Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, October 01, 1896, Image 10

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    Der Wille des Gouverneurs.
t.ätjliing au ?b von I, Seutlcr,
Der Karten befindet sich auf Kuba,
dn .Perle der Antillen'. Cuba ift ein
Wunderland. Nichts Ubertrim tot uw
nschbpfliche Fülle und den unendlichen
Reichthum emer Natur. wco gleich,
der kraftstrodenden Schönheit der Bäume
nd Vflaniien. die in diesem Lande
wachsen und wuchern. Welche Pracht
der Landschaft I Welche überwältigende
Schönheit! Welch berau säende IS
rückt I Welch' erstaunliche Schnelligkeit
der Vegetation!
Von der großen Terrasse der Villa
ardenaS aus überblickte der Hinge Be
fltzet Graf LuiS de Almante, der erst
vor zwei Jahren auf Cuba angekommen
war, die ganze majestätische Pracht der
Scenerie. Rings um das Haus blühte
nd duftete es labraus. layrein: die
Orangen und Citronenbäume vev
enaten ihren Dust mit dem Wohl
,eruch der Rose und Vanille, deren
Zweige schattige Gänge und Lauben
kberdachten.
Mißmuthig schritt Gras Almante auf
und ab. Die Sonne brannte hein. Es
fiel ihm ein, daß es auf dem anderen
Theile der Veranda srisch und kühl sein
muffe. So trat er denn aus den Ballon
der die Front des Hauses zierte. Das
reiche Seaensland senlte sich hier wie
ein riesiger grüner Sammetteppich lang.
kam in den zartesten Linien zu der
schimmernden Bucht des tiefblauen
Meeres nieder. Eine leichte Brise
fächelte ihm Kühlung zu, und das ferne
auschen der Wogen lullte ihn in süße
Traume.
Die ganze paradiesische Flur, die das
Auge ermessen konnte, gehörte dem
Grafen Almante. Bor etwa zwei Iah-
n hatte er die reiche Besitzung von
einem Verwandten ererbt, und der arme
spanische Hidalgo hatte sich sogleich
vollen Lebensdurstes nach seiner neuen
neimatb begeben. Er war eine statt
liche Erscheinung, schlank, groß, mit
dunklen, feurigen Augen und üppigem,
sedwarzgelocktem max. Was ihm in
den Augen der Frauen fast noch mehr
Reu verlieh, war der jiiia der Welt
Verachtung, der um seine Lippen spielte.
die Leidenschaft, die in Allem, was er
sagte und that, zu vlbnren schien.
Bald war er einer der ersten, Dielbe
ehrten Löwen und auch einer der aus,
gelassensten Taugenichtse in Havana.
Ihm, dem Helden o vieler Abenteuer,
dem noch kein weibliches Herz mid:rstan
den. schien ein bürgerliches Mädchen.
eine Kreolin überdies, Widerstand leisten
zu wollen! Das Bild des schönen Mäd-
chens. daS als Schatten durch seine Ge
danken glitt, beschäftigte seine Träume.
Vergebens suchte er es zu bannen. Er
mußte sie besitzen. Noch heute wollte
tt ihr all' seinen Reichthum zu Füßen
legen, damit st einwillige, seine Ge
liebte zu werden. fete war doch nur
ein schwaches Weib, nicht einmal Voll,
' blut, sondern blos eine Kreolin; Thra
en würden ihre Waffen sein, Thränen,
d kein Erbarmen finden würden.
Warum sollte das Mädchen den gol-
denen Worten deZ adeligen Verführers
nicht glauben? Und waren denn die
Spanier nicht unumschränkte Herren
S Landes und seiner Bewohner?
Der Graf sprang in seine Volante,
daS leichte Fuhrwerk in Cuba, und
fuhr der einige Kilometer entfernten
Hauptstadt zu. Rasch ging er durch die
Alameda. die Vorstadt, die, von Irorn
schert Bäumen umrauscht, mit den meist
einstöckig, n Häusern in ihren weißen,
blauen, grünen, rothen oder gelben
Farben einen gar zierlichen, angeneh
men Eindruck gewährte. Am Paseo de
Tacon, dem Hauptplatze von Havana,
angekommen, stieg er aus und wanderte
zu Fuß diesen habanestschen Boulevard
-entlang. Fußgänger im modischen Rock
und schwarzen Hut bewegten sich hier
unter Palmen auf dem Trolloir, wel
cheS von prächtigen, gußeisernen Gittern
gegen die anstoßenden Privatgärten be
grenzt war; der Duft der Blumen und
Orangenbäume strömte in überraschen
der Fülle herüber. Stattliche Reiter
auf edlen Pferden andalusischer Ab
ftammung sprengten in kurzem Galopp
vorüber und grüßten die Damen,
toelch, in schneeweiße Seiden und Nes
selwchgewünder gehüllt, mit bloßem
.Hals und Kopf, Irische Blumen im
dunklen Haar, zu zweien und dreien
eben einander aus einer Volante da
herrollten.
Der Graf schenkte dem lebhaften
Treiben auf der Straße kaum Beach
tung. Die Sonne stand schon tief am
Horizont, die Luft war kühl und däm
meng, das Leben auf den Straßen
pulfirte um die Abendstunde am leb
tzafteften; die Palmen und Mimosen
rauschten, Blumenduft stieg aus allen
Betten empor, Springbrunnen plät
scherten, Liebende flüsterten, und die ge
fchroützige Menge wogte dem Theater
zu. Die Fensterläden der Häuser, die
wahrend des Zages fest verschlossen
waren, hoben sich: und in den kühleren
Abendstunden lernt der Spaziergänger
die Wahrheit des Spruches wenigstens
zum einen Theil verstehen: DaS Pri
vatleben der Havana ift öffentlich daS
iffentlicht Lebt geheim.'
Nachdenklich schritt der Gras dahin.
ES war untkrdessen dunkler geworden:
mit Laternen und Hellebarden versehene
Nachtwächter mochten, zu starken Streif
wachen vereinigt, die Runde i den
Straßen. SikgeSficher bog er ,in de
Talle dt Eommercio ein.
Hin wohnte die schönste der Kreo
final, Miralda Sftalez. Räch dem
Todt ihrer Geschwister und Eltern hatte
sie als einzige Erdin den Besitz eines
HauseS und CigarrenladenS angetreten,
der, alsdalb zum Wallfahrtsort der ge,
summten havanesischen Männerwelt er,
habe, zu den ersten Berühmtheiten der
Stadt gehörte.
Miralda zählte erst 16 Jahre, allein
die früheren traurigen ebensersahrun
gen hallen ihrem Wesen einen ehr,
surchtsgebietenden Ernst verliehen, der
die unnahbare Würde idealer Schön,
heit unterstützte. Nie stand ihr Laden
leer. Wer eine Eigarre anzünden
wollte, sprach bei ihr ein ; der eifrige
Geschäftsmann beflügelte seinen Schritt,
um einen Umweg durch die Calle de
Commercio zu machen; und wenn er
auch sonst nicht daran gedacht hätte,
hier mußte er sich eine Cigarre holen.
Aber von allen Kunden und Besuchern,
die sich um ihre Gunst bemühten, hatte
Miralda noch keinem den geringsten
Vorzug gewährt. Auch Graf Almantc
hatte schon stunden, ja tagelang in lie
benswürdigster Unterhaltung bei ihr
geseffen und ihr von seiner heißen Liebe
andeutungsvoll gesprochen ; immer aber
war sie ihm stolz zurückhaltend begeg
net. Und der Graf konnte sich nicht
verhehlen, wie wenig Erfolg sein Lie
besmerben bis jetzt gehabt hatte, und
wie köstlich dem Mädchen gerade dieser
Stolz stand. Aber wie konnte ein
Mädchen mit diesem Gesicht, diesen
Augen, diesem Haar anders als stolz
sein! Heute aber hoffte der Graf des
heißerstrittenen Sieges sicher zu sein.
Es war schon dunkel, als der Gras
in den Cigarrenladen eintrat ; Miralda
zündele eben die von der Decke herab-
hängende Lampe an; mehrere junge
Leute waren anwesend. Miralda er-
widerte seinen Gruß mit jener vorneh-
men Ruhe, die ihrer Schönheit so gut
stand. Eine allgemeine Unterhaltung
über die kürzlich eröffnete erste Eisen
bahn auf Cuba erhob sich ; der Gras
erzählte von der Eröffnungsfeier durch
den General-Capitän Tacon und rich
tete einige gleichgültige Fragen an
Miralda, welche sie kurz beantwortete.
mt jungen Leute entfernten sich.
Der Letzte, der in die dunkle Nacht hin
austrat und mit Miralda Blicke voll
lebe und ewenschast tauschte, war
ein junger Schiffer, der im Hafen von
Havana eine Fähre leitete, ein hübscher
Mann, ein schlanker Herkules mit drei
kn Schultern und von geschmeidiger
Elastizität der Glieder, die starke Mus
leistn t und sehnige Ausdauer bekunde-
ten ; aus seinem funkelnden Auge sprach
Offenheit und Wagemuth, der etwas
große Mund zeigte ein glänzendes Ge
biß, und unter dem kühn aufgesträub
ten Schnurrbärtchen wölbten sich Lippen
roth und voll.
