Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, October 08, 1896, Image 10

Below is the OCR text representation for this newspapers page. It is also available as plain text as well as XML.

    Die kleine Qiiaörcmitt.
Mahlung tu dkn Misstiiixpi-Silmpskn,
on üialcntin Jern,
Der alte deutsche Farmer. Johann
Imert, Besitzer eine schönen Gute in
Wiiconsin, feierte im Kreise von be
sreunoeten Nachbarn an einem schönen
Rugugtage de Jahre 1877 seinen 73.
eburtötaa. Noch recht rüstig war der
alte Herr, und so auch seine Frau, die
Kfct eine Sechzigerin, einst eine (tanz
iaenartiae Schönheit gewesen sein
usjte, wie ihr siidländischer Geftchl
turni nach deutlich erkennen lief,.
In fröHlicher Stimmung saßen die
Alten deisamen Im besten Zimmer des
erkumigen Farmvaui. lnge
,lk hatte unterdessen draußen im Gar
ira (In Tanzkränzchen improvistrt.
.Liede grippina." sagte der Haus
Herr. .Du mußt schon so gut sein und
n eine zweite Bowle besorgen, denn
kit erste wird sogleich den Weg aller
Punschbowlen gegangen sein !"
,DaS will ich, gewiß, mein guter
?hn l" versetzte seine Krau. .Und
enn ir mit der zweiten fertig sein
erden, so fangen wir wohl auch noch
mit einer dritten an, denn aller guten
Singe find drei !
Darnach verließ sie geschäftig das
Zimmer. , n
Jechn," rief ein Nachbar. Du haft
irllich eine vernünftige Frau I Eins
,r kommt mir wunderlich vor."
.Und was denn, Freund David?"
.Daß sie Agripvina heißt. Derar.
tige Namen Pflegen die Kreolen des
Südens mit Vorliebe ihren Sklavin
mn zu geben.'
Ganz recht, lieber Freund ! Meine
Krau ist eine Ouadronin aus dem
Staate Mississippi. Vor fünfundsünf.
,ig Jahren, als fte ein kleines Mäd
chen war. fand ich sie zwischen einem
todten und einem Sterbenden auf dem
schlammigen Ufer des Mississippi.
Uebrigens habe .ich ste nicht geraubt,
sondern sie ehrlich gekauft und mit fünf
entS baar bezahlt. Es war das em
gar seltsames Abenteuer.'
.So erzähle uns doch die Geschichte!'
Bon allen Seiten bat man darum.
Frau Elwert brachte die zweite
Bowle. Sie hörte di dringenden Bit
ten. Da sagte ste: Erzähle doch
le. John I Die Geschichte macht Dir
ia die größte Ehre. Und mich wird
hin Niemand verachten, weil ich eine
Quadronm bin.
, In seiner schlichten Weise erzZhltr
daraus Johann Elwert folgendes :
,S war im Herbste des Jahre
1832.
Am großen Nohrdickicht zwischen der
langen schlammigen feandiniei weiche
aus der Karte für die Flußlootsen die
Rummer 273 führt und dem östlichen
MisstsstppiUfer, etwa zwanzig Meilen
Srdlich von der Z)azoomiindung und
der Stadt Vicksburg, lag ein großes
alt Flachboot festgetaut.
Auf dem Deck desselben befand
sich hinten eine kleine Bretterka,llte
ebft angebauter Küche von Eisenblech,
nd vorne ein luftiges kleines Z?lt von
Item, vielfach geflicktem Sackleinen.
?tn der Bretterkaillte hauste mit seinem
Weibe der Rohrschneider, Rohrhändler
und Rohrpflechter Samuel Jv, ein
hagerer, alter, pfisfiger Yankee, gebiir--tig
aus Connecticut, aber seßhaft seit
langer Zeit in St. Louis, wo er mit
seinem Sohne Bob das Rohrgeschäft
in recht schwunghafter Weise betrieb.
Bob hatte srliher den Vater stets be
gleitet auf den abenteuerlichen Fahrten
nach den südlichen Ufersümpfen und
Lagunen des gewaltigen Vaters der
Ströme, wie die Rothhiiute den Mis
sissippi nennen. Doch einst war er in
uem Scharmützel mit etlichen Fluß
Piraten die flch damals zuweilen noch
bemerkbar machten durch einen
Büchsenschuß schwer verwundet worden.
Seitdem mußte er zu Hause bleiben.
Die Küchen und sonstigen Wirth
schastlichen Geschäfte an Bord des Flach
booleS besorgte Frau Anna, eine seelen
a,te ältliche Person, mit dem größten
Eifer. Vorne im geflickten Zelt war
die Schlafstelle Fred'S, des EnkelS der
alten Leute, und die meinige, der ich
lVwifjermaßen mit zu dieser Familie
gehörte.
