V Der Flötenspieler von Bornim. 8011 L. . Lachcr Masoch, Der Herr Pastor stand breit und be hödig unter dem Pordache des Pfarr. Hauses und lugte nach den Wolken hin au, die an dem Himmel heraufgestie, gen waren, groß, weiß, von dem fernen Wetterleuchten grell beschienen, riesig: Seifenblasen, die im nächsten Augen, blick vlatien drohten. Schon sielen große Tropfen, und die rau Pastorin beeilte sich, die Wäsche benln,ubrinaen. die auf der kleinen Wiese zum Trocknen ausgehängt war. .ES aibt Saael." sagte der Pastor. .Warum nicht gar." erwiderte die Pastorin, der Himmel ist doch gar nicht so düster." .Eben deßhalb, diese weißen Wolken bringen den Hagel." Schon erhob sich der Sturm, bog die Bäume zur Erde und wirbelte den Staub auf, und durch diesen kamen nun zwei Reiter heran. Der Eine, Aeltere, in einem grauen Ueberrock, den dreieckigen Hut ties in die Stirne, sein jüngerer Begleiter, in weißen Beinklei dern, weißer Weste und offenem Frack, einen schwarzen Schnurrbart in dem hübschen Gesicht, der gar lebhaft gegen das weiß gepuderte Haar abstach. Der Herr Pastor wich fast erschreckt zurück und doch zn gleicher Zeit lächelnd. Der König," murmelte er. .Weßhalb hast du ihn denn nicht ge grüßt?" fragte die Frau und legte die Hand über die Augen, um den Reitern nachzublicken, welche von den Staub wölken rasch verschlungen waren. .Der König liebt es, unerkannt das Land zu durchstreifen und sein Volk zu beobachten," erwiderte der Pastor, und eben deßhalb hätte er den Gruß übel vermerkt." Ein Donnerschlag erschütterte die Erde, Pastor und Pastorin flüchteten in'S Pfarrhaus und zugleich begannen die Schlossen zu fallen.... 0? .Es wird arg," sagte der Jüngere der beiden Reiter, wollen Eure Maje stat nicht doch einkehren, bis das Gewit ter vorüber ist?" .Muß wohl," erwiderte der König und lenkte sein Pferd auf das nächste HauS, das stattlichste von allen, zu. Hier, im Thorweg, stiegen Beide ab nbergaben ihre Pferde einem Acker knecht, der gleichfalls an diesem Orte Schutz gesucht hatte. .Das ist Bornim?" fragte der König. Zu dienen." Und wem gehört dies Haus?" .Das ist das Gerichtshaus." Kommen Sie, Datzebeck, treten wir ein," sprach der König, vielleicht gibt es hier etwas zu sehen und zu hören, was uns für die Langeweile des Auf enthalteS zu entschädigen vermag. Von seinem Kammerherrn, Tobias v. Datzebeck gefolgt, trat der König durch das Vorzimmer, in dem verschie, dene Leute warteten, ohne Weiteres an dem verblüfften Gcrichtsdiener vorbei, in die große Stube, in der Recht ge sprachen wurde. Zu beiden Seiten der Thüre besän. den sich Bänke, auf denen fünf bürger lich gekleidete Männer saßen, während m dem einen Fenster ein mnges Frauen zimmer stand. Aus dem Nebenzimmer klang gar seltsam eine Flöte heraus. ES war ein geistliches Lied, das gespielt wurde, und zwar mit vielem Geschick, denn nachdem der König einige Augen blicke gelauscht, sprach er: Der Flöten spieln versteht seine Sache, sür einen Liebhaber ist er wohl instruirt und recht geübt." Eben wendete sich das Frauenzimmer im Fenster auf den rothen Stöckeln ihrer hohen Schuhe um und zeigte dem König unter dem koketten Häubchen ein junges, allerliebstes Gesichtchen, aus dem zwei lebhafte, dunkle Augen die Fremden anstaunten. .Wo bleibt der Richter?" fragte der König das Mädchen, weßhalb läßt er die Leute warten und nun gar