Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, September 24, 1896, Image 10
Unser Dichter. Humorköl! an Harr Nitsch, Seit vierzehn Tagen hatte Laura SchöPPel keine Nacht ein Auge juge than, ein Faktum, da bei Lauras ge sunder Konstitution geradezu sabelhast ist. War ihr Schlas sonst doch ein solch ersolgreichcr und bemerlensmer ther. daß Papa SchöPPel sie in tun den gemüthlichen und gesunde HumorS .seine kleine Sägemühle" nannte. Wenn der freundliche Leser nun glaubt, Laura SchöPPel sei verliebt und daß edanken an den fernen Geliebten ihr Tag und Nacht nicht Ruhe lassen, so irrt er sich grundlich. Z'var hatte iKn.srn dik Liede durchaus nicht abgeschworen, sie brachte (Mi Amor in jedem Jahr rooqi einige juycuv htnde Opfer dar, aber seltsamer Weise waren diese seither immer nur einseitig cwesen, denn noch harrte sie des Man nes, welcher ihre stürmischen Gefühle zu erwidern bereit war und ihr dieselben mit dem letzten Gang, dem verhängniß. vollsten jede Mannes, zu lohnen ge dachte. Doch Laura hatte ja Zeit zu warten, denn sie war nach ihrem eige nen Geftändniß erst dreiundzwanzig Jahre alt; da sie erwiesenermaßen jedoch vor vierzehn Jahren die Tanz stunde schon besucht hatte, und damals bereits das dritte Mal zum Sterben verliebt gewesen war, so mußte ihr jedenfalls eine seltsame Gabe verliehen sein, die fliehenden Jahre in ihrem Lauf einzuhalten. Gluckliches Mädchen ! Nein, der Grund von Jung-Lauras Schlaflosigkeit war ein anderer, nicht minder idealer. Laura schwärmte außer für schneidige Schnurrbarte, auch siir alle großen berühmten Geister, die die Nationen hervorgebracht, notabene aber nur für die lebenden, denen man seine Huldigungen auch in natura darbringen konnte. Nun kann man sich Lauras Erregung denken, als sie in vkk?i,nn n?k?ackt Kutte da der In ternationale Kongreß zum Schutze gei- ftigen Eigeniyums" IN ajresBfii Mauern tagen würde, zu welchen ein paar Hundert Dichter aller Lande ihr IM&emen iiinpfslslt hatten. Man denke. gleich ein paar Hundert! Welch' sei tene Gelegenheit." jubelte Laura Schöp pel. sollte sich da nicht auch mir die w.fnrnitMn?, mit einem derübmten Dichter bieten? Meine Freundinnen würden jedensalls vor Neid platzen!" dachte sie triumphirend, und von Stund an grübelte sie über das Problem, wie eS anzufangen sei, die Bekanntschaft eines der fremden Gäste zu machen. Denn ach, Laura Schöppels gewöhn liehet Umgangskreis bewegte sich nicht in so erlauchter Höhe, dazu war Papa SchöPPel, ein ebenso reicher als simpler Bäckermeister, viel zu prosaisch und un gebildet. Endlich hatte es Laura entdeckt! Papa mußte bei der Ankunst der frem den Gäste zur Bahn und mit Lift oder Gewalt einen der großen Geister zu angeln suchen; derselbe müßte bei ihnen wohnen, ja. wohnen." rief sie trium phirend, wer weiß, was da noch alles sich daraus entspinnen kann . . . . " Laura rröthete züchtig und mädchenhaft, indeß ihn Phantasie mit Hochdruck weiter arbeitete. Was half Papa Schöpfte! sein ener gisches Protestiren gegen diese verrückte Idee", wie er in bedauernswerther Ver bohrtheit den genialen Feldzugsplan seines Töchterleins benannte, es nutzt ihm nichts, sein tyrannischer Sprößling bat, drohte und bettelte so lange, bis er weich wie seine frischgebackene Hausbrote nachgab und alles, was man von ihm verlangte, versprach. Der große Tag brach an, und Papa Schöppel begab sich, genau von seinem klugen Töchterlein inftruirt, schweren Herzens zur Bahn. Laura hatte ihm besvnders eingeschärft, auf bleiche Jüng linge mit langen, wallenden Locken zu fahnden, denn daß dieses die Attribute jedes echten Genies seien, hatte sie ja zu ost