Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, October 01, 1896, Image 9

Below is the OCR text representation for this newspapers page. It is also available as plain text as well as XML.

    Der Schmucf.
Nach $uq bf 'ffianpaljniil. Von ZloHiiiborn,
Sie Bat eines jener reizenden Mäd
8n, die wie durch Schicksalsirren in
xiner armen Beamtensamilie zur Welt
kommen. Sie hatte keine Mitgift, keine
Erbschaft zu erwarten, keine Mittel, be
ranni. vernanoen. aeilevi und von
einem vornehmen, reichen Manne gehet
rathet zu werden ; so ließ sie sich mit
inn Qlnrntsw Safi nlit(4l(Ä.
Ministerium vermählen.
Da sie sich keinen Putz kaufen konnte,
sah sie ziemlich gewöhnlich aus und kam
sich wie eine Berstoßene vor. Denn die
grau hat keine Raffe und keinen Stand :
Schönheit, Liebreiz und Anmuth sind
ihre Geburt und Familie. Angeborene
Feinfühligkeit, Instinkt für das Ele.
gante und Geschmeidigkeit des Geistes
weisen ihr den Platz in der Rangliste
an und stellen die Tochter des Volkes
auf eine Stufe mit der hochgeborenen
Dame.
So litt sie unaufhörlich, da sie sich
für alles Vornehme, für jeden Luxus
geboren suhlte. Sie litt unter der
Aermlichkeit ihres Heims, unter der
, ?eaaiaeii ivrer vier ruanoe ; vie avge
nutzten Möbel, die häßlichen Kleider
quälten sie. WaS eine andere Frau
ihres Standes gar nicht bemerkt Hütte,
., ..HrUl. ft C(, 5,
waren stille Vorzimmer mit schweren,
türkischen Portieren ; hohe Bronzekande
laber erbreiten gedämpftes Licht, und
zwei schmucke Diener in seidenen Knie
Hosen schnarchen, von wohliger Schwüle
übermannt, in den geräumigen Sesseln.
Sie träumte von strahlenden Salons
mit Damasttapeten, von kostbaren Mö
beln voller unschätzbarer Nippes, von
koketten, parfumdurchöufteten, lauschi
gen Boudoirs, wie geschaffen zum
Plaudern mit lieben Freunden und be
iif..... mx. t.:- : ft. ...
rutmir xriuniiciii uic ju uuc jiuuni
beneiden und zu fesseln wünschen.
Wenn sie sich zum Mittag an den
runden Tisch setzte, daraus das drei
Tage alte Tischtuch lag, ihrem Manne
gegenüber, der die Suppenschüssel auf
deckt und entzückt: Ach. die schöne
Graupensuppe!" ruft, ich kann mir
Sar nicht Delikateres denken !" dachte
e an feine Diners mit funkelndem
Silberzeug! auf den Tapeten vernei
gen sich gravitätisch gepuderte Herren
und Damen in Reifröcken, und in der
zauberten Wäldern flattern seltsame
Vöglein ; dachte sie an auserlesene Ge
richte, auf köstlichem Porzellan jeroirt.
. an die tau end Galanterien, die man
sich, ein Lächeln der Sphinx auf den
Lippen, zuflüstert und' anhört, indeß
man das rosige Fleisch einer Forelle er
speist oder einen zarten Hühnerflügel.
Sie befaß keine Toiletten, keinen
Schmuck, nichts ! und dennoch liebte sie
das und fühlte sich dafür geschaffen.
Sie hätte so gern gefallen, sie verlangte,
beneidet zu werden.
Sie hatte eine reiche Freundin, mit
der sie zusammen zur Schule gegangen
mir ' ahn fi Iwrmnrflt & nirht mhr
über sich zu gewinnen, jene zu besuchen !
so litt sie hernach, wenn sie wieder da
heim. Und sie weinte ganze Tage vor
Kummer, vor Mitleid mit sich selbst,
vor Verzweiflung und Noth.
Da kommt eine? Abend ihr Gatte
mit strahlendem Gesicht nach Hau, ein
großes Eouvert in der Hand.
Da, etwas sür Dich!"
Sie zerriß hastig den Umschlag und
entnahm ihm eine Karte des Inhalts :
DerKultuSminifterund Frau Georg
Zkamponneau geben sich die Ehre, Herrn
Loisel und Frau Gemahlin zu der am
Montag, den 11. Januar in ihrem Ho
tel stattfindenden Soiree ergebenstem
Maden."
Anstatt darüber entzückt zu sein, wie
ihr Gatte gehofft, warf sie die Ein
ladung verdrossen auf den Tisch und
murmelte :
.WaS soll uns das?"
.Aber, Liebchen, ich dachte, Du wür
best Dich freuen. Du kommst sonst gar
nicht heraus. Und solche schöne Gele
genheit! Alle Welt will eingeladen sein,
und die Beamten müssen gewöhnlich
zurückstehen."
Sie sah ihn gereizt an und fragte
unwirsch:
.Und was soll ich mir auf den Leib
ziehen, hee?"
Daran hatte er allerdings nicht ge
dacht, und stotternd brachte er vor:
.Aber Du haft ja Dein Theaterkleid,
das ist doch noch an, gut! ... . Bestürzt
hielt er inne; seine Frau weinte, zwei
dicke Thränen liefen ihr langsam die
Wangen herab.
.Was ist Dir ? Was ist Dir denn"
gammelte er.
Sie hatte ab schon ihren Kummer
hinuntergezwungen und antwortete, sich
die Thränen ttoaneno:
.ich. Ich hab' blos kein Kleid
und kann also nicht zu dem Feste gehen.
Gieb Deine Einladung nur ruhig einem
Kollegen, deffen Frau mehr Staat hat
als ich."
Er war ganz niedergeschlagen. End
lich begann er wieder:
.Eaa mal. Mathilde. Was kann
wohl solch anständig kleid kosten, das
. Du auch noch bei anderen eiegengenen
trage kannst, natürlich ganz was Ein
kack....?"
Sie dachte einen Augenblick nach, was
fie wobl fordern könne ohne unmittelda,
res Verweigern und erschrockenen Aus
ruf ihreS Mannes, k-queeila) am
ortete sie Saernd:
.Ich weiß es nicht genau ; aber für
200 Frams. sollt' ich meinen, könnte
man schon etwas bekommen."
Ver
Jahrgang 17.
Er war einen Augenblick kreideweiß
gerade soviel hatte er sich zurückge
legt, um sich ein Gewehr zu kaufen und
eine kleine Jagd zu pachten, künftige
Frühjahr mit einigen guten Freunden,
die gleich ihm des Sonntags frische
Luft schnappen und ein paar Schuß
thun wollten aber er antwortete doch :
.Gut. Du sollst 20 Francs haben,
aber sieh zu, daß Du dasür etwas Schö
nes bekommst."
Der Festtag kommt näher und näher,
und Frau Loisel ist voller Angst und
Sorge. Und doch ist ihre Toilette längst
fertig. Eines Abends fragt ihr Gatte sie:
.Was haftDu denn? Seit drei Ta
gen bist Du wie umgewandelt!"
Ich gräme mich, daß ich keinen
Schmuck, nicht einen Stern, nicht das
Geringste vorzustecken habe. Ich werde
zu ärmlich aussehen. Am liebsten würde
ich gar nicht gehen."
.Du kannst ja natürliche Blumen
nehmen. Das ist zu dieser Zeit sehr
chic. Für fünf Mark bekomm Du
schon ein paar schöne Rosen."
Nein, es gibt nichts demüthigende
res, als unter reichen Frauen so ärmlich
auszusehen."
.Ach, sind wir dumm," rief plötzlich
ihr Gatte, .geh' doch zu Frau Förster
und bitte Sie, Dir ihren Schmuck zu
leihen. Sie wird's schon thun, Ihr
seid ja gute Bekannte."
Sie stieß einen Freudenschrei aus:
.Das ist wahr; daran hab' ich gar
nicht gedacht."
Und am nächsten Tage ging sie zu ihrer
Freundin und vertraute der ihren Kum
mer.
Frau Förster ging zu ihrem Spiegel
spindchen und entnahm ihm ein kleines
Köfferchen, brachte es und öffnete eS mit
den Worten: Such Dir nur aus,
Liebste."