Sie, die wohl eine acurate Behandlung ver diente?" Die Kleine war roth geworden. Er ift hier neben," gab sie, den Blick ge senkt, zur Antwort. .Ist er es am Ende, der so adrett die Flöte bläst." .Ja, gnädiger Herr." Der König öffnete ungeduldig die Thür und trat in das Nebenzimmer, in dem ein großer Mann mit mächtigem Kopfe in einem langen, hechtgrauen Rock mit Messingknöpfen stand und die Nöte blies. .Na, MoSjö, was läßt Er denn die Leute so lange warten," begann der König. .Ich spiele auch die Flöte, aber les affaires" dürfen bei mir zu keiner Zeit unter dieser Liebhaberei leiden." Der Richter beachtete den Fremden und seine Anrede ganz und gar nicht, sondern suhr mit Würde fort, fein Stückchen zu blasen. .Er scheint mich ja nicht einmal einer Antwort werth zu halten." fuhr der König sorl, der mehr und mehr in Hitze gerieth. Da warf ihm der Mann im hecht grauen Rock einen Blick zu. der eben so väterlich als malitiöS war und ohne ine Sylbe zu erwidern, ruhig weiter blasend, deutele er auf eine zweite Flöte, welche vor ihm aus dem Tiiche lag. .Was soll ich damit?" fragte der König, dem die Situation mit einem male ,11 amiikire deaann. .Svielen?" Der Richter nickte uftimmcnd und Der König begann ihn zu begleiten. I Da er sich einem Kenner gegenübersah, nahm er ftch recht zusammen, und so be gann der ernsthafte Richter bald bei fällig zu nicken, und endlich gar zu lächeln. So," sagte er, als das Sliick zu Ende war, nun sind wir alle Zween calmirt und können somit correctement zusammen reden. Er scheint mir ein wunderlicher Pa, tron," entgegnete der König. Nun, aus so ganz gewöhnlichem Holze ist Er wohl auch nicht," sprach der Richter, ober was geht ihn denn da an, MosjS, was ich in meinem Hause oder Amte thue?" Wenn es mich nichts anginge, würde ich Ihn nicht zur Rede gestellt haben. Was steht also zu Diensten?" Vor Allem eine Eiplication über die Allotria, so Er mit der Flöte treibt, indeß Kläger und Beklagte draußen harren?" . Die Welt gleicht einer Opera, Wo Jeder, der sich sllhlt, Nach seiner lieben Leidenschast, Freund, eine Rolle spielt," erwiderte der Richter, indem er dem König ertraulich auf die Schulter klopfte, ich habe ein hitziges Gemüth, daß sich leicht über jedes Unrecht empört und mdignirt. So nun ein Ca us zur Verhandlung steht, der mich leicht hin reißen könnte, wie eben heute, so blase ich vorher eine Flöte, um mich zu be fänstigen, denn im Zorn darf Keiner Recht sprechen und Justitia muß unbe stechlich sein, auch jeder Art von Gesühl und Neigung gegenüber. Hat Er mich verstanden?" Vollkommen." Tann lade ich Ihn ein. der Ver handlung beizuwohnen," schloß der Richter, öffnete die Thüre und folgte dem König mit der Miene eines Jupi ters. statt des Blitzes die Flöte in der Hand. Nachdem der Richter sich feierlich in der Gerichtsstube umgesehen hatte, Hin gelte er und fragte den eintretenden Ge richtsdiener nach dem Schreiber. Herr Gukow ift krank," sagte der Gerichtsdiener, ich habe vergessen, es zu melden." Er vergißt aber auch schon Alles, Fromm," erwiderte der Richter mit einer sehr großen Sanstmuth. welche offenbar aus Rechnung des Flötenspiels kam. Wenn eS Ihm recht ift," sprach der König, so will ich die Rolle des Schrei- bers einnehmen und das Protokoll führen." Sehr obligirt," gab der Richter zur Antwort, nahm Platz und nachdem der König sich auf