Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, September 03, 1896, Image 12

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    3br Schönstes.
(iiimotfäte von jrtilifrc v. Schlicht,
Meine kleine Frau ist eine Perle
d) bin mm schon viele, viele Jahre ver
heirutH und ich habe an ihi noch nicht
inen einzigen Fehler wahrnebinen tön
nen. Ht fte wirklich keine Untugen
den, der versteht sie es nur, sie geschickt
Vor mir zu verbergen? Ich weiß e
nicht. Ich habe an meiner besseren
Halste eigentlich garnichtS auszusehen,
höchstens, daß sie zuweilen mit dem
Wort .Mein Schönstes" Unfug treibt.
Sind mir in Hamburg, fo ist eine Fahrt
ms der Alster mit daran anschließendem
Besuch bei Pfordte ihr Schönstes";
sind wir in Berlin, so bezeichnet sie einen
Besuch im Deutschen Theater als ihr
Schönstes", und am nächsten Morgen
versichert sie mir, ihr Schönste" sei.
sich bei Gerson das schönste Kleid auszu
suchen. Ich bin in diesem Punkt an
. derer Ansicht: flir mich wäre das
Schönste", das Ziel, das ich mir gesteckt,
in ehrlicher Arbeit zu erreichen.
Grtrente Ansichten über ein und den
leiben Punkt siihren aber selbst in der
glücklichsten Ehe Streitigkeiten herbei,
und so kam eS, daß mir uns, naturlich
nur bildlich gesprochen, wegen dieser
Redensart oft in den Haaren lagen.
Geduld und Liebe aber vermag viel.
und so hatte ich allmählich erreicht, daß
meine kleine Frau den Gebrauch ihres
ikblingSausdruckes fast ganz aufge
eben hatte.
Da geschah es, daß nieine Frau vor
einiger Zeit, als wir am Friihstücktisch
saßen, zu mir spracht Weißt Du, was
'mein Schönstes ware s"
Nun?" sragte ich neugierig.
Einen Hiihnerstall zu haben."
Aber Kind," versetzte ich, was Du
uch immer siir sonderbare Einfälle
ha."
Garnicht sonderbar," gab sie zu
rück, Wir leben hier nun doch ein
mal wie auf dem Lande, wenngleich
wir in der Stadt wohnen. Wir haben
einen Garten, in dem wir Obst und
Gemüse haben können. Wir haben
eine Waaenremise und einen Pferde
stall. Unsere Villa gleicht einem Land
gut, dieses aber ohne eine Hühnerzucht
ist undenkbar. Denke Dir mal: Hüh-
er zu haben, stets frische Eier zu
baden, kleine Klicken groß zu ziehen.
jeden Morgen in den Stall zu gehen
und nachzusehen, wieviel Eier gelegt
sind ach, weißt Du, das wäre mein
-Schönstes."
Liebes Kind," gab ich zurück, Deine
Ansichten über Dein Schönstes wechseln
bekanntlich schnell."
Ader dieses Mal blieb meine Frau
konservativ Tag und Nacht sprach sie
von Hühnern, und endlich wurde ich
pflaumenweich.
Nun. wenn es dieses Mal wirklich
'Dein Schönstes ist, will ich Dir Deinen
Wunsch erfüllen, die Hühner- und Eier
züchierei kann beginnen."
Mit einem Freudenschrei flog mir
meine kleine Frau um den Hals und
setzte mir mit demosthenischer Beredt
samkeit die Vortheile auseinander, die
'wir von den Hühnern haben würden.
Zunächst sind wir nicht mehr von der
Tiersruu abhängig, die ja nach Laune
Und Willkür die Preise in's Unermeß
liche steigert und meistens doch nur
schlechte Waare liefert. Die Anschaf
fungskosten find gering, in einem hal
den Jahre haben wir sie wieder heraus
qemirthschastet. Und dann bedenke, wie
gesund es sowohl für das Kind, als für
uns ist, täglich ein frisches Ei zu essen
ch, es ist himmlisch."
Was der Mensch thun will, soll er
'gleich thun," sagt ein altes Wort, und
so sollten die Hühner nebst dem unver
ineidlichen Gatten noch an demselben
Tag ihren (sinnig halten. Zunächst
wurde der Hühnerstall besichtigt, der sich
bei näherer Betrachtung doch als ziem
Jich verfallen erwies, auch das Draht
zitier, das den Hühnerhof abschloß,
mar dringend der Reparatur bedürftig.
