Schlanke Ccne. Von P e 0 t 8 Gert). Lene Nissen und Christian Claussen waren NachbarSkindek; drunten am ffi schersthor wohnten ihre Eltern. Sie hatten zusammen gespielt und Kinder freundschast geschlossen, denn Christian hatte sich immer dc Keinen Mädchens ritterlich angenommen. Als sie dann cvnfirmirt waren, hatten sich ihre Wege getrennt. Lene war in Dienst ge gangen" und Ehristian zar See. Nach einigen Jahren erst sahen sie sich wieder, die Kindrfreundschast war noch nicht vergessen und aus der Freundschast wurde Liebe. Zu verwundern war's freilich nicht, denn am ganzen Fischerthor ga! es kein schmuckcreS Mädel, als Rissen's Lene, und Christian Claussen war der ge wandtefte Bursch rund herum an der Waterkant". Lene's Eltern hatten gegen die Hei rath mit Nachbars Christian nichts ein zuwenden, doch hatte eS mit der Hoch zeit noch gute Wege, denn zuvor wollte Christian sein Steuermanns'Ezamen machen und Lene war doch auch noch gar zu jung. Nach ein paar frohen Wochen mußten die Liebenden sich abermals trennen. Christian ging wieder zur See, um voll befahrener Matrose zu werden und Lene in Dienst. Wieder ergingen einige Jahre in schnellem Fluge. Christian hatte seine Fahrzeit erreicht und wollte zum Herbst aus die Steuermannsschule gehen. Vor her kam er aber noch fiir einige Wochen nach Haufe und da Lene seit einiger Zeit ebenfalls bei den Eltern weilte, so gab es fröhliche, selige Stunden für die jungen Leute. Ach, viel zu schnell flohen sie dahin und bald hieß eZ wieder scheiden. , Christian bezog die Steuermanns schule in F. und mußte alle Kräfte an spannen, wenn er in der vorgeschriebenen Zeit das gesteckte Ziel erreichen wollte. Trotzdem fehlte es auch an Zerftreuun gen nicht. Dem jungen Steuermanns schüler erschlossen sich zum ersten Male wohlhabendere Familienkreise, denn manche Mutter sah den angehenden Capitän als gute Prise für eine ihrer Töchter an. So kam Christian auch in das Haus des Schiffsrheders NielS Jeffen, und er fand sich angeheimelt von dem Zauber des Familienlebens, das er in dieser Weise noch nicht kennen gelernt und während der Seefahrtszeit überhaupt ganz entbehrt hatte. Der strebsame tunge Mann, der ebenso verständig mit ein Hausherrn über Handels- und Schiffsahrts-Verhältnisse zu sprechen wußte, wie er die Frau des Hauses und die beiden erwachsenen Töchter durch Schilderungen seiner weiten Reism zu unterhalten verstand, war bald ein gern gesehener Gast in der Familie und brachte manchen Abend in derselben zu. Wie gemüthlich saß es sich um den runden Theetisch, wie anmuthig wußte Hilda, die jüngste der Töchter, den Theepunsch zu kredenzen l Nie hatte ihm Theepunsch, dies Nationalgetrünk der Nordschleswiger, köstlicher gemundet. Unwillkürlich verglich er Hilda mit seiner Lene und dieser Vergleich fiel stets zu Gunsten der Ersteren aus. Die umsaffendere Bildung, die feineren Manieren und das anmuthigere Wesen Hilda' stachen gar sehr ab gegen das einfache Benehmen des Mädchens aus dem Volke. ' So kam es, daß Lene'S Bild in fei nein Herzen erblaßte, und Hilda'S Bild an dessen Stelle trat. Erst schatten haft, unbestimmt, dann immer deut licher und zuletzt strahlte eS in voller Klarheit. Auch Hilda hatte den jungen See mann lieb gewonnen, ahnte sie doch nicht, daß fein Herz schon einer anderen gehört hatte. Christian hatte zwar noch nicht osfi ziell um ihre Hand angehalten, aber auS einzelnen