Als Waisenknabe war ich in meinem
ierzehnten Jahre auf die See geschickt
enden, für die ich nicht paßte, da ich
wahrend der stürmischen Ozeansahrt fast
immer seekrank war. so daß ich keine
schweren Arbeiten verrichten konnte.
Mit einem Bremer Schiff kam ich
ach Nkw-OrleanZ, und ich glaube fast,
an wird sich an Bord gefreut baden,
als ich heimlich davonlief. Nach länge
rm Umherabenteuern, und nachdem
ich schon allerlei Hantirungen betrieben,
elangte ich nach St. LouiS und wurde
iesreundet mit Fred, der mich beredete,
mit nach den Misftsnppilümvsen hinan.
fcr fahren, um Rohr zu schneiden.
ir waren seit vier Wochen emsig an
der Arbeit und hatten mehren Hundert
. Zlobrdündel theils im Raum verladen,
theil auf Deck aufgestapelt, lauter
sorgfältig ausgesuchte und sortirte
aare. Die zäh, starke und ge
schmeidige Rohr au den Sumpsdickich.
tn, and unheimlich stillen Lagunen am
nteren Mississippi ist für viele Zwecke
rtrefflich zu brauchen und bildet einen
uten Handelsartikel. Ader die Er
langung deffelben ist auch mit Gefahren
terlnfifi. Alligatoren und allerlei gif.
tifrf Gewürm machen die ohrsümpfe
vnncber. Fast schlimm noch ist die
schrecklich? Mcskitoplage, weil man der
seiden aus keine Weise ,u entgehen der
mag. llo oann in oe un ou
nun tel durch die a tiaen. Neuerer.
zeugenden Dünste, die au dem Morast
auiftkigen. Wir litten tnsolge davon
bäufia an heftigen jieberan allen
Wenn mir das ohrfchnciden und
Soitircn und Zusammenbündeln ei
mal gar zu langwellig wurde, so ging
ich mokl auf die Jagd, um Enten ode.
andere Wastervöacl l schießen, die
einen leckeren Braten sllr die Küche lie
feiten, und also der guten grau Anna
gewöhnlich recht willkommen waren.
In unserer Einsamkeit halte uns
ädrend der vier Wochen Niemand ge,
stört. Alle Tage einige Mal und
zuweilen auch des NachtS erscholl von
der Mitte des gewaltigen Stromes her
das Men und Rumoren der maa)i
nen stromauf oder stromab fahrender
Damv boote. Räch der User eile zu,
im Osten, übersahen wir weithin die
niedrige, sumpfige, undewoynie wc-
gend, in er Grabesstille herrschte.
Weit hinten, in dämmernder fferne,
konnte man einen schwach ansteigenden
Höhenzug entdecken. Dort, an der Ga
belung des Z)azo-gluMS, sei vie e
end besser, sagte mir Jarvis. Es
sollten sich da einige größere und kleinere
Plantagen lM Bentj vonreoiensam
lien befinden.
Eines Nachmittags nahm ich das
kleine Kanoe, welches zum großen Flach,
boot gehörte, und ruderte nach dem
Ufer, um ein wenig zu jagen. Ich war
allein, denn Fred, der sich von einem
Kieberaiifall erst eben einigermaßen er
holt hatte, mußte sich schonen und blieb
deshalb zurück.
.zch ließ das Kanoe am vier und
arbeitete mich mühsam durch Schilf und
Gestrüpp auf das feste Land hinauf.
Das glachboot lag nun etwa hundert
Meter hinter mir, mit dem Vordertheil
der langen Insel zugekehrt und dieselbe
fast berührend.
Bei Sochwanernan des !vi, nppi
mußte die Ufergegend hier eine einzige
große Lagune fein. Ueberall sah man
noch Tümpel mit morastigem Wasser.
Das hatte ich ia schon o t gc eben.
Was mich aber diesmal in's höchste Er
stannen setzte, das war das aufregende
Schauspiel einer Menschenjagd.
Ein Reiter verfolgte einen fliehenden
Menschen, der ein Kind auf dem Arme
trug, und hätte ihn offenbar längst ein
geholt, wenn nicht die morastigen Tüm
pel sein Pferd zu so vielen Kreuz- und
Qucrsprüngen gezwungen hätten. Ver-
soigcr und Veriolgte waren elma noch
zweihundert Schritte von mir entfernt,
konnten mich aber nicht erblicken, denn
ich stand verborgen hinter einem Busch.