gelesen. Gemüthlich trottete der joviale alte Schöppel auf dem Perron des Böhmi schen Bahnhofes entlang, als ein Zug angebrauft kam und sich alsbald das charakteristische, jeder Zugankunst eigen thömliche wilde Lärmen und Treiben mtwickelte. Papa Schöppel wurde eS in dem wüsten Lärm zuerst ganz schwarz vor Augen, denn er, der die Ruhe und Behaglichkeit über alles liebte, reifte nie und hatte seit Jahr und Tag keinen Bahnhof mehr gesehen. Schließlich ge wöhnte er sich aber an das EhaoZ, wel cheS sich auch allmählich zu entwickeln begann, und vor seinen kleinen, zwi scheu Fettballen versteckten Aeuglein tauchte plötzlich ein blasses, weißes Ant litz, umrahmt von langen, dunklen Locken, auf. Der kleine dicke Herr zuckle zusammen; da? war er. fein, respektive LauraS Dichter ! Dieser und kein ande nr." durchblitzte es seinen nicht allzu nriHrAihm Schädel. Der lockige Jüngling spähte eifrig umher, und langlom, lim vornan, umkreisend, näherte Papa Schöppel sich binn 9tÜt. Tltbt benutite n einen günstigen Moment, haftig fuhr n auf den Erichreaenven 10: .sucyen sie Jemand?" flötete er ihn in den weich fteu Molltonen an. Uednrascht sah der Lockige aus: .Allerdings ja ! Ich hoffte, sie würde hin sein, mich empfan an ! TtA kalt, fit bat Sie aelanbt. Sie sind Laura Vater!" ?am eS ftür isch von den Lippen ve, oieiqen Jünglings. Papa Schöppel war überrascht, aber ngenehm, denn die so schwierige An baiiiiing der Bekanntschast ging leichter von statten, als er sich gedacht hatte. Zwar dämmerte ihm m Grunoe ,e,nks Herzens das Bewußtsein auf, daß der junge Mann ihn sicher mit dem Bater einer anderen Laura verwechsle; doch maS kümmerte ihn das? Er wollte sei ner Tochter einen Dichter zuschleppen. das Wie, und die möglichen Folgen, waren ihm bei seinem Phlegma gleich gültig. Wenn er nur seine Ruhe wie der hatte. Also sagte er denn arglistig: Gewiß! Ich bin Lauras Vater, und diese selbst erwartet Sie sehnsüchtigst !" Schwärmerisch blickten die etwas wässerigen Augen des lockigen Jüng lings zum Firmament empor, und mit Inbrunst bauchte er: Dieser Engel! Sie erwartet, mich sehnsüchtigst. Sonne meines Daseins! So kommen sie, glücklicher Vater einer engelgleichen Tochter, lassen Sie uns eilen, damit ich Laura, dem engelgleichen Mädchen, zu Füßen sinken kann !" Stürmisch er griff er den Arm deS alten Herrn, wel chem ob seines Abenteuers doch etwas Angft geworden war, und zog diesen mit sich fort. Den Kopf kann's ja nicht kosten !" dachte Papa Schöppel schließlich philo sovkikck. und veranügt plaudernd und dem Fremden die Sehenswürdigkeiten der Stadt erklärend, bummelte er mit seinem Dichter" dem heimischen Herd zu. Am Fenner nano aura, ein un nes Wagenrad vmyenoer o,en um stürmisch wogenden Busen und wehte mit einem Tuch den Ankommenden ent gegen. Papa Schöppel wurde eS bald heiß, bald kalt, als er jetzt der unver weiblichen Katastrophe entgegensah; doch geradezu sprachlos wurde er, als er seinen dichter mir ver zuqiig oe Augen senkenden Tochter bekannt machte, uud dieser auf das lange, jungfräuliche Ausrusungszeichen zueilte, stürmisch deren stand erariff und gammelte: Ja, das sind Sie, ie Sie mir im Wachen und Träumen vorgeschwebt! Ack, Laura !" Laura war nicht minder als der Papa über die etwas blühende Dichter Phantasie, wie sie dachte, überrascht, doch voller Geistesgegenwart, ließ sie nichts dadon merken, sondern hauchte selig erglühend: Ach". Mehr konnte sie ledoch nicht sagen, denn Papa sozoppe hatte sich in kluger Diplomatie wieder des Fremdlings bemächlizt, um mit lobenswerthem Eifer denselben vor läufig fest ans Haus zu bannen und riep vun oegeoen le um