Andeutungen der Mutter konnte er entnehmen, daß er als Schwie gersohn willkommen sei. Auch hatte er fein Verlöbniß zu Lene noch nicht gelöst, denn ihm fehlte der Muth, es plötzlich abzubrechen und ihr mit dürren Worten den Abschied zu geben. Er wollte es allmählig einschlafen lassen. So schrieb er denn seltener, die Briefe wurden käl ter und zuletzt hörten sie ganz auf. , Das arme Mädchen erbarmte sich und ahnte, daß es mit Christian's Liebe aus fei. Aber ihr treues Herz wollte nicht daran glauben. DaS Jahr verging. Christian be stand die Prüfung mit rühmlicher Aus zeichnung. Mit seinem Steuermanns Patent für große Fahrt" trat er dann wohlgemuth vor Niels Jeffen, um Hilda von ihm zu erbitten, freudig er. hielt er da! Jawort und als Mitgift eine neue, noch im Bau begriffene Bark, auf der er zunächst als Steuer mann fahren und die er später als Capitän fähren sollte. Christian's Glück schien gemacht. Nach wenigen Wochen schon fand die Hochzeit statt. Lenc hatte von Christian'S Verlo bung mit der hederstochter gehört, allein auch jetzt ließ sie die Hoffnung noch nicht völlig sinken. Sie beschloß, selbst nach F. zu reisen, um aus Chri ftian'Z eigenem Munde ihr Schicksal zu vernehmen. , Trotz des Abmahnens der Mutter machte sie sich eines Tag auf den Weg nach F. AlZ sie hier an der Manen Kirche vorbei kam, waren viele Menschn, Der ämnlagsgast. Jahrgang 17. Beilage zum Nebraska Ttaats-Anzeiger. No. 1. esmsmms9!f um das Portal versammelt. Es fand eine Trauung statt, und auch Lene trat hinzu, gerade, als der Brautmagen vor fuhr. In schwerem Atlaslleide, den blühenden Myrthenkranz und weißen Schleier im blonden Haar, entstieg die glückliche Braut demselben. Alle Blicke richteten sich auf die liebliche Erschci nung. Auch Lene hatte sie betrachtet und wandte nun ihr Auge dem Bräu tigam zu. Aber kaum hatte sie ihn angesehen, als alles Blut ihr zum Herzen zurück strömte. War's Wirklichkeit, oder äffte sie ein Traum? Ja, es war wirklich Christian, der an der Seite der lieblichen Braut linher schritt. Glückstrahlend schaute er sich ringsum, als er die Stufen zum Portal empor stieg. Da traf sein Blick Lene, und als habe er ein Gespenst geschaut, so fuhr er zusammen. Nur einen Augenblick hatte er das todtblaffe Gesicht Lene's gesehen, eine Sekunde hatten sich ihre Blicke be gegnet, aber diesen unsäglich traurigen, vorwurfsvollen Blick würde er sein Leben lang nicht mehr vergessen können, das sühlte er. Die Trauung begann, aber Christian hörte nichts von den Worten des Geist lichen und Hilda mußte ihn erst an stoßen, damit er aus die Frage desselben antwortete. Sein verändertes Wesen ftel allgemein auf, aber er schätzte plötz liches Unwohlsein vor, das wieder vor übergehen werde. Später war er auch wieder heiter, aber feine Fröhlichkeit hatte etwas Erzwungenes. Immer wie der tauchte das blasse Gesicht Lene's vor ihm auf. Und Lene? Als die Menge sich der laufen hatte, wankte auch sie fort. Ihr war so wüst im Kopfe, so leer und todt im Herzen. Sie konnte kaum denken, so wirr gingen ihre Gedanken durchein ander. Nur sort wollte sie, fort von hier, wo sie das Glück zu Grabe ge tragen hatte. Wie sie nach Hause gekommen, wußte sie nicht; ihre Mutter erschrak über das veränderte Aussehen und suchte sie zu trösten, so gut sie es vermochte. Doch es war vergebens. Lene war wie gestorben. Sie weinte und klagte nicht, aber diese Stille, diese eisige Ruhe war beängstigend. Mecha nisch errichtete sie ihre Arbeit, aber oft hielt sie inne und starrte verftändnißlos in's Weite. Dann schrak sie plötzlich zu snmmen, griff mit der Hand an den Kopf, als ob dieser sie schmerze und fuhr wieder mit der Arbeit fort. Nach einigen Wochen kam Christian nach K., um die neue Barke, die ihm sein Schwiegervater geschenkt hatte, nach F. abzuholen. Lene hatte davon gehört. Eine sie berhafte Aufregung bemächtigte sich ihrer und riß sie aus ihrer Thcilnahm lostgkeit heraus. Sie wollte Christian noch einmal sehen, zum letzten Male. Vergeblich suchte ihre Mutter sie davon abzuhalten. Lene ging hinab an den Hasen, wo der .Hainan' am Bollwerk vertraut lag. Es war ein sonniger Frühlingstag; eine frische Brise wehte aus West die losen Segel flatterten luftig von den Ragen und geschäftig eilten die Matro sen an Deck auf und ab, um die letzten Vorbereitungen zur Abreise zu treffen. Jetzt kam auch Christian die Kajüten treppe herauf, begab sich auf die Com mandobrücke und bald erscholl der Be fehl zur Abfahrt. Die Segel wurden angebraßt, die letzten Taue, welche das Schiff noch an's Land fesselten, wurden losgeworfen, und langsam setzte sich der Hainan" in Bewegung. Roch einmal schaute Christian nach dem Ufer zurück, um die Abschiedsgrüße seiner Bekannten, die zahlreich daselbst versammelt waren, zu erwidern. Da traf sein Auge auch Lene. welche etwas abseits, bleich und starr wie eine Bild säule stand. Er schrak zusammen bei ihrem Anblick, ein Zittern durchlief sei nen Körper, und krampfhaft umklam mertcn seine Hände das Geländer der CommandoBiücke. Aber nur einen Augenblick dauerte diese Schwäche, dann ermannte er sich und gab Beseht auch die Oberbramsegel zu setzen. Aber sein Commandowort übertönte ein gellender Schrei, und als er sich um wandte, sah er, wie Lene sich in den Hafen stürzte. Den Booten in der Mhe gelang eS zwar, sie zu reiten, allein ihr Verstand war von Stund' an umnachtet. Seeleute sind abergläubisch; auch Christian war davon nicht frei. Er war überzeugt, daß dies Vorkommniß ihm ein Unglück bedeute, daß er bald mit seinem Schiffe untergehen werde. Allein Jahre vergingen, obne daß seine Befürchtung eintraf. Doch glücklich war er nicht. Sein Gewissen ließ ihm keine Ruhe; selbst in der eigene Fa milie konnte er nicht froh werden. Er wurde ein menschenscheuer, finsterer Mann, ein harter, strenger Capitän. Nie war ihm wohler, als wenn er aus dem Meere war, und der Sturm orkan artig toste. Er war verwegen wie kein Anderer. Was lag ihm am Leben I Man nannte ihn nur den wilden Ca pitün." Der Tod schien ihn zu fliehen. Er fuhr mit einem beispiellosen Glück und häufte Gold auf Gold. Aber was nutzte ihm der Reichthum, er konnte sich damit den Frieden und die Ruhe des Gewissens nicht erkaufen! Rastlos, ruhe los durchfuhr er die Meere, den Tod er sehnend. Endlich fand er ihn. In einem Sturme scheiterte fein Schiff in der Todtenducht bei Skagen und in der tosenden Brandung ging er unter. Die arme Lene aber hat noch keine Ruhe gefunden. Die Rosen der Wan gen sind längst verblüht. Von der früheren Schönheit ist keine Spur mehr übrig, der Körper ist gebrochen. Aber eins ist ihr aus der Jugendzeit geblie ben, ihr Beiname schlanke Lene" ; nur daß er allmählich zum Spottnamen für die arme Irre geworden ist. , Schon manches Jahrzehnt wandert sie alltäglich zum Hafen hinab, un, ihren Christian zu erwarten, und bietet durch ihr sonderbares Benehmen den Straßenjungen einen willkommenen Anlaß zur Neckerei. Doch unbekümmert um das schlanke Lene, schlanke Lene!" das sie ihr nachrufen, setzte sie ihren Weg fort. Nur wenn einer der aus gelassenen Schlingel dicht an sie heran läuft und am Kleide zupft, wendet sie sich hastig um, droht den Jungen und schilt sie, was freilich nur zur Folge hat, daß die ganze Rotte in ein johlendes Gelächter ausbricht und desto lauter ihr schlanke Lene, schlanke Lene!" erschal len läßt. Ihr Ziel ist immer dasselbe: der Ha sen, früh Morgens, wie Nachmittags und Abends. Dort, wo die Bootführer ihr Standquartier haben, wo der Blick frei über die Föhrde schweift, bis hin aus in die offene See, bleibt sie stehen und schaut erwartungsvoll auf die grün blaue Fluth, deren glitzernde Wellen von Schiffen und Booten durchfurcht werden. Wenn ihr scharfes Auge dann am fernen Horizont ein Segel gewahrt, das dem Hafen zusteuert, wendet sie sich jedesmal mit der Frage an einen der herumstehenden Bootsführer: Js dat nich die Bark Hainan", mit de min Crischan torügg kümmt?" Und wenn sie darauf die Antwort er hält: Ne, Lene, dat is en anner Schipp," dann wendet sie sich enttäuscht um und geht still ihres Weges, um rasch nach einigen Stunden wiederzukommen und zu fragen: Hebt Se nich hört, ob Crischan Claussen hüt torügg kamen is? Ja, ja, he mut seker kamen." Doch wieder erhält sie nur eine ver neinende Antwort und wieder wendet sie sich enttäuscht ab und geht, leise vor sich hin murmelnd, nach Hause. Hinter ihr her aber schallt der Ruf der Straßenjungen : Schlanke Lene, schlanke Lene!" Ein Reise-Abenteuer. Frau Pietsch ist eine nette Frau, wirklich eine sehr nette Frau! Nur einen Fehler hat sie und das ist ihre ganz unglaubliche Schmatzhaftigkeit. Wenn Frau Pietsch einmal in's Trät schen kommt, dann kann die Welt um sie herum dreist in Trümmer gehen, Frau Pietsch merkt nichts davon. Sie ist dann wie hypnotisirt und all' ihr Sinnen und Denken gilt einzig und allein dem süßen Klatsch. Diese über trieben Mittheilsamkeit hat ihr schon so manche Unannehmlichkeit bereitet, sie hat schon manchen Braten total an brennen lassen, weil sie in der Zeit, wo sie dem Bratprozeß ihre Aufmerksamkeit hätte schenken sollen, der Frau Nachbarin draußen auf dem Hausflur nothmendigerweise gerade er zählen mußte, wie viel Anbeter sie als junges Mädchen gehabt, was damals die Kanne Butter gekostet und wie sie i bei einem Haar einmal von einem wüthenden Stier aufgespießt worden wäre. Aber einen so schlimmen Streich hat der Frau Pietsch ihre Schwatzhastig, keit doch noch nicht gespielt, wie neulich, als sie ihre Schwester in Deuben be suchen wollte. Mit einem Tagesbillet 3. Klasse ausgerüstet, stieg die behäbige Pietschen" auf dem Böhmischen Bahn, hos zu Dresden in die ihr vom Schaff ner angewiesene Wagen-Abtheilung, machte sich'S in der Ecke bequem und dachte eben darüber nach, wie viel amü sanier eS doch wäre, wenn sie nicht so allein fahren müßte, als die Coupee Thüre noch einmal geöffnet wurde und eine mit Reisetasche und diversen Papp schachteln bepackte Dame einstieg. Das Abfahrtssignal ertönte und fort ging'S. Die Fremd schien etwas zurückhaltend zu sein, allein das war für Frau Pietsch keinen Grund, die Anknüpfung einer Unterhaltung nicht wenigstens zu ver suchen. Und siehe da. sie hatte Glück. Die ReisegesSbrtin entpuppte sich nach den ersten an sie gerichteten Worten ge rade als eine recht redselige Frau und nun war Frau Pietsch sofort BeHerr scherin der Situation. In einer Vier telstunde wußte die Fremde, daß ihre Reisegefährtin Caroline Pietsch hieß, eine geborene Schulze mit dem tz die Frau des ehemaligen Bäckermeisters und jetzigen Privatus Pietsch sei und Mutter einer längst verheiratheten Tochter sein könnte, wenn das süße Geschöpf nicht kurz nach der Geburt gestorben wäre. Nach einer weiteren Viertelstunde war die Reifegefährtin vollständig einge weiht, was Frau Pietsch jeden Tag in der Woche zu kochen pflegt, wie sie die voigtlündischen Klöse, die ihr aus Reichenbach gebürtiger SJlairn so gern mit Schöpsenbraten ißt, zubereitet, daß sie recht flockig werden ;' wann sie früh aufzustehen und des Abends schlafen zu gehen gewohnt ist; wie sie es anstellt, daß keine Motten in ihre Pelzgarnitur kommen u. s. w. und nach einer wei teren halben Stunde hätte die Fremde im Anschluß an hundert andere, überaus wichtige und unmöglich zu unterdrückende Mittheilungen bei einem Haare noch erfahren, wann, wo und wie Frau Pietsch einst ihren guten Jeremias ken nen gelernt hat, wenn der Schaffner nicht plötzlich die Coupeethllre aufge riffen und ein kategorisches Tharandt, ausfteigen" gerufen hätte. Wa wa was, Tharandt? O, du grundgütiger Himmel, ich will ja blos nach Deuben!" so jammert Frau Pietsch, worauf ihr der Schaffner in nicht gerade allzuliebenswürbigem Tone erwidert, daß sie dann eben auf Station Deuben, wo laut genug abgerufen wor den wäre, hätte aussteigen sollen. Jetzt bleibe ihr nichts weiter übrig, als für die überfahrene Strecke nachzuzahlen und sich ein Billet zur Rückfahrt mit dem nächsten Zuge nach Deuben zu lösen. Eine schöne Bescheerung! Aber was half's, Frau Pietsch mußte in den sauren Apfel beißen und konnte noch von Glück sagen, daß der nächste Zug. mit dem sie ihr behäbiges Ich zurück transportiren lassen konnte, in einer halben Stunde schon in Tharandt ein traf. Grollend und schmollend nahm sie Platz, ohne die im Coupee anwesen den beiden weiblichen Paffagiere auch nur eines Blickes zu würdigen. Doch mit des Geschickes Mächten ist kein ew'gcr Bund zu flechten". Die Loko motive hatte kaum zu pusten angefan gen, als sich Frau Pietsch mit den Wor ten Um Vergebung, sein Sie epper in Dresden bekennt?" angeredet sah. Schon die Gesetze der simpelsten Höflich keit erforderten, daß hierauf eine Ant wort erfolgen mußte und sie erfolgte mit der unserer Pietschen" eigenen Gründlichkeit. Einmal im Zuge, fühlte Frau Pietsch auch das Bedürfniß ihrem Herzen ob der ihr heute widerfahrenen Reise-Unbill Luft zu machen. Sie hatte ihren Bericht eben mit der von einem schweren Seufzer begleiteten Verfiche rung geschlossen, daß ihr so etwas" in ihrem Leben nicht wieder passtren solle, als der Zug plötzlich hielt und die Station Potschappel abgerufen wurde. Frau Pietsch wurde bleich, wie eine fnschgetünchte Wand, denn ein Blick durch s geöffnete Fenster hatte sie bereits belehrt, daß kein Irrthum seitens des Schaffners vorlag. Sie besand sich in der That in Potschappel und hatte so nach die Station Deuben wieder über fahren. Das Ende vom Lied war nach kurzem erregten Wortwechsel mit dem schnauzbärtigen Schaffner das Nachzah len sür die llbersahrene Strecke und die Lösung eineS neuen Billets von Pot schappel nach Deuben. Der nächste Zug, der von Dresden heranbrauste hielt in Potschappel nur 2 Minuten und die mißlaunige Frau Pietsch schlüpfte, ohne den Schaffner auch nur eines Wortes zu würdigen, in das erste beste Coupee 3. Klaffe. Ein schriller Pfiff, und fort ging's wieder, gen Deuben. Zwei Minuten später erschien der Schaffner am Fenster und Frau Pietsch reichte ihm sang und klanglos ihr Billet hin. Ja, zum Donnerwetter, wie kommen Sie denn mit dem Billet in diesen Zug? Der hält ja in Deuben gar nicht, son dein erst in Hainsderg!" So schnaubt der Schaffner die ihn wie eine böse Katze fikirende Frau Pietsch an. Es half nichts, die schwergeprüfte Frau mußte kochend vor Wuth, sich in ihr Schicksal ergeben und diesmal zwangsweise an Deuben vorllberdampsen. In HainS? berg, wo sie wieder nachzuzahlen hatte, gab man ihr den etwas doshaften Rath, daS Schicksal nicht weiter her auszufordern und lieber zu Fuß nach Deuben zu wandern. Ab Frau Pietsch zischte: Euch werde ich was husten. Ganz Deuben kann mir 99 mal den Buckel 'rauf und lunter ftei gen." Damit schritt sie zum Billet schaltn und löste sich eine Fahrkarte nach Dresden. Erst unterwegs fiel ihr ein, daß sie damit ihren Geldbeutel ganz nnölhigermeise geschädigt halte, da sie ja bereits im Besitz eines Tages billets war und nur noch sür die kurze Strecke von Hainsberg bis Deuben hätte zu zahlen brauchen. Aber ich war von dieser elenden Hin und Herfahrerei schon ganz verdreht im Kopfe," so er sicherte sie zu Hause ihrem still in sich hineinseizenden Jerimias. iuderhandtl t China. Der Handel mit Kindern, besonders mit Mädchen, der zu allen Zeiten in manchen Theilen China's mehr oder we Niger stark betrieben wird, scheint beson ders in der ersten Zeit nach dem Kriege mit Japan in der chinesischen Mand schürn an der Tagesordnung gewesen zu fein. Der Krieg brachte dort alle Ge schäfte auf längere Zeit in's Stocken, so daß die Landleute, die selbst in guten Jahren von dem Ertrage ,des nicht sehr fruchtbaren Bodens nur gerade leben können, bald schwere Noth litten. Wenn die Hungersnoth sie dann bedrohte, je doch niqt eher, verstanden sie sich dazu, ihre Kinder zu verkaufen. Der Japan Mail" zufolge giebt es in der Mand schurei regelrechte Kinderhändler. Ein japanesischer Kaufmann, der kürzlich die dortige Gegend bereiste, sah zum Bei spiel einmal ein altes Weib mit fünf oder sechs Kindern im Alter von fünf bis zwölf Jahren umherziehen. Es war sehr bemitleidenswerth, sagt er, diese unschuldige Wesen in Lumpen und bar fuß hinter der alten, Menschenhandel treibenden Hexe herlaufen zu sehen. Der Preis für angenehm aussehende oder kluge Kinder schwankt zwischen Kl und K2, aber in den meisten Fällen wird sehr viel weniger geboten. Die Skla enhändler lassen sich durchweg eine schristliche Versicherung geben, daß die Eltern ihre Kinder niemals zurückfor dern wollen. Sklavenknaben werden in der Regel gut behandelt, denn sind sie nur etwas anstellig, so hofft man sie später geschäftlich verwenden zu können, aber Sllavenmädchen haben, wenn sie nicht hübsch sind, meistens ein schlimmes Loos. Besonders in Fällen, wo der Händler seine Mädchenwaare nicht rasch genug absetzt, müssen die armen Ge schöpfe oft viel ausstehen. Von hart herzigen Eigenthümern wird dieser Um stand nachher dazu benutzt, die Mädchen bei dem geringsten Widerstande durch die Drohung einzuschüchtern, man wolle sie an die Händler zurückgeben. Der