Jetzt verlor der Reiter die Geduld
übcr die sich vermehrenden Schwierig-
keilen des Bodens. Er sprang vom
Pferde und rannte, dasselbe zurück,
laffend, zu Fuß hinter dem fliehenden
Menschen her.
Als dieser sich einmal umblickte und
bemerkte, daß sein Versolger, durch
keine Last gehindert, ihn nach einer
Minute einholen würde, faßte er einen
verzweifelten Entschluß,
Er setzte das Kind behutsam auf den
Erdboden, zog ein langes Meffer aus
dem Gurt seiner arm engen Zwillich
lleidung und sprang wie ein Tiger auf
den Verfolger zu, der nun die Hetz-
peitsche, die er seitber in der rechten
Hand gehalten, von sich warf und blitz
schnell ein Bowiemeffer aus dem Gürtel
hervorriß.
Im nächsten Augenblick gerielhm ste
an einander. Ber wüthende amps
dauerte nur einige Sekunden. Ich sah
den Verfolger hinstürzen und sich nicht
mehr regen. Der Andere wankte, offen
bar schwer vermundet, die Hände auf
seine Brust preffend. der Stelle zu, wo
das Kind lag. Tort angelangt, sank
er nieder. Das Kind es war ein
kleines fünfjähriges Mädchen, eine
Ouadronin sprang auf. neigte sich
über ihn und stieß ein gellendes Jain
mergeschrei aus.
Jetzt lief ich ebnen zur Stelle. AIs
ich dort ankam, richtete der Sterbende
sich ein wenig auf und schien mich mit
einem gemischten Gefühl von Angst und
Hoffnung anzustarren. Es war kein
Neger, sondern ein Mulatte von fast
weißer Hautfarbe. Die kleine Oua
dronin war das lieblichste kleine Mäd
chen, das ich je gesehen.
.Was bedeutet dies Alles r fragte
ich. .Habt Ihr das kleine Mädchen
gestohlen?'
kr ichülteite den ops und roqeile:
Rettet mein Kind!'
.Weshalb wurdet Ihr verfolgt?'
.Man wollte mein Kind verschenken
an eineKunftreiterGesellschast in Picks
bürg deshalb ergriff ich die Flucht.'
So seid Ihr also ein tos luve?"
.Ja. von Douvergier' Planlage
drüben am Iozoo.'
.Habt Ihr soeben fcunn Herrn er
stachen?'
Nein Der Tovke in ein u eycr
von der Pflanzung.'
Wo ist Eure Frau? Hat sie Euch
auf der Flucht begleitet? Ist sie bereits
ergriffen worden?'
Nein ne lebt nicht meyr. ucy
ich muß jetzt sterben ich fühl', die
Wunde ist tödtlich. Seid barmherzig,
rettet mein Kind!'
Dieser angstvolle Bittschrei der Eter
benden dran mir durch Mark und
Bein und erschütterte mein Gemüth.
Was tonn ich den thun ach Eurer
Meinung?' fragte ich.
Ihr seid a dem Flachboot
draußen?'
Ja!'
iBeaedt Ihr Euch bald von hier
son?'
Vielleicht lassen wir nnS schon morgen
oder übermorgen von einem Dampfer
stromaufwärts schleppen,'
.So verbergt mein Kind am Bord
und bringt es ach dem Norden zu
guten, mitleidigen Leuten!'
Warum soll die hübsche Kleine denn
nicht in den CirkuS. wo ste ja doch mit
der Zeit vielleicht ihr Glück machen
könnte?'
.Weil man sie dort zu den allerge,
fährlichften Kunststücken abrichten will,
Der Direktor ist ein Schwager meines
Herrn. Er ist jetzt bei ihm zu Besuch ;
auch seine Frau ist eine Kuiiftreiterin.
Sie wollten meine kleine Agrippina
heute mit fortnehmen nach Vicksburg,
dann nach New Orleans. Havana, Be
racruz, Meriko und weiter.'
Seine Sprache war immer leiser und
unverständlicher geworden. Bon einigen
Worten, die er noch hervor röchelte, er
faßte ich nur noch den Sinn; zum letzten
Male empfahl er meiner Fürsorge seine
kleine Tochter Agrippina.
Ich will's gern versuchen!' rief ich
tröstend. .Zum Glück sind der alte
JarviS und leffen Frau herzensgute
Leute. ES kann wohl sein, daß ste
Agrippina freundlich aufnehmen wer
den!'
Dankbar sah er mich an sprechen
konnte er nicht mehr.
Dann traf sein letzter brechender Blick
voll Zärtlichkeit das kleine weinende
Mädchen. Eine halbe Minute später
war das Leben gänzlich aus ihm ent
flohen.