Dem Grasen waren die Zärtlichen
ledesblicte der Beiden nicht entganaen.
Kaum war der Schiffer verschwunden,
alle Magazine der Straße geschloffen
und das Leben auf der Straße fast er
ftorben, als der Graf mit seinem Anlie
gen hervortrat. Miralda war schöner
als je zuvor. Das liebliche Oval des
Kopfes trug kindlich heitere Züge ; das
üppige schwarze Haar, das einfach in
der Mitte gescheitelt und in reichen
Wellen über Stirn und Obren siel.
war hinten durch einen goldenen Kamm
zu einem Kranze au gebunden und mit
einer frischen Rose geschmückt. Einer
hrer begeisterten Anbeter hatte m voeti
chem Schwünge ihr Haar glänzender
und schwärzet gesunden als die dunklen
chmenhul en der Ahurzachifrucht, und
die Bewegung ihrer langen Augenwim,
Peru, hinter denen der feuchte, tiefe
Glanz ihrer großen schwarzen Augen
sich derbarg, halte er dem Schlag der
zitternden tfiugel des Kolibri verglichen.
en Gras war erregt.
Miralda, ich bin hiergeblieben. weil
ich Dich sprechen will, sprechen muß
Ich werde Dich nicht lange aufhalten,
Es bedarf nur eines Wortes, nur eines
einzigen Wortes, das über mein Leben
entscheiden soll. Liebst Du mich? Ja
der nein?"
Er hatte Miralda's Hand ergriffen.
die er mit krampfhafter Heftigkeit
preßte. I
Ja oder nein?" wiederholte er in
einem Ton, der seine Leidenschaft deut
lich genug verrieth.
Ader ihr Herz war taub gegen diesen
Ton, es blieb verschloffen wie das Haus
eines ManneS, der vor Dieben in der
Nacht aus seiner Hut ift.
Sie entzog ihm die Hand, trat einige
Schritte rückwärts und sagte in mildem
Ton:
.Ich kann Sie nicht lieben und werde
nie freiwillig die Ihre werden ; warum
wollen Sie nun Ihre Liebe an Jemand
verschwenden, der sich um so ein koftba
reS Geschenk so wenig kümmert?"
Sagen Sie mir aber doch noch dies
Eine : Wird mir ein Anderer vorgezo
gen? Lieben Sie einen Anderen?"
.Ja," antwortete sie nach kurzem
Bedenken.
Aber Sie können doch diese Schis-
er nicht lieben Unmöglich ! Unsinn !
Miralda, stoße mich nicht von Dir, habe
Mitleid mit mir ! Verlange, was Du
willst. Tu sollst Alles haben I Miralda,
liebe, liebe Miralda ! Nimm Alle, was
ich habe, nimm mein Herzblut, Tropsen
für Tropfen ! Mein Blut, mein Leben,
mein Seele sind ja Dein !"
Er war aufgesprungen und eilte, wie
von Dämonen gefolgt, in dem Gemache
auf und ad. Starr ruhten seine Auaen
auf dem herrlichen Mädchen. Seine
Sinne schienen sich bei ihrem Anblick
zu verwirren ; der sinnbeftrickende Zau
ber der Zrovennacht, der berauschende
Tust der Jasmin und HidiskuZblü-
thendüste steigerten seine Aufregung
Bon Leidenschaft überwältigt, sprang
er aus sie zu und suchte ihr einen Kuß
aus die Lippen zu drücken.
Mit übermenschlicher Krast stieß sie
den Frechen von sich und erhob die mit
ihrem blitzendem Dolche bewehrte Rechte
zu ihrer Vertheidigung.
Sie hatte schon längst einen solchen
Ausgang gefürchtet und deshalb den
Dolch immer im Gewände bei sich ge
tragen. Aber sie brauchte kein Blut zu
vergieszen.
.Rache. Rache!" murmelte Graf
Almante durch die Zahne, und mit siin,
kelnden Augen verließ er die Schwelle,
Sie athmete auf und glaubte, von
dem Verfolger auf immer erlöst zu
lein.
Alles, was geschehen, erzählte sie
ihrem Geliebten; mehrere Tage vergin,
gen, und das Glück ihrer Liebe schien
ungetrübt.