Zunächst stach ihr ein goldenes Arm
band in die Augen, dann eine Perlen
kette, ein Kreuz von herrlicher, venetiani
scher Mosaik. Sie probirte alles vor
dem Spiegel, schwankte, vermochte sich
nicht für eines zu Ungunsten des andern
zu entscheiden. Schließlich fragte sie:
.Haft Du nicht noch mehr?"
.Gewiß! Such Dir nur aus. Ich
kann ja nicht wissen, was Dir gefällt."
Und nun öffnete Sie ein Etui mit
schwarzem Sammetfutter, darin eine
wunderbare Diamantbroche lag. Sie
fühlte das Herz heftiger schlagen, und
oie Hände zitterten ihr, als sie sie her
ausnahm. Sie steckte sie sich vor und
blieb in Entzücken versunken vor dem
Spiegel stehen. Dann fragte sie stockend
und ängstlich: '
.Kannst Du mir wohl die
leiben bloß diese?"
Gewiß doch, ja."
Sie fiel der Freundin um den Hals
und küßte sie ungestüm. Dann eilte sie
mit dem Schatze haftig nach Haus.
Das Fest war da, und Frau Loisel
feierte wahre Triumphe. Sie war hüb
scher, als alle andern, elegant, graziös
ledhast und wie berauscht von der
Freude. Alle bewunderten sie, fragten,
nach ihrem Namen, suchten ihr vor
gestellt zu werden und wollten mit ihr
tanzen. Selbst dem Minister siel sie
auf.
Sie tanzte mit voller Hingabe, war
mit ganzer Seele dabei; an nichts an
deres dachte sie in dem Triumph ihrer
Schönheit, dem Ruhm ihre Erfolges,
glückselig durch all die Huldigungen
und die Bewunderung, diesen glänzen
den Sieg, der das Frauenherz so zu
entzücken vermag.
Erst um vier Uhr Morgens brach sie
auf. Ihr Gatte schlief bereits seit
Mitternacht mit noch drei Herren, deren
Gemahlinnen sich gleich ihr amllftrten,
in einem Nebenzimmer; er wollte ihr
den Mantel umhängen, jenes bescheidene
Kleidungftück deS Alltagslebens, deffen
Aermlichkeit in schreiendstem Gegensatz
zu der Pracht ihrer Balltoillette stand.
Sie merkte es noch rechtzeitig und suchte
ihm auszuweichen, damit die anderen
Frauen, die sich in ihre kostbaren Pelze
hüllten, es nicht sähen.
S warte doch." hielt Loisel sie zu
ruck, .Du wirft Dich gehörig erkälten.
Ich will erst eine Droschke rufen."
Ader sie hörte nicht auf ihn und eilte
haftig die Treppe hinunter. Auf der
Straße konnten sie keinen Wagen sinden
und machten sich deshalb auf die Suche
und riefen hinter den Kutschern her. die
sie von fern ortlberfahren sahen.
Vor Kälte zitternd, stiegen sie endlich
in einen jener alten Rumpelkästen, die
man nur des Nachts sieht, gerade als
ob sie sich am Tage au Scham der
kröchen.
Er führte sie nach Haus, und miß
muthig stiegen sie die Treppen hinauf.
Fü sie war der Triumph vorüber, und er
dachte daran, daß er um neun schon
wieder im Bureau sein mußte.
Vor dem Spiegel stehend streifte sie
den Mantel von der Schulter, um sich
noch einmal in ihrem Glanz zu sonnen.
äomlagsgast.
Beilage zum Stebraska Staats-Anzeiger.
Da plötzlich stößt sie einen Schrei aus,
Sie hat die Brache nicht mehr vor!
Ihr Gatte, schon halb eingenickt,
fragte: .Was ist denn los?"
Ich,. ..ich.. ..ich habe die Broche
nicht mehr!"
Entsetzt fuhr er auf: .Was?!....
Wie?! . ... Das ist ja nicht möglich!"
Und sie durchsuchten die Falten des
Kleides, des Mantels, die Taschen,
alles: sie war nicht zu finden.
Bist Du sicher, daß Du sie noch
hattest, als wir gingen?"
.Ja doch, ich hab sie noch im Vestibül
gefühlt."
.Aber wenn Du sie auf der Straße
verloren hättest, müßten wir sie doch
haben fallen hören."
Sie muß in der Droschke liegen."
Haft Du Dir die Nummer ge
merkt?"
Nein! Du auch nicht?"
Nein!"
Entsetzt starrten sie einander an.
Dann zog er sich wieder an:
Ich will nochmal auf der Straße
suchen, vielleicht finde ich sie doch."
Er ging. Niedergeschmettert ließ sie
sich, ihrer neuen Toilette gar nicht
achtend, in einen Sessel fallen und der
harrte so schlaflos im Dunklen, ohne
einen Gedanken fassen zu können.
Um sieben Uhr kam ihr Gatte zurück.
Er hatte nichts gefunden.
Wir müssen an Deine Freundin
schreiben, Du habest die Fassung der
Broche zerbrochen und sie zum Gold
arbeiter gebracht. Das giebt uns etwas
Aufschub."
Sie schrieb nach seinem Diktat.
AIs eine Woche vorüber, hatten sie
alle Hoffnung aufgegeben.
Um zehn Jahre gealtert, erklärte
Loisel:
.Wir müssen sehen, den Schmuck zu
ersetzen."
Am nächsten Tage gingen sie mit dem
Etui zu dem Juwelier, dessen Namen
darin stand. Er schlug seine Bücher
nach:
Der Schmuck ist nicht bei mir ge
kauft, gnädige Frau, ich habe seiner
Zeit nur das Etui besorgt."
Nun liefen sie von einem Juwelier
zum anderen, mit Hilfe ihres Gedächt
niffes einen ähnlichen Schmuck zu
suchen, alle beide vor Sorge und Angst
ganz krank.
Endlich fanden sie eine ganz ähnliche
Diamantbroche. Sie sollte 20,000
Frcs. kosten. Räch langem Feilschen
ließ man sie ihnen für 16,000 Frcs.
Sie baten den Juwelier, sie nicht vor
Ablauf von drei Tagen zu verkaufen,
und machten ab, daß sie mit 14,000
Frcs. zurückgenommen werden sollte.
falls sich die andere bis zum I. Februar
fände.
Loisel besaß nur 8000 Mark, die er
von semem Better geerbt hatte. Den
Reft wollte er borgen. Er lieh, bat
den einen um tausend Frcs., einen an
deren um fünfhundert, den um drei,
hundert, jenen um hundert. Er stellte
Wechsel aus, ging ungünstige Verpflicht
tungen ein, hatte mit Wucherern und
ähnlichem Gelichter zu thun. Bis an
sein Lebensende war er verschuldet, er
unterschrieb, ohne zu w en, ob er sein
Versprechen auch ehrlich werde einlösen,
können, und gequält durch die Furcht
vor der Zukunst, durch das schwarze
Elend, das ihn zu Boden zu werfen
drohte, durch die Ausficht auf all' die
körperlichen Entbehrungen, all die see
tischen Martern, holte er die Broche ab
und zählte dem Juwelier die 16,000
Frcs. aus den radenti ch.
AI Frau Loisel den Schmuck ihrer
Freundin zurückbrachte, meinte diese
tronig:
.Du hättest ihn mir auch wohl schon
früher bringen können; ich hab ihn ge,
braucht."
Sie öffnete das Etui gar nicht, wie
Frau Loisel befürchtet. Wenn jene die
Unterschiebung bemerkt hätte, was
mußte sie denn denken? Was hätte sie
dazu gesagt? Hätte sie sie nicht am
Ende gar für eine Diebin gehalten?
Frau Loisel kannte da schreckliche
Leben des Armen. Und doch raffte sie
sich zu einem heroischen Entschlüsse auf:
Diese entsetzliche Schuld mußte bezahlt
werden; sie wollte sie bezahlen.
Das Dienftmädchen ward entlassen,
man zog um und miethete ein ärmliches
Dachstübchen.
Sie kannte die harte Arbeit der Wirth
schast, die läftigen Sorgen der Küche.
Sie wusch selbst ab, und ihre rosigen
Finger scheuerten die schmutzigen Töpfe
und Kasserollen aus. Sie wusch die
Wäsche selbst und hing sie in der Stube
zum Trocknen auf. Jeden Morgen
trug sie selbst den Mülleimer hinunter
und holte, sich auf jedem Treppenabsatz
verschnaufend. Waffer heraus. Und.
wie eine arme Frau gekleidet, ging sie
zum Kaufmann, zum Schlachter und
'Hin einholen und feilschte um jeden
Psennig.