er,, uu, Ihr Zimmer, mein lieber, junger Freund, und ruhen Sie sich von den Strapazen Ihrer Reise aus, damit Sie heute Abend beim Souper recht frisch und munter sind !" Beim Souper?" sagte erstaunt und beglückt der Gelockte. Beim Souper!" flötete Laura. Ihnen zu Ehren, H?rr Herr " Hier stockte sie und sah ihn Hilfe flestend an. Adolar !" beeilte er sich ihr in ihrer vermeintlichen Gedächtnißschwäche zu Hilfe zu kommen. Also bis heute Abend. Herr Ado lar!" lächelte Laura mit ihrem ver führerischsten Lächeln. Sie werden zwar keine solch' geistreiche Gesellschaft vorfinden, als Sie ohne Zweifel ge wohnt find; Sie müssen mit meiner glühenden Bewunderung schon fürlieb nehmen." (Das: meiner" unterstrich Laura in ihrer Rede doppelt.) Ach ! Ach !" stammelte entzückt Herr Adoiar, doch er wurde von dem unge duldig nach seinem Schläfchen verlan genden Papa unterbrochen, welcher ihn zur Thür hinauskomplimentirte. In Schöppels ,Salon" war eine bunte, zahlreiche Gesellschaft versam melt, welche mit aus Neid und Neugier gemischten Gefühlen dem Erscheinen des berühmten Dichters, meines lieben Freundes", wie Laura triumphirend erkündet hatte, entgegensah. Jetzt erschien er endlich mit schüchter ner und verlegener Miene; , als er die festlich geputzte Menge sah, klam merte er sich ängstlich an dem Arm deS ihn hereindugfirenden Papa Schöppel, doch triumphirend nahm ihn die Toch ter des Hauses alsogleich in Beschlag und stellte ihn der aushorchenden Fest Versammlung vor : Ter berühmte Herr Adl?r." Ein staunendes Bewundern ging durch die Menge, manch neidischer Blick aus schönen Augen traf die stolz den Kopf hochtragende Laura, und in An betracht der dunklen Lockensülle und des geistvollen bleichen Angesichts deS in tereffanten Dichters übersahen Alle den sichtbaren Mangel in der Garderobe des Seiden. Denn dieser war noch in schlichter, brauner Reisejoppe sein Frack wäre noch aus der Bahn", ent schuldigte ihn Laura leise gegenüber einigen neidischen Freundinnen. Als sich die Wogen der Bewunderung einigermaßen gelegt hatten, begab man sich zu Tisch ; selbstredend hatte Laura ihren Dichter' auch zum Tischherrn sich gewählt, und nun begann zwischen Suppe und Braten bereits ein Bom bardement von Fragen gegen den ver legen lächelnden Adolar. Wie ihm Dresden gefalle, und ob er etwas dar über schreiben würde?" O ausgezeichnet'." und .dielleicht!" meinte n vielsagend. .Haben Sie schon viel geschrieben?" wandte sich jetzt Röschen Pipmatz. Lau ras ärgste Rivalin, mit schmachtendem Lächeln an den bleichen Jüngling. Dieser blickte die Fragerin erstaunt an, aber dann meinte er : .O ja, es geht! Man würde wohl dicke Bande mit dem füllen können, was ich alles schon zusammengeschrieben habe !" Ach. das ist ia reizend, riezig - tcrcffant !" schallte eS jetzt von allcn Seiten. Bitte, ome, erzayien e uns doch etwas, was Sie geschrieben haben !" ,,Ein kleines Gedicht!" bat unter züchtigem Erröthen die Tochter des Hauses. .Ja. ia. ein Gedicht, ein kleines Ge- dicht, ein ganz kleines Gedicht von sich müssen Sie uns vortragen!" jubelte und bat der Kreis. Ein Gedicht? Ein kleines Gedicht von mir?" fragte Adolar erstaunt und verblüfft. Ader, meine Damen, ich habe noch niemals ein Gedicht gedichtet ! Zu solchem Jur habe ich mich noch nie mals hergegeben !" fuhr er mit ehrlich entrüsteter Stimme fort. Kein Gedicht? Also schreiben Sie nur in Brola? Nur Romane oder Novellen?" AdolarS Gesichtsausdruck wurde immer hilfloser und zugleich entrüsteter : Romcne? Novellen? In meinem gan zen Leben habe ich mich mit derartig albernen Schnack nicht befaßt!" Die ganze ehrliche Entrüstung eines in