erwähnte japanische Kaufmann sah in Niu-tschwang ein so Übel zugerichtetes Mädchen, daß er die Aermfte aus Mit leid ankaufte, um sie zu seiner Dienerin zu machen. Die Knaben haben es bes ser. In vielen Füllen wird ihnen, fo bald dies angängig ist, von Kaufleuten die Leitung eines Zweiggeschäfts über tragen, und da sie in jeder Weise von ihren Herren abhängig sind, so können sie gar nicht anders, als nach Kräften für ihr Geschäft sorgen. Hierin liegt einer von den Gründen. In seltsame Wette. Aus Moskau. Rußland, wird berich tct: Eine junge Dame wünschte in einer ausländischen Universität ihre Studien fortzusetzen, doch fehlten ihr hierzu die erforderlichen Mittel. Da hörte sie don dem Moskauer Philanthropen P., und alsbald begab sie sich zu diesem und dat ihn in herzlichen Worten um materielle Hülfe. P. hörte ihre Bitte liebens würdig an, erklärte ihr aber dann, daß er grundsätzlich nicht ablehne, einem be dürstigen Menschen zu helfen, doch wiffe er iele Beispiele, wo die Hülfe nicht zu dem gewünschten Ziele gefuhrt habe: gerade Personen, welche zur Fortsetzung ihrer Studien seine Hülfe in Anspruch genommen, hätten sich später als wil lens und energielos erwiesen und ihre Sache aus halbem Wege geworfen. Des halb habe er den Gedanken aufgegeben, unbekannten Leuten irgendwie' zu hel fen. Die junge Dame ließ sich mit die ser Erklärung jedoch nicht abweisen; sie bat Herrn P. vielmehr, ihr eine Auf gäbe zu stellen, welche ihre Energie und Unternehmungsluft beweisen könnte. Nach einigem Schwanken dictirte Herr P. der jungen Dame die Bedingung, innerhalb zweier Monate eine halbe Million Pserdebahnsahrscheine zu sam mein, wosür sie die Mittel zum Stu. dium aus die Dauer von fünf Jahren erhalten s,lle. Liefere sie die Fahr, scheine nicht zur Zeit ab, so müsse sie fünf Jahre bei einer Verwandten des Herrn P. unentgeltlich als Gouvernante dienen. Diese Bedingung wurde von beiden Seiten in Gegenwart von Zcu gen unterschrieben. Dieser Tage brachte die junge Dame Herrn P. die bedungene halbe Million Fahrscheine: sie hatte so fort nach Unterzeichnung deS Vertrags alle ihre Verwandten und Bekannten von der Wette in Kenntniß gesetzt, und ruhte und rastete nicht, auch noch wei tere reise sür ihre Sache ,n interesfiren. Zwei Tage vor Ablauf der Frist fehlten noch 7000 Stück der halbe Million: da sprang ihr ein Sammler , und stellte ihr sene seit Jahren mühsam zusam mengestellte Fahrkarlensammlung zur Verfügung. Herr P.. der die Wette schon gewonnen glaubte, war doch hoch erfreut, als die Zunge Dame mit ihren mohlsortirten Fahrscheinbündeln bei ihm erschien und damit den Beweis sür ihre Willenskraft und Energie erbrachte. Der König und sein dvokaten. König Friedrich Wilhelm der Erste von Preußen konnte die Advokaten nicht leiden und hatte denselben streng ge boten, nur schwarze Kleider und ein schwarzes Müntelchen zu tragen. Sie mochten sich in dieser Tracht wohl etwa kurios ausnehmen, weshalb die Berli ner Drechsler auf die Idee kamen, nach ihrem Muster allerlei kleine Figuren zu drechseln, welche die Advokaten dem Witze der Bevölkerung aussetzten. Darüber beleidigt, baten sie den König um eine Audienz, die ihnen gewährt wurde, und in welcher fte ihre Be schwerden gegen die Drechsler vortru gen. Der König hörte sie ruhig an, dann schellte er einem Diener und gab diesem leise einen Auftrag. Derselbe entfernte sich und brachte alsbald