Abenddämmerung lagerte über Ha,
ana. Müde ließen selbst die Akazien
ihre hellgrünen Blätter hängen. Miralda
saß allein in ihrem Laden, in deffen
Mitte ein klarer Springbrunnen ein-
tönig pial werte. Ein Kommando Sol
daten marschirte die Straße herauf und
machte vor ihrem Hause Halt. Der
Lieutenant der Truppe trat in den
Laden und befahl ihr im Namen des
es, ihm zu folgen. Das Mädchen
wagte nicht, obgleich es sich keinen
chuld bewußt war. dem allmächtiaen
Willen des General CapitäuS sich zu
wioersetzkn.
Als aber der Marsch an dem Ge
fängniß vorbei zur Stadt hinaus ging,
stieg ihre Angst; zitternd und sich sträu
bend. fragte sie, wohin man sie führe?
Auf der Alameda wurde sie in eine be
reit stehende Bolante gehoben, und in
schnellem Lauf fuhren sie durch die Vor
städte dahin. Schweigen wurde allen
ihren Fragen, wohin man sie bringen
wolle, entgegengesetzt. Vor der Villa
Cardenia's hielt die Bolante. Der Graf
Almante empfing sie lächelnd, half ihr,
aus der Volante steigen und erklärte
ihr, der "querida de rni corazon,"
seine treue Liebe und sprach die Hoff
nung aus. daß sie ihren starren Sinn
erweichen lasse. Miralda lüftete den
im Kleide verborgenen Dolch nnd trat
ruhig in das ihr bestimmte, üppig ein-
gerichtete Zimmer. Ihr Stolz war
nicht gebrochen. Der Gras wagte kaum,
sich ihr zu nähern; die Bluwelle. die
ihr jäh zu Kops stieg und eine flam
mende Röthe über Geficht und Nacken
ergoß, der stolze Blick ihrer Augen, das
leise Zittern ihrer weißen Hand, die
nach dem Dolch griff das Alles hielt
ihn zurück.
Mehrmals ging die Sonne hinter
den zerklüfteten Höhen des Pan de
Mantanzas zur Rüste. Hanend und
hoffend faß sie am Fenster und blickte
über den in tropischer Fülle prangenden
Park hin. Sie lebte der sicheren Hoff
nung, daß Pedro, der ja von den Zu
dringlichkeiten des Grasen wußte, ihren
Ausenthalt entdecken und zu ihrer Be,
freiung herbei eilen würde. In der
That war dieser, als er von dem plötz
lichen Verschwinden Miralda's der
nahm, der Verzweiflung nahe; bald
lenkte sich sein Verdacht auf den Grafen
und wilde achegedanlen durchtobten
seine Brust. Tage lang wartete er auf
der Alameda und vor der Villa, um
den Räuber Miraeda'S vorbei passiren
zu sehen. Aber der Graf zeigt sich nicht.
Allmälig kehrte Pedro die ruhige Ueber
legung zurück, und der Macht des rei
chen und darum allmächtigen Spaniers
mußte er Lift und Klugheit entgegen
setzen. Das junge Mädchen saß, die Arme
über der Bruft gekreuzt, in den Stuhl
zurück gelehnt und starrte, in Träumen
versunken, vor sich hin. Mechanisch
horchte sie aus das Sausen des Nacht,
windeS in den Palmen vor dem Fenster,
in das sich von Zeit zu Zeit der dumpfe
Donner des am User ausrouschenden
MeereS mischte.
Da plötzlich fuhr sie zusammen und
lauschte athemlos nach dem Fenster,
Durch dik klagenden Laute des Windes
ertönte der Gesang einer weiten, tiefen
Stimme. Dann rauschte der Wind
wieder lauter und stärker auf, und die
Stimme verwehte; noch einmal aber
klang es deutlich an ihr Fenster herauf,
eit bebte an allen Gliedern. Sie
wagte kaum, zu athmen. Roch einmal,
aber schon ganz leise, kaum vernehm
lich, sang es:
.Ohne Dich ift mir kein Leben,
Ohne Dich das Leben Tod;
Und so will ich hin eS geben. ,
Siebenmal dahin es geben.
Theuerste, auf Dein Gebot."
Alles war ruhig und still; nur am
Himmel zuckte es unheimlich aus; ein
schwaches Aechzen und Stöhnen durch
bebte die Lust. Ein langer, sahler
Blitz flammte hernieder, dann sährt ein
Windstoß in die Kronen der Baume
und schleudert die Früchte zur Erde, die
Ananas, die Sapota, die Avokadobir
nen in buntem Gemisch. Vom Meer
yer ertönt daS dumpfe Geheul der
Brandung, Aefte krachen, die biegsamen
Palmen neigen ihre Kronen zur Erde.
nieder und richten sich wieder aus, lo
bald die sie beugende Kraft nur einen
Moment nachläßt. Vergebens! Die
Windsbraut erfaßt sie von Neuem.
dreht sie wirbelnd im Knisk und führt
fit triumphirend durch die Lüfte davon.