den stuhl zu seiner Lin ken gesetzt, das Papier gefaltet und die Feder gespitzt hatte, rief der Erstere die Parteien aus. Mathys van Deibel." Hier." Er ift der Klüger?" Ja." . , Gegen?" Gegen den Candidaten Fritz Justin. " Wo und wann ist Er geboren?" In Haarlem den 7. Januar 1720." Seines Zeichens?" Gärtner." Erzähle Er kurz und bündig den Thatbestand." Das ist bald erzählt. Ter junge Mensch da. der Candidat. hat mich letz ten Sonntag in der Schänke vor den Kopf geschlagen, die Schramme ist noch nicht geheilt, wie Jedermann bemerken kann." Der Anlaß?" Es gab Streit eines Mädchens wegen. TaS lügt Er," r,e der Gellaale. indem er auffprana. Ter hat Pulver im Leib." sprach der König, ihn durch die Lorgnette be trachtend, er gefällt mir, der Junge." Wenn Er es durchaus gören will. Mosjö Justin," replicirte der Hollän der, so war es also um Ihrer Tochter, Jungfrau Lise, willen, Hen Richter. Was ich aus Delikatesse verschweigen wollte." Er lügt." Moderir' er sich, Justin." Ja, um Jungfer LisenS willen," sprach van Deibel. Das, Mädchen im Fenster warf ihm einen bösen Blick zu und trat couragirt an den Genchislifch. So sei es denn frei herausgesagt, daß mir uns lieben und uns versprochen haben." begann sie, .der Justin und ich." .Die Zeugen später." siel der Richter ein, eS ift an Ihm, Justin." Der Kandidat, ein hübscher, hochge wachsener junger Mann, trat vor. Also die Personalien." .Fritz Justin, geboren zu Bernäu den 3. Mai 1729. Candidatus Theq logiae." Taugt auch besser zum Grenadier als zum Seelenhirten," murmelte der König. Behalte Er seine Remarle für sich." brummte der Richter. Werde nicht verfehlen." Erzähl' er mir kurz und bündig. Justin, wie der Streit begann und er lies," sprach der ichter. .Um ganz bei der Wahrheit zu blei den." erwiderte Fritz, .so bekam er die Schläge sür Rechnung des Königs, aber die Feindseligkeit hatte früher schon um Jungser Lisens willen begonnen." .In welcher Weise?" .ES war eigentlich spaßhaft, wie wir uns kennen lernten, die Jungfer und ich.' fuhr on Candidat fort. .Ob gleich Nachbarn, hatten wir unS doch niemals gesprochen, kaum gesehen. Da geschah es eines Sonntags Abends, daß ich auf der Bank im Garten einnickte, über meinen Apostel Paulus und durch ein Kitzeln unter der Nase geweckt wurde. Ich machte eine Bewegung, die vermeintliche Fliege zu verscheuchen. da hörte ich ein Kichern jenseits der Mauer und dem Kichern solgte bald ein Regen wie aus Flora s Füllhorn. Nach dem sich die Neckerei wiederholt hatte. conftruirte ich das nächstemal einen Strohmann, dem ich meinen langen Rock und meine Mütze gab, und setzte ihn aus die Bank mit einem Buch vor ich. Ich selbst aber versteckte mich im Fliederdusch an der Mauer, und als nun der süße Spuck wieder anfing, da erhäschte ich unversehens ein charmantes Händchen und Jungser Lise war meine Gefangene, die sich mit emem Zkuste los kaufte in allen Ehren." Ja, so war es," stimmte Lise bei, und von der Stunde war ich ihm gut. und er verdient es, denn er ist ein dra ver Junge, durch und durch." Es ist an dem Geklagten, Rede zu stehen " Wie soll er verbürge, was er nicht weiß?" fuhr das hüdschc Mädchen tapfer fort, allenfalls könnte er noch sagen, daß wir uns seither jeden Abend im Garten trafen und uns über die Mauer herüber allerlei hübsche Dinge sagten, Das weiß er aber nicht, daß mir der