To ganz billig würde das Federvieh
vlso doch nicht kommen.
Ich schickte den Diener zur Stadt und
gestellte die Handwerker; sie besahen den
Schaben und sagten: Da? ist eine
Kleinigkeit." Trotzdem arbeiteten sie
drei Tage herum und die Summe, die
ich bezahlen mußte, war absolut keine
Kleinigkeit.
Dann kam der Hühnerkauf. Ich
hatte mir das so einfach gedacht. Ich
sagte meinem Buttermann, de: auf dem
Lande wohnte, Bescheid und bat ihn.
mir sechs Hühner und einen Hahn mit
-zubringen. , Am nächsten Sonnabend
krachte er mir das Viehzeug mit
der todt, gerupft, fertig zum Braten.
Aber in dieser Verfassung können
, die Thiere doch keine Eier legen?" rief
ich wüthend und verweigerte die Ab
ahme. Aber der Buttermann, der
mir sonst auch das Geflügel besorgt,
schwur Stein und Bein, ich hätte nichts
davon gesagt, daß die Thiere lebendig
fein sollten, und so mußte ich denn
"notens volons" sechs Mittage nach
der eibe Hühner-Fricasj mit Reis
und am siebenten Reis mit Hahn effen.
Sind Hühner immer noch Dein
Schönstes?" fragte ich meine Frau.
Z)ie aber tetheuertc eS, und so wurde
die Jagd nach lebendigen Hühnern fort
gesetzt. Die aber wäre gar nicht zu
-bekommen: Ein find bei uns zu Lande
'ein rarer Artikel und wer gute Lege
hubner bat. giebt sie nicht fort.
Mit Lift und Tücke gelang es uns
'dennoch, endlich die Thiere zu bekam
!, und von flen Hausbewohnern
freudigst begrüßt, hielten sie eineS
Abends ihren Einzug.
Freude herrscht m Trojas Hallen,
aber sie sollte nicht lange dauern. Ich
gehöre zu jenen unglückseligen Men
scheu, die bei dem leisesten Geräusch auf
machen und dann nicht wieder einschla
fen können. Von allen Beschäftigungen
ist mir Schlafen aber die liebste und so
kann sich Jeder selbst die Snmmung
ausmalen, in der ich mich befand, als
am nächsten Morgen um 4 Uhr der
Habn zu krähen begann.
Mein erster Gedanke war, aufzu
stehen und dem Thier das Genick um
zudrehen. Nach einigem Rachdenken
ließ ich dieses Vorhaben aber wieder
fallen ; hätte ich meinen Entschluß au$
geführt, so hätte ich am Nachmittag
einen neuen Hahn laufen müssen, un
wer weiß, ob das neue Thier nicht noch
ein viel unangenehmeres Krähen gehabt
Hütte.
So lag ich denn wüthend in meinem
Bett, zog die Decke Über mich, stockte die
Finger in die Ohren und wünschte dem
Hahn bei jedem Kikeriki", das er ertö
nen ließ, Pest, Tod und alle Hollen
quälen. Ich erhob mich in Folge dessen
in der denkbar schlechtesten Laune, wäh-
rend meine Frau strahlte. Sollte es
doch heute zum Frühstück die ersten
seldstgelegten" Eier geben. Doch ihr
Humor schwand bald dahin, als der
Diener beim Kaffee meldete, es wären
keine Eier da.
Was denken sich die dummen Thiere
eigentlich?" klagte meine Frau, glau
den fte, daß ich sie nur zum Vergnügen
füttere? E,er sollen sie legen."
Ich wies darauf hin, daß die Thiere
sich erst an den neuen Stall, die neue
Umgehung gewöhnen müßten, daß die
Hühner auch nicht jeden Tag legen, und
kiamte an Kenntnissen aus, was ich
nur immer mein Eigen nannte. End
lich schmaden die Falten von der Stirn
meiner Frau, sie vertröstete sich auf den
nächsten Tag, und auch ich begann wie
der das Federvieh zu lieben, als meine
Frau mir auseinandergesetzt hatte, daß
ich mich in wenigen Tagen an das
Kikeriki" gewöhnen und es vielleicht
schon morgen gar nicht mehr hören
würde.
So sahen wir dem nächsten Morgen
entgegen, der dem voraufgegangenen
auf ein Haar glich. Wieder weckte
mich der Hahn mit seinem Krähen und
wieder hatten die Hühner verabsäumt,
zu legen.