Ich faßte die kleine Ouadronin bei
der Hand und sagte: .Du mußt mit mir
gehen zu guten Leuten! Dein Vater hat
es so bestimmt.'
Sie verstand mich wohl nicht recht und
wollte die Leiche nicht verlassen. Da
nahm ich sie auf die Arme und trug sie
fort. Ich setzte sie in's ffanoe und
lenkte dasselbe nach dem Flachdoot. Als
wir über das trübe Gewässer zwischen
den Schilfmassen dahin glitten, hob
plötzlich in unserer Nähe ein ungeheurer
Alligator seinen häßlichen Kopf mit weit
aufgesperrtem, zähneftarrenden Rachen
aus der schlammigen Fluth, tauchte aber
sogleich wieder unter.
Wir gelangten an Bord.
Was Tausend haft Du denn da er
beutet?' fragte erstaunt Fred. .Eine
kleine Ouadronin?'
Welch' ein niedlicher, kleiner Engel!'
rief Frau Anna. Und sogleich begann
sie, das Kind zu herzen.
.Was ist denn drüben eigentlich das
sirt?' fragte Jarvis.
Ich erzählte Alles.
So, so!' murmelte er. Es ist
Deine Meinung, John, mir sollen uns
des kleinen Wesens annehmen. Gan?
schon! Aber wer wird denn das Kost
geld bezahlen?'
Ich, sobald ich dazu im Stande bin,'
betheuerte ich.
.Was sprichst Du da von Kostgeld,
Sam?' rief seine Frau unwillig. Ge
miß wollen wir sür das arme Kind sor
gen! Das ist ja Menschenpflicht,'
Sehr schön, versedte der alle Nankee,
.Kommen uns aber die Zlazoo-Pflanzer
Über den als, so lausen wir große Ge
fahr, gelyncht zu werden, denn es ist
ein Hauptoerbrechen im Staate Missis
sippi, Sklaven zu entführen, und dies
kleine Quadronenmädchen ist ja nach
Allem unzweifelhaft eine Sklavin.'
Statt aller weiteren Auseinander
setzungen wollte Frau Anna das kleine
Mädchen mit sich in die Kajüte nehmen.
Du willst die kleine Ouadronin also
durchaus behalten, Alte?' fragte ihr
Mann.
.Ja, wahrhaftig, dies niedliche Kind
soll nicht in einem Eirku den Hals
brechen oder sich die Glieder verrenken !"
Dann bringe es wenigstens nicht in
die Kajüte, fondem vorläufig in den
Raum hinunter und verstecke es gut
hinter den Rohrbündeln.'
Ja, aber wozu denn?'
Der ZZankee zeigte nach dem Ufer hin j
über, dem zwei Reiter, von Osten kom
nieud, rasch zutrabten.
Ist Einer davon der ziazoopflanzer.
oem du kleine kilavin rechtmäßig g?
hört, so ist da Gefetz auf seiner Seile
sagte er. .Findet er sein lebendes
Eigenthum bei uns. so können wir die
Herausgabe nicht verweigern. Also
verstecke das Kind recht sorgsam, hörst
x. Alle I'
Eilig stieg Frau Anna in den Raum
hinab und versteckte dort die kleine
Ouadronin in einem dunkeln Winkel
hinter den Rohrbündeln. Tann kam
fte zurück.
Ich glaube, die Herren haben die
beiden eichen schon entdeckt, sagte ich
Ja. und natürlich werden ste sich
nun nach der kleinen Ouadronin um
sehen!' meine Jarvis.
Die beiden Reiter waren iniwlfchen
am User angelangt, wo sie anhielten.
nach dem Flachboot hinüderschauten und
uns einige Worte zunefen. die wir nicht
verstanden. Wir nahmen als keine
Notiz davon.
Der Eine war ein Kreole von etwa
vierzig Jahren und sah au wie ein
Pflanzer der Gegend. Der Andere.
ebenso alt, w wohl der EirkuSdirektor
au Vicksburg. Wenigstens sah er
ganz wie ein solcher aus mit seinem
hufeisenförmig herabhängenden langen
Schnurrdart und verwegenen gelben
Gesicht, licht kunftreitermäßig.
Dieser Letztere wollte sein Pferd in'
Wager lenken. Aber der Pflanzer
schien ihm davin abzurathen. Tarauf
ritten Beide südwärts am Ufer ent.
lang.
.Run.' sagte Jarvi. .ich kalkulire.
wir erden sie bald an Bord haben.
Wahi schcinlich kennt der Pflanzer wei
ter unten eine Furtb, die es gkfliitlet,
bequem und gcsahrlos auf die Sand
infel z kommen.'