Holländer damals schon nachgestellt und als ich eines Sonntags in der Schänke war, der Muhme Brandenbacherin bei dem großen Andrang in Küche und Kel ler zu helfen, wollte er mich gar cares firen." "Verzeih' Sie, Jungfer Lise," unter brach sie van Dcibel. Etwa nicht?" rief Lise, indem sie den Arm resolut in die Seite stemmte, habe ich ihm nicht das Gesicht zerkrakt, als er mich auf den Hals geküßt hatte? Aber freilich, mit dieser Schmarre ist er nicht zu Gericht gelaufen. Dennoch ift es so und aus purer Eifersucht hat er letzten Sonntag Streit gesucht mit dem Justin, und weil er wußte, wo er ihn am ein pfindlichsten treffen konnte, hat er über unseren König gar despectirliche Reden geführt." Ueber den König?" fragte der Rich ter erregt, seine Stimme grollte wie fer ner Donner, das hätte er gewagt und reeicyer Termin yai er nch bedient?" Ich bringe es nicht Übet'S Herz zu wiederholen, was er sagte," erwiderte der Candidat, genug, ich war nicht mehr Herr meiner selbst und schlug ihm über den Kopf." .Das war brav von Ihm," rief der König, aber ein strafender Blick des Richters bestimmte ihn, sich wieder in sein Protokoll zu vertiesen. Ja, eS war brav," sagte Lise, Er hat Recht, mein Herr, und deßhalb kannst du ihn nicht strafen, Vater, du kannst nicht." Brutus hat feinen eigenen Sohn ge richtet," gab der Richter würdevoll ,ur Antwort, die Justiz muß unbestechlich ein. vier vin icgniMBaler. niaitMensci,. nicht Preuße, sondern Richter." Ich bitte dich. Vater." fuhr das Mädchen mit erhobenen Händen fort. bedenke, daß er kein Amt bekommt, so- bald er einer Schlägerei wegen bestraft wurde, daß unser Lebensglück " .schweig' feie, Jung er Lie." don nerte der Richter seine Tochter än. Ich fchweige schon." Hat Er noch etwas zu Seiner Ent- schuldigung anzusühren, Justin?" Vcern." Ader Er bedauert doch, daß Er sich hat hinreißen lassen." j Nein, Herr Tempus, das bedauere ich nicht. Bravo." murmelte der König Also die Zeugen," suhe der Richter ron. Bievel!" Hier!" Er nennt sich." Aber. Herr Tempus, das weiß Er doch ebenso gut wie ich," rief Biebel mit dem ganzen rothen Angesicht la- cheno. Antworte Er." Meinetwegen. Simon Biebel, Krä mer. geboren zu Bornim, den 14. Sey tember 1698." Er hat dem Vorfall beigewohnt." Ja." Was hat Er darüber anzugeben?' Nichts weiter, als was der Juftin selbst bekannt hat und hätte er es nicht gethan, ich glaube, ich hätte den Hol- tanver an leiner stelle gleich niederes schlagen." .So empörend war die Aeußerung?" .Nun. dem König kann's ja aleicb- giltig sein." fuhr der wackere Krämer fort, aber einen Franzosen hat er ihn genannt." Das ift keine Beleidigung." Einen Musikanten und Po " .Poetaster." ergänzte der Candidat. .TaS bat er sich unterstanden?" rief der König, indem er mit flammenden ' Augen von seinem Sitze aussprang. Der Richter reichte ihm aber in dem. selben Augenblicke die Flöte und nach- oem er eine uwioDie aus einem tran,ö, fischen Schüferspiel geblasen hatte, setzte sich ver önig wieder voUIommen be ruhigt nieder. .Also einen Poetaster hat er den Kö nig genannt?" sragte der Richter. .Und einen Macchiadell." rief der zweite Zeuge, der Chirurg Gause. .Wie? Was?" Ter Richter begann zu fiebern. Einen Macchiadell." wiederholte der j Chirurg. , Und - einen Räuber." fügte der Krämer hinzu, .so, jetzt ist es heraus." Einen " Einen Räuber!" Jetzt sprang der Richter aus und hob die geballt? Faust gegen den Holländer, über diesmal beeilte sich der König, ihm die Flöte zu Präsentiren ; der brave Mann besann sich, lächelte und spielte rasch einmal das alle Studentenlied: "kauriger Horaeius" herab. Tann nahm er wieder besänftigt seinen Platz ein und rief den dritten Zeugen auf Nach beendetem Verhör sprach der Richter sofort das Urtheil: Im Namen des Königs." Der Brutus von Bornim verstand keinen Spaß. Er verurtheilte Beide, den Candidaten und den Holländer, n nen Jeden zu zehn Thaler Buße und acht Tage Ce ängniß. Dann aber trat er aus Fritz Justin zu und bot ihm die Hand. Verurtheilt hab' ich Ihn," sprach er, das war meine Pflicht, aber er hat Recht gethan und ich hätte an Seiner Stelle ebenso gehandelt; die Lise soll Er haben. Das ist abgemacht. " Aber mit der Pfarre ist es wohl nichts unter diesen Umständen," sprach der Candidat seufzend, nachdem der Kläger und die Zeugin die Gerichtsflube verlassen hatten. Wer sagt Ihnen das?" rief der König vom Tische herüber, wo er eben ein Aktenstück ausgefertigt hatte, ich habe eben eine Pfarre vergeben, hier ist sein Teeret, und bergest Er a nicht, mico zur octoeit einzuladen. " Justin enifaltete das Papier und der Richter und Lise blickten neugierig über feine Schulter. Da stand es in großen, freien JUgen : "Fnüencus Kex." suer Richter war nahe daran, zu Boden zu finien. Majestät," stammelte er, Vev gebung !" Wofür," fiel der König rasch ein, dafür, daß Er mir Gelegenheit gab, einen ehrlichen Mann, einen braven Jungen und ein charniantes Mädchen rennen zu lernen ?" Justin und Lise wollten sich dem König zu Füßen werfen, aber er 1 sie schon auf halbem Wege auf und klopfte bann dem Justin lachend au die Schulter. Ich bin mit Ihm zufrieden," sprach er, fahr er nur so fort. Er hat Kopf und yerz aus der rechten Stelle sitzen, und das mag ich wohl leiden. Er soll noch eines Tages von mir hören. Damit schritt Friedrich der Große, von leinem mmmery.'rrn gefolgt, zur Thür hinaus, und ehe die guten Wen schen in der Gerichtsftube zur Besinnung gekommen waren, ritt er chon im Sturm davon. Fritz Justin und Jungfer Lise waren eit einem Jahre ein glückliches Paar. und die Frau Pastorin wiegte bereits einen gefunden Knaben, der seinem Vater und seinem König zu gleichen Ehren wiederum Friedrich getaust war. Der alte Herr im Gerichtshause au Bornim aber bedurste mehr als je der besänftigenden Flöte, denn er suhlte sich einsam ohne die munteren braunen Augen seiner Lise und wurde manch mal recht ungeduldig und aufbrausend. Da kam eines Tages ein Zettel aus dem Kabinet des Königs, der ihn nach Berlin zur Audienz befchied. Herr Tempus erschrak bis in seine märkischen HUnenknochen hinein, denn er war sich großer Schuld bewußt. Sollte der König erfahren haben. daß die Justitia in Bornim zu Zeiten ein gar grimmiges Gesicht mache und daß hie und da ein allzu kräftiges Wörtlein zwischen die üblichen Fragen, zwischen die Paragraphen und die Gründe des Urtheils hineinschlage, gleich einem Hagelwetter? Gewiß hatte man ihm berichtet, daß er jüngst erst einen Beamten sehr heftig angefahren hatte, als die Verhandlung an den Tag gebracht, daß derselbe zwei armen Waisen um schnöden Mammons willen ihr Erbe verkürzt habe. Und wer konnte der Denunciant sein, der Beamte selbst oder van Deibel, Lisens verschmähter