sei nen heiligsten Gefühlen verletzten Man nes kam dabei zum Ausdruck. Die Tischrunde sah sich verblüfft an. Auch keine Romane und Novellen?" fragte Laura mit plötzlich verdächtig scharf klingender Stimme, Papa Schöp pel kannte schon diesen Ton : Ja, was haben Sie denn dann eigentlich ge schrieben?" Was ich geschrieben habe ? Akten habe ich geschrieben, intereffante dicke Akten, bin ich doch Konzipient beim Rechts anwalt Beierle in Schöppcnstedt !" Und triumphirend sah sich. Adolar im Kreise um, als er bekannt gegeben, was für eine große und wichtige Persönlichkeit er sei. Doch verstummt und sprachlos saß vlöklich die Tischrunde, nur Röschen Pipmatz kicherte leise, was Laura vollends zur Wuth brachte. Giftig zifchel e sie daher den verblüfften Jüng ling an: Und Sie unverschämter, frecher Mensch wagen es, sich unter der Maske eines Dichters in ein ehrbares Haus einzudrängen, wagen es, eine vertrauende Jungfrau zu musazen, a, wagen es, in derem unschuldigen Her zen Hoffnungen zu wecken, Hoffnungen, die " hier brach ihre Stimme, und sie begann heftig zu schluchzen. Zerknirscht und rathlos stotterte Ad lar mit leiser Stimme: Ich hätte mich sür einen Dichter ausgegeben? Ich hätte mich hier eingedrängt?" Und plötzlich sich ermannend, suhr er in erhobenem Tone fort: Hat nicht Herr Schöppel persönlich mich am Bahnhof empsan am? Mir versichert, seine Tochter Laura erwarte mich sehnsüchtigst? Mich schließ- llch fast mit Gewalt h,eryergetaleppt Ist es nicht so?" fragte er den kleinen dicken Herrn, welcher sich vor den drohenden Blicken seiner Tochter ver, gebens hinter einem Tafelaussatz zu verbergen suchte. Allerdings!" meinte dieser liem laut. Warum sehen S"e denn auch wie ein Dichter aus mit Ihren Locken und bleichem Gesicht, und zum Donner Wetter, warum erkundigten Sie sich denn nach Laura, als ob Sie bereits mit ihr bekannt seien?" Adolar wurde roth, dann platzte er heraus: I ich glaubte. Ihre Laura sei meine Laura, die ich heirathen will. Ich kam nach Dresden, um sie zu sehen, und da Sie mich ansprachen und mir sagten, Laura erwarte mich sehn süchtig, so glaubte ich eben, Ihre Laura sei meine Laura !" Aber, Mensch!" wetterte jetzt der ernstlich erzürnte alte Herr: Und Sie merkten nicht einmal, daß Sie die fal sche Laura vor sich hatten, als Sie der selben Angesicht in Angesicht gegenüber standen? Sie laffen sich hier als Dichter feiern, und versichern meiner Tochter, sie habe Ihnen im Wachen und in Träumen vorgeschwebt? Eine solche Frechheit ist doch ohne Gleichen !" wuth schnaubte Papa Schöppel, und ein bei fälliges, zorniges Murmeln ging durch den eifrig horchenden Kreis. Acngftlich stotterte der bleiche Jüng ling: Aber, Herr Schöppel, i ich kannte Laura noch gar nicht, ich hatte noch nicht einmal ein Bild von ihr ge sehen !" Sechsunddreißig Augen waren in rathlosem Staunen auf das verlegene Antlitz deS lockigen Adolar geheftet, und achtzehn mehr oder weniger rosige Lippen flüsterten in grenzenloser Ver blllffung: Er kannte sie noch gar nicht !" .Das wird ja iminer toller !" brüllte Papa Schöppel, und diese? Märchen wollen Sie uns aufbinden, Sie Sie - Hochstapler. Sie?" Aber, Herr Schöppel." fuhr Adolar verlegen fort, .wir haben uns ja durch eine Zeitungsannonce kennen und lieben gelernt, und um Laura zu sehen, ihre persönliche Bekanntschaft zu machen, kam ich jetzt nach Dresden. Ein Bild wollte sie mir nie schicken, doch sie er sprach, mich am Bahnhos zu ewarten, uud da sie mich durch meine Photo graphie kennen muß und Sie mich bei meiner Ankunst anredeten, von Lauras Sehnsucht sprachen, so glaubte ich, sie selbst sei verhindert und habe