Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, September 17, 1896, Image 10

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    V
Der Flötenspieler von Bornim.
8011 L. . Lachcr Masoch,
Der Herr Pastor stand breit und be
hödig unter dem Pordache des Pfarr.
Hauses und lugte nach den Wolken hin
au, die an dem Himmel heraufgestie,
gen waren, groß, weiß, von dem fernen
Wetterleuchten grell beschienen, riesig:
Seifenblasen, die im nächsten Augen,
blick vlatien drohten.
Schon sielen große Tropfen, und die
rau Pastorin beeilte sich, die Wäsche
benln,ubrinaen. die auf der kleinen
Wiese zum Trocknen ausgehängt war.
.ES aibt Saael." sagte der Pastor.
.Warum nicht gar." erwiderte die
Pastorin, der Himmel ist doch gar
nicht so düster."
.Eben deßhalb, diese weißen Wolken
bringen den Hagel."
Schon erhob sich der Sturm, bog die
Bäume zur Erde und wirbelte den
Staub auf, und durch diesen kamen
nun zwei Reiter heran. Der Eine,
Aeltere, in einem grauen Ueberrock, den
dreieckigen Hut ties in die Stirne, sein
jüngerer Begleiter, in weißen Beinklei
dern, weißer Weste und offenem Frack,
einen schwarzen Schnurrbart in dem
hübschen Gesicht, der gar lebhaft gegen
das weiß gepuderte Haar abstach. Der
Herr Pastor wich fast erschreckt zurück
und doch zn gleicher Zeit lächelnd. Der
König," murmelte er.
.Weßhalb hast du ihn denn nicht ge
grüßt?" fragte die Frau und legte die
Hand über die Augen, um den Reitern
nachzublicken, welche von den Staub
wölken rasch verschlungen waren.
.Der König liebt es, unerkannt das
Land zu durchstreifen und sein Volk zu
beobachten," erwiderte der Pastor, und
eben deßhalb hätte er den Gruß übel
vermerkt."
Ein Donnerschlag erschütterte die
Erde, Pastor und Pastorin flüchteten
in'S Pfarrhaus und zugleich begannen
die Schlossen zu fallen.... 0?
.Es wird arg," sagte der Jüngere
der beiden Reiter, wollen Eure Maje
stat nicht doch einkehren, bis das Gewit
ter vorüber ist?"
.Muß wohl," erwiderte der König
und lenkte sein Pferd auf das nächste
HauS, das stattlichste von allen, zu.
Hier, im Thorweg, stiegen Beide ab
nbergaben ihre Pferde einem Acker
knecht, der gleichfalls an diesem Orte
Schutz gesucht hatte.
.Das ist Bornim?" fragte der König.
Zu dienen."
Und wem gehört dies Haus?"
.Das ist das Gerichtshaus."
Kommen Sie, Datzebeck, treten wir
ein," sprach der König, vielleicht gibt
es hier etwas zu sehen und zu hören,
was uns für die Langeweile des Auf
enthalteS zu entschädigen vermag.
Von seinem Kammerherrn, Tobias
v. Datzebeck gefolgt, trat der König
durch das Vorzimmer, in dem verschie,
dene Leute warteten, ohne Weiteres an
dem verblüfften Gcrichtsdiener vorbei,
in die große Stube, in der Recht ge
sprachen wurde.
Zu beiden Seiten der Thüre besän.
den sich Bänke, auf denen fünf bürger
lich gekleidete Männer saßen, während
m dem einen Fenster ein mnges Frauen
zimmer stand. Aus dem Nebenzimmer
klang gar seltsam eine Flöte heraus.
ES war ein geistliches Lied, das gespielt
wurde, und zwar mit vielem Geschick,
denn nachdem der König einige Augen
blicke gelauscht, sprach er: Der Flöten
spieln versteht seine Sache, sür einen
Liebhaber ist er wohl instruirt und recht
geübt."
Eben wendete sich das Frauenzimmer
im Fenster auf den rothen Stöckeln
ihrer hohen Schuhe um und zeigte dem
König unter dem koketten Häubchen ein
junges, allerliebstes Gesichtchen, aus
dem zwei lebhafte, dunkle Augen die
Fremden anstaunten.
.Wo bleibt der Richter?" fragte der
König das Mädchen, weßhalb läßt er
die Leute warten und nun gar Sie, die
wohl eine acurate Behandlung ver
diente?"
Die Kleine war roth geworden. Er
ift hier neben," gab sie, den Blick ge
senkt, zur Antwort.
.Ist er es am Ende, der so adrett die
Flöte bläst."
.Ja, gnädiger Herr."
Der König öffnete ungeduldig die
Thür und trat in das Nebenzimmer, in
dem ein großer Mann mit mächtigem
Kopfe in einem langen, hechtgrauen
Rock mit Messingknöpfen stand und die
Nöte blies.
.Na, MoSjö, was läßt Er denn die
Leute so lange warten," begann der
König. .Ich spiele auch die Flöte,
aber les affaires" dürfen bei mir zu
keiner Zeit unter dieser Liebhaberei
leiden."
Der Richter beachtete den Fremden
und seine Anrede ganz und gar nicht,
sondern suhr mit Würde fort, fein
Stückchen zu blasen.
.Er scheint mich ja nicht einmal einer
Antwort werth zu halten." fuhr der
König sorl, der mehr und mehr in Hitze
gerieth.
Da warf ihm der Mann im hecht
grauen Rock einen Blick zu. der eben so
väterlich als malitiöS war und ohne
ine Sylbe zu erwidern, ruhig weiter
blasend, deutele er auf eine zweite
Flöte, welche vor ihm aus dem Tiiche
lag.
.Was soll ich damit?" fragte der
König, dem die Situation mit einem
male ,11 amiikire deaann. .Svielen?"
Der Richter nickte uftimmcnd und
Der König begann ihn zu begleiten. I
Da er sich einem Kenner gegenübersah,
nahm er ftch recht zusammen, und so be
gann der ernsthafte Richter bald bei
fällig zu nicken, und endlich gar zu
lächeln. So," sagte er, als das Sliick
zu Ende war, nun sind wir alle Zween
calmirt und können somit correctement
zusammen reden.
Er scheint mir ein wunderlicher Pa,
tron," entgegnete der König.
Nun, aus so ganz gewöhnlichem
Holze ist Er wohl auch nicht," sprach der
Richter, ober was geht ihn denn da
an, MosjS, was ich in meinem Hause
oder Amte thue?"
Wenn es mich nichts anginge, würde
ich Ihn nicht zur Rede gestellt haben.
Was steht also zu Diensten?"
Vor Allem eine Eiplication über
die Allotria, so Er mit der Flöte treibt,
indeß Kläger und Beklagte draußen
harren?"
. Die Welt gleicht einer Opera,
Wo Jeder, der sich sllhlt,
Nach seiner lieben Leidenschast,
Freund, eine Rolle spielt,"
erwiderte der Richter, indem er dem
König ertraulich auf die Schulter
klopfte, ich habe ein hitziges Gemüth,
daß sich leicht über jedes Unrecht empört
und mdignirt. So nun ein Ca us zur
Verhandlung steht, der mich leicht hin
reißen könnte, wie eben heute, so blase
ich vorher eine Flöte, um mich zu be
fänstigen, denn im Zorn darf Keiner
Recht sprechen und Justitia muß unbe
stechlich sein, auch jeder Art von Gesühl
und Neigung gegenüber. Hat Er mich
verstanden?"
Vollkommen."
Tann lade ich Ihn ein. der Ver
handlung beizuwohnen," schloß der
Richter, öffnete die Thüre und folgte
dem König mit der Miene eines Jupi
ters. statt des Blitzes die Flöte in der
Hand.
Nachdem der Richter sich feierlich in
der Gerichtsstube umgesehen hatte, Hin
gelte er und fragte den eintretenden Ge
richtsdiener nach dem Schreiber.
Herr Gukow ift krank," sagte der
Gerichtsdiener, ich habe vergessen, es
zu melden."
Er vergißt aber auch schon Alles,
Fromm," erwiderte der Richter mit
einer sehr großen Sanstmuth. welche
offenbar aus Rechnung des Flötenspiels
kam.
Wenn eS Ihm recht ift," sprach der
König, so will ich die Rolle des Schrei-
bers einnehmen und das Protokoll
führen."
Sehr obligirt," gab der Richter zur
Antwort, nahm Platz und nachdem der
König sich auf den stuhl zu seiner Lin
ken gesetzt, das Papier gefaltet und die
Feder gespitzt hatte, rief der Erstere die
Parteien aus.
Mathys van Deibel."
Hier."
Er ift der Klüger?"
Ja." . ,
Gegen?"
Gegen den Candidaten Fritz Justin. "
Wo und wann ist Er geboren?"
In Haarlem den 7. Januar 1720."
Seines Zeichens?"
Gärtner."
Erzähle Er kurz und bündig den
Thatbestand."
Das ist bald erzählt. Ter junge
Mensch da. der Candidat. hat mich letz
ten Sonntag in der Schänke vor den
Kopf geschlagen, die Schramme ist noch
nicht geheilt, wie Jedermann bemerken
kann."
Der Anlaß?"
Es gab Streit eines Mädchens
wegen.
TaS lügt Er," r,e der Gellaale.
indem er auffprana.
Ter hat Pulver im Leib." sprach
der König, ihn durch die Lorgnette be
trachtend, er gefällt mir, der Junge."
Wenn Er es durchaus gören will.
Mosjö Justin," replicirte der Hollän
der, so war es also um Ihrer Tochter,
Jungfrau Lise, willen, Hen Richter.
Was ich aus Delikatesse verschweigen
wollte."
Er lügt."
Moderir' er sich, Justin."
Ja, um Jungfer LisenS willen,"
sprach van Deibel.
Das, Mädchen im Fenster warf ihm
einen bösen Blick zu und trat couragirt
an den Genchislifch.
So sei es denn frei herausgesagt,
daß mir uns lieben und uns versprochen
haben." begann sie, .der Justin
und ich."
.Die Zeugen später." siel der Richter
ein, eS ift an Ihm, Justin."
Der Kandidat, ein hübscher, hochge
wachsener junger Mann, trat vor.
Also die Personalien."
.Fritz Justin, geboren zu Bernäu
den 3. Mai 1729. Candidatus Theq
logiae." Taugt auch besser zum Grenadier
als zum Seelenhirten," murmelte der
König.
Behalte Er seine Remarle für sich."
brummte der Richter.
Werde nicht verfehlen."
Erzähl' er mir kurz und bündig.
Justin, wie der Streit begann und er
lies," sprach der ichter.
.Um ganz bei der Wahrheit zu blei
den." erwiderte Fritz, .so bekam er die
Schläge sür Rechnung des Königs, aber
die Feindseligkeit hatte früher schon um
Jungser Lisens willen begonnen."
.In welcher Weise?"
.ES war eigentlich spaßhaft, wie wir
uns kennen lernten, die Jungfer und
ich.' fuhr on Candidat fort. .Ob
gleich Nachbarn, hatten wir unS doch
niemals gesprochen, kaum gesehen. Da
geschah es eines Sonntags Abends, daß
ich auf der Bank im Garten einnickte,
über meinen Apostel Paulus und durch
ein Kitzeln unter der Nase geweckt
wurde. Ich machte eine Bewegung,
die vermeintliche Fliege zu verscheuchen.
da hörte ich ein Kichern jenseits der
Mauer und dem Kichern solgte bald ein
Regen wie aus Flora s Füllhorn. Nach
dem sich die Neckerei wiederholt hatte.
conftruirte ich das nächstemal einen
Strohmann, dem ich meinen langen
Rock und meine Mütze gab, und setzte
ihn aus die Bank mit einem Buch vor
ich. Ich selbst aber versteckte mich im
Fliederdusch an der Mauer, und als
nun der süße Spuck wieder anfing, da
erhäschte ich unversehens ein charmantes
Händchen und Jungser Lise war meine
Gefangene, die sich mit emem Zkuste los
kaufte in allen Ehren."
Ja, so war es," stimmte Lise bei,
und von der Stunde war ich ihm gut.
und er verdient es, denn er ist ein dra
ver Junge, durch und durch."
Es ist an dem Geklagten, Rede zu
stehen "
Wie soll er verbürge, was er nicht
weiß?" fuhr das hüdschc Mädchen tapfer
fort, allenfalls könnte er noch sagen,
daß wir uns seither jeden Abend im
Garten trafen und uns über die Mauer
herüber allerlei hübsche Dinge sagten,
Das weiß er aber nicht, daß mir der
Holländer damals schon nachgestellt und
als ich eines Sonntags in der Schänke
war, der Muhme Brandenbacherin bei
dem großen Andrang in Küche und Kel
ler zu helfen, wollte er mich gar cares
firen."
"Verzeih' Sie, Jungfer Lise," unter
brach sie van Dcibel.
Etwa nicht?" rief Lise, indem sie den
Arm resolut in die Seite stemmte, habe
ich ihm nicht das Gesicht zerkrakt, als er
mich auf den Hals geküßt hatte? Aber
freilich, mit dieser Schmarre ist er nicht
zu Gericht gelaufen. Dennoch ift es so
und aus purer Eifersucht hat er letzten
Sonntag Streit gesucht mit dem Justin,
und weil er wußte, wo er ihn am ein
pfindlichsten treffen konnte, hat er über
unseren König gar despectirliche Reden
geführt."
Ueber den König?" fragte der Rich
ter erregt, seine Stimme grollte wie fer
ner Donner, das hätte er gewagt und
reeicyer Termin yai er nch bedient?"
Ich bringe es nicht Übet'S Herz zu
wiederholen, was er sagte," erwiderte
der Candidat, genug, ich war nicht
mehr Herr meiner selbst und schlug ihm
über den Kopf."
.Das war brav von Ihm," rief der
König, aber ein strafender Blick des
Richters bestimmte ihn, sich wieder in
sein Protokoll zu vertiesen.
Ja, eS war brav," sagte Lise, Er
hat Recht, mein Herr, und deßhalb
kannst du ihn nicht strafen, Vater, du
kannst nicht."
Brutus hat feinen eigenen Sohn ge
richtet," gab der Richter würdevoll ,ur
Antwort, die Justiz muß unbestechlich
ein. vier vin icgniMBaler. niaitMensci,.
nicht Preuße, sondern Richter."
Ich bitte dich. Vater." fuhr das
Mädchen mit erhobenen Händen fort.
bedenke, daß er kein Amt bekommt, so-
bald er einer Schlägerei wegen bestraft
wurde, daß unser Lebensglück "
.schweig' feie, Jung er Lie." don
nerte der Richter seine Tochter än.
Ich fchweige schon."
Hat Er noch etwas zu Seiner Ent-
schuldigung anzusühren, Justin?"
Vcern."
Ader Er bedauert doch, daß Er sich
hat hinreißen lassen." j
Nein, Herr Tempus, das bedauere
ich nicht.
Bravo." murmelte der König
Also die Zeugen," suhe der Richter
ron. Bievel!"
Hier!"
Er nennt sich."
Aber. Herr Tempus, das weiß Er
doch ebenso gut wie ich," rief Biebel
mit dem ganzen rothen Angesicht la-
cheno.
Antworte Er."
Meinetwegen. Simon Biebel, Krä
mer. geboren zu Bornim, den 14. Sey
tember 1698."
Er hat dem Vorfall beigewohnt."
Ja."
Was hat Er darüber anzugeben?'
Nichts weiter, als was der Juftin
selbst bekannt hat und hätte er es nicht
gethan, ich glaube, ich hätte den Hol-
tanver an leiner stelle gleich niederes
schlagen."
.So empörend war die Aeußerung?"
.Nun. dem König kann's ja aleicb-
giltig sein." fuhr der wackere Krämer
fort, aber einen Franzosen hat er ihn
genannt."
Das ift keine Beleidigung."
Einen Musikanten und Po "
.Poetaster." ergänzte der Candidat.
.TaS bat er sich unterstanden?" rief
der König, indem er mit flammenden '
Augen von seinem Sitze aussprang.
Der Richter reichte ihm aber in dem.
selben Augenblicke die Flöte und nach-
oem er eine uwioDie aus einem tran,ö,
fischen Schüferspiel geblasen hatte, setzte
sich ver önig wieder voUIommen be
ruhigt nieder.
.Also einen Poetaster hat er den Kö
nig genannt?" sragte der Richter.
.Und einen Macchiadell." rief der
zweite Zeuge, der Chirurg Gause.
.Wie? Was?" Ter Richter begann
zu fiebern.
Einen Macchiadell." wiederholte der j
Chirurg. ,
Und - einen Räuber." fügte der
Krämer hinzu, .so, jetzt ist es heraus."
Einen "
Einen Räuber!"
Jetzt sprang der Richter aus und hob
die geballt? Faust gegen den Holländer,
über diesmal beeilte sich der König, ihm
die Flöte zu Präsentiren ; der brave
Mann besann sich, lächelte und spielte
rasch einmal das alle Studentenlied:
"kauriger Horaeius" herab. Tann
nahm er wieder besänftigt seinen Platz
ein und rief den dritten Zeugen auf
Nach beendetem Verhör sprach der
Richter sofort das Urtheil: Im Namen
des Königs."
Der Brutus von Bornim verstand
keinen Spaß. Er verurtheilte Beide,
den Candidaten und den Holländer, n
nen Jeden zu zehn Thaler Buße und
acht Tage Ce ängniß.
Dann aber trat er aus Fritz Justin
zu und bot ihm die Hand.
Verurtheilt hab' ich Ihn," sprach
er, das war meine Pflicht, aber er hat
Recht gethan und ich hätte an Seiner
Stelle ebenso gehandelt; die Lise soll Er
haben. Das ist abgemacht. "
Aber mit der Pfarre ist es wohl
nichts unter diesen Umständen," sprach
der Candidat seufzend, nachdem der
Kläger und die Zeugin die Gerichtsflube
verlassen hatten.
Wer sagt Ihnen das?" rief der
König vom Tische herüber, wo er eben
ein Aktenstück ausgefertigt hatte, ich
habe eben eine Pfarre vergeben, hier ist
sein Teeret, und bergest Er a nicht,
mico zur octoeit einzuladen. "
Justin enifaltete das Papier und der
Richter und Lise blickten neugierig über
feine Schulter.
Da stand es in großen, freien
JUgen : "Fnüencus Kex."
suer Richter war nahe daran, zu
Boden zu finien.
Majestät," stammelte er, Vev
gebung !"
Wofür," fiel der König rasch ein,
dafür, daß Er mir Gelegenheit gab,
einen ehrlichen Mann, einen braven
Jungen und ein charniantes Mädchen
rennen zu lernen ?"
Justin und Lise wollten sich dem
König zu Füßen werfen, aber er 1
sie schon auf halbem Wege auf und
klopfte bann dem Justin lachend au
die Schulter.
Ich bin mit Ihm zufrieden," sprach
er, fahr er nur so fort. Er hat Kopf
und yerz aus der rechten Stelle sitzen,
und das mag ich wohl leiden. Er soll
noch eines Tages von mir hören.
Damit schritt Friedrich der Große,
von leinem mmmery.'rrn gefolgt, zur
Thür hinaus, und ehe die guten Wen
schen in der Gerichtsftube zur Besinnung
gekommen waren, ritt er chon im
Sturm davon.
Fritz Justin und Jungfer Lise waren
eit einem Jahre ein glückliches Paar.
und die Frau Pastorin wiegte bereits
einen gefunden Knaben, der seinem
Vater und seinem König zu gleichen
Ehren wiederum Friedrich getaust war.
Der alte Herr im Gerichtshause au
Bornim aber bedurste mehr als je der
besänftigenden Flöte, denn er suhlte
sich einsam ohne die munteren braunen
Augen seiner Lise und wurde manch
mal recht ungeduldig und aufbrausend.
Da kam eines Tages ein Zettel
aus dem Kabinet des Königs, der ihn
nach Berlin zur Audienz befchied.
Herr Tempus erschrak bis in seine
märkischen HUnenknochen hinein, denn
er war sich großer Schuld bewußt.
Sollte der König erfahren haben.
daß die Justitia in Bornim zu Zeiten
ein gar grimmiges Gesicht mache und
daß hie und da ein allzu kräftiges
Wörtlein zwischen die üblichen Fragen,
zwischen die Paragraphen und die
Gründe des Urtheils hineinschlage,
gleich einem Hagelwetter?
Gewiß hatte man ihm berichtet, daß
er jüngst erst einen Beamten sehr heftig
angefahren hatte, als die Verhandlung
an den Tag gebracht, daß derselbe zwei
armen Waisen um schnöden Mammons
willen ihr Erbe verkürzt habe.
Und wer konnte der Denunciant sein,
der Beamte selbst oder van Deibel,
Lisens verschmähter Anbeter?
Seufzend machte er sich auf den Weg,
seufzend meldete er sich bei dem dienst
thuenden Adjutanten und seuszend trat
er in den kleinen Saal, in welchem der
König, die Arme aus dem Rücken, auf
und abgehend ihn ervartete.
.Na. wie geht es in Bornim?" fragte
Friedrich der Große. .Alle? in Ord
nung?"
Zu Befehl. Maiestät." erwiderte
der Richter leise bebend.
Und die Frau Pastorin wiegt wohl
bereit? den ersten Jungen?"
.Zu Betchl. Majestät!"
.Der gehört dem Herrn." fuhr der
König fort, .daran ist nichts zu ändern.
aber ich hoffe, der Juftin wird, nachdem
er Gott gegeben, was GotteS ift, auch
dem Könige seinen Theil zukommen
lassen, der zweite Junge kolk Husar
werden."
.Zu Besehl, Majestät!"
Und Er Er langweilte sich wohl
in Bornim, seitdem die Jungser fort
.Zu Befehl. Majestät!"
.Habe Ihn nicht vergessen. Tempus.
er toll lekt ordentlich zu tbun betörn
men. Hat wohl schon vernommen, daß
ich den Präsidenten K. in F. seines
Amtes entsetzt habe."
.Zu Befehl. Mazeftät!"
.Die Justiz muß unbestechlich sein,"
suhr der König fort, wie Er damals
richtig bemerlt hat, und wovon Er uns
gleich ein Exempel gab. Ich bin aber
dabei, den Augiasstall zu reinige.
Meine Verwaltung und meine Rechts
pflege muß point d'honnour beloin
inen, wie meine Armee. Versteht Er?"
Zu Besehl. Majestät."
Er wird nach F. gehen, an die
Stelle des K."
Majestät das dS kann nicht
Hoch deren seriöse Absicht sein."
Doch."
Ich bin nicht fähig, Gott ift mein
Zeuge, ein so hohes Amt auszusüllen."
TaS habe ich zu beurtheilen," unter
brach Friedrich der Große den Richter
von Bornim, und nicht Er, ich kenne
Ihn und weiß, was ich von Ihm z er
warten habe. Er ist Präsident und da
bei bleibt eS. Punktum. Binnen acht
Tagen muß Er in F. sein und Sein
neues Aint antreten."
Zu Befehl, Majestät," erwiderte der
neue Präsident, wenn ich auch diese
Gnade in keiner Beziehung verdiene."
Ich brauche bort einen ehrlichen
Menschen," rief der König, ift Er das
ooer nicyik"
..Zu Befehl, Majestät!"
Ja oder nein."
Ja. Majestät."
Also Gott befohlen."
Der neue Präsident verneigte sich tief
und wendete sich dem Ausgang zu.
Halt, noch Eins." rief ibm der
König lächelnd nach, vergiß Er nur in
seinem neuen Amte um Gotteswillen
Seine Flöte nicht."
VOo ist er her?
Allerlei KkUnergejchichien. Bon Wm, Joest,
Der Ethnograph Professor Wilhelm
Joeft erzählt anläßlich der Berliner Ge
werbe-Ausstellung die folgenden amü
santen Ge (dichten:
Berlin scheint wirklich internationale
Großstadt zu werden. Vorgestern be
suchte ich mit drei Herren, die an dem
selben Tage auf dem kürzesten Wege
(13 Tage) von Mexiko hier eingetroffen
waren, die Gewcrbe-Ausstellung. Wir
beschlossen, bei AdlonDreffel zu essen.
Einer meiner Freunde hatte beim Ein
treten einen Herrn bemerkt, mit dem er
aus geschäftlichen Gründen ein Zusam
mentreffen gern vermieden hätte. Er
sagte mir darum, um nicht von den
erwartungsvoll uns umgebenden Kell
nern verstanden zu werden, auf Spa
nisch: Lassen Sie uns einen Tisch
nehmen, an dem uns der Kerl da drü
den Nicht sieht."
Sosort trat ein eleganter Kellner-
jüngling heran und sagte ebenfalls
auf Spanisch: Hier in der Ecke habe
ich gerade den Tisch, den Sie wün
schen." Auf unsere Frage, wo der Jllng
ling sein Spanisch erlernt habe, lautete
die überraschende Antwort: In der
Stadt Mexiko."
Wo denn in Mexiko?"
Im Hotel Jturbide."
So, waren Sie dort Kellner?"
Nein, ich wohnte dort,"
Hierbei siel mir eine noch viel lufti,
gcre Geschichte ein, die ich im vorigen
Jahre in London mit einem schwur
zen Kellner erlebte. Damals tagte
in London der Amerilan, tenKonareß.
Prof. Karl van den Steinen aus Diis-
eldors, Tr. Zintgraf aus Tusseldorf.
Prof. von Dunkelmann und ich, wir
besuchten eines Abends die Exhibition
of Ihe Jndian Empire" in Earl's Eourt.
Unter den zahllosen Kneipen, Bars und
Restaurants befand sich auch ein sehr
elegantes und vornehmes Curryhouse",
in welchem indische Gerichte von indi
schen Dienern aufgetragen wurden.
Unter letzteren bemerkte ich einen schönen,,
großgewachsenen, sehr dunkelfarbenen
Mann, der zwar weiße MadrasKIei-
dung mit rothem Turban trug und
dadurch außerordentlich indisch aus-
sah, der mir aber dennoch den Ein
druck machte, als sei er eher ein Neger
als ein Jndier. Ich konnte ihn, wie
der Geologe sagen würde, nicht be
stimmen".
Steinen, den ich aus den Kellner aus.
merlsam gemacht hatte, schlug vor.
irgend etwas in dem Cunyhause zu
verzehren, um heranszusindcn, woher
der Mann stamme.
Wir traten an seinen Tisch, und ich
bestellte auf Hinduftanisch Kaffee und
Whiskey mit Soda. Er antwortete
sofort : "Bahut acha Sahib'
(Sehr wohl. Herr.)
Als er den Kaffee bringt, frage ich
ihn, wiederum aus Hindustamsch :
.Woher kommst Tu?"
Er antwortete erst in der Landes
spräche, dann auf Englisch : "I an a
pure Hindoo. Sir."
.Sprichst Tu auch portugiesisch?"
sragte van den Steinen.
'Fallo tarnbeni Senhor," lautete
die Antwort.
Nun wußte ich. oder vielmehr glaubte
zu wissen, weg Landes md der Mann j
war. ix war zweifellos ein Goanese
laus der portugiesischen Kolonie Goa
südlich von Bombani die allerdings
europäische Tracht tragen, die aber viel
fach durch Permischung mit den aus
den afrilanischen Kolonien Portugal?
in Goa zusammengewürfelten sozenann
ten Portugiesen, die oft schwärzer find
als die Eingeborenen selbst, mehr afri
tanischeS als indisches Blut in ihren
Adern haben. Ter Mann, der zwischen
den Tüsseldorfer Zintgraf und van
Steinen stand, schenkte mir während
wir uns laut übn ihn unterhielten.
ei GlaS Sodawasser ein. Ich sage,
ohne zu bedenken, daß wir in Lernen,
waren, ganz harmlos aus deutsch
danke". Der Kellner erwiderte ruhig
und deutsch : .Bitte."
Nanu I" rüst Dr. Zintgraf etwas
erregt, wo zum Toiiiierwcttcr st.!,,,,,,,
Sie denn eigentlich her?"
Ich bin ans Düsseldorf am
der Bergerstraße, Du jeck Schinnoos.
In Wahrheit war der Mann eine V-"
Zeit lang in Düsseldorf in einem an
der Bergcrstraße gelegenen Cafe als
Portier oder dergleichen angestellt ge
Wesen. Woher er aber in Wirklichkeit
ftammte, das haben wir nicht erfahren.
Bon dem Manne, der die Wirth
schast besorgen wollte.
tfin onvkgischkS Polks Märchen,
Es war einmal ein Mann, der
drninmle und zankte den ganzen Tag,
und niemals konnte ihm seine Iran im
Hause etwas recht machen. So kain er
auch in der Heuernte eines Abends heim
und polterte und wettterte, daß es ganz
schrecklich anzuhören war. Da sagte die
grau :
Sei doch nicht so böse, Väterchen,
morgen wollen mir einmal mit der Ar
beit tauschen, ich will mit den Knechten
mähen gehen und T sollst die Wirth
schast besorgen."
Damit war der Mann zufrieden.
Frühmorgens nahm die Frau die Sense
über die Schulter und ging mit den
Knechten auf's Feld ; der Mann aber
blieb im Hause zurück.