Anbeter? Seufzend machte er sich auf den Weg, seufzend meldete er sich bei dem dienst thuenden Adjutanten und seuszend trat er in den kleinen Saal, in welchem der König, die Arme aus dem Rücken, auf und abgehend ihn ervartete. .Na. wie geht es in Bornim?" fragte Friedrich der Große. .Alle? in Ord nung?" Zu Befehl. Maiestät." erwiderte der Richter leise bebend. Und die Frau Pastorin wiegt wohl bereit? den ersten Jungen?" .Zu Betchl. Majestät!" .Der gehört dem Herrn." fuhr der König fort, .daran ist nichts zu ändern. aber ich hoffe, der Juftin wird, nachdem er Gott gegeben, was GotteS ift, auch dem Könige seinen Theil zukommen lassen, der zweite Junge kolk Husar werden." .Zu Besehl, Majestät!" Und Er Er langweilte sich wohl in Bornim, seitdem die Jungser fort .Zu Befehl. Majestät!" .Habe Ihn nicht vergessen. Tempus. er toll lekt ordentlich zu tbun betörn men. Hat wohl schon vernommen, daß ich den Präsidenten K. in F. seines Amtes entsetzt habe." .Zu Befehl. Mazeftät!" .Die Justiz muß unbestechlich sein," suhr der König fort, wie Er damals richtig bemerlt hat, und wovon Er uns gleich ein Exempel gab. Ich bin aber dabei, den Augiasstall zu reinige. Meine Verwaltung und meine Rechts pflege muß point d'honnour beloin inen, wie meine Armee. Versteht Er?" Zu Besehl. Majestät." Er wird nach F. gehen, an die Stelle des K." Majestät das dS kann nicht Hoch deren seriöse Absicht sein." Doch." Ich bin nicht fähig, Gott ift mein Zeuge, ein so hohes Amt auszusüllen." TaS habe ich zu beurtheilen," unter brach Friedrich der Große den Richter von Bornim, und nicht Er, ich kenne Ihn und weiß, was ich von Ihm z er warten habe. Er ist Präsident und da bei bleibt eS. Punktum. Binnen acht Tagen muß Er in F. sein und Sein neues Aint antreten." Zu Befehl, Majestät," erwiderte der neue Präsident, wenn ich auch diese Gnade in keiner Beziehung verdiene." Ich brauche bort einen ehrlichen Menschen," rief der König, ift Er das ooer nicyik" ..Zu Befehl, Majestät!" Ja oder nein." Ja. Majestät." Also Gott befohlen." Der neue Präsident verneigte sich tief und wendete sich dem Ausgang zu. Halt, noch Eins." rief ibm der König lächelnd nach, vergiß Er nur in seinem neuen Amte um Gotteswillen Seine Flöte nicht." VOo ist er her? Allerlei KkUnergejchichien. Bon Wm, Joest, Der Ethnograph Professor Wilhelm Joeft erzählt anläßlich der Berliner Ge werbe-Ausstellung die folgenden amü santen Ge (dichten: Berlin scheint wirklich internationale Großstadt zu werden. Vorgestern be suchte ich mit drei Herren, die an dem selben Tage auf dem kürzesten Wege (13 Tage) von Mexiko hier eingetroffen waren, die Gewcrbe-Ausstellung. Wir beschlossen, bei AdlonDreffel zu essen. Einer meiner Freunde hatte beim Ein treten einen Herrn bemerkt, mit dem er aus geschäftlichen Gründen ein Zusam mentreffen gern vermieden hätte. Er sagte mir darum, um nicht von den erwartungsvoll uns umgebenden Kell nern verstanden zu werden, auf Spa nisch: Lassen Sie uns einen Tisch nehmen, an dem uns der Kerl da drü den Nicht sieht." Sosort trat ein eleganter Kellner- jüngling heran und sagte ebenfalls auf Spanisch: Hier in der Ecke habe ich gerade den Tisch, den Sie wün schen." Auf unsere Frage, wo der Jllng ling sein Spanisch erlernt habe, lautete die überraschende Antwort: In der Stadt Mexiko." Wo denn in Mexiko?" Im Hotel Jturbide." So, waren Sie dort Kellner?" Nein, ich wohnte dort," Hierbei siel mir eine noch viel lufti, gcre Geschichte ein, die ich im vorigen Jahre in London mit einem schwur zen Kellner erlebte. Damals tagte in London der Amerilan, tenKonareß. Prof. Karl van den Steinen aus Diis- eldors, Tr. Zintgraf aus Tusseldorf. Prof. von Dunkelmann und ich, wir besuchten eines Abends die Exhibition of Ihe Jndian Empire" in Earl's Eourt. Unter den zahllosen Kneipen, Bars und Restaurants befand sich auch ein sehr elegantes und vornehmes Curryhouse", in welchem indische Gerichte von indi schen Dienern aufgetragen wurden. Unter letzteren bemerkte ich einen schönen,, großgewachsenen, sehr dunkelfarbenen Mann, der zwar weiße MadrasKIei- dung mit rothem Turban trug und dadurch außerordentlich indisch aus- sah, der mir aber dennoch den Ein druck machte, als sei er eher ein Neger als ein Jndier. Ich konnte ihn, wie der Geologe sagen würde, nicht be stimmen". Steinen, den ich aus den Kellner aus. merlsam gemacht hatte, schlug vor. irgend etwas in dem Cunyhause zu verzehren, um heranszusindcn, woher der Mann stamme. Wir traten an seinen Tisch, und ich bestellte auf Hinduftanisch Kaffee und Whiskey mit Soda. Er antwortete sofort : "Bahut acha Sahib' (Sehr wohl. Herr.) Als er den Kaffee bringt, frage ich ihn, wiederum aus Hindustamsch : .Woher kommst Tu?" Er antwortete erst in der Landes spräche, dann auf Englisch : "I an a pure Hindoo. Sir." .Sprichst Tu auch portugiesisch?" sragte van den Steinen. 'Fallo tarnbeni Senhor," lautete die Antwort. Nun wußte ich. oder vielmehr glaubte zu wissen, weg Landes md der Mann j war. ix war zweifellos ein Goanese laus der portugiesischen Kolonie Goa südlich von Bombani die allerdings europäische Tracht tragen, die aber viel fach durch Permischung mit den aus den afrilanischen Kolonien Portugal? in Goa zusammengewürfelten sozenann ten Portugiesen, die oft schwärzer find als die Eingeborenen selbst, mehr afri tanischeS als indisches Blut in ihren Adern haben. Ter Mann, der zwischen den Tüsseldorfer Zintgraf und van Steinen stand, schenkte mir während wir uns laut übn ihn unterhielten. ei GlaS Sodawasser ein. Ich sage, ohne zu bedenken, daß wir in Lernen, waren, ganz harmlos aus deutsch danke". Der Kellner erwiderte ruhig und deutsch : .Bitte." Nanu I" rüst Dr. Zintgraf etwas erregt, wo zum Toiiiierwcttcr st.!,,,,,,, Sie denn eigentlich her?" Ich bin ans Düsseldorf am der Bergerstraße, Du jeck Schinnoos. In Wahrheit war der Mann eine V-" Zeit lang in Düsseldorf in einem an der Bergcrstraße gelegenen Cafe als Portier oder dergleichen angestellt ge Wesen. Woher er aber in Wirklichkeit ftammte, das haben wir nicht erfahren. Bon dem Manne, der die Wirth schast besorgen wollte. tfin onvkgischkS Polks Märchen, Es war einmal ein Mann, der drninmle und zankte den ganzen Tag, und niemals konnte ihm seine Iran im Hause etwas recht machen. So kain er auch in der Heuernte eines Abends heim und polterte und wettterte, daß es ganz schrecklich anzuhören war. Da sagte die grau : Sei doch nicht so böse, Väterchen, morgen wollen mir einmal mit der Ar beit tauschen, ich will mit den Knechten mähen gehen und T sollst die Wirth schast besorgen." Damit war der Mann zufrieden. Frühmorgens nahm die Frau die Sense über die Schulter und ging mit den Knechten auf's Feld ; der Mann aber blieb im Hause zurück. Zunächst