ihren Papa gesandt !" Mit leuchtenden Augen war Laura der Beichte des armen, verkannten Adolar gefolgt, zögernd und stockend forschte sie jetzt: .Und Sie wollten die andere Laura wirklich heirathen, Herr Adolar, ohne sie je gesehen zu Habens Herr Adolar war kein Dichter, daher erkannte er auch klug seincn Vortheil, und mit möglichst schmelzender Stimme sagte er: Ich wollte, aber nun " Hier schmieg er mit einem bedeutsamen Blick in Lauras glückstrahlende Augen. Und da Adolar kein Dichter ivar, so endete sein Dresdner Abenteuer auch mit einer ganz prosaischen Heirath; doch wählte er die zwar ältliche, aber ziemlich schwere" Laura Schöppel, und da ihm sein Schatz einen hübschen Schatz im Gkldschrank mitbrachte, so schrieb er in Zukunft überhaupt nicht mehr, sondern ruhte aus seinen Lorbcern als Ein tagsdichter" aus, Laura liebte aber ihren dicken Papa doppelt zärtlich und tyrannisirte ihn in Zukunft weniger, hatte ihr seine Jagd nach einem Dichter, doch noch etwas besseres gebracht, einen !v!ann ! Die Gans von Tiefenbach. Ein jRcifentcruiejjo von Alfred Bock, Von den Höhen der Vogesen thal wärts schreitend, bestieg ich in Straß- bürg den Eilzug. der auf seinem Finge die gesegneten Fluren der bayerischen Pfalz berührt. Bei Edenkobcn thaten sich rechts und Im röthlicy Min, mernde Weinaelände auf. und fröh, licher Winzergesang drang an mein Obr, Keuer ist in der Pfalz ein guter Tropfen gewachsen, und der Bauer, der an der Kelter steht, hört das Geld im Kasten klingen. In Neustadt an der Hardt ging ich vor Anker, die Edelsprößlinge aus eige ner Anschauung kennen zu lernen, die rings umher an den sonnigen Hängen gedeihen. Der neue Wein ist ein ge- sährticher Kamerad, er ireivi vas Biui in tollem Wirbel durch die Adern und wer sich über den Zustand seines Herzens nicht ganz klar ist. der bleibe lieber da von. Obgleich die Jünger Aesculaps meinem eigenen Herzen eine sehr schlechte Diagnose gestellt haben, ging ich doch mit dem .Neuen", vermöge des gon lichen Leichtsinns, der auch in höheren Semestern nicht von mir weichen will, ein näheres Verhältniß ein. Die Folge davon war, daß ich in eine Art dionysi sche Stimmung gerieth und diese schnöde Welt im rosigsten Lichte erglänzen ah, In feuchter Laune glitt ich von der breiten Schienenstraße ab, die mich heimwärts führen sollte, und fand mich auf einem friedlichen Sekundärbähnchen wieder, das zwei Weindörfer in der Nähe von Neustadt miteinander verbin det. Es war ein gemischter Zuz. der Menschen, Schweine und andere Fracht gllter besörderte und an jedem Weiler zehn Minuten anhielt. Station Tiefcnbach! Ich kletterte aus meinem Coupee und schlenderte auf dem schmalen Bahnsteig auf und ad Und siehe da! Vor mir steht eine dralle Bauerndirne von fünfzehn oder sechzehn Jahren. Die blonden Haarsträhne hängen ihr wirr über die Stirne, aus dem Oval des hubimen Gesicyles ieua ten ein Paar tiefblauer Augensterne. Ter Anzug der Kleinen ist ärmlich, in der gestreiften Kattunschürze trägt sie eine blendend weiße, junge Gans. Das Bild mulhet mich seit am an und at- mahnt mich an die Meisterwerke, die der Röthelstift des unvergeßlichen Heinz Heim hingezaubert hat. Tie lerne hat den Blick wie flehend zu mir hoben, so daß ich sie unwillkürlich frage .Willst Du etwas. Kind?" Ach kääse Se mer doch die Gans ab!" spricht sie schüchtern. Ich bf merke, daß sie schöne, weiße Zähne hat. Was soll ich denn mit der Gans?" lache ich. Ich bin auf der Reise, ich kann kein Federvieh mitschleppen." Kääse Se mer doch die Gans ab! wiederholte sie ihre Bitte. Mer sein in großer Noth. Der Vadder is arg krank und kann net uf Arweed. Ge dem