Hätte mir das sechsmalige Hühner
Frikassee mit Reis nicht noch zu größtem
Theil unverdaut im Magen gelegen, ich
hätte die Thiere sofort getödtet. So
aber besann ich mich eines Besseren, und
vertröstete meine Frau und mich auf
den solgenden Tag.
Aber die folgenden Tage alichen auf
ein Haar den vorausgegangenen. Der
vayn Heg von ich hören, die Hühner
aber ließen nichts von sich sehen. So
ging eine Woche dahin: nur mit der
größten Anstrengung gelang es mir,
des Morgens beim Kikeriki" mich so
weit zu beherrschen, daß ich ruhig im
Bett blieb, und meine Frau vermochte
kaum die Thränen zurückzuhalt'N, wenn
der Diener die stch stets gleichbleibende
Redensart hcrbetete: Die Hühner ha-
den wiederum nichts gelegt."
und meine kleine ffrau hatte
auf die Hühner gefreut sie zu be
iseit, war la ihr schönstes.
WaS war da nun m machen? Ich
ging nun ,n den Stall, hielt dem Feder-
Vieh eine lange Rede, legte ein frisches
Ei. das ich gekauft, vör sie hin und
sprach: Sehi Euch dieses Ding mal an
und besinnt Euch auf das, was Ihr zu
leitten uns (huldig e,d." Sie nickten,
als wenn sie mich verständen, aber Alles
blieb beim Alten.
Nach weiteren acht Tagen bat ich
einen Freund, der einen großen Hühner
hos hat, mich zu besuchen, und bat ihn
um Rath. Ich zeigte ihm den Stall
und dessen Bewohner. Nachdenklich
schüttelte er sein Haupt: Vielleicht, aber
nur vielleicht." sprach er endlich, liegt
die Sache daran, daß die Thiere hier zu
wenig Sonne und zu wenig Platz für
freie Bewegung haben. Lassen Sie
den Stall vergrößern, noch besser
aber wäre, Sie nehmen ihn hier weg
und bauten ihn aus einer fonnigeren,
wärmeren stelle wieder auf."
Zuerst dachte ich an die Unkosten.
dann aber daran, daß ich denn vielleicht
das Kikeriki nicht mehr hören würde.
Freude zog in mein Gemüthe und schon
am nächsten Tage erschienen die Hand
werker. Zwei Tage später hatte ich
einen Hühnerhof. in dem Eier zu legen
und zu brüten für jedes nur einiger
maßen vernunftbegabte Thier eine
wahre Wolluft sein mußte die Rech
nung dafür zu bezahlen, war allerdings
weniger genußreich. Aber was hilfts?
Hat man sich einmal die Thiere ange
schafft, muß man auch für sie sorgen.
In Gesellschaft unseres Buben,
meiner Frau, meiner Wenigkeit, des
Dienstmädchens, der Köchin, der Zofe,
der Bonne und deS Dieners zogen die
Hühner um. Thut Eure Pflicht."
hatte ich auf einen Zettel geschrieben
und ditfcn derartig oben an der Thür
befestigt, daß das Federvieh ibn bei
feinen Spaziergangen stets vor Augen
hatte. Ader auch nur vor Augen, nicht
im Sinn die Ausgabe hätte ich mir
sparen können: das Kikeriki hörte ich
vom neuen Stall au? noch deutlicher,
und meine Frau konnte sich noch immer
nicht entschließen, das alte Sprüchwort
zu befolgen und sich nicht um ungelegte
Eier zu kümmern.
Wiederum wandte ich mich an meinen
hühnerkundigrn Freund, und als auch
dieser keinen Rath wußte, wandte ich
mich an einen Thierarzt, fragte bei dem
Brieslasten sämmtlicher Zeitungen an.
aber es nützte Alles nichts. Wer weiß,
wie lange ich mich noch über die Un
fruchtbarkeit meiner Hühner gxwundert
hätte, wenn nicht durch einen Zufall
mir des Pudels Kern klar geworden
wäre.
Eines Morgens, als mich der melo
dische Gesang des HahneS geweckt hat,
und ich machend im Bette lag, siel mir
plötzlich ein, daß ich einen wichtigen
Brief am Abend einstecken zu lassen
vergessen hatte. Ich stand auf und
rief den Diener. Der antwortete nicht:
ich ging in fein Zimmer, das Bett war
leer.
