Im Badeort. Koorttftlf doii Konrod 3 ( 1 1 ni o 11 n. Dr .Rath" war in dem kleinen Badeort entschiede die hervorragendste Persönlichkeit. Alle behandelten ihn im Kurhaus mit dem gleichen, etwas scheuen Respekt, an den er auch durch aus gewöhnt zu sein schien und den seine kühle Zugckndostheit gerade her ausforderte. Er h'.e in seiner steiscn Wurde etwa, als ob er die Anderen ar nickt säbe. ohne die Formen außer licher Höflichkeit ganz zu mißachten, eine gekünstelte Unnahbarkeit vereinsamte ihn. Wa siir ein Rath" er eigentlich war. wußte fast Niemand, man mun kelle aber etwas vom Ministerium, von nklakreicker fiofflelluna in einem llei nen Fulftenthum; der Kurort war stolz uf ihn, und den Nenamommenllkn wurde der Rath" als Sehensmilrdig. keit in Ermangelung anderer gezeigt. An der Mittagstafel saß er obenan und unterhielt sich mit Niemand, Kei ner wagte ihn anzureden, denn der Rath sah verdrossen und ablehnend zu gleich aus. Irgendwer wollte wissen, daß er Unglück in der Familie habe. Sein einziger Sohn wolle nicht gut thun, aus der Carriere springen, die ihn ,um präoestinirten Nachfolger seines Vaters in Amt und Würden stempelte, eine unpassende Heiraih eingehen kurz: es sei ein Kreuz und gar kein Wunder, daß der Kummer und Aerger dem Rath ein Gallenleiden zugezogen habe, von dem er hier um Heilung suche. Seit diesen Eröffnungen bc trachtete man den Rath nur mit schllch lerner Ehrfurcht. Nur die Dame, die seit einigen Tagen den Platz zu seiner Linken an der Tafel inne hatte, schien sich plötzlich ein Herz gefaßt zu haben, denn man erlebte es. daß sie den Rath, der ihr mit stummer Höflichkeit eine Schüssel reichte, plötzlich einmal anredete die ganze Tafel war des Staunens voll , und das Un glaublichere, daß er auch antwortete. Kurz und gemessen, das erstand sich von selbst, aber er antwortete ihr. Und trotz des kühlen Befremdens, das die Zuniichftsttzenden ganz deutlich aus sei nen Worten wollten hervorklingen hören, ließ sich die Dame nicht abschrecken, das Gespräch fortzusetzen. Die Dame that noch so, als sei gar nichts Besondere dabei, sondern plauderte ohne jede Be flissenheit oder das zur Schau getragene Bewußtsein, etwas Großes und Bedeu tungsvolles zu thun, so harmlos und munter, als sei sie nie etwas anderes gewohnt gewesen, als sich mit Mini sterialrathen oder was der Distin guirte" nun war, über das Wetter und die Spaziergünqe des Badeörtchms zu unterhalten. Es war stark, es erregte eine gewisse Indignation an der Tafel. Denn wer war sie, diese Dame? Man wußte gar nichts von ihr, sie hatte über Haupt gar keinen Titel. Frau Cranz" stand im Fremdenbuch. So konnte jede heißen. Wenn sie was gewesen" wäre, hätte sie es sicherlich nicht er schmiegen. Frau Cranz! das konnte die Frau eines kleinen Kramwaaren Händlers sein, wer wußte das? Und die wagte es, den Rath" anzureden wie Ihresgleichen, wie einen Kunden or dem Ladentisch! Und der Rath nahm das merkwürdiger Weise nicht einmal übel auf. Diese Seelengröße, dieser wahrhaft vornehme Takt schufen ihm noch mehr Bewunderer, als er ohnehin gehabt hatte. Als er beim Deffcrt sich von der Tafel erhob, verneigte er sich sogar vor Frau Cranz. Er war eben Weltmann. Und sie nein, wahrhastig, sie er röthete nicht einmal, sie lächelte ganz zutraulich und grüßte mit einer Kops Neigung. Von da an war Frau Cranz gerichtet, man mied sie, man begann sie zu hassen. Die compromittirte foju sagen den Kurort. Und nicht etwa, daß sie am nächsten Tage ihre Impertinenz bereut und durch andächtiges Schweigen ach Möglichkeit wieder gut gemacht hätte, keine Rede davon, im Gegen theil: diese Frau unterhielt sich nur noch lebhaster mit dem Rath, als Tags zu or, ungeachtet aller drohenden Mrenen, alle! Rausperns und Augenverdrehens der Umsitzenden. Und der Rath ließ sich das gefallen. Er hatte zwar eine eigene Art, Frau Cranz nicht anzu sehen, während er sprach, und gab seine höflich-formelle Gemessenheit, die ihm längst in Fleisch und Blut llbergegan gen, nicht auf, aber von einer Abwei sung der lästigen Schwatzbase merkte man nichts. Ja, man mußte in den nächsten Tagen sogar erleben, daß der Rath mit Frau Cranz auch außerhalb der Kurhaus-Table d'hote sprach, sei'S am Brunnen, sei's auf der Promenade ja. daß sie schließlich sogar Nachmit tags gemeinsame Spaziergänge nach den Üblichen Kaffee stationen und zu den Waldaussichten machten. Das gab eine förmliche Revolution unter der Kurge sellschast. Gegen sie richtete sich der all gemeine Groll, nicht etwa gegen den Rath, der ja nur als ein Opfer seiner weltmännischen öuortoisie gelten konnte, die ihm keine Wahl gelassen hatte. Tiefe aufdringliche Parvmue mußte eine empfindliche Strafe treffen. Die ganze Kurgefellschaft brütete Rache. Vn Allem beschloß