han se uns ausqepänd. Die Gans is das letzfchte Stick Vieh, das mer im Haus hawwe. Erschüttert ziehe ich meine Börse und drücke der Kleinen ein Fllnfmarkstück in die Hand. Wo soll ich Jhne dann die Gans hintrage ?" Tu kannst sie behalten, liebes Kind." Ach, Se misse die Gans mmme! Tas Geld un die Gans zusamme därf ich net nach HauS dringe." Ich habe die GanS von Dir ge kauft und mache sie Dir wieder zum Geschenk," beruhigte lchdaS brave Müd chen. .Ich därf net, ich därf net," beharr! sie. Ter Schaffner mahnt zum Einstei gen, ich schwinge riich in'S Coupee, die Kleine mit der Gans hinter mir her. Ter Zug kommt in'S Rollen. Da wird etmaS durch'? Fenster geschleudert hart an meiner Nase vorbei, und ehe ich noch recht zur Besinnung komme, sitzt mir mit wüthend aufgesperrtem Schnabel die junge Gans gegenüber. Im ersten Augenblick dachte ich daran. die Nothleine zu ziehen. Da aber von einer dringenden Gefahr" nicht die Rede sein konnte, besann ich mich eines Besseren und versuchte mich in die lom sche Situation zu finden. Seit meiner Gymnaftalzeit habe ich einen heiligen Respekt vor den Gänsen. ES war Sitte bei uns, jede? Jahr dem Ordinarius eine .MartinSganS" zum Geschenk zu machen. In der Uw tertertia wurde ich auSersehen, die GanS dem Klaffensührer zu überreichen. Die ganze Klaffe faßte vor der Wohnung . im er- 1 n. i' r 11: a 1 oes vroienors Pvpo, oieier eriqien a,s bald mit seiner gerührten Gemahlin. Da geschah das Entsetzliche, daß das wohlgeniastele Thier in dem Augenblicke eine unbeschreibliche Visitenkarte auf nicinein Gesicht abgab, als ich den Mund zu einer feierlichen Ansprache öffnen wollte. Solche Moniente vergißt man nie, und meine Antipathie gegen die Gänse ist so tief eingewurzelt, daß ich sie nur auSnahinsveise auf meiner Ta sei dulde. Der Zug lief in den Bahnhof von Rothstadt ein. Der Schaffner, der Zug fllhrer, der Stationsvorsteher kamen herbei, und ich überlegte, ob ich die Gaus in Freiheit fetzen oder einem der Bahnbeamten dediciren solle. Ein dicker Brauereibesitzer ans dem Städtchen gesellte sich z uns. Ich will Jhne etwas sage, liemer Herr. Mer hawen heut Ameud $?c gelklub. Mer wolle die GanS enaus kegeln." DaS ist ein genialer Vorschlag !" rief ich. Entbieten Sie den Herren vom Club meinen Gruß und nehmen Sie hiermit den kostbaren Preis in Empfang." Nä, liemer Herr, so hawwe mer'sch net geineent. Mer könne die Gans nur unner der Bedingung annemme, daß Sie dableiwe un heut Awend mit kegele." Das Städtchen lag zu Füßen einer stattlichen Bergkuppe, die zu lohnendem Auffteig lockte. Der Brauereibesiöer verrieth mir, daß in der Stiftskirche ein werthvolles Altarbild und im nahen Cislerzienserlloster eine Sammlung pfälzischer Alterthümer bewahrt werde. Ich ließ mich überreden, zu bleiben. , Abends traf ich im Kegelklub den Doktor, der Apotheker, den Thierarzt, meineir Freund den Bierbrauer und alle Notabeln der Stadt. Ich komme nur selten auf die Kegelbahnen und bin kein Virtuose im Kegelschieben. Aber an diesem Tage entwickelte ich ein un verschämtes Glück. Ich warf einen Kranz nach dem andern, und als gegen 11 Uhr das Preisgericht an der schwar zen Tafel zusammentraf, stellte sich heraus, daß ich die Gans gewonnen hatte. Ein vielstimmiges Bravo durch brauste die Kegelbahn. Der Adjunkt und Konditor von Rothstadt klopsle mir wohlmeinend aus die Schulter. Kenne Se vielleicht de verftormene Schriftsteller Wilhelm Hauff?" Gewiß, Herr Adjunkt," erwiderte ich höflich. No, da miffe Se doch die Geschichte vom Zwerg Naso und der verzauwerte Gans gelese hawwe?" Ich erinnere mich." Es giebt Dinge zwischen Rothstadt und Baris, mein