Ich freute mich über den Eiftr des
jungen Menschen, und ging, um die
übrigen Hausbewohner nicht zu wecken,
leise die Treppe hinunter auf die Scheune
zu, in der Wilhelm die Stiesel und
Kleider zu reinigen pflegt. Ich fand
ihn bei der Arbeit schon wollte ich ihm
ein anerkennendes Wort zurufen, als
ich sah. wie Wilhelm von dem Tisch ein
Ei nahm, es mit einer Nadel ausstach
und dann austrank.
Deshalb legen unsere Hühner also
nicht," dachte ich, na warte, mein
Junge" und schon streckte ich die
Hand aus, um sie' ihm um die Ohren
zu schlagen.
Aber eine Eingebung des Himmels
hielt mich noch im letzten Augenblicke
davon zurück und von ihm unbemerkt
schlich ich leise wieder von bannen.
Die Hühner haben wiederum nicht
gelegt," meldete er wenige Stunden spä
ter, als wir bei Kuffectische saßen.
Keine Miene zuckte dabei in seinem Ge
stcht es ist unglaublich, wie frech manche
Menschen lügen können.
Strafe, fürchterliche Strafe aber
sollte ihm werden, mein Entschluß war
gefaßt.
Meine Frau war sehr erstaunt, als
ich am Abend vor dem Schlafengehen
die Weckeruhr auf vier stellte; ich er
klärte, daß ich am nächsten Tage noch
eine sehr wichtige, dienstliche Sache zu
erledigen habe, und sie beruhigte sich
dabei. Kaum fing die Uhr wenige
Stunden später ihren Heidenlärm an.
als ich mich erhob, mich ankleidete und
in den Hühnerstall hinabstieg. Vorsichtig
tastete ich die Treppen hinunter, um nur
m nicht die faulen Eier zu zerschlagen.
die ich am Tage vorher nach endlosem
Suchen aufgekauft hatte; die frischen
Eier wollte ich fortnehmen, die faulen
den Hühnern unterlegen und Wilhelm
sollte seine Freude an seiner Morgenkog
haben. Gesagt, gethan ich legte die
faulen Eier in die Nester, nahm die m
scheu an mich und harrte der Dinge, die
da kommen sollten.
Nie werde ich den glückseligen Aus-
druck vergessen, der sich auf dem Gesicht
meiner kleinen Frau ausprägte, als fte
bei dem Betreten des Frühstückszimmers
die Schüssel mit den frischen, mit den
seldstgelegten" Eiern sah. Wilhelm
brachte den Thee und meldete : Die
Hühner haben wiederum nicht gelegt,"
aber er machte gleich diirauf ein un
glaublich dummes Gesicht, als er die
Schüssel auf d;m Tisch stehen sah. Doch
er bezwäng sich schnell und vergebens
spähte ich in seinem Gesicht nach einer
Spur, die auf die überstanden See
krankheit schließen ließ. Und doch mußte
er dem Sterben nahe gewesen sein. Der
Bengel hatte wenigstens Energie im
Leibe und war nicht schlapp, das söhnte
mich wieder mit ihm aus. Wilhelm
trug auf Befehl meiner grau zwei Eier
in die Küche, um sie der Wehrn zu
übergeben. Es war ja stlbstoerständ
l'ch, daß wir unsere Eier gleich Probiren
wollten.
Nach kurzer Zeit erschien der Diener
mieder und während ich noch erst den
Leitartikel in ineiner Morgenzeitung zu
Ende las, begann meine Frau schon zu
frühstücken. Endlich legte ich das Blatt
zur Seite und griff nach den Speisen,
llnmillkürlich streifte ich dabei mit einem
Blick meine Frau, aber ich wäre beinahe
vor dem Schrecken vom Stuhl gefallen.
als ich sie so vor mir sah. Bleich, mit
eingefallenen Wangen, mit spitzer Nase,
den Angstschweiß aus der Stirn, im Ge
ficht eine grüngelbliche Farbe, zitternd
am ganzen Körper.
Erschrocken sprang ich in die Höh !
Aber Kind, Liebling, was ist Dir ?"
Doch statt zu antworten, preßte meine
Frau die Serviette vor den Mund und
stürzte hinaus.
Einen Augenblick stand ich starr, dann
begann es in meinen Gehirn zu däm
mern. Ich klingelte dem Diener :
Wilhelm, wie haben heute Morgen
die Eier geschmeckt?"
Er mochte mir ansahen, daß ich Alles
wußte, daß sein Leugnen ihm doch nichts
helfen würde, und so stotterte er denn
nur: Ausgezeichnet."
Vernichtet sank ich auf einen Stuhl,
aber nicht ohne Wilhelm vorher eine
Ohrfeige zu geben, das sollte er wenig
ftenS dafür haben, daß ich gestern in
der Stadt eine Ewigkeit nach faulen
Eiern gesucht und sie, nachdem ich sie
heule Morgen in da? Nest gelegt, selbst
wieder anstatt der frischen hercusgenom
men hatte.
Wilhelm wankte zur Thüre hinaus
und meine Frau wankte zur Thüre bin
ein: ein Bild oeS Jammers und Ent
setzen?. Ich kann mir nicht helfen,"
ftödnte sie, .unsere Hühner sind verhext,
eift legen sie gar keine Eier, und als
sie es endlich doch thun, legen sie faule.
Heute noch kommen die Thiere aus dem
Haus."
Mit wenigen Worten klärte ich den
Sachverhalt auf, und die Folge war.
daß sowohl die Hühner, als auch 23il
Helm, der demüthig um Verzeihung
bat, im Hause blieben. Meine Frau
erholte stch schnell wieder, hat aber ihre
Antipathie gegen Eier noch nicht völlig
überwunden.
Ein Gutes hat diese wahrhastige
Hühnergeschichte aber doch bewirkt:
meine Frau gebraucht nie mehr den
Ausdruck: Das wäre mein Schönstes,"
Merke ich, daß die Versuchung an sie
herantritt, so rufe ich ihr zu: Denke
an das erste Ei," und dann hält sie
nicht nur den Mund, sondern sie hält
sogar krampfhast das Taschentuch vor
nur damit ihr die mir verhaßte Re
densart nicht entschlüpft.
Die Heimkehr.
Novcllkttc nach dem Englischen von W i V
Helm Thal.
Ist Mr. Graham zu sprechen?"
Der junge Mann, an welchen diese
Worte gerichtet waren, stand auf und
ging in das Privat-Eomptoir, während
der Fremde sich scheinbar erschöpft an
die Wand lehnte. Er war eine schöne,
stattliche Erscheinung mit üppigem Bart
und Haar, doch lag in seinen Zügen
Etwas, das den Gefragten stutzig
machte.
Mr. Graham ist bereit, Kie zu
empfangen, sagte der junge Mann,
welcher Mieder eintrat und die Thür
des Privat-äomptoirs öffnete, hier,
bitte, rechts."
Der Fremde ging in den angebellte
ten Raum und schloß die Thür hintei
sich; dann blieb er stehen, drehte den
Hut verlegen in den Händen und
blickte, anstatt zu sprechen, mit großen,
flehenden Augen auf den Herrn, der
am Pulte saß. Dieser blieb auf seinem
Stuhle sitzen und sprach kein Wort;
schließlich aber brach er doch das Schmei
gen und sagte:
Du bist es. James?"
Ja, ich bin es," versetzte der
Andere, hast Du mir nichts zu sagen,
William?"
Ich hätte Dir sogar viel zu sagen,
das zu hören Dir aber wenig ange
nehm sein würde," versetzte William
Graham. Ich kann wirklich nicht
sagen, daß ich mich freue. Dich zu
sehen, und geehrt fühle ich mich auch
keineswegs."
Ich erwarte das auch nicht", erklärte
der Andere, ich weiß, ich habe der
Familie Schande gemacht und bin da-
für bestraft worden. Denke doch nur.
William, vier Jahre, vier Jahre im
Gefängniß, unter Schurken und Ver-
brechen, ! Ich hätte mein Leben dahin
gegeben, um das ungeschehen zu machen,
was ich gethan, auch hatte ich nie die
Absicht, das Geld zu behalten."
Ich kenne die Geschichte", sagte der
Kaufmann, Du warst in einer Ber
trauensstellung und hast sie mißbraucht,
Es ist die alte Geschichte, sie ist in mei-
nem eigenen Geschäft vorgekommen,
und darum habe ich mit einem Wen-
schen, wie Du es bist, kein Mitleid.
Was führt Dich her, James?"
Dieser drehte den Hut erlegen in den
Händen, seine düsteren Augen schössen
Blitze und er antwortete:
Ich war 25 Jahre alt, als ich in's
Gefängniß kam, jetzt bin ich fast dreißig.
Ich will Arbeit, und Du sollst mir
Arbeit geben, ehrliche Arbeit, William.
Ich bin ein guter Buchhalter, aber ich
will auch Hausdiener werden, wenn es
möglich sein sollte."
Bei mir bekommst Du keine Arbeit",
erwiederte der Aeltere, Du hast die
Rechnung ohne den Wirth gemacht,
James. Tu bist mein Bruder nicht
mehr. Ich habe Dich aus meinem Her-
zen gestrichen, als Du zum Verbrecher
wurdest. Um der armen Frau willen,
die Dich söhn nannte, will ich Dir
Geld geben, damit Du ein oder zwei
Wochen leben kannst. Weiter erwarte
von mir jedoch nichts. Solltest Du wie-
der hierherkommen, so lasse ich Dich
hinauswerfen."
Der Frenide stand da, wie gebannt;
wieder schob er den Hut hin und her,
lehnte sich an die Wand uud fragte
leise:
.Wie geht es der Schwester Jesste?"
Gut", erwiderte der Kaufmann.
Kannst Du mir nicht sagen, wo sie
wohnt?" fragte der Bruder.
Nein", antwortete dieser, Jessie ist
verheirathet, und Du bist die letzte Per-
fon, die mein ehrenwerther Schwager
hen möchte."
Erlaube mir noch eine andere
Frage", sagte James in bebendem
Tone: Was ist aus Adah Musgraoe
geworden?
Ich habe Dir keine Auskunft zu ge-
den", erklärte der Andere hart und
mürrisch. Hier ftnd 1 Pfund; geh'
und komme nie wieder. Damit legte er
das eld auf den Tisch,
In den Augen des Anderen blitzte eS
auf, er richtete stch zur vollen Gröge
empor und rief, dem Bruder die Gold
stücke in'S iSeftcht werfend:
Behalte Dein Geld, ich brauche es
nicht, ich brauche eS weder von Dir.
noch von sonst Einem. Ich achte, mein
Bruder würde mir die erbetene Hülfe
nicht versagen und mir die Möglichkeit
bieten, wieder in ehrlicher Mensch zu
werden. Tu hast eS mir verweigert,
nun denn. Dein (eld brauche ich nicht !
Ich kenne Leute, die mich niit Freuden
aufnehmen erden. Du haft mich zu
ihnen zuiücktrieden, denke daran,
Sodn meiner Mutter, denke dareu !"
Mit diesen Worten setzte er den Hut
auf den Kopf und verließ das Zimmer,
dessen Thür er mit dröhnendem Knall
hinter sich zuwarf.
In einer dunklen Nacht schickte sich
wenige Wochen später James Gnibam
an, mit einer Anzahl von Spießgesellen
in ein Haus einzubrechen. Schnell stieg
er in das von seinem Helfershelfer de.
zeichnete Fenster ein, das zufällig offen
stand, und sah beim Schein einer Blend
laterne sich nach einem Versteck um, das
er bald fand. Es war ein kleines
Karderobenzimmer, an besten Stelle
sich eine Thür befand, und hier ersteckte
er sich in einem Schrank, den er mit
einem Rachschlüssel geöffnet hatte und
leise hinter sich zuzog.
Vlacb einer Weite hörte er den Schrei
eines Kinde, eine Minute später er
nahm er Schritte, und in dem Zimmer
wurde es he.
Adah." rief eine Frauenstimme,
komm hierher, das Kind ist mach ge
worden."
Wieder hörte er das Rascheln von
Kleidern, zwei Damen standen im
Zimmer.
Wie freue ich mich, daß Du gerade
beute geko.nmen bist, Adah." fuhr die
Arauenstimme fort, während ich so
ganz allein bin. Charles ist heute
Morgen unvermulhet abgerufen mau
den, und ich fühle mich ganz nörvös
hier so allein im Hause. Daher kann
ich Dir gar nicht sagen, wie dankbar ich
Dir bin, daß Du die Nacht bei mir
bleiben willst.
Habe keine Angst, Jessie," versetzte
die Andere, ich habe Muth und fürchte
mich nicht einmal vor Einbrechern".
Sprich nicht fo," rief die Erstere
ängstlich, das Haus liegt sehr einsam
und außerdem befinden sich in dein
Geldschrank 2g Pfund. Charles hatte
keine Zeit, sie auf der Bank zu deponi
ren.
Während dieser Worte lauschte der
Mann im Schrank mit angehaltenem
Athem, doch nicht die Summe mar es.
die ihn erregte, da? hatte er vergessen.
Er hörte nur die Stimmen und die
Namen.
Adah. so lautete der Name des Mäd-
chens, das er geliebt hatte. Jessie hieß
seine Schwester. Doch was kümmerte
ihn das ; ebenso wie sein Bruder, hatte
sie ihn gewiß auch aus ihrem Herzen
gestrichen, und jedenfalls erinnerte stch
auch Adah seiner nur mit Abscheu.
Dennoch kniete er vorsichtig zum Schlüs
selloch nieder, um ihr Gesicht sehen zu
können ; er hatte sich nicht getäuscht, es
mar Adah Musgrave.
Ich wundere mich, warum Du Dich
nicht verheirathen willst," fuhr die an
dere Stimme fort, ich weiß, William
möchte Dich gern zum Weibe nehmen,
er hat Dich stets geliebt, und wird Dir
alles bieten, was zum Glück nothmen
0is ist."
Das Hauptsächlichste aber kann er
mir nicht geben. Liede", versetzte Adah.
Ich habe nie davon gesprochen, Jessie,
doch jetzt muß ich es Dir sagen. Ich
habe den armen James zu sehr geliebt,
um je einen Andern lieben zu können."
Ach, Adah," rief Jessie, es ist mir
ein rechter Trost, daß Du meinen
armen Bruder noch liebst, ich meinte,
ich märe die Einzige auf der Welt, die
ihn noch immer lieb hat."
Und jetzt dörte James Graham, wie
die Frauen weinten. '
Ja, Adah," sagte seine Schwester,
wenn der arme James zurückkehrt, so
soll er hier eine Heimath ftnden, und
mein Mann wird ihm helfen, sich wie
b'.t eine ehrliche Stellung zu verschaffen.
Er muß ja bald frei werden. Doch, ich
glaube, das Kind ist wieder eingeschla
fen, wollen wir uns nicht auch nieder
legen?'
Der Mann, der nch in daS HauS ge
schlichen, um zu stehlen, weinte wie ein
Kind ; ihm mar, als hätten Engel zu
ihm gesprochen. Plötzlich erinnerte er
sich, warum er hierher gekommen war,
er küßte die Thür, dann schlich er sich
hinweg und kletterte leise aus dem
Fenster
,Er schlägt die Augen auf." sagte
eine Stimme.
James Graham hörte diese Worte
und fragte sich, was wohl geschehen sein
mochte, und warum er nicht im Stande
mar, ftch umzuwenden. Dann kam ihm
plötzlich die Erinnerung an einen Streit.
und wieder glaubte er, den Schuß einer
Pistole zu vernehmen. Jetzt wußte er
alles, seine Gefährten hatten ihn nieder,
geschossen, als er sie verhindern wollte,
in das HauS einzubrechen und man
hatte ihn für todt auf dem Platze ge
lasten. Liebe Adah," sagte die Stimme von
vorhin, ich glaube, erschlägt die Augen
auf." James Graham sah, wie sich
zwei Frauen über ihn neigten, von
denen die eine sein Haar betastete und
leise zu ihm sprach:
JameS, kennst Tu Deine Schwester
Jesne nicht mehr?"
Tie Andere einte leise vor sich hin,
und er erwiderte mit schwacher Stimme :
Ja. ich kenne Euch Beide." Er
fühlte, daß eS mit ihm zu Ende ging,
und dennoch mar ihm leicht und wohl
um'S Herz. Kommt naher, ich kann
Euch nicht gut sehen, in Schleier drei
iet sich vor meine Augen. Ich möchte
Jefsie küssen."
Die tschmener uinscylang feinen
Racken und küßte ihn. Tann wandte
er sich zu Adah MuZgrave :
Wenn ich am Leben bliebe, wurde
ich es nicht verlangen." sagte er. doch
ich fühle, daß ick, sterbe. Willst Du
mich jetzt küssen, geliebte Adah. nur ein
mal noch?"
Sie umschlang ihn mit ihren Armen.
Habe Dank," hauchte er, Gott ist
barmherziger als die Menschen. Viel
leicht werde wir uns noch wiedersehe,
dort aden im Himmel I"
Das waren feiiu letzten Worte.
veplacirte Redensart.