man, Erkundi gungen über sie einzugehen. Wer war sie , WaS trieb sie? Man ar gar nicht im Zweifel darüber, daß man compro mittuend Dinge Über sie in Erfahrung dringen wer. Tiefe dann dem Rath in geeigneter Weise beibringen, ihn zum lvsoitigen schroffen Abbruch seiner Be Ziehungen zu Frau Cranz veran lassen und diese dadurch zwingen, unter allgemeiner Berachtung niit Schimps und Schande den Kurort zu verlassen das war so ungefähr da Leitmotiv siir den im Stillen geschmiedeten Rachcplan. Nach allen Seilen hin flogen die Briefe um Auskunft über Frau Cranz. Jn zwischen begnügte man sich damit, sie durch Blicke zu tödten. durch Tuscheln und vielsagendes Anstoßen mit den Ellenbogen zu beschämen, ohne aber nennenswerthe Resultate dadurch zu er zielen. Diese Frau hatte eine eiserne Stirn. ?lmmer intimer schien ihr Umgang niit dem Rath zu werden, man sah die beiden eigentlich den ganzen Tag tu sammen. Es war nachgerade ein Skan- dal. Der Rath selber wunderte sich im Stillen über den wachsenden Einfluß, den diese Frau auf ihn ausübte. Er war leidend, verbittert und in men schenfeindlichster Stimmung hierher gekommen. Und nun fühlte er sich nicht nur körperlich von Tag zu Tag wohler, dank dem heilkräftigen Brun nen, sondern auch innerlich um so viel befriedigter und weltfrcundlicher. wei cher und milder, daß er aus dem Er staunen über sich selber nicht heraus kam. Er konnte kaum darüber zwei feln, daß diese merkwürdige Frau an dem allen die Schuld trug. Sie lachte ihm seine Grillen sort, sie verscheuchte ihm durch munteres, geistvolles, ange regtes Geplauder die sorgenvollen und trüben GcdankkN. Sie hatte eine be sonders feine Art, das Leben zu neh men, wie es war, und jedem Ding die beste Seite abzugewinnen. Manchmal erinnerte sie ihn darin an eine Gestalt aus ferner, ferner Jugendzeit. Viel leicht trug auch das ein wenig dazu bei, ihm den Umgang mit ihr so sympathisch zu machen und diesem Umgang einen so weitgehenden Einfluß auf sich einzu räumen. Mit der Zeit konnte er diesen Umgang gar nicht mehr entbehren und wurde er dieser Frau gegenüber s er trauen öselig und offenherzig, wie es seine Art sonst nicht war. Es drängte ihn darnach, es zwang ihn dazu. Und auch er fragte sich manchmal im Stil len, gerade wie die ganze Kurgesell schast des Oertchens: wer sie wohl eigentlich sein mag? Daß sie die Frau eines Beamten war, soviel halte sie ihn errathen lassen, und das nahm ihn na türlich besonders sür sie ein. Durch die Vielseitigkeit ihrer Jiiteressen und durch ihre Weltkcnniniß, sowie durch die Fülle ihrer Bekanntschaften in allen Le bens und Berufskreisen fiel sie ihni aber auf's Vorlheilhafteste unter allen Beamtenfrauen aus, die ihm je begcg net waren. Und reizvoller als Alle war sie trotz ihrer fünfzig Jahre, die sie ja wohl zählen mochte, sicherlich. Eims Tages konnte er endlich nicht mehr umhin, seiner Freundin den schweren Kummer seines Lebens zu er öffnen, denselben, der ihn krank gemacht hatte und ihm sein einsames Alter er bitterte. Er war Wittwer, hatte nur einen einzigen Sohn, einen prächtigen, lebensvollen, reichtalentirten Burschen, der eS glücklich in ungewöhnlich jungen Jahren schon bis zum Assessor gebracht hatte und Gott weiß wie weit bringen würde mit seinem Wiffen und seiner Begabung. Und dieser Sohn hatte plötzlich die Caprice bekommen, es stecke ein Dichter in ihm, wollte umsatteln, sich nahe einer lebenslangen, ehrenvol len Versorgung, wie er war, auf's uferlose Meer hinauswagen, allen Tra ditionen des Hauses und Namens Hohn sprechen. Und das war noch nicht einmal alles! Er hatte auch noch ein Liebesverhältnis; mit einer kleinen Schauspielerin, einer ganz unbedeu tenden Person, wie es schien, und wollte die sogar heirathen. Tollheit über Toll heit ! Ihm, dem Vater, der auf diesen Sohn alle ZukunstShoffnungen seines Lebens gegründet halte, war's geradezu ein Todesstoß. Es hatte ihn krank ge macht, es würde ihn nie wieder genesen lassen. Und Victor war ein Starrkops, ihn auf den rechten Weg zurückzuführen, wenig Aussicht. Das Frauenzimmer, dem er die Ehe versprochen, würde ihn natürlich nicht wieder loslassen es war eine verzweifelte Geschichte. Frau Cranz hörte das alles es war am Waldrand auf einer Ruhebank, und das Thal lag im Abendfrieden zu ihren Füßen mit an, hin und wieder leise lächelnd, aber ohne den Rath mit einem Wort zu unterbrechen. Nun, nach einem kleinen Stillschweigen, fragte sie mit eigenartiger Betonung: Und Sie, Herr Rath, haben Sie in Ihrer Jugend wohl niemals ähnliche Streiche gemacht oder, besser gesagt, sind nie zu ähnlichen Seitensprüngen geneigt ge wescn, nicht wahr? Ich frage das bloß verzeihen Sie weil ich eine An hängerin der Vererbungstheorie bin. Und da ist es doch merkwllidig, