Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, September 17, 1896, Image 9

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    A
Xi
Teufelssontein. -
?ineZri?,svaalgk!chichle on Knut zieming,
Bor ssndzwanzig Jahren stand
draußen vor der Cap.Stadt ein Wirths
' hau, in dem Boeren und englische
SquatlerS, die dom Innern ;um
Marktlage zogen, flch die ersten städti
eschen Genltsse leisteten. Jeder ließ dort
seinen Zoll zurück, aber keiner lobte den
' Schnaps, wenn er das Hau verließ,
hatte auch keinen Grund dazu. Trotz,
dem widerstand weder Afrikaner noch
Brite der Versuchung, ivenn er zum
erstenmale wieder die Stadt erblickte.
Dort, wo da morsche Blockhaus
stand, erhebt sich heute ein stolzer Palast
mit Park. Lawn.TenniS'Plützen und
Üppigen Ställen, der Sitz des Mqnheer
Jan van Dyk.
Er hat sich och nicht recht an das
fürstliche Leben gewöhnt ; das wird sich
aber schon geben Zeit hat er, nach
menschlichem Ermessen, zum Angewöh
nen, denn er ist erst dreißig Jahre alt.
- ES war also vor fünfundzwanzig
Jahren, da ritt ein Wanderer auf jenes
Wirthshaus zu. Mynheer van Lenden,
der gastliche Wirth, trat vor die Thür
und wollte den Fremden niit jovialem
Gruß zum Trunke bitten, da schwankte
derselbe im Sattel und siel in die Arme
des Wirthes. Kaspar van Leyden war
durch und durch ein Schuft, der dem
Fremden den letzten Cent abgenommen
hätte, aber die Gastfreundschaft hielt er
auch dann in Ehren, wenn nicht viel
dabei herausschaute, kam auch dabei
nicht zu kurz, denn er galt als guter
Kerl sogar bei Denen, die seinen
Whisky verwünschten. Der Fremde
sah allerdings nicht sehr verheißend aus ;
abgerissen und halbverhungert lag er
auf dem Bette, unverständliche Worte
im Fieberwahne murmelnd. Seine
Effekten hatte Kaspar bald abgeschätzt ;
für den Gaul gab kein Schinder einen
Nickel, und sonst war nichts da. aus
genommen eine schäbige Ledertasche mit
Steinen.
Nach drei Tagen starb der Fremde
und wurde im Kirchhof der Namen
losen begraben. Jahre lang noch
harrten fern in Europa die Lieben eines
jungen deutschen Gelehrten auf dessen
Rückkehr aus Südafrika, wohin er auf
eine geologische Ezpedition gezogen.
Kaspar betrachtete den Vorfall als
ein schlechtes Geschäft und nahm sich
vor, den nächsten um so'gründlicher zu
rupfen. Den Gaul verkaufte er darum
um theures Geld an einen jungen
Engländer. Die Ledertasche wollte er
eben wegwerfen, als er ein Knistern
darin verspürte. Bei näherem Nach
sehen fanden sich in einer versteckten
Tasche Karten, die' der alte Fuchs
von seiner kalifornischen Gold
gräberzeit her als geologische er
kannte. Jetzt wurde er doch aufmerk
samer und untersuchte die Steine ge
nauer. wusch Koth und Staub von ih
nen ab und hielt sie an's Licht. Und
da erbebte der starke Mann, daß er sich
an die Wand lehnen mußte, um nicht
zu fallen, kalter Schmeiß trat ihm auf
die E?rn und die Augen, iqier aus ly
ren Höhlen springend, hefteten sich starr
aus den Stein, den beide yanoe kramps
haft faßten. Einen Moment dauerte
der Anfall, dann heulte er vor Freude
: auf und küßte den Stein und die Ta
sche und die Karten mit heißer In
brunft. Es war schwer goldhaltige!
Gestein.
Keiner wußte, weshalb Kaspar van
Leyden binnen Wochenfrist Haus und
Hof um einen Schleuderpreis hingege
den hatte und spurlos verschwunden
war. In Ermangelung weiterer Kunde
. nahm man an, er habe neuerdings
Grund, der Justiz auszuweichen; so
ganz absonderlich war das nicht, denn
man hatte schon längst sich Merlwürdi.
ges über sein Borleben in Kalifornien
zugeflüstert. Aber man war diesmal
im Irrthum.
Zwei Monate später traf ein neuer
Ansiedler im Witwatersrand ein, der
sich Piet Falk nannte, aber dem der
schwundenen Kaspar van Leyden zum
Verwechseln ähnlich sah nun, wir ha
den ja keine Geheimnisse, Piet und Kas
par waren dieselben. Damals weideten
Rinder, wo heute Opernhäuser und
Banken stehen und elektrische Siraßen
bahnen lausen. So blieb denn Kaspar
oder Piet um so weniger beschiel, als
er sich die schlechteste Farm aussuchte,
die weit und breit im Rand zu sinden
V war. Teufelssontein hieß seine Be
sitzung. so genannt, weil dort der Böse
nichts gedeihen ließ. Piet hitte Mühe,
einige Kaffern anzuwerben, um ihm die
Wirthschast zu besorgen, denn der Ort
war verrusen. Seine Bretterhütte
wurde selbst von den einsamen Boeren
gemieden war ihm übrigen! ganz
rät.
In einer abgelegenen Bergschlucht
trieb er sich mit Picke und Spaten um
her. Er hatte den Stollen gesunden,
den der Fremde mit dem letzten Reste
seiner Lebenskraft gegraben, um dann
einsam ,u sterben, als er den Lohn der
Arbeit und Kühnheit einzuheimsen ge
dachte. Piet verfolgte den Erzgang
über den ganzen Bergrücken und wußte,
daß er in der Tiefe sich reicher und rei
cher fortsetzte, wo er von der Oberfläche
zurücktrat. Unermeßliche Reichthümer
thaten sich vor seinem Auge auf, und
wer weiß, was aus dem alten Adenteu
-rer noch geworden wäre, wenn nicht
eine Tage eine Pulvermine im Stollen
sich vorzeitig entladen hätte. An die zwei
, Tonne Gestein sielen auf Piet herab
und brachten seine Expedition zu bündi
gern Abschluß.
Der
Jahrgang 17.
Sein Gesinde verlief sich, als er nicht
mehr zurückkehrte und im ganzen Rande
konnte man sich fein Verschwinden nicht
erklären.
Teufelssontein wurde von keinem Boe
ren mehr betreten, und so rauschten zwei
Jahrzehnte dahin, bis es einen Lieb
Haber fand. Johannesburg wurde aus
einem Dorfe zu Stadt, die, wie von der
Hand eines Zauderers erbaut, mit
Bl'tzesschueue auwuchs.
Gold war gefunden worden, und
mächtige Pochwerke hatten die friedlichen
Herden verscheucht. An der Stelle von
Blockhütten erhoben sich Paläste mit
korinthischen Säulen, und wo infamer
Genedre ein kostbares Labsal gewesen,
floß der französische Sekt in Spiegel
sälen. Schaarenmeise strömten sie in
das neue Goldland, unerhörte Reich
thümer zu sinden.
In Teiiselssontein war noch nichts
von dem neuen Treiben zu merken, und
Jan van Dyk, der junge Boer, rauchte
im Frieden feine Pfeife. Ihm war
nicht eingefallen, sich an der Jagd nach
Geld zu betheiligen nun, weil es ihm
eben nicht eingefallen war.
Eines Abend war Jan aus der Jagd
gewesen und kam durch eine Bergschlucht
hinunter, die er selten betreten hatte,
nicht weil er den Teufel fürchtete, der
nach der Aussage jedes braven Boeren
dort hauste, sondern weil die Schlucht
von seinen Wegen ablag. Da schlug
ihn der Sturmwind in's Gesicht, heiße,
dicke Regentropfen peitschten ihn, und
mit gräßlichem Schmettern fuhren die
Donnerschläge herab. Jan suchte unter
einer Akazie Schutz, aber das half
nichts, und so kroch er an der Wand der
Schlucht hinan, in der Hoffnung, sich
unter einem Felsblock bergen zu können.