Alle Monate waren Wechsel zu be
zahlen, andere zu prolongiren oder neu
auszustellen.
Ihr Gatte übertrug Abends einem
Kaufmann die Bücher, und oftmals
schrieb er die ganze Nacht hindurch
Manuskripte ab, fünf Pfennig für die
Seite.
Und zehn lange Jahre dauerte dieses
Leben !
Nach Ablauf dieser Zeit hatten sie die
Schuld getilgt mitsammt den Zinsen
und Zinsaufzins.
ffrau Loi ei sah letzt wie eine alte
Frau aus. Sie war die robufte. abge
härtete, rauhe Frau des ärmlichen
Haushalts geworden. Schlecht ge
kämmt, die Röcke hoch aufgeschürzt.
scheuerte sie mit ihren rothen Handen
die Treppe und unterhielt sich laut
schreiend mit Nachbarinnen.
Aber bisweilen, wenn ihr Mann im
Bureau war, setzte sie sich an'S Fenster
und träumte von jenem Abend, jenem
Ball, da sie so schön gewesen und so ge
feiert worden. Was wäre wohl ge
schehen, wenn sie den Schmuck nicht
verloren? Wer weiß, wer weiß? Das
Leben ist ja so absonderlich und Wechsel
voll. Wie wenig bedarf es oft, um
einen zu retten oder zu verderben l
Eines Sonntags ging ne, um ich
von den Mühen der Woche zu erholen,
ein wenig spazieren. Da gewahrt sie
plötzlich dicht vor sich eine Dame mit
einem Kinde, Frau Förster, noch im
mer jung, noch immer schön und liebe
reizend.
Eine seltsame Rührung verkam sie.
Sollte sie sie ansprechen? Ja, und jetzt.
da alles bezahlt war, wollte sie ihr die
ganze Wahrheit sagen. vfflarurn auch
ich
Sie ging aus sie zu: Guten Tag,
Johanna."
Die andere erkannte sie nicht, und
erstaunt, von einer Arbeiterfrau so der
traulich angeredet zu werden, stammelte
sie: Aber, liebe Frau.... ich weiß
nicht.. Sie müssen sich wohl irren.."
Rein, ich bin Mathilde Loisel."
Die Freundin stieß einen Schrei
aus.
Arme Mathilde... wie haft Du
Dich verändert!"
Ja, es waren harte Tage für mich,
feit ich Dich nicht gesehen, und viel
Elend. . . und alle um Deinetwil
len..."
Um meinetwillen?... Wie das?"
Erinnerst Du Dich noch jener Dia
mantenbroche, die Du mir zum Ball
beim Minister geliehen?"
Ja... Run und?"
Run, ich hab sie verloren."
Du haft sie mir doch aber zurückge
bracht."
Ich hab' Dir eine andere, ganz ähn
liche gebracht Und zehn Jahre haben
wir daran gezahlt. Du kannst Dir
vorstellen, für unS Habenichtse war daS
keine Kleinigkeit.... Endlich sind wir
nun fertig, ich bin ganz selig "
Frau Förster blieb stehen; .Du
sagft. Du haft eine Diamantbroche ge,
kauft, um meine zu ersetzen? !"
.Ja, Du hast eS wohl garnicht ge
merkt? Sie war aber auch sehr ahn,
lich."
Und in stolzer, einsültiger Freude
strahlte sie über bas ganze Gesicht.
Tief erschüttert saßte Frau Förster
nach ihren beiden Händen.
.Ach, meine arme Mathilde ! Mein
Schmuck war ja gar nicht echt ! Er hat
höchstens sünszig Francs gekostet !"
Ein Idll in den Schwarzen
Bergen".
Zu den volksthllmlichsten und ae
feiertften Persönlichkeiten Montenegro's
gehörte noch in den achtziger Jahren
Mark Milianov, der Gouverneur der
Stadt Podgonza. Schon sein AeußereS
rechtfertigte die Furcht und Liebe, die er
im Lande genoß. Aus einem wahrhaft
riefigen Körper saß ein Kopf mit einem
so offenen, biederen und treuherzigen
Gesicht, daß man schon bet dem ersten
Anblick dieses ManneS gefangen war,
Aus seinen Augen blitzte todkskühnn
Muth und doch wieder schelmischer Froh
sinn. Zahllos waren die Wunden, die
seinen Leid bedeckten; ai'x zahlloser noch
die, die seine eigene Hanv auf den tür
tischen Schlachtfeldern geschlagen hatte.
In manchem wilden Scharmützel mähte
er, als ihn die Todfeinde Montenegro'S
schon fiegesfroh umzingelt hatten, ihre
Häupter wie Diftellöpfe und warf ganze
Schaaren auf einmal darnieder. So
wenigftens berichtet der Volksmund, der
die Gestalt des reckenhaften Helden aus
dem Elan der kutschis, deS ftählernften
der stählerne Crngsrzen, mit einem
förmlichen Sagenkranze umwobni hatte.
Daß dieser raube Kriegsmann der
Schwarzen Berge" aber auch weicherer
Regungen richt dar war und sogar eine
im Morgenluiide unerhörte stille Rei
gung zu den idyllischen Freuden der
deutschen Häuslichkeit hegte, davon weiß
2.
ein deutscher Gelehrter zu berichten, der
auf seiner montenegrinischen For
schungsreise Gaft dieses merkwürdigen
ManneS war. Zu den höchsten Aus
Zeichnungen, die einem Abendländer im
Orient erwiefen werden können, geyork
es, wenn er von dem Wirth in seinen
Harem geführt wird. So sollte es auch
dem deutschen Reisenden geschehen.
Ueber einen schmalen Gang geleitete ihn
der Gouderneur in einen Seitenflügel
des Palasts. Man klopfte, und aus
ein vernehmliches Herein!" öffnete der
Hausherr die Thür des Harems. Aber
nicht phantastisch aufgeputzte gold und
juwelenbehangene Odalisken, die in
träger Ueppigkeit auf schwellenden Pol
ftern ruhten, zeigten sich den Blicken,
sondern im Hintergrund eines ganz ein
fach, aber behaglich ausgestatteten Zim
mers saß ein weidliches Wesen an einer
Nähmaschine. Statt der nationalen
wsnig hübschen Frauentracht umhüllte
ein braunwollenes Kleid mit einer
schwarzen Sammetjacke den feinen zier
lichen Körper. Auf unseren ehrerbieti
gen Gruß so erzählt der deutsche Rei
sende wandte die Frau uns das Ant
litz zu und wir sahen hinein in jugend
lich angenehme, sanfte Züge. Beschei
den, aber ohne Schüchternheit trat sie
uns dann entgegen und bot uns herzlich
die Hand. In der Wiege schlummerte
sein Söhnlein, der Erbe seines Namens
und hoffentlich auch seiner Kraft.
ES fehlte nicht viel, so Hütte mir die
ses unerwartete Idyll, der Einblick in
das glückliche, an die ferne Heimath
erinnernde Stillleben die hellen Thränen
in die Augen gezwungen. War Das
wirklich das Heim eines Mannes aus
dem Volke der Montenegriner, dieser
stolzen Haudegen, die das Weib noch
heute als die Sklavin des Mannes oder
doch als ein unter ihm stehendes Wesen
betrachten? Wie weit aber war der
schlichte Kriegsmann aus der rauhen
Wildniß der montenegrinisch-albanest-schen
Grenzgebirge seiner Nation in ge
läutert Erkenntniß voraus geeilt, wie
hoch stand er auch innerlich über ihnen,
deren Mehrzahl er schon äußerlich um
eines Hauptes Länge überragte! Ja,
wahrlich, das ganze Volk Hütte tS sehen
müssen, das liebliche Bild, das sich
unserem Auge bot, als jetzt der ge
waltige Woiwode die schwielige Hand
auf den Scheitel des schwachen Weibes
legte und mit herzgewinnendem Lächeln
sagte: Ich diene nur noch meiner
Frau," während sie. schamhast erröthend
und doch sreudigen Stolz in den leuch
tenden Augen, zu ihm aufschaute und
mit weißer Hand seine gebräunte Wange
streichelte!