Er hatte Recht. Nach kurzer Zeit
erschienen die Herren anf der Insel ; sie
ritten dann der Stelle zu, wo unser
Flachboot sestgetaut lag. Beide saßen
von den Pferde ab, wateten ein paar
schrille durch das schlammige Wasser
und stiegen an Bord.
Was wünschen die Herren?' fragte
der Zlankee höflich.
.Wir suchen ein kleines Ouadronen
Mädchen,' antwortete der Pflanzer.
.Wo kann es wohl hingerathen sein.
wenn nicht aus dieses Flachdoot? Ich
will doch hoffen, Sir, daß Ihr nicht
etwa die Entführung von Negern dcad
sichtiqt!' Nein, werther Sir,' versetzte Jarvi
trocken. Ich schneide Rohr tn den
Mlsfissippi.Sümpfen. da ist mein Ge
schäst; mit dem Entsühren von Unglück,
lichen Negern befasse ich mich nicht,'
Unterdeffen spähte der Pflanzer über
all umher. Plötzlich sprang er in die
offene Luke in den Raum hinunter und
stieß einen Triumphschrei au, indem er
einen Gegenstand aufraffte, den er auf
das Verdeck warf.
Es war ein kleiner geflochtener Bast
schuh, den Agrippina von ihrem FUß
chen verloren hatte.
Ihr habt gelogen, alter Bursche!'
rief der Pflanzer. Die kleine Quadro
nin ist doch hier versteckt. Ein Räuber
seid Ihr!'
Wesbald gab Du nicht besser acht
auf den Bastschuh, Frau?' sagte Jar
vis kaltblütig. Jetzt ist'S freilich ver
spielt. Hole das Mädchen aus dem
Versteck."
Er nahm seine Flinte zur Hand und
sprach ernst: Ich bin ein ehrlicher
Mann und achte eines Jeden Rechte.
Die kleine Ouadronin war hlllflos und
klaffen, da haben wir uns ihrer er
barmt. Dieser brave junge Mensch
hat das Kind gefunden und an Bord
gebracht. Wenn das kleine Mädchen
wirklich Euer Eigenthum ist, so wollen
wir daffclbe Euch nicht vorenthallen.
Beleidigen aber lasse ich mich nicht auf
meinen eigenen Planken! Also seht
Euch wohl vor!'
Der Pflanzer Duvergier war wieder
an Deck gestiegen.
Es ist schon gut,' rief er zufrieden
gestellt. .Ich will's glauben, wag Ihr
sagt,'
Seufzend nnd wehklagend brachte
jetzt Frau Anna die kleine Agrippina
herauf, die verwundert mit ihren großen
dunllen Augen um sich schaute, dann zu
mir hinlief und meine Hand faßte und
sich schüchtern an mich schmiegte, als ob
ich ihr kinziger Freund aus Erden sei.
Ich trat vor und sagte: Der arme
unglückliche Sklave, dem dies Kind ge
hörte, ist todt. Bevor er verschied, bat
er mich inständig, die Kleine nicht zu
verlassen. Aber ich bin nicht reich; ich
kann das kleine Mädchen leider nicht
kaufen; denn ich besitze nur fünf Cents
daares Geld.
Die beiden Herren lachten. Das kam
ihnen komisch vor.
Die kleine Ouadronin habe ich mei
nem Schwager hier, dem Cirkusdirektor.
Camillo Duplessis, geschenkt,' sagte der
Pflanzer spöttisch. .Fragt ihn doch,
junger Mensch, ob er auf den Handel
eingeben will.
.Nicht für 500 Dollars ist mir die
niedliche kleine Ouadronin feil,' sprach
der Schnurrbärtige hochmüthiq. U
ter meiner sachverständigen Leitung soll
dies graziöse Geschöpschen eine ebenso
berühmte und kühne Kunstreiterin wer
den. wie meine gesiebte Gattin Celrfte,
Vom Ufer her erscholl in diesem
Augenblick Hundegebell. Wir schaulen
Alle hin. Da sprengte mit fliegenden
Locken ein zierlicher Jockey, geschickt
einen Schimmel lenkend, ans Ufer,
Ein großer schwarzer Hund lief voraus.
Ah,' sagte der Direktor. .Das ist
beinahe so wie tn der Pantomime,
Eben denke Ich an sie husch ! da er
scheint sie. Eeleste ist un gefolgt !'
Wirklich war der zierliche Jockey die
damals im ganzen Süden bekannte
Kunstreiterin Celeste Duplelfis. Das
hübsche Jockky-Koftüm hatte sie wohl
angelegt, um zwangloser in der Wild
niß umher galoppiren zu können.