Wie es da Geschick wollte, stieß er auf
einen klaffenden Gang, der sich in die
Bergwand hineinzog, und hier hinein
kroch er, um vom Sturme geschützt des
Tobens Ende abzuwarten. Wenige
Minuten nur hatte er da gesessen, als
mit lautem Donnergeroll wieder ein
Blitz die Umgebung blaßblau er
leuchtete. I
Jetzt traf ein Anblick sein Auge, der
ihm einen lauten Entsetzensschrei ad
preßte und ihn der Ohnmacht nahe
brachte. Hart neben ihm, daß er ihn
mit der Hand berühren konnte, lag ein
menschlicher Schädel und grinste ihn im
erneuten Blitzesleuchten an. Jan hatte
seinen eigenen Schrei gehört und stutzte,
um dann in ein lautes Gelächter aus-
zubrechen. Er fürchtete, wie gesagt,
den Teufel nicht und hatte schon man
chen Todten gesehen.
Immerhin wurde er wieder etwas
nachdenklich, als er sich überlegte, wie
wohl der Mann in dem seltsamen Gange
zum Tode gekommen. Als sich der
Sturm verzogen hatte, bedeckte er Pietät
voll den- Schädel mit dem Geröll, das
umherlag, und steckte, wie zum Anden
ken, einen Stein in die Tasche. Er
dachte sich nichts Bestimmte dabei und
hat sich in späteren Jahren vergeblich
gesragt, wozu er eigentlich den kleinen
Block mitnahm.
Als er seine Hütte betrat, fand er
einen Fremden, der vor dem Unwetter
hineingefllichtet war. Der Mann war
für Wind und Wetter ausgerüstet, aber
europäisch gekleidet, und trug einen
Stahlhammer und gelehrt aussehende
Jnftrumententaschen. Jan lud ihn ein,
mit ihm das kräftig einfache Abendessen
einzunehmen.
Außer der Thatsache, daß er Englän
der sei. verrieth der Fremde nichts über
seine Ziele und Zwecke, so daß man in
Ermangelung anderer BeziehungS
punkte auf das Wetter zurückkam. Jan
erzählte sein Abenteuer und zeigte den
Stein.
Der Fremde horchte beim ersten Worte
auf und verschlang die Erzählung
Jan's. Als dieser sich auf kurze Zeit
entfernte und wieder hereintrat, sah er,
wie der Fremde mit zitternder Hand
den Stein unter einem BergrößcrungS
glas betrachtete, um dann mit dem
Meffer daran zu schaben. Wenn Jan
den alten Kaspar vor einem Viertel
jahrhundert gesehen Hütte, wie er die
Erzmufter des armen Todten unter
suchte, so hätte ihm die verzweifelte
Aehnlichkeit zwischen dem Gebühren der
Beiden auffallen muffen. Das Gold
sieber ist überall gleich.
Mitten in der Nacht erweckte ihn der
Hufschlag eineS Pserdes. Jan sprang
auf der Fremde war verschwunden
und mit ihm der Stein. Der Hall
erklang allmählig, und zwar, wie Jan
gewahr wurde, in der Richtung aus die
verwunschene Schlucht zu. Er schüttelte
den Kopf und wollte sich wieder hin
legen, nachdem er gesehen, daß sonst
Alle in Ordnung sei. als sein Blick auf
ein Büchlein siel, da der Fremde in
der Eile hatte fallen laffen. Jan hob
tS auf und suchte den Titel zu entjis.
fern; es ar ein englisches Taschenbuch
sür Goldprodierer. Der junge Boei
konnte kein englisch lesen, aber das
Sonntagsgast.
Beilage zum Nebraska Staats-Anzeiger.
Wort Gold" verstand er gut genug,
und wie Schuppen siel es ihm von den
Augen. In einem Momente hatte er
Jahre an Finanzweisheit gewonnen,
die Bedeutung des Stollen, des eng
lischen Bergingenieurs und von dessen
Interesse an der Teuselsschlucht blitz
artig durchschaut. Er verweilte nicht
lange dabei, sich einen Esel zu nennen,
weil ihm nicht früher Erleuchtung ge
kommen,- sondern sattelte den Gaul und
ritt so rasch nach Johannesburg, als es
die Finsterniß erlaubte, um seine Ent
deckung amtlich einzutragen und das
Finderrecht zu wahren. Als der Eng
länder 24 stunden später auf der
Bergamte erschien, mit vorläufigem
Plan bewaffnet, fand er sich überholt
und die Bergrechte von Jan van Dyk
gewahrt.