Und außergewöhnlich wie die Ehe.
war hier auch die Werbung gewesen.
Als die Frau Gouvemeurin noch als
Rose von Nikschitsch" ihr stilles, be
schauliches Mädchendasein auf ihrer
weltentlegenm Hochebene führte, da
war ihr eines Tages Freundinnen
gegenüber die Aeußerung entschlüpft, sie
könne sich kein größeres Glück denken,
als von Mar Miljan" so nannte
daS Volk den Helden gemeinbin ge
küßt zu werden. Diesen Wunsch der
tquchternen Jungfrau hatte man dem
General, der bald darauf in Nikschitsch
eintraf, zufällig verrathen. Er aina in
ihr Haus, zog das zum Tode erschrockene
Utöüchra an seine Brust und sprach, ,n
dem er ihr zugleich einen funkelnden
Ring an den Finger fteckte: Hier der
gewünschte Kuß. Du sollst mein Weib
ein!" Daß Alles sich wirklich so ,uae,
tragen hatte, bestätigte dem Reisenden
der Mund der jungen Frau selbst, als
fle anl,ov, von ihrer schönen Heimath
auf der grünen Aue der Nikschitsch
Hochebene zu erzählen, und ganz wie
eine veuiiqe Hausfrau aus der Ger,
manenzeit dem Fremden das Lieb,
lingSgetränk der Kutschi. den schäumen
den Meth, aus dickbäuchigem Kruge
kredenzte.
in ungewöhnlicher Bummler.
Die Nariker Noli! ift in tun-.
haften Diogenes habhaft geworden,
eines ManneS. der dem nmirn Mprnn.
der zwar nicht erwidert hätte : Geh
mir aus oer fconnr, der aber gesagt
hätte: Laß mich im Freien schlafen!"
Seit einiaer 3n (nflmli niM G
die Polizei besondere Mühe, die armen
z.euse, oie in uddcicd yade und des
halb im Bois d Boulogne. aus den
Bänke der änderen Biil? im
unter den Pariser Brückenbogen kampi
ren. mit ihren HSscherarmen zu Versal
en. Dabei soll sie schon mehrere
Spitzbuben erwischt haben, die große
Mebnabl der bei Mut! fflriln im
Gasthaus, zum goldene Stern"
Uevernachtende ober find harmlose
Gesellen, denen kein Verbrechen nachzu
weisen ist.
Jüngst nun ist der Polizei ein Mann
Ramm Benoit in die Hönd gefallen,
der nicht nur kein Verbrech'r. sonder
auch kein armer Tcuf:l ift ur. der
trotzdem, und zwar au philosophische
Gründen seit zehn Jahren mir bei
grimmiger Kälte unter einem Dache ge
schlafen hat.
Herr Benoit hat eine JahreSrente
von 6000 Francs, kann also für eine
wohlhabenden Mann gelten und könnte
ein schöne Leben sühren. Dies thut er
auch, nur hat er andere Ansichten von
.schön", al die große Mehrzahl seiner
Zeitgenossen. Als sprach Benoit zu
Eochefert, - dem Oberhäscher von Pari :
Ich bin ein freier, unabhängiger
Mann, dem jeder Zwang zuwider ift.
Ich kann nur in der freien Luft leben,
im Hause würde ich ersticken. Seit
zehn Jahren führe ich dies ungebun
dene Leben, und es gefällt mir von
Jahr zu- Jahr besser. Kein Mensch
kann kommen und sagen, daß ich etwas
BöseS begangen habe ; aber viele mei
ner Schlaskameraden werden Ihnen
bezeugen, daß ich sie in ihrer Noth un
terstützte und sie durch meine Unter
ftützung schon oft vom Verbrechen zu
rückgehalten habe. So lebe ich als
Bummler und Philosoph und habe wei
ter nichts zu thun, als jeden Monat zu
meinem Notar zu gehen, der mir nieine
Rente auszahlt. Aus dem Nordbahn
Hof habe ich einen Koffer flehen, der
mein ganzes bewegliches und unbeweg
liches Eigenthum enthält, und dorthin
gehe ich, wenn ich Kleider wechseln oder
sonst etwas holen oder bringen will.