Zunächst machte er sich ans Buttern ;
darüber wurde er durstig, stieg in den
Keller hinab und begann sich einen
Krug Bier aus dem Fasse abzuzapfen.
Da hörte er, wie das Schwein in die
Stube gelaufen kam und sprang hur
tig die Kellertreppe hinauf, um das
Thier fortzujagen, damit es nicht das
Butterfaß umstoße. Doch schon war
das Unglück geschehen und die ganze
Diele war weiß ; mitten in der Sahne
patschte das Schwein herum und ließ
sich's gut schmecken. Da , wurde der
Mann so böse, daß er ganz das Bier
vergaß und nur das Schwein greifen
wollte; in der Thür bekam er es zu
fassen und gab ihm vor Aerger einen
solchen Tritt, daß es auf dem Flecke
todt blieb. Jetzt besann er sich auch
wieder auf das Faß im Keller, aber als
er hinunter kam, war das Bier ausge
laufen. Nun ging er in die Milchkammer,
dort fand er noch Sohne genug und
füllte das Butterfaß von Neuem, denn
Butter wollte er durchaus zu Mittag
haben.
Nach einer Weile siel ihm ein, daß
die Kuh och im Stalle stand und weder
Futter noch Wasser bekommen hatte,
obgleich es schon hoch am Tage war.
Er wollte sich nicht die Zeit nehmen, die
Kuh auf die Wiese zu sühren. sondern
be chlon, ic auf's Tach zu leiten, das
war flach und mit Rasen gedeckt, und
es wuchs dort hohes, schönes Gras.
Die Hütte lag neben einem öllael :
wenn er sich von dort ein Brett nach
dem Dache legte, getraute er sich wohl,
die Kuh hinaufzubringen. Aber daS
Butterfaß wollte er nicht wieder stehen '
lassen, weil sein kleiner Junge auf der
Diele herumkrabbelte, der konnte es
leicht umstoßen. Er band sich also das
Faß auf den Rücken und ging damit in
den Stall ; doch bevor er die Kuh
auf's Dach fühlte, wollte er sie tränken,
nahm einen Eimer und begann Wasser
aus dem Brunnen zu schöpfen. Als er
sich über den Rand beugte, lief die
Sahne aus dem Butterfasse ihm in den
Nacken und über den Kopf in den
Brunnen.
Es ging stark auf Mittag und But
ter hatte er nicht bekommen ; so beschloß
er, Grütze zn kochen und hängte einen
Kessel mit Wasser über den Herd. -Als
er dies gethan hatte, siel ihm ein, daß
die Kuh vom Dache herunterfallen und
den Hals oder die Beine brechen könnte.
drumm stieg er wieder hinauf, um sie
anzubinden. Das Ende des Strickes
befestigte er an dem Halse der Kuh, das
anoere warf er durch den Schornstein
hinab und schlang eS sich dann in der
Küche um den Leid. Das Wasser fing
an zu kochen, und er rührte die Grütz
ein.
Auf einmal siel die Kuh dennoch vom
Dache und zog an dem Stricke den
Mann in den Schornstein hinauf, da
steckte er nun ! aber die Kuh hing .
draußen an der Wand und schwebte
zwischen Himmel und Erde. J
Die Frau wartete vergeblich, daß ihr
Mann kommen und ste im Mittagessen
rufen sollte ; endlich wurde ihr die Zeit
ang, uno ne ging nach Hause. Als
sie nun sah. wie jämmerlick die ub
dahmg, lief sie schnell und durchschnitt
den Strick mit der Sense. In demsel
den Augenblick siel der Mann den
Schornstein hinunter, und als sein.
Frau in die Küche trat eckte n
kopfüber im Grützkessel !
Na ja!
Geschichtslehrer: .Ich habe Ihnen
von der großen Schlacht bei Gravelotte
erzählt. Welche Elitetruppe zeichnete
sich dort besonders aus?"
Höhere Tochter: .Die die Garde
lieutenants!"
Auch ein Kcitifiirncnt.
Lieutenant: .So träumerisch, gnä
digeS Fräulein."
Kokette: .Ja. ich denke zurück an
meine Kindheit." .
Lieutenant: .Aeb sabelbakteS Ee
düchtniß."
jtf