Dies ist die Geschichte der Entdeckung
der großen Teufelssontein Mine, der
drittgrößten des Landes wie jeder Vör
senmann weiß. ,
Jan zog nach der Cap-Stadt, wo er
das Grundstück lauste, auf dem der In
Haber des geheimnißvollen Schädels ge
haust hatte. Das ist ein merkwürdiger
Zufall, aber Jan weiß nichts davon
und braucht sich darum auch nicht den
Kopf darüber zu zerbrechen.
Der Stern von Warschau.
Bon Alice Liebling,
Ein glänzendes Publikum füllt alle
Plätze der Großen Oper in Paris.
Man erwartet in großer Spannung den
Beginn der Vorstellung, denn zum ersten
Mal soll die schöne Apollina auftreten,
der Stern von Warschau". Ihr geht
ein großer Ruf voraus; alle Zeitungen
sind des enthusiastischen Lobes voll; ihre
Kunst, ihr Tanz soll alles je Dage
wefene überstrahlen, man nennt sie die
menschgewordene Terpfichore! -
Und wirklich, ihr Tanz ist herrlich.
Ihre Bewegungen sind on unnachahm
licher Grazie und Anmuth, und aus
ihren Augen strahlt ein blendender
Glanz, ein verzehrendes Feuer; ihre
Gestalt ist schlank und biegsam, ihr
Antlitz edel, ihr Auftreten vornehm und
doch gepaart mit einer Alles bezaubern
den, angeborenen Koketterie.
Das Ballet ist zu Ende. Die tau
sendköpsige Menge klatscht, rast, jubelt;
man verlangt eine Zugabe, und bis"
und bis" ertönt S on allen Seiten.
Da schreitet Apollina, die nie Ermü
dende, vor und giebt ein Zeichen, daß
sie tanzen wird. Leise summt sie eine
Melodie, wie um sich in den Takt zu
wiegen, und dann beginnt sie. Eigen
thllmlich ist ihr Tanz, leidenschaftlich,
mild und stürmisch, im scharfen Rhyth
mus des DreiviertelTa!tes, dazwischen
sanft und zart, doch bald wieder luftig
und feurig, in rasendem Tempo,
und immer singt sie halblaut die eine
Melodie. Horch! Ist das nicht ein
Mazurka, eine polnische Mazurka?
Apollina steht nicht die begeisterte
Menge,vhört nicht den tosenden Beifall,
sie tanzt und tanzt und vergißt sich selbst
und alles darüber, bis sie plötzlich brüsk
aufhört.
Unzählige, wunderbare Blumen wan
dern, mit Schleifen und Karten ge
schmückt, in eine elegante kleine Woh
nung in der Rue de l'opera" und ver
wandeln diese in einen duftenden Mär
chengarten. In einem weißen Ge
wände, auf niedrigem Sessel ruht Apol
lina, die lieblichste Blume dieses Gar
ten; zu ihren Füßen kniet ein schöner
junger Mann. Es ist ein unermeßlich
reicher ausländischer Prinz; er bietet ihr
sein Herz und seine Hand. Doch Apol
lina schüttelt traurig das Köpschen, sie
dankt sür die große Ehre, und mit einem
wunderbar sehnsüchtigen Blick in den
Augen spricht sie zu ihm: Ich habe
einst ein heiliges Gelübde gethan, mir
nur einen Gatten zu wählen, der dreier
lei in sich vereinigt: Ein Edelmann soll
er sein, aber arm! ein stolzer Pole! ein
Meister der Tonkunst! Der soll mir
dann die Musik zu einer Mazurka schrei
den. zu einer echten, schönen polnischen
Mazurka!"
Wochen vergehen, Apollina ist jetzt in
Mailand und feiert im SkalaTheater
mit ihrer Kunst Triumphe über Tri
mphe. Die Begeisterung fllr sie kennt
keine Grenzen und steigert sich zu frene
tischem Jubel, wenn sie nach dem Ende
des Ballets als Beigabe ihren fremd
ländischen Tanz vollführt. Und selbst
der größte Komponist Italiens, den sei
früher Ruhm stolz und hochmüthig ge
macht hat, fühlt sein Herz unwiderfteh
lich von ihr gefangen, und in seiner
melodischen Sprache erklärt er ihr seine
Liede und beschwört sie heiß und leiden
schastlich, seine Gattin zu werden.
Doch Apollina schüttelt wieder ihr
Köpschen und spricht: Herr, kennst Tu
meine drei Bedingungen nicht? Wohl
bist Du noch ein großer Künstler, ein
Genie! Aber gelingt Dir auch eine ein
fache, zu Herzen gehende Mazurka?
Denn ich bin eine Polin, und nur ein
Pole soll mich freien."
Warschau, Heimaih, süßklingendcs
Wort! Weißt Du noch, Apollina, hier
stand Deine Wiege, aoer damals um
gab Dich Glanz und Reichthum noch
nicht; Hunger. Noth und Sorge waren
die Begleiterinnen Deiner Kindheit.
Deine Eltern sind schon lange todt,
lange ehe sie sich an Deinem Ruhme
sonnen konnten, die armen Treuen, die
armen Unbelohnten! Längst Bergan
genes steigt vor ihren Augen auf. Kin
derträume, Jugendgedanken! , Eines
Tages hatte eine wüthende Seuche ihre
Eltern und viele, viele andere Menschen
schnell dahingerafft. Niemand küm
merte sich in der schrecklichen Zeit um die
arme neunjährige Waise. Herum
ziehende Zigeuner nahmen sie mit, und
sie ließ sich willig fortführen. Dort
ging es ihr nicht schlecht; mit schlauem
Blick berechneten sich die Leute die zu
künftige Einnahme, welche die kleine
schöne Polin ihnen dermaleinst der
schaffen sollte. Sie lernte regelrecht alle
Künste der Zigeuner, Seiltanzen. Wahr
sagen und dergleichen mehr. Aber eines
Abends beim flackernden Herdfeuer fiel
ihr Stasch" ein, den sie seit dem Aus
bruch der Cholera nicht mehr gesehen
hatte, und sie brach in heftiges Weinen
aus. Sie hatte ihn so lieb gehabt, den
feinen, blassen Nachbarsknaben draußen
in der Vorstadt in Warschau. Er war
der Sohn eines gänzlich verarmten, er
blindeten Grasen, und wenn auch dessen
Wohnung fast so armselig war. wie die
ihrer Eltern, Apollina sühlte dort in
stinktiv einen Rest von ursprünglicher
Vornehmheit, und es waren die schönsten
Stunden ihrer Kindheit, welche sie mit
Jenem verleben durfte. Der alte Graf
war ein vorzüglicher Musiker, und wenn
er gut' gelaunt war, so spielte er den
Kindern auf feiner Geige aus seinem
reichen Gedächtnißschatze etwas vor. Er
wußte immer wieder neue Melodien.
Am meisten gefiel ihnen eine Mazurka,
da schlangen Stasch und Apollina die
Arme um einander und tanzten danach.
So in Gedanken versunken, summte
die Kleine ihre Lieblingsmelodie und
begann wie unbewußt dazu zu tanzen.
Die abergläubischen Zigeuner faßen und
lauschten aufmerksam. Ueber ApollinaS
zierliche Gestalt glitt der röihliche Schein
der Flammen und erleuchtete sie; ihr
süßes Antlitz hob sich weiß und klar von
dem schwarzen Hintergrund des Waldes
ab wie ein glänzender Stern am nächt
liche Firmament, und die Zigeuner
nannten von da ab ihren Liebling den
Stern von Warschau".
Zehn Jahre waren seitdem verflossen.
Zum herrlichen Weide erblüht, als
ruhmreiche Tänzerin, eine von der Ge
fellschaft Verehrte, Angebetete, tritt
Apollina zum ersten Mal im Großen
Theater in Warschau auf. Es wird
eine Oper, die Musik vom Grafen
StanislauS P., gegeben, mit munder
baren Balleteinlagen, von denen der
Nationaltanz der Polen, die Mazurka",
den effektvollsten Glanzpunkt bildet.