Unaufhaltsam saust sie dahin über
Kaffee, Zucker und Tabackspflanzun
gen. Alles dnheerknd; selbst die riesige
Kohlpalme, die so manchem Sturm ae
trotzt, erzittert bis in die Wurzeln, nd
die fete reißt mächtige Korallenblöcke
aus den Riffen, die sie wie ein Stück,
che Baumrinde hoch aus's Ufer schien,
dert. Ter ganze Himmel steht ,n Flam
men, berghoch rollen die Wogen heran
der Erdboden scheint zu wanken. Alle
Elemente veninigen sich, das Zer
ftörungswerk des kubanischen Orkans
zu vollenden.
Ein spanischer Hausirer hatte wäb
rend des Sturmes Obdach in der Villa
EardeniaS gesucht und bei der großen
asilichieii oer pavanesen auch gesun
den. B,e Trenerscha t hatte ftch aus
Furcht vor dem Unwetter erborgen
So war eö dem Hausirer ein Leichtes,
während der Ausruhr der Elemente
tobte, zu Miralda zu gelangen
Pedro, mein Pedro !" kam es über
ihre Lippen, als sie ihr an seiner
Stimme erkannt hatte und sich in seine
Arme nurzie.
Ruhe, Ruhe, mein Liebling!
flüsterte er, sie küssend.
Während draußen der Sturm weiter
tobte, erzählte sie Pedro in haftiger Eile
iyre inisilyrung und beschwor ihn, ihr
zur Flucht zu verhelfen oder sie zu löd.
ien. '1ttralda wußte einen Ausweg.
vos vertrauen der Liebenden wandte
sich nach langem Zauderndem General,
capitän Tacon zu, dessen Gerechtigkeit
uno Strenge aus oer Insel spnchwört,
lich geworden waren.
Pedro entschloß sich, ihn um kiülfe u
bitten. ' Als er die Villa verließ, hatte
sich die Natur wieder beruhigt, nächt
liches Dunkel war aus Gürten und Meer
heravgeiunken, und des Vollmondes fit
deine Scheibe wob dämmerndes Lichl
um Busch und Zweig.
General Bon Miguel Tacon war im
Jahre 1832 kubanischer Statthalter
geworden; sein krastvolles Auftreten
lenkte die zenlltteten Verhältnisse der
JNiel wieder in neue, beffere Bahnen,
leider nur für kurze Zeit. Ein eiserner.
energischer, aber gerechter Charakter.
wollte er den Augiasstall althergebrach-
rer wmraume auslernen. Und es ae,
lang ihm auch. Siadt und Land wim
melken von Straßenräubern; war es
doch sogar vorgekommen, daß einer von
Zi,acon s Borganaern einem Kläger an
gerathen hatte, er möge nur, um seines
Eigenthums und seiner Person sicher zu
sein, gleich ihm um sieben Uhr sich zu
Bett begeben. Räuber und Diebe ent
g,ngen der Verurteilung durch die Be,
stechluhkeit der Richter. Tacon erlieg
die strengsten Befehle gegen Diebereien
und Rauvansälle, durchslreiste oft selbst
mit Patrouillen die Stadt und lieb das
verdächtige Gesinde! ergreifen. In
Kürze hatte er nicht weniger als 2000
dieser Taugenichtse beisammen. Aber
sie sollten nicht unthätig auf Kosten des
Staates gefüttert werden, sondern mus
ten großartige Bauten und Anlagen
ausführen, welche der unermüdliche
Gouverneur entwarf und die noch heute
einen warnen tragen, eine fctnjfce. die
Wanerieiiung. die großen Gefänanine.
das Theater.
Schon früh Morgens beaab sich
Pedro rnanianez zu Tacon, wo er
freien Zutritt und williges Gehör fand.
Er erzählte ihm die Entführung Mi
ralda's durch den Grafen Almante und
ihre Gefangenhaltung in der Villa des
Grafen.
Miralda ift Deine Schwester?" fragte
der Gouverneur mit sinfterer Miene, als
der junge Mann geendet.
Meine Verlobte, Erelencia!"
Der Gouverneur hieß ihn näher her
antreten; er nahm ein Kruzifix von
der Wand herunter und hielt es ihm
vor.