Die kühne Reiterin vermuthete jeden,
falls, daß ihr Gemahl und ihr Schwa,
ger, die sie an Bord des FlachbooteS er,
blickte und deren Pferde sie dicht dabei
auf er Intel bemerken konnte, gerade,
wegs durch' Wasser dorthin geritten
waren, wie lenkte ihr Pserd hinein,
obgleich dasselbe Widerstreben beuigte.
Vom Flachboot aus schrie ihr Ge
mahl ibr zu: .Reite lieber hier nicht
durch, veleste I'
Darüber lachte sie nur. Gebietcrisch
trieb sie den Schimmel vorwärts.
Nachdem sie eine ziemliche Strecke weit
hinaus geritten war, entdeckte sie, daß
das Wasser doch nicht so selcht sei. als
sie vermuthet hatte. Uin nicht die Etie
selchen naß werden zu lassen, zog sie
schnell die uße au den Steigbügeln
und stand mit einer gewandten Be
wegung plötzlich aus dem Sattel de
PserdeZ, das in immer tiefere Waffer
gerieth.
Jetzt verlor da, Pferd den Grund
unter den Füßen und mußte fchmim
men. Aber auch dieser Umstand störte
durchaus nicht die heitere Laune der
Dame und ebensowenig ihre Haltung.
Offenbar hatte sie gar keine Ahnung
von der furchtbaren Gefahr, in der sie
sich befand.
Da Pierd unter ihren Füßen zuckte
convulsirisch und es stöhnte angstvoll.
Plötzlich bäumle eS sich gewaltig im
?vaskr.
ik unstrellkrin vermochte nun
natürlich ,cht mehr da Gleichgewicht
zu behaupten. Doch verlor sie nicht die
Besinnung und ihre erstaunliche e
mandtheit ließ sie nicht im Stich. Ge
nau im richtigen Moment schnellte si,
mit sicherem Sprunge vom Rücken des
Pserde ad. im nächsten Augenblick
stand sie aus einer kleinen Schlamm
dank.
Der Schimmel stieß jetzt den heise,
ren markerschütternden Schrei aus. den
ein Pserd nur hören läßt, wenn es in
höchster Todcsnoth ist. AuS der
schlammigen Fluth tauchte in diesem
Augenblick zuerst der Kopf, dann der
Borderkörper eines ungeheuren Alli
gators auf, der seinen Rachen weit öfr
nete und die spitzigen Zahnreihen in den
Hals des Pferde chlug.
Dies geschah nur wenige Schritte von
Madame Eeleste. die beinahe umsiel vor
Entsetzen, als sie das Ungethllm so in
ihrer Nähe erblickte. .Zu Hülfe! Zu
Hülse!- krei chte sie in Todesangst,
Aus dem Flachboot standen wir Zu
schauer dieses auslegenden Porganges
einen Augenblick wie gelähmt. Dann
schrie der Eirkusdireltor händeringend
.Rettet mein Weib! O, rettet mein ge,
Hebte Weid!'
Ich sagte: Herr, wollen Sie mir die
kleine Ouadronin siir fünf Cents über
laffen, so will ich ihre Frau von der
kchlammiak abholen.
Er rief: Ich will's, mein Junge!
Ja, ich will 8! Rette meine Frau!"
Sofort sprang ich in's Kanoe und
lenkte dasselbe der aesährdelen Dame zu.
Zum Glück war der Alligator vollauf
mit dem todten Schimmel beschäftigt
und ließ ich durch meine Annäherung
durchaus nicht in seiner Mahlzeit stören.
Ich verspürte deutlich den Moschus,
geruch des häßlichen Thieres. Nahe
der Schlammbank rief ich: Geschwind!
Geschwind, Madame! Springen Sie
in's Kanoe!' Und mit gewandtem
Cirkussprunge war der zierliche Jockey
bei mir. So wie Agrippina das nied
lichste kleine Mädchen, so war Celeste die
hübscheste trau, die ich bis dahin ge
sehen hatte.
Ein paar Minuten später erreichten
wir das Flachboot und stiegen an Deck,
Der Direktor umarmte seine Frau und
küßte sie aus den Äiund.
Der Pflanzer sagte: Nun. dies ge
fährllche Alienteuer lief noch gut ab!
Sonst ist's heute ein richtiger Unglücks
lag. , vrauchvarcr Aul eher, ein
werthooller Sklave und ein prächtiger
Schimmel nnd hm!
Ich nahm meine fünf Cents aus der
laiche und rcichle sie dem Direktor. In
diesem Augenblick halte Agrippina den
kleinen Bastschuh ausgerafft und hielt
ihn in der Hand.
Da hast Du was in Deine Spar,
büchsel' rief Dupressts und warf die
uns ents in den Ba chuh.