machte er sich ans Buttern ; darüber wurde er durstig, stieg in den Keller hinab und begann sich einen Krug Bier aus dem Fasse abzuzapfen. Da hörte er, wie das Schwein in die Stube gelaufen kam und sprang hur tig die Kellertreppe hinauf, um das Thier fortzujagen, damit es nicht das Butterfaß umstoße. Doch schon war das Unglück geschehen und die ganze Diele war weiß ; mitten in der Sahne patschte das Schwein herum und ließ sich's gut schmecken. Da , wurde der Mann so böse, daß er ganz das Bier vergaß und nur das Schwein greifen wollte; in der Thür bekam er es zu fassen und gab ihm vor Aerger einen solchen Tritt, daß es auf dem Flecke todt blieb. Jetzt besann er sich auch wieder auf das Faß im Keller, aber als er hinunter kam, war das Bier ausge laufen. Nun ging er in die Milchkammer, dort fand er noch Sohne genug und füllte das Butterfaß von Neuem, denn Butter wollte er durchaus zu Mittag haben. Nach einer Weile siel ihm ein, daß die Kuh och im Stalle stand und weder Futter noch Wasser bekommen hatte, obgleich es schon hoch am Tage war. Er wollte sich nicht die Zeit nehmen, die Kuh auf die Wiese zu sühren. sondern be chlon, ic auf's Tach zu leiten, das war flach und mit Rasen gedeckt, und es wuchs dort hohes, schönes Gras. Die Hütte lag neben einem öllael : wenn er sich von dort ein Brett nach dem Dache legte, getraute er sich wohl, die Kuh hinaufzubringen. Aber daS Butterfaß wollte er nicht wieder stehen ' lassen, weil sein kleiner Junge auf der Diele herumkrabbelte, der konnte es leicht umstoßen. Er band sich also das Faß auf den Rücken und ging damit in den Stall ; doch bevor er die Kuh auf's Dach fühlte, wollte er sie tränken, nahm einen Eimer und begann Wasser aus dem Brunnen zu schöpfen. Als er sich über den Rand beugte, lief die Sahne aus dem Butterfasse ihm in den Nacken und über den Kopf in den Brunnen. Es ging stark auf Mittag und But ter hatte er nicht bekommen ; so beschloß er, Grütze zn kochen und hängte einen Kessel mit Wasser über den Herd. -Als er dies gethan hatte, siel ihm ein, daß die Kuh vom Dache herunterfallen und den Hals oder die Beine brechen könnte. drumm stieg er wieder hinauf, um sie anzubinden. Das Ende des Strickes befestigte er an dem Halse der Kuh, das anoere warf er durch den Schornstein hinab und schlang eS sich dann in der Küche um den Leid. Das Wasser fing an zu kochen, und er rührte die Grütz ein. Auf einmal siel die Kuh dennoch vom Dache und zog an dem Stricke den Mann in den Schornstein hinauf, da steckte er nun ! aber die Kuh hing . draußen an der Wand und schwebte zwischen Himmel und Erde. J Die Frau wartete vergeblich, daß ihr Mann kommen und ste im Mittagessen rufen sollte ; endlich wurde ihr die Zeit ang, uno ne ging nach Hause. Als sie nun sah. wie jämmerlick die ub dahmg, lief sie schnell und durchschnitt den Strick mit der Sense. In demsel den Augenblick siel der Mann den Schornstein hinunter, und als sein. Frau in die Küche trat eckte n kopfüber im Grützkessel ! Na ja! Geschichtslehrer: .Ich habe Ihnen von der großen Schlacht bei Gravelotte erzählt. Welche Elitetruppe zeichnete sich dort besonders aus?" Höhere Tochter: .Die die Garde lieutenants!" Auch ein Kcitifiirncnt. Lieutenant: .So träumerisch, gnä digeS Fräulein." Kokette: .Ja. ich denke zurück an meine Kindheit." . Lieutenant: .Aeb sabelbakteS Ee düchtniß." jtf