Schwöre mir hier auf dieses Kreuz
bei Himmel und Seligkeit, daß Du die
lautere Wahrheit gesagt hast! befahl er
ihm mit fester Stimme.
Pedro kniete nieder, küßte das Kreuz
und schmor, daß er die Wahrheit ge-
redet.
Ohne ein Wort weiter zu verlieren.
ließ er Pedro in ein anstoßendes Zimmer
treten und besaht ihm, zu warten.
stunde um stunde verrann; in
namenloser Angst hante Pedro, wie
sich das Loos der Geliebten gestalten
werde.
Nach Verlauf von etwa drei Stunden
wurde Graf Almante in das Kabinett
des Gouverneurs geleitet, und kaum fünf
Minuten nachher er chien auch Miralda.
bleich und dang. Sofort begann der
Gouverneur fein Verhör,
Graf Louis de Almante, Sie haben
die Uniform unserer königlichen Polizei
dazu mißbraucht, dieses Mädchen zu ent
führen. Ist dem so?"
Ich war so leichtsinnig, Ezcellencia,"
erwiderte der Graf mit Ruhe. Ich
lann es vor Gott nicht verantworten.
Der höhere Richter später," unter,
brach ihn der General heftig. .Hier
frage ich Sie auf Ihre Ehre: Ist da
Mädchen in der Gefangenschaft beschimpft
worden?"
.Bei meiner Ehre, nein."
Das Verhör deS Grasen war zu
Ende.
Tacon warf rasch einige Worteauf ein
Stück Papier, klingelte einem Diener
und schickte den Zettel hinaus.
Die Untersuchung wurde fortgesetzt;
auch Miralda mußte bestätigen, wie sie
von der Polizei nitsührt und nach der
Villa pardenaS gebracht worden sei.
daß ihr ad dn Graf weiter kein Leid
angethan hätte.
Plötzlich öffnete sich die Thür wieder.
und berein trat ein spanischer Priester in
seinem vollen Amtsschmucke.
.Vatn Josk. Ihr werdet die Ehe
des Grafen Almante mit
Miralda I
Estalez sogleich hier einsegnen und voll
ziehen !' besahl der Gouverneur dem
Priester.
Diese Worte trafen den Grasen und
die beiden Liebenden nicht weniger wie
ein Alles vernichtender Blitzschlag. DaS
war also die vom Generalgouverneiir er
hoffte Hilfe und Rettung I
ES war vergebe, daß der Gras ge
gen diesen Zwang Einsprache zu erheben
suchte, daß er den General a den alten
Adel des Hauses Almante erinnerte,
daß er mit bewegten Worten bat, die
Ehre seiner Familie, die Unbescholten
heit seiner Grafenkrone, seiner stolzen
Devise nicht durch die erzwungene Miß
heirath mit einer Havanesin von der
verachteten Kaste der Mulatten zu be
schimpfen. .Ich, ein Hidalgo der Krone
Spanien's, der Schwiegersohn eine
Mulatten, der einst selbst Cigarretten
gedreht, und dessen Vater in den Zucker
Plantagen arbeitete!" rief er stolz.
Noch schlimmer stand eS um Pedro
und Miralda. Vergebens flehte Pedro.
Miralda stand vernichtet und dar
schluchzend ihr Haupt an seiner Bruft;
aber er fand als einzigen Trost für sie
nur Liebkosungen, keine Worte. Der
Gouverneur bestand auf der unmiltel
baren Ausführung seines Befehles.
Und bevor sich noch einer der Betheilig
Ien recht zu besinnen vermochte, war die
prieftcrliche Trauung vollzogen, und
Miralda war Gräfin Almante.
Der Graf blickte seine ihm neuver-
wühlte Gattin gar nicht an. Aus Be,
fehl des' Gouverneurs durste er den
Palast verlassen: nur Pedro und Uli
ralda mußten zurückbleiben und im an,
stoßenden Zimmer warten.
Tacon setzte ruhig seine Amtsgeschäfte
fort.
In Thränen zershenend, warf sich
Miralda in Pedro's Arme, verbarg das
glühende Antlitz an seiner treuen Brust
und weinte ihren großen Kummer aus,
Wie wohl war ihr in seinen Armen,
aus denen sie für immer gerissen werden
ollte.
Pedro schwieg, er wußte selbst keine
Trostworte, sanft streichelte er über M,
ralda s heiße Wangen.