AIs Frau Celeste das sah, zog sie aus
ihrer Tasche eine seidene Börse, durch
deren Maschen Goldstücke blitzten, schob
sie in den Ba t chuh und sagte zu der er
staunten Kleinen, indem sie sich bückte,
um sie zu küssen: Armes Kind, wir
meinten es so gut mit Dir! Eine be,
rühmte Künstlerin solltest Du werden,
Aber Dein unglücklicher Vater, der
arme, unwissende, einfältige Mensch
verstand unsere gute Meinung nicht,
und so ist es denn nun ganz anders ge,
kommen. Lebe wohl, Du kleine nied,
liche Agrippina!'
' Darauf verließen die creolischen Herr,
schdsten das Flachboot. Madame Ce,
teste schwang sich zu ihrem Gemahl auf'!
Pferd. Und so ritten sie auf der Sand
infel nach Süden, um die paijirbare
Furth auszu uchen.
Die beiden Todten wurden abgeholt
und in aller stille neerdigt.
Bald nachher halten wir volle La
dung. Ein kleiner Schleppdampfer
wurde angerufen, dem bereits ein hal
bes Dutzend großer Flußkähne und
Flachboote angehängt waren. Wir ket
teten unser Fahrzeug an das letzte und
wurden so nach St. Louis hinauf ge
schleppt. ,
Bei der Familie Jarvis fand Agrip.
pina ein sehr gute Unterkommen. Als
ihr eigentlicher Vormund aber wurde
ich immer betrachtet. Und mir blieb
sie immer so zugeneigt, daß wir uns
beirathcten. als sie siebzehn, ich dreißig
Jahre zählte. Es war mir gelungen,
in der Welt vorwärts zu kommen; ich
hatte billig Ländereien in Wisconsin ge
kauft, die nachher bedeutend im Werthe
stiegen, und meine liebe Frau ist oll
kommen damit zufrieden, daß sie ine
einfache Farmerin und keine berühmte
Kunftreitenn geworden ist!'
ZSgerlaicin.
Förster: Sie wissen, meine Her
ren, dag ich längere Zeit im Fürsten
in Diensten stand, und daß ich ihn
auf seinen mannigfachen Reisen kegle,,
tete. Ich will Ihnen, meine Herren.
eine Jagdgeschichte erzählen, welche ich
auf einer dieser Reisen erlebte. Sie
wird Ihnen unglaublich erscheinen, fte
ist aber wahr, Sie wissen la, ich lüge
nicht. E war in Indien; wir besän
den uns, um zu jagen, in einem Dorfe,
den Namen deffelben hab ich vergessen.
Eine Tage brachen wir schon zeitig in
der Früh zur Jagd aus. Wir waren
im ganzen zebn Perionen. AIS wir un
esähr zwei Stunde gegangen waren,
kamen wir an eine Stelle, welche mit
bodem Schili bewachsen war. Sier
wollten wir ein wenig ausruhen und
lein kleine Frühstück zu un nehmen.
Während hierzu die Vorbereitungen ge
troffen wurden, bog ich da Schilf anS
einander nd ging langsam voiivarlS.
;V1) mochte so iigesähr dreihundert
Schritte zurückgelegt haben, als ich zu
einem freien Platze gelangte, nd, meine
Herren, ich lüge nicht, wuö ich da fah,
da licß mir, trotzdem eine kollossale
Hitze damals herrschte, die Gänsehaut
eislull über meinen Rücken lausen. In
der Mitte deS Platze war ein großes
Löwennest, in welchem es förmlich wini
melte, auf drei daselbst stehenden BSu
men kletterte vier Tiger 'rum, wäh
rend auf dem freien Platze und nutet
den Bäumen sich mehrere gewaltige
Schlangen ringelten. Behutsam wollte
ich mich wieder zurückziehen, denn ich
hatte mei Gewehr draußen stehen ge
lassen und nur mein Jagdhorn umhän
gen, mit dem ich niich doch nicht ver
theidigen konnte, als ich auch schon von
den Bestien bemerkt wurde. Das Aus.
reißen hätte mir in diesem Fülle wohl
nicht mehr geholfen, so wollte ich wenig
ften meine Begleiter warnen. Rasch
ergriff ich denn mein Jagdhorn und
blies aus Leibeskrüsten in dasselbe.
Die Wirkung welche die Töne aus die
Thiere ausübten, war eine großartige.