Herr, von dene sich der Gelchrtewitz nix träume läßt. Gewen Se mat obacht, hinner Jhne Ihrer Gans steckt etwas. Ich geb' Jhne de gute Rath, trenne Se sich net von dem Dier!" Ich bin entschlossen, die GanS mit zunehmen, Herr Adjunkt, aber ich hoffe sehr, daß sie sich bei mir zu Hause nicht gerade als Prinzessin entpuppt, da gegen würde meine Frau, die etwas zur Eifer licht neigt. Ein pruch erheben Am nächsten Morgen gab niir der Kegelclub in corpore an den Bahnhof das Geleite, ffür die Gans war eine Kiste hergerichtet morden, in der sie mit mir die Reise in meine Heiviath antrat. Meine Frau war einigermaßen er staunt, als ich anstatt des erwarteten Geschenks meine Reisckaffe war bis auf eine Reichsmark zulammengescrmob zen mit einer junge Gans in's Haus fiel. Aber die Freude des Wie dersehen verscheuchte die Wolken von ihrer Stirne, und am nächsten Tage prangte das Gänschen wohlgeschmori und gebraten auf unserem Tisch. Ich weiß nicht, wie es kam, daß wir uns beide den Magen daran verdarben und zwar so gründlich, daß wir vierund zwanzig Stunden nichts genießen konn ten. Bei mir ist der Magenkatarrh seitdem chronisch geworden, denn wenige Tage später erhielt ich in der Strafsache gegen die unverehelichte Magdalena Birkenftock in Tiesenbach eine Zeugenvorladung an das Amtsgericht. Ich sollte bekunden, wo die dem Schuhmacher Nikolaus Ben der gestohlene GanS geblieben, und welchen Geldbetrag ich der jugendlichen Diebin sür das CorpuS delicti einge händigt. Bei meiner Vernehmung hatte ich das Gefühl, daß der Amtsrich ter und der Gerichtsschriiber nur müh sam ihre Heiterkeit unterdrückten. Ich werde das Vergnügen haben, in dieser leidigen Affaire noch einige Mal an'S Gericht zu spazieren. DaS würde an sich nichts zu bedeuten haben. Wenn aber meine beste Hälfte den Gerichts diener mit einer Vorladung abfängt und dahinter kommt, daß sie eine ge ftohlene GanS verspeist hat, ist es um meinen ehelichen Frieden geschehen. Vorab habe ich keine ruhige Stunde mehr und schrecke zusammen wie ein armer Sünder, so oft die Hausglocke tönt. Sie liegt mir bleischwer im Magen die verzauberte GanS von Tie fenbach. Ttt gefpptt apitän. Eine heitere Episode wird auS Kairo berichtet. Tort herrscht insolge der enormen Cholera Erkrankungen in Aegypten eine etwaS übertriebene Furcht, die trotz deS Ernstes der Sache manchmal unwillkürlich zum Lachen reizt. So wanderte jüngst durch die winkligen Straßen ein biederer Holland! scher Capitän. der sich gegen die Nacht kühle mit einem dicken Mantel beschwert hatte. Aber in der sonnigen Tageshitze wurde derselbe ihm immer lästijr und schwerer, so daß er endlich eine der dort herumliingcriidcn braunen Pur scheu anrief und demselben den Mantel zum Tragen übergab. Derselbe folgte auch wirklich seinem Auftraggeber und hielt mit ihm gleichen Schritt, aber dann wurde sein Gang immer lang samer und schleppender, so daß er weit zurückblieb, und der Capitän unwillig stehen blieb und ihn anfuhr: Kerl, lauf doch ein bische schneller. Ich kann nicht, Herr," tönte eS müde zu rück. Und Sie muffen es auch nicht so tidcl nehmen, denn wenn man eben erst aS dem Cholera-Hospital entlaffcn worden " Ter Herr Capitän tau melte plötzlich wie v.nn Schlage getrof fen, zehn Schritte weit zurück, streckte die Arme abwehrend aus nnd schrie : was, ans dem Cholera-Hospital?! Und das hast Du mir nicht gesagt?! Kerl, mache, daß Du mir aus der Nähe kommst!" Und als ihm der Bursch de Mantel zureichte, schrie er abwehrend weiter: Nein, nein, weg mit dem Mantel, den rühre ich nicht wieder an. Behalte ihn, und hier hast Du auch noch ein Trinkgeld, aber mache, daß Du