Junger Zahnarzt (Der auf dem Balle
einem Fräulein vorgestellt wird): Sie
kommen mir so bekannt vor, gnädiges
Fräulein! Haben Sie sich nicht kürzlich
von mir einen Zahn ziehen lassen?"
Backfisch: Rein, ich hatte noch nicht
da? Vergnügen."
Kindermund,
Fritzchen hat die Aufgabe bekomme,
stch möglichst kurz und bündig auszu
drücken: Die Gedanken beim Besteigen
eines hohen Berges an einem schönen
sominertagc. Fritzchen schreibt: O,
wenn ich doch droben wäre!"
Lehrer: Fritz, kannst Du schwim
men?" Fritz, Ja, Herr Lehrer."
Lehrer: Wo haft Du daS gelernt?
Fritz: Im Wasser!"
Alles Mögliche,.
Köchin: Bei meinem Schatz geht
alles wie im Fluge ich komme kaum
zur Besinnung! Vorgestern lern
ten wir uns kennen, gestern haben
mir uns verlobt und heute ist er mir
schon hundert Mark schuldig!"
Im INllscum.
Anna: Sieh' nur, Emma, diesen
Indianer un, der hat ja gar einen Ring
durch die Nase gezogen!"
Emma: O, wenn nur unsere Män
ner auch dieser Mode huldigen wür
den wie schön könnten mir sie da erst
an der Nase herumführen!"
Kollegial.
A. : Der Hofraih Müller ist gestor,
den haben Sie ihn gekannt?"
B. : Freilich, wir haben ja viele
Jahre zusammen gearbeitet!"
A. Erstaunt): Sie mit dem Hof
rath?" B. : Natürlich er hat die Stiefel
zerrissen, und ich bad' sie geflickt!"
Abgefertigt.
Ein Herr wird in einer Kneipe von
mehreren Herren am Nebentisch wegen
seiner großen Nase gehänselt, und nach-
dem er lange Zeit nicht darauf reagirt.
fragt ihn schließlich einer der jungen
Leute: Sie, sagen Sie 'mal, wie
kommt es, daß Sie solch' große Nase
haben?"
Das will ich Ihnen sagen, meine
errett, erwiderte derselbe: Als die
Nasen vertheilt wurden, da zeigte mir
Petrus eine Schachtel voller Nasen, die
meisten waren so hübsch niedliche Din-
ger, wie feie, meine verren, fte haben,
iäi wollte mir schon eine solche in's Ge
ficht stecken, da gab mir Petrus diese
große und sagte: .Hier nimm lieber
diese, die andern, das sind nur lauter
Grünnasen.'"
Sur Uebnng.
Tochter: Papa, siadeft Du eS nicht
die Hände immer in bin Ta
schen zu haben?"
Vater: Nein, mein Kind, ich übe
mich nur!"
Tochter: Worin übst Tn Dich
denn?"
Vater: Na wenn Tu erst ver
heirathct bist, da werde ich ja doch im
mer die Hände in den Taschen haben
müssen."
Aus Glims Seiten.
Eine alte Dame sagte: Die jungen
Damen tragen jetzt mehr Schmucksachen,
als in meiner Jugend gebräuchlich war.
Aber einen damals sehr beliebten
Schmuck, den auch ich jedem andern
vorziehe, sieht man fast gar nicht
mehr!"
Was ist denn das?"
Der Fingerhul!"
Niederträchtig.
Fräulein (am Morgen nach dem
Ball): Denken Sie, die ganze Nacht
habe ich mit einem Herrn getanzt, der
mit mir zusammen die Schule besucht
hat!"
Herr: Wie? Und der alle Herr
konnte noch so flott tanzen?"
Ahnung.
Student: Ich siircht', durch daS
Loch in meinem Wissen werd' ich beim
Eramen fallen!"
rH'rt.
Lehrjunge: Meesterin. Sie werden
sicher 'mal ooch in 'ner Siegeshalle aus
gestellt,. .."
Meisterin: Ick? Wieso?"
Lehrjunge: Weil Sie immer beim
Streit mit 'm Meester Siegerin blei
den!"
Lerechtiaier Liinvand.
Ich bitte Dich. Männchen, kümmere
Dich doch nicht um die Küche, das ist
meine Sache!"
Ader das Essen ist doch meine
Sache!"
Abgcbiitzi.
Wenn Sie mich nicht erhören, Fräu
lein, verliere ich den Vergand!"
Ich beneide den Finder desselben
'nicht'."