Sei ruhig, meine Miralda, ich werde
Dich wiedersehen! Du tollst mich wie,
dersehen!" flüsterte er, und die Worte
fielen wie lindernder Thau in Miralda !
wundes Gemüth. Sie küßte ihn heiß
ihre Augen leuchteten groß und dunkel.
und sanft und ruhig schmiegte sie sich
an Pedro.
Es war kaum eine halbe Stunde der,
strichen.
Der wachthabende Ofsiuer des Pa,
lastes trat in das Kabinet des Gouver-
neurs.
Ift mein Befehl vollzogen?" fragte
der Gouverneur strenge.
Ja, Ercellenaa! Neun Kugeln
haben den Grafen getroffen, als er an
der Ecke der Alameda de Paula vorbei
ntt!"
Ich bin zufrieden; man schicke mir
den Priester wieder.
Nach wenigen Augenblicken erschien
derselbe.
Vater," sagte der General, Ihr
werdet die vorschriftsmäßige Verkündl
gung der von Euch vorhin vollzogenen
Ehe des Grafen Almante mit Miralda
Estalez übernehmen; zugleich wird es
Eure Aufgabe sein, den Tod des Grafen
bekannt zu geben und sein Leichenbe,
gängniß anzuordnen."
Hat der Graf Almante hier Bei,
wandte?" wandte sich Tacon wieder an
den Osnzier.
Ich weiß von keinen. Ercellencia,"
gab dieser zur Antwort. Auch der Prie
fter hatte nie von solchen gehört.
In Ermangelung miterbender Ge
chmister und Verwandten," sprach Ta
con weiter, wird also die Wittwe des
Grafen einzige Erbin seines Vermögens
und seines Namens sein. Vater Jose.
Ihr werdet Sorge dasür tragen, daß
dies, mein Wille, erfüllt werde."
Pedro und Miralda wurden in !
Kabinet des Gouverneurs gerufen.
Gräfin Almante, Sie sind Wittwe
und können über Ihre Hand und das
Ihnen von Ihrem Gemahl hinterlassene
Vermögen frei nach eigenem Ermessen
verfügen."
Miralda wußte nicht, wie ihr geschah;
sie konnte den Sinn dieser Worte nicht
fassen.
.Sie sind frei, Ihr Gemahl ift
todt !" wiederholte der Gouverneur.
In überströmendem Gefühle der
Dankbarkeit stürzte fit auf dik Kniee
nieder und wollte seine Hand küssen.
Er aber'wieS sie zurück, befahl ihr sich
zu erheben, und sagte streng:
Gehm Sie jetzt mit diesem jungen
Burschen und machen Sie ihn glücklich!"
Das vechängnißvolle Schnurr
bartlzaar. ?ine Londoner lriminalgkschich!k.
Als Mr. Clive nebst Gemahlin, in
der, sowie der gesammten Dienerschaft
von dkr randparne zurückkehrte, fand er
zu seinem großen Erstaunen, daß aus
sämmtlichen Zimmern die Stuben
tdüren gestohlen waren. Keine Fenster
scheide war versehrt, es zeigte sich über
Haupt nicht die geringste Spur von den
Dieben.
Natürlich wurde sofort nach der Po
lizei geschickt und der lZongabler Mr.
Glh erschien, um das Protokoll aufzu
nehmen.
Haben Sie auf irgend Jemanden
aus dn Tiennschaft Vndacht ?"
.Rein." nwiderte Mr. Eli, .die
war ja mit uns auf dem Lende."
Danach srage ich nicht. Man muß
korrekt zu Werke gehe. Bei jedem Per
brechen, da im Hause geschieh!, fällt
zunächst der Verdacht aus die Diener
schast."
Mr. Gly war einer der vorzüglichsten
Polizeibeamten London's. Er hatte
zwar och nie den Urheber eines er.
brechen? entdeckt, aber seine Protokoll!'
erfreuten sich der Achtung seiner Borges
setzten. Auch jetzt bewies er seine Klug
heit. Er untersuchte zunächst die Ta
schen, dann die Schränke der Dienst
boten. Er notirte dies im Protokoll
und schloß mit der Bemerkung, daß er
den Dieben aus der Spur sei.
Mr. Clive gehörte zu den unzusric
denen Elementen der Bevölkerung. An
statt sich mit dem Protokoll z begnll,
gen, ging er zu Mr. Brown, dem be
rllhmtesten Dctekti London'S, und legte
ihm genau die Thatsachen vor.
Glauben Sie, daß man die Diebe
entdecken kann?" fragte Clive.
Das Einschreidegeld kostet fiin!