Und wie berauscht, vor ihren Lands
leutcn zu stehen, sich endlich unter den
Ihren zu sühlen, den heimischen Boden
zu berühren, tanzt sie und scheint ihr
Bestes zu geben. Ihr ist's als ob be
ständig auS einer Loge zwei feurige
Augen zu ihr herniederblickten, zwei
fremde und doch bekannte Augen,
und wie verzaubert sieht sie nur dahin.
Ist jener vornehme Kavalier nicht
Stasch", der arme Stasch, der stolze
Gras StanislauS P.?
Und nachher stand er vor ihr; sie
starrten sich an, selig im Wiedersehen.
Kein Wort wurde gesprochen, ihre
Herzen verstanden sich. Apollina wußte,
daß er Musiker geworden war, denn
sie hatte hier und da über ihn gelesen ;
aber er konnte nicht ahnen, daß aus
seiner kleinen Juzendoespielin, der
Tochter deS Aermsten. unter den Aerm
sten, dieses an Huloigungen gewöhnte,
glänzende Weib geworden war, und
seine Jugendliebe zu ihr, welche ihm
stets eine zarte, süße Erinnerung geblie
den war, schlug in hell lodernden Flam
men wieder empor. Und aufjauchzend
hörte er on ihren Lippen den inner
sten Schrei ihrer Seele: Auf Dich
habe ich gehofft und geharrt all die
Jahrelang, Tu mein Einziger! Viele
bade ich verschmäht um Deinetwillen.
Die Treue habe ich Dir gehalten, ohne
daß ich missen konnte, ob Tu mich je
lieben würdest. Und nun bist Tu
mein, und ich Dein, Du mein gelied
t,r, stolzer Stasch, Tu mein angebeteter
stolzer Künstler!"
Zwei starke Arme umschlangen sie,
und auf ihren Lippen brannte feurig
der erste Kuß.
Xtt Zptttautt keim Zahnarzt.
in Vrl'bniß. ?on Tr. Steife eizöKII,
Schauderhaft die Kraftmeier
unter den Patienten. Ich hätte durch
No. 18.
so einen Kraftmeier neulich um ein
Haar meine ganze Kundschaft verloren.
Kommt da eines Nachmittags so'n
junger Mann zu mir, dünn und sehnig
wie eine Rothhaut, und nimmt als die
Reihe an ihm war, gemüthlich im Mar
terstuhl Platz. Auf meine Frage, was
ich für ihn thun könnte, ersetzte er
lächelnd, er möchte zwei Backzähne, drei
andere Zahne und fünf Wurzeln ge
zogen haben.
Schön sagte ich zwar ein Bis
chen viel, aber mit Lachgas ist das eine
Kleinigkeit.
Was?" sagte er Lachgas?
Nee, dafür danke ich, das macht Einem
auf vierzebn Tage die üierven kapui
Nehmen Sie, bitte, nur einfach hier
und da ein wenig Cocain, wo s be on
ders schwer geht, das genügt. Wissen
Sie, ich bin so'ne Art Spartaner
und vertrage schon einen gehörigen
Puff."
Na. also ich willige schließlich ein.
Das Sprechzimmer war voller
Patienten, meistens Damen, und wie
gewöhnlich vom Operationszimmer
nur durch den Wand chirm getrennt,
sodaß man vom Sprechzimmer aus
ebenso bequem hören und auch theil
weise sehen konnte, was im Operations
zimmer vorging.
Mir war's gerade recht, denn da
konnte ich so ganz auffällig den Patien
ten 'mal zeigen, was ein gewandter
und schneller Zahnarzt ist.
Doch es sollte anders kommen. Mit
den Zähnen ging es ebenso spielend
wie elegant, aber die Wurzeln! So
oft ich die Zange ansetzte, brach die
Wurzel, die total verkreidet war, mit
einem Krach ab, als ob Jemand einen
Revolver abschöße.
Ich glaubte, der Spartaner müßte
genug haben und die Fortsetzung aus
ein ander Mal verschieben.
Statt dessen machte ihm die Sache
ungeheuren Spaß, und nach jedem
Krach lachte er sich Eins, spuckte aus
und bemerkte liebenswürdig : Ah
das ging mir wahrhastig durch Mark
und Bein." Aber so ein Spartaner
wie ich hält schon 'was aus I"
Mir wurde unheimlich, denn des
Oesteren hatte ich bereits bemerkt, daß
im Sprechzimmer nach jedem Krach
nervös gehüstelt und ab und zu die
Hausthür leise geöffnet und noch leiser
zugemacht wurde.
Doch ich hatte A gesagt, und so
mußte ich B sagen und wohl oder übel
in den sauren Spartaner beißen. Das
Krachen nahm also seinen Fortgang,
begleitet on cynischen Kommentaren
des Spartaners, wie : Die obere
Kinnlade lassen Sie, bitte, drinn!"
oder : Hui, pfeifen die Engel im
Himmel aber großartig !" oder : Hm,
das war also Nummer vier ; ich dachte,
der Kopf würde mitgehen I"
Der Angstschweiß rann mir nur so
von der Stirn herunter. Endlich war
ich sertia. Der Spartaner drückte mir
lächelnd die Hand, verbrauchte vier
GlaS Thymol-Lösung zum Mundspii
len und versicherte, daß ihm die Ge
schichte eine angenehme Uebung im
spartanischen Stoicismus gewesen wäre.
Ich athmete erleichtert auf, als er
fort war, und trat in das Sprechzim
mer, um das nächste Opfer zu holen.
Ja, Kuchen leergebrannt war
die Stätte! Kein Mensch war mehr
da. Die Patienten hatte zuletzt das
Grauen gepackt und sie waren lautlos
verduftet.
Kleine Ursache, große Löirkungen.
Wie Friedrich der Große nach den
Unsällen des Jahres 1761, als Sott
leben Berlin besetzt und Romanzow
Colbcrg eingenommen hatte, von seinen
übermächtigen Feinden plötzlich wun
derbarer Weife befreit wurde, wird on
einem Zeitgenossen wie folgt erzählt:
Trotz des Drängens der Oesterrcicher
zögerten die russischen Generale mit dem
letzten entscheidenden Angriff ails die
geringe Streitmacht des großen Königs.
Sie wollten diesen Schritt nicht ohne
den zwingenden Befehl der Kaiserin
Elisabeth untemehmen, weil sie wohl
Mußten, daß es mit der Gesundheit der
Ezarin nicht gut stehe, und der Thron
folger Peter III., ein glühender Ber
ehrer Friedrich's, jeden Tag den Thron
besteigen konnte. Natürlich wurde Eli
sabeth zornig über die Unthätigkeit ihrer
Armee, die ja mehr als doppelt so stark
war, wie das preußische Heer. Ein
strenger Beschl zum schleunigen Angriff,
verbunden mit harten Bormürsen gegen
die Generale, wurde ausgefertigt und
der Monarchin zur Unterschrift vorge
legt. Schon hatte Elisabeth die Feder
ergriffen, schon wollte sie dieselbe ein
tauchen da flog eine Wespe durch das
offene Fenster, setzte sich aus den Rand
des Tintenfasses und fiel plötzlich hin
ein. Die abergläubische Ezarin hielt
das für eine üble Borbedeutung und
unterzeichnete nicht. Die Russen ließen
Friedrich unbehelligt, und als Elisabeth
bald daraus starb, hatte die Noth de
König definitiv ein Ende. Eine Wespe
hatte ihn gerettet.
Schwur aus et Zops.
Wenn im Mittelalter deutsche Frauen
vor Gericht einen Eid abzulegen hatten,
so mußten sie aus ihren Zops schwören.
So leistete, wie der Historiker Satter
berichtet, noch im Jahre 1403 die Gräfin
Verona von Zollern einen solchen Eid.
Sie mußte ihre langen, schönen Haar
zops, nachdem festgestellt worden, daß
derselbe echt war, um die linke Hand
wickeln und dieselbe dann auf die Brust
legen, die rechte Hand aber hatte sie aus
den Amtsstab des Richters zu legen, der
ihr den Eid abnahm. Auch im Oefter
reichischen war diese eigenlhllniliche
Eidesleistung gebräuchlich ; nur mußten
die Frauen dort nicht nur aus einen.
sondern sogar aus zwei Zöpse schwören,
wie das Wiener Stadtrecht vom Jahre
1351 vo, schreibt. Vermuthlich rührte
dieser Unterschied nur von der abwei
chenden Mode her, daß die schwäbischen
Frauen im Mittelalter sich mit einem
Zops begnügten, während die österreichi
schen Edeldamen sich mit zwei Zöpfen
zu schmücken pflegten.