fortkommst!" Der Capitän warf dem braunen Burschen ein Geldstück zu, das dieser geschickt aussing, und dann ging er mit möglichst langen Schritten da von, ohne sich noch einmal umzusehen. Ter schlau lächelnde Bursche blieb noch einen Augenblick stehen, indem er den Mantel und doS Geldstück betrachtete, aber dann bekam er plötzlich flinke Beine, und im Forteilen lachte er vor sich hin: So cm Cholcra-Hoipital ist doch gut besonders, wenn man nicht d'rin war." Tonga-Lika am Telephon. Eine reizende Scene spielte sich im Bureau des Verwaltungsgebäudes der Kolonial Ausstellung in Berlin ab. Tireltor v. Bcck versuchte dem Neger Tonga-Lika und seinem zwölsjährigen Sohne von den Neu-Guinea-Leuten den Mechanismus des Telephons zu er klären. Tie beiden Schwarzen sahen sich mit verwunderten Gesichtern die beiden Hör muscheln an, blickten zu den Drähte empor und brachen in schallendes Ge lächter aus. Ein Aufseher begleitete nun Tonga-Lika nach dem Bureau der Neu-Guinea Compagnie, Unter den Linden, und nach einiger Zeit wurde der Kleine durch das Telephon ange rufen fein Vater wünschte ihn zu sprechen. Anfangs war der Knabe nicht zu bewegen, die Hörer in die Hand zii nehmen, er fürchtete sich endlich faßte er Muth. Kaum aber hatte er das Ohr der Muschel genähert, so lachte er laut auf. Jetzt vernahm er die Stimme des Vaters, der ihn in der heimischen Sprache fragte, wie es ihm gehe. Ein grenzenloses Staunen prägte sich in den Zügen des Burschen aus, er drehte das Hörrohr nach allen Seiten, dann warf er es fort. Nur wiederhol ten Beinühungen gelang es, ihn zu einer Antwort zu bewegen. Aber als der Vater wieder sprach, blickte der Kleine scheu umher und suchte den Vater in allen Winkeln des Zimmers, so daß sich die Anwesenden kaum eines Lachens erwehren konnten. Die sonderbare Mode die Beinkleider unten umzuschlagen, ist auf den berühmten Oberst Brummel, welcher seiner Zeit in London als Mode könig spielte, zurückzuführen. Derselbe war einst zum Ball beim Herzog von Clarence eingeladen. Vor dem Palast des Herzogs hielt eine große Menge von Equipagen, daß diejenigen Gäste, welche nicht allzulange warten wollten, über den Straßendamm gehen mußten, um den Eingang zu gewinnen. Dies that auch Brummel. Da es aber geregnet hatte, schlug er vorher seine Beinkleider ein wenig um, damit sie nicht beschmutzt würden. Später vergaß er es, sie wie der herunterzuschlagen, .und so betrat er den Ballsaal. Allgemeines Staunen unter den Herren, das aber nicht lang dauerte. Man begriff, daß Brummel eine neue Mode einführe, und alle be eilten sich, seinem Beispiele zu folgen und den unteren Rand der Beinkleider aufzuschlagen. Brummel bemerkte da von nichts, wohl aber nahm er plötzlich seine Vergeßlichkeit wahr. Er ging in die Garderobe und schlug den Rand der Beinkleider hinunter. Als er den Saal wieder betrat, kam ihm der Herzog von Clarence entgegen. .Ei, mein lieber Brummel," sagte er, wie kommt es, daß Sie, der die neuen Moden sonst immer zuerst kennt und anwendet, heute noch nach der alten Mode gehen?" Inwiefern, Königliche Hoheit?" fragte Birmmel, sich erschreckt mu fternd. Nun, alle Welt trägt der Rand der Beinkleider ausgeschlagen, nur Sie nicht." Stets ftndal. Ihnen ist die Wohnung gekündigt morden, Herr Lieutenant?" Ja, alle Zimmernachbarn über mich beschwert.... zu sehr durch allnächt licheS Cdampagnerkorkenknallcn gestört worden!" Auch ein Abschreckunasmirlel. Aber. Johann! wie kommen Sie denn nur dazu, von diesem Topse, wo Gist d'raus steht, versuchen zu wollen?" .Ja, gnüd'ger Herr, das kenn' ich schon von meiner vorigen Herrschaft! Da ist immer baS Beste drin!"