präsidirt den Mahlzeiten.
Kroße, mit Honigbier gefüllte Ochsen-
Hörner machen die Runde, und Sänger
beleben die Stimmung. Nach und nach
entsteht in der Regel Heiterkeit unter
den Speisenden, die in Ausgelassenheit
und wilden Lärm ausartet. Indessen
muß mit ziemlicher Hast gespeist wer-
den; denn eS warten noch mehrere
bungrige cyaaren auf Einlaß. Die
Gesättigten sollen sich auf ein gegebenes
Zeichen rasch entfernen, und Hofbedien
stete haben die Aufgabe. Säumige mit
der Peitsche hinauszutreiben. Dieses
Tafeln dauert bis tief in die Nacht bin-
ein. Menelik thront auf erhöhtem Platze
und ertcqoptt nq in Herablassung und
Liebenswürdigkeit gegen seine Gäste.
Fatal Lage.
Studiosus Bierle verläßt um halb 2
die Kneipe, kommt aber, da er stark ge
laden tat, nicht weit; er sallt in der
engen Gaffe, die er eben pasiiren wollte,
und macht nicht die geringste Anstalt,
sich selbst wieder zu erheben, denn die
Nachtwächter der kleinen Universität?
ftadt waren ja die Aufmerksamkeit selbst
gegen die Herren Studios; sie würden
ihn schon heimdringen.
Um i' verläßt Studios Sui!!t die
Kneipe und da er ebenfalls voll und
denselben Weg hat, stolpert er über
den Eollegen Bierle und fällt über den
selben hin. Auch von seiner Seite wer
den nicht die geringsten Vorbereitungen
getroffen, sich selbst wieder zu erheben.
oder seinem rruder Bierle auf die
Beine zu Heiken, denn auch er kennt die
sorgsame Nachtmache der Musenftadt.
Dieses unerhoffte Wiedertrrffen. das er
heute nicht mehr vermuthet hat, das
ihm aber für morgen einen Gang zu er
sparen vielleicht behilflich war, wird
von ihm vielmehr dazu benützt, seinen
Eommilitonen also zu inlerpelliren:
Bie Bierle. sag' mal. befindest Du
Dich nicht in der Lage, mir zwa
zwanzig Mark für morgen zu pum
pen?"
Leider war daS Resultat dieser inti
wen Frage für heute ein negatives.
den der unter ihm liegende Bierle er
widerte dnmps und gepreßt:
Be de daiire, mein Po Po
Portemonnaie ist iin0alill zu krieae.
ich liege darauf, di bin also a
absolut nicht in der Lage!"
z,n rufst.
Ein Studiosus kommt spät am Abend
stark angezecht nach Hause uud will sich
noch wasche. Sein Waschtisch steht
neben dem offenen Fenster und er gießt
daher das Wasser aS der Kanne, statt
in das Waschbecken, zum Fenster hin
aus. Stimme vo ten: WnS soll
denn daS Herinitergießen von Wasser
. . ich werde die Polizei holen I"
Studiosus: Was wollen Sie den
eigentlich wie kommen Sie überhaupt
in mein Waschbecken?!"
Abgefertigt,
Frau: Männchen, ich brauche noth
wendig einen neuen Hut!"
Professor (eisrig denn Studium):
Liebes Kind, wie ost soll ich Dir och
sagen: ES gibt nichts NeneS unter der
Sonne! Und nun störe mich nicht
weiter!"
Giilcint,
Sie: Wie viele Sterne sehen Sie
augenblicklich?"
Er: Zwei mehr als Sie!"
Sie: Wieso denn?"
Er: Ich sehe Ihre Augen!"
Auf der Slrasjc,
Wie heißt Du denn, mein Kleiner?"
Ick weeß ich!"
MaS. Du weikt icbt, wie Du
heißt? Wie ruft Dich denn Dein
Vater!"
Der ruft mir nich, der pfeift mir
in erfahrener thcf.
Prinzipal: Mit Ihren Zeugnissen
bin ich zufrieden; ich engagire Sie un
ter der Bedingung, daß Ihre Mutter
nie krank wird, keine Großmutter stirbt,
kein Onkel eine Erbschaft hinterläßt
und Ihre Cousine nicht zu Besuch
kommt!"
Boshaft.
A. (Sonntagsjäger): Ich gehe jetzt
auf den Anstand."
B. : Wird wohl bei einer Anstand
Visite bleiben!"
Keine Auswahl,
Mutter: Pfui, schäme Dich, Paul
chen! Tu schlägst sogar Deine kleine
Semester?"
Panlche: Ja, wen soll ich denn
sonst schlagen, Mama?"
Line schreckliche Lnldeckuiig,
Fräulein Laura geht ja immer so
düster und verschlossen herum?"
Ja, über ihrer Herkunst hak ein
furchtbares Geheimniß geschwebt, das
jetzt enthüllt ist."
Welches denn?"
Ihr Geburtsjahr!"
Unsere Schnikindcr,
Lehrer: Na, wie heißt daS Sprich
wort, Schlipke: Reden ist Silber und
Schm:i ?"
Scklivke: Und Sckmein n, tirr
Mensch haben!"
Mch aufgefaßt,
In der Notb erkennt man den
Freund. Det Sprichwort stimmt
nich!"
Woso?"
.Nanu, in der Notb erkennt man
ihn doch nicht, da verschwindet er ja."
Bissig,
Ehemann: Sieb nur. dort drKn
bei unserem Nacbbar eilt ia ein Tnfini-
in'S HanS, sollte dort plötzlich Jemand
eriranii ,ein, gerade heute, wo sie den
großen Damenkasfee geben?"
Frau: Es wird wob! eine ier Bat.
feeschwesiern plötzlich einen Kinnbacken
trampt oeioinmen haben."
Renommage.
Sikireiber üm VenriH ,in Qimmtr ,
miethen, zum Hausherrn): ....Die
Ritzen im Fußboden müssen Sie noch
verstopfen lassen: da kann m in ,i,
leicht sein ganzes Geld verlie
ren!"
Bedenkliche liilfc.
A.: Wie ist denn ha M.ri
Sie letzten Sonntag zu leihen ge'nom
men?"
B.: O. (ineliif mi(jii!.i
War mir ieaar mbr?ri TO.it. t, ; m
Absteigen behilflich!"
Boshaft.
n.h Cmm .I .f.. v cm.
w , mimi, uuil Utl UW
jor, den wir vor sieben Jahren in Oft
ende kennen gelernt; er hat sich fast gar
nicht verändert!" -
Ach ja er hat sich wirklich sehr
gut conferwattirt!"
Bedenkliche Verstärkung.
Richter (um Zeuaen):.. ..lks bt
den Anschein, als ob Si, i hi
Wahrheit sprechen würden!"
Vge: Entfchuldizkn. fe !,.
richtsW, ich red' sogar mehr als d'
Wahrheit!"
Beste Lmxftiilung.
Piccolo. haben Tie gute Cigarren?"
Jawohl !"
Sind sie aber euch M i r k l i ch gut ?'
Das alauUf irfil ,(.
" ' - tUUU'l u i ii : i
Herr Oberkellner selbst!"