Wie festgebannt bleiben sie. vor mir
stehen, sahen mich an, und ihre Wild
heit ließ langsam nach. Als ich die
bemerkte, blies ich ein lustiges Stück
chen, und da hätten Sie sehen sollen,
ma sich jetzt ereignete. Sämmtliche
Bestien begannen m tanzen, Löwe mit
Tigcr und Schlange mit Schlange, ja
sklbft die jungen Löwen thaten es den
alten nach. Es war ein schanderbast
schöner Tanz, zu welchem ich anss'ielle,
und welcher mir unvergeßlich M,i',ni
wird. Wie lange dieser Tanz wahrte,
ich kann es nicht sagen, ich blies fort
und foit, die Lippen thaten mir wch.
der Schmeiß lief in Strömen von mir.
Endlich mochte es auch den Tänzern 'zu
viel werden, denn ihre Kräfte erlahm
ten, und ein Paar nach dem
anderen fiel erschöpft zur Erde, als
das letzte Paar zu Boden sank, da
krachten auf einmal neben mir Schüsse,
es waren meine Jagdgenossen, welche
herbeigeeilt waren und nun sämmiliche
Bestien erlegten. Doch erst als da letzte
Thier verendet, war, körte ich mit Pla
sen auf, und wischte mir den Schmeiß
von der Stirne. Bald triichte man
mehrere Wagen, anf welche die Tbierc
gelegt wurden. Ich mußte auf dem
ersten Wagen bei zuei der gewaltigst,
Löwen Platz nehmen und wurde da
mals gefeiert, und war mit Richt.
als der Löwe deS Tages.'
Wo schlug Alminius den Barukk
Diese alte Streitsrane scheint nickt
zur Ruhe kommen zu sollen. Tarifs,
die Hanptautoritat, sagt am Saliu
Teuto durgensis', woraus man einen
Teutoburger Wald gemacht hat. und
da es nirgends einen Teulodurger
Wald gab, so haben die Gelehrten
schlankweg den alten heiligen Osning in
den Tentoburger Wald verwandelt.
Unter Saltu versteht man aber im
Lateinischen meist einen Engpaß, denn
ein schriitstellcr nennt uns den Saltu
Zbermopylae". wo man schon aus dem
Griechischen weiß, daß ein Engpaß ge
meint ist. Suchen wir den Engpaß
der Teuto!,urg.' so finden wir vci
Stellen. Die sogenannte Törenschlncht
und den lZktcnistcin bei Horn. Clofter
nieier verlegt die Vernichtung der
arianischen Armee, auch wirtlich in die
Dörenschlucht, aber G. . B. Schiern
berg fand das Schlachtfeld bei Horn in
der Nähe der Ertcrnsteine und bringt
verschiedene Berg und Flurnamen.
vie Romwaß. Varusberg, Brautberg,
Winseld u. f. w. mit dem Ereiqniß in
Verbindung. Bei Horn bat man auck
zahlreiche Hufeisen von römischen Maul
lyieren vorgesunden.
Die alten Isländer verlealen in iene
Gegend auch die Gnitaheide, wo Sieg
fricd den Drachen Fafner erschlug, und
Schicrenderg tragt, ob nicht die Gnita
beide und das Varianische Schlachtfeld
identisch seien.
Prof. Mommsen verleat das
Schlachtfeld an den Tünnersce und be
weift seine Behauptung durch Münz
fünde. Neuerdings machte aber auch
die Theorie des Prof. Knoke in Osna
brück wieder von sich reden. Dieser hat
nämlich vor lg Jahren in seinen
riegkzllUN es Germanicus' die
Schlacht im Teutuburaer Walde in die
Gegend zwischen Jburg und de V
Habichlswalde bei Stift Lenden vcrleat. 9
Nunmehr ist ti ihm gelungen, in dem
Illvlichen Abschnitte diese' Waldes ein
vollständiges Römerlager auizi, finden.
das mit feinen EpitzgrSden und abge
rundeten Ecken, sowie mit feinen vier
Tboren alle Merkmale römischer Be
scftigungskunft ausweist und nach Lage.
Größe und Beschaffenheit vollständig
den Bedingungen des zweiten Lager
entspricht, daß die Römer Im Teuto
burger Walde aufgeschlagen habe.
und von Wcnen weisen aus den
Kampf hin. der hier ftaltgesundcn "hal.
Auch ein großer Leichenhügel mit meb,
als hundert Kubikmeter fchenerde ist
in der Nahe de Lager gefunden war
den.
.Ihr verstorbener Herr Onkel. Herr
Baron, bat Sie zum Universalerbe
seine großen Vermögen eingesctzt. I
dem Testament findet sich aber die
Klausel, daß Sie nicht eyer darde
antreten sollen, als di Sie Hauptmann
geworden sind. Was werdcn Sie bis
dahin machen?'
Aber das ist doch klar. Herr Justx
rath Schulden natürlich!"