Pfund," erwiderte der Detektiv selbst
bewußt. Mr. Clive bezahlte und wiederholte
seine Frage.
Sobald ich die Diebe fest habe,
und das wird am nächsten Freitag,
Abends 6 Uhr 35 Minuten der Fall
fein. erhalte ich noch 20 Pfund."
Bald darauf nahm der Detektiv eine
Besichtigung am Thalort des Ver
brechens vor. Die Hände in den Ho
fentaschen schlenderte er durch die Zim
iner, gleichsam zu seinem Vergnügen.
Plötzlich blieb er stehen, bückte sich und
hob Etwas vom Erdboden auf. Was
war es? Ein einzelnes Haar! Er legte
es sorgsam in sein Notizbuch.
Glauben Sie wirklich ?" fragte
Mr. Clive.
Unbedingt."
Aber wie ?"
Ganz einfach! Ich werde bei allen
Denen, die mir verdächtig vorkommen,
die Haare nachzählen lassen, ich meine
die Schnurrbarthaare, denn ein solches
ist das gefundene. Solche junge Leute
zählen ihre Schnurrbarthaare und mer
ken sehr genau, wenn ihnen eines
fehlt."
M. Brown und M. Clive gingen
darauf in einundzwanzig Barbier
gefchäfte und zeigten das Haar den In
hadern vor. Im zweiundzmanzigsten
sagte der Barbier sofort mit Bestimmt
heit :
Das Schnurrbarthaar kenne ich, es
gehört dem jungen Cogsby. Er läßt
ftch alle Tage bei mir rasiren. Doch da
komrul er gerade."
Ein lunger Mann erschien und ließ
sich ahnungslos zum Rasiren nieder.
Der Barbier beugte sich über ihn und
sagte plötzlich in schmerzlichem Tone :
zähle nur dreizehn." Cogsbn
erbleichte.
Wie?" rief er, erst vorgestern wa-
ren es noch vierzehn."
Ist das vermißte Haar vielleicht die
" fragte Mr. Brown hinzutretend.
In der That." erwiderte Coasb er-
staunt.
Ich fand es in der Wohnung des
Mr. Clive."
Cogsby wurde noch bleicher und sank
zu Boden.
Schurke." rief Mr. Clive. aib mir
meine Stubenthüren wieder!"
Ich bekenne Alles. Mein freund
Tom und ich, wir haben die Thüren ge
stöhlen. Wir haben sie zuerst zersägt
und dann durch den Kamin iortae-
chafft. Ich bin Schreinerlebrlina und
wollte meinem Meister Arbeit zukommen
lassen.
Und so war es. Cogsb wurde zu
dreijähriger Deportation verurtheilt und
versprach, nie wieder Stubenthüren zu
stehlen, was er auch gehalten hat. Er
verlegte sich später auf Fenster und
Badewannen, trug aber dabei stets eine
uiroarioinoe.
Unerwartete Verordnung.
Der Botaniker Link, von 1815 bis
1851 Professor an der Universität i
Berlin, war der Schrecken aller Kand,
daten der Medizin, welche gewöhnlich in
dem Fache, das er als Mitglied der
OberprüfungS-Kommission zu verketen
hatte, nicht recht zu Hause waren. Einst
kam er mit katarrhalischen Beschwerden
behaftet in die Prüfung, und als die
Reihe des Examinirens cm ihn kam,
richtete er mit ganz heiserer Stimme an
en andidalen die Frage: Sie hören,
woran ich leid. Sagen Sie mir was
würden Sie mir verordnen, wenn Sie
mein Arzt wären?"
Ohne Zögnn versetzte dn Gefragte :
Vor allem. Herr Professor, hätte ich
Ihnen gnathen. bei solch kaltem Wetter
zu Hause zu bleiben, da Ihr Ausgang
nur schlimme Folgen haben kann."
Man kann sich denken, welches G
lächln unter den Zuhönrn entstand.
Auch der Examinator stimmte darin
mit ein und meinte : Das glaube ich
Jhnm von Hkrzen gnn."
UebrigenS traten die schlimmen Fol-
gen bei dem Kandidaten diesmal nicht
ein. da rr wieder Erwarten alle weite
ren Fragen richtig beantwortete.
vsxpelknnige Schtisung.
... .Für Sit. Mtink Gnädige, gingt
ich bis an'S Ende der Welt!" .
.Sie gehen entschieden zu weit, Herr
Assessor!"
!lm Siel.
Jungn Mann, nach seiner ersten An
steUung: So. jetzt wird geheiralhet,
jetzt kann ich eine Ärau krnäbren. wenn
sie Geld hat.'