dem Könige einen in ein Papier eingewickel ten Gegenstand. Der Monarch entsernte das Papier, und nun sahen die Depu. tirten eine kleine Puppe in blauem Rock, auf dem Kopfe einen dreieckigen Hut und einen geschwungenen Rohrstock in der Hand. Der König hielt diese possierliche Figur dem nächstftehenden Advokaten rasch vor das Gesicht und herrschte ihn an: Wer ist das? Antwort?" Der Advokat erdleichte und stotterte: Majestät verzeihen" Maul halten!" schrie der König. Kennt Er den? He? Wer ist's?" Euere Majestät selbst !" stotterte der Rechtsmann. Nun seht ihr," sprach der König zu den Deputirten; ihr verlangt, ich soll euch vor solcher Popanzerei beschütze, und ich muß sie mir selber gefallen las sen ! Ich kann doch den Drechslern das Geschäft nicht verderben!" Die Advokaten zogen ab, und als das Urtheil des Königs bekannt wurde da bekamen sie den Berliner Witz erst recht zu fühlen. Ei luftiger Streich von rover Icveland. Der jetzige Präsident der Vereinigten Staaten Nordamerika's (geb. den 18. März 1837) besuchte als Knabe eine Boarding School" in New Jersey. Einmal nun hatte er einen losen Streich gemacht, für welchen er eine Anzahl Schläge mit dem Lineal auf die flache Hand bekommen sollte. Noch ahnte der Sünder nicht das Strafgericht, das über seinem schuldigen Haupte schwebte, und er spielte daher bis zum Ansang der Stunde" ganz munter Murmeln" und beschmierte sich dabei die Hände ganz abscheulich. So eilte er auf sei nen Platz. Kaum saß er aber, als ihn schon der Lehrer an's Pult rief, ihm in strengen Worten seinen Fehltritt vor warf und drohend das Lineal schwang. Der kleine Cleveland warf während der Strafpredigt einen schnellen Blick auf seine Hände, spuckte rasch in die Rechte und wischte sich, bevor er sie zur Straf' hinhielt, den ärgsten Schmutz verftohle an seiner Kutte ab; die linke Hand hielt er auf dem Rücken verborgen. Der Lehrer besah die entsetzlich schmutzige Hand und sagte mit leichtem Spotte: Höre, Junge, wenn Du im Stande, bist, in der ganzen Klasse eine anders Hand aufzufinden, die noch schmutziger ist, als diese, so schenke ich Dir sür heute die Strafe." Ohne ein Wort zu sagend nur mit einem gutmüthig schlaue Lächeln, das ihm heute noch eigen ist. zog der junge Cleveland jetzt rasch die versteckte linke Hand hervor und zeigte sie dem Lehrer. Nur mit Mühe konnte dieser sein Lachen verbeißen, während die ganze Klasse in lautes Jauchzen ausbrach. Du kannst auf Deinen Platz gehen," sagte der Lehrer, und triumphirend folgte der künstige Präsident dem Befehl. Auch ein Seburtskgs-Geschenk. Junge Gattin: Morgen hat Mam Geburtstag, und da sie gerade bei uns zum Besuch ist, mußt Du ihr schon ei Geschenk machen." Junger Ehemann: Wie wäre eS denn mit einer Fahrkarte zur Heim reise?" Unter guten Freimdinnkn. Agnes: Weißt Du, ich möchte einen Mann haben, der recht anspruchslos ist!" Flora: Sei nur ruhig, einen an deren kriegst Du auch garnicht!" Gclegentlicker Rath. Aeh, gnädigstes Fräulein, fabelhast langweilige Gesellschaft hier fünfzig Menschen versammelt und kein Fünkchen Geist!" Ja. mein Werthester, wenn man i Gesellschaft geht, so ist eS am rathsam sten, selbst etwa Geist mitzubringen." Ad ccalos" dtmonftrirt. Mann: Was, die Uhr ift Zwölf, und Tu liegst noch zu Bett?" Frau: .Was soll ich thun. Tu woll lest mir'S ja nicht glauben, als ich Dir gestern sagte, daß ich kein anständige Kleid anzuziehen habe."