Schnell gefafzl.
Preciosa" wurde von einer reisen
den Gesellschaft aufgeführt, wie der
Theater-Courier" berichtet. Die Bühne
war sehr niedrig und in der Kampf
sceue zwischen Alonzo und Eugenie er
eignete es sich, daß einer der Kämpfer
mit der Schmertspitze in der Soffite
fuhr und diese nun herunterriß, so daß
die Kämpfer durch dieselbe getrennt und
momentan ganz perplez waren.
Der Darfteller des Pedro sah dir
Verlegenheit der jungen Helden und
eilte mit folgendem Extempore zu Hilfe:
Donnerwetter, Parapluie l solche Köm
pfer sah ich nie !" Nachdem er die Eos
fite nun vollends heruntergerissen, fuhr
er fort: Reißt den Fetzen nur noch
weiter, wird'S Theater immer breiter."
Dann wurde nach homerischem Ge
lächter ruhig weiter gekämpft.
Moderne Dienstboten.
Frau (zu einem ueu engagirten Dienst
Mädchen): Ich habe Ihre Zeugnisse ge
lesen ich bin damit zufrieden. Sie
sind von heute ab in meinen Diensten.
Gehen Sie jetzt in die Küche und machen
Sie Ihre Arbeit!" .
Dienstmädchen: Jawohl, Ma
dame!"
Frau (die sich zur Essenszeit in die
Küche begibt): Ja, warum kochen Sie
denn nicht?"
Dienstmädchen: Ich habe bi letzt
auf Ihren Gegenbesuch gewartet!"
Bester Beweis.
Diese Rechnung habe ich Ihnen schon
vor einem halben Jahre bezahlt!"
Irren Sie sich nicht?"
Gewiß nicht, denn daß ich sie bezahlt
habe ärgert mich heut'
noch!"
Incognit.
Johann, richte mir morgen Civil
her! Verreise!"
Waden auch, Herr Lieutenant?"
Nein! Reise incognito!"
Boshaft.
Studiosus: Im vorigen Jahre hab'
ich mir nicht weniger wie sechs Anzüge
machen lassen!"
Bekannter: Gibt's denn so viele
Schneider hier?"
Nie verlegen.
Schon wieder ein Haustrer!
Ich möchte vor Wuth bersten!'
Warum sein Se so bös?! Bersch
ten sind ja g'rad' mei' Specialität!"
Zur probe.
Chef: , Sie reflektiren also auf
den vakanten Hausdienerpoften; können
Sie sich über Ihre Tüchtigkeit auS
weisen?"
Hausknecht kauf den Buchhalter zei
gend): Soll ich vielleicht den dicken,
faulen Kerl da 'mal 'ausschmeißen?"
ländlicher Wegweiser.
Bitte, wo führt hier der Waldweg
zum Schlosse Buchstein?"
Da können S' nit fehlen find
üb'rall die Marken! Wenn S' da
'nauf kommen, sind s' roth; da geh'n
s' roth fort, bis s' auf der linke Seit'n
grün werd'n; wenn s' so a' Biertelstund'
grün fortgeh'n, werd'n s' auf der recht'
Seit'n blau; da bleiben s' blau so lang,
bis s' links wieder gelb werd'n. und
gelb bleib'n s, bis Jhna d' Färb' aus
geht dann find S' eh scho' da!"
vergalovpirt.
Professor: Ich bin sehr strenge.
meine Herren .... aber machen Sie
sich nichts darau es geht mir zu
Hause auch nicht besser!"
Blnmcnsxrache.
Soldat: Herr Feldwebel, kann ich
Urlaub bekommen? Wir schlachten da
heim!"
Feldwebel: Ja. Wenn Tu eine
Tag länger bleiben willst, so schick nur
Nachricht wickel'i aber gut ein!"
k'öchftk Schätternktit.
Tochter: .Mama, der Assessor bat
sich noch nicht erklärt!"
Mutter: Aber da ist doch wirklich
ein unverschämt verschämter
Mensch!"