Tagsüber gehe ich spazieren, betrachte
niir die Schaufenster, die Vorüber
gehenden, die Gäste der Kaffeehäuser
u, s. w. und wenn ich davon genug
habe, gehe ich in die Nationalbibliothek,
um mich mit der Literatur auf dem
Laufenden zu erhalten. Am Abend
besuche ich ein Theater oder ein Konzert
und nachher suche ich mir einen paffen
den Schlafplatz im Freien, und zwar
lege ich mich am liebsten unter einen
Brückenbogen, weil da der Regen nicht
zu fürchten ist."
Diesen Bericht schloß Benoit mit der
Drohung: Wenn die Polizei nicht auf
hört, mich zu belästigen, werde ich mich
gezwungen sehen, mein Vaterland zu
verlaffen!"
Natürlich denkt Herr Eochefert nicht
daran, einen so verdienstvollen Bürger
zu vertreiben, und so wurde Herr
Benoit alsbald aus der Haft entlasse
und seinem herrlichen Leben, um das
ihn mancher im ausgetretenen Geleise
der Ordentlichkeit wandelnde Mensch
insgeheim beneiden dürfte, zurückge
geben. .
tkrampf im Waffer.
Dem Krampf im Wasser fallen all
jährlich viele Personen, darunter vor
zügliche Schwimmer, zum Opser. Der
bis zum letzten Augenblick noch muntere
Schwimmer macht plötzlich ungewöhn
liche Bewegungen mit den Armen, sinkt
lautlos in die Tiefe und verschwindet
zum Schrecken der Badenden der
Krampf" hat ihn befallen. In Wirk
lichkeit aber ift es niemals Krampf im
gewöhnlichen Sinne, der den Schmim
mer befallen hat. DaS schnellt Nach
lassen der Muskelkraft wird dadurch er
zeugt, daß Schaum oder Wasserftaub
in den Schlundkopf mit der Ein
athmung gelangt und in die Luftröhre
eindringt, oder, wie es im Volksmunde
heißt, in die falsche Kehle' geräth, wo
durch eine fast augenblickliche Stockung,
sämmtlicher Athmungsorgane ftattfin
det. Kommt das Waffer bei Beginn
einer Athmung in die Luftröhre, wen,
die Lungen ganz luftleer find, so sinkt
der Körper sofort. Wenn daher die
Mitbadenden bemerken, daß Jemand
beim Baden ungewöhnliche Bewegungen
macht, so müffen sie sofort Hilfe leisten,
weil der Betreffende unter den be
schriebenen Umständen keinen Hilferuf
ausftoßen kann.
Schnelle Beförderung.
Der spanische General Rarvaez (in
1863 gestorben) ift auf die sonderbarste
Weise Grande von Spanien geworden.
Als nämlich die Königin Jsabella ja
einem von ihm veranstalteten Balle fuhr,
erhob die Oberhofmeisterin, Marquise
. Santa Cruz, Bedenken, ob die Ett
kette es erlaube, daß die Königin von
Spanien sich in die Behausung ein
Unterthanen begebe, der nicht einmal
Grande von Spanien sei. Sie theilte
während deS Fahren? der Königin ihre
Zweifel mit,' die hierauf erwiderte:
Dem ift leicht abzuhelfen."
Als der Wagen vor Narvaez' Hause
hielt und der General die Königin as
dem Wagen hob, begrüßte sie ihn mit
den Worten : Ich danke Ihnen, Her
zog von Valencia, Grande von Sv
nie."
Mit dieser Ernennung waren auch
die Bedenken der strengen Oberhofmei
fterin geHoden.
Mn' Schatz ift a' Schreiber.
Mei' Schatz ift a Schreiber.
A' Schreiber gar g'wandt;
Er hat m'r verfchrieba
Sei' Herz und sei' Hand!
Sei' Herz und sei' Hand ja.
Und i' ehm de mei'.
Und fest ift der Handel.
Ka' fester et sei'.
Ka' fester net sei', den
I' haun ehm zum Schluß
Mei' Ringle zum Pfand gea.
Als Draufgeld en'Kuß!
' Aus der Schule.
Ledreiiii. Welche Zähne kommen
zuletzt?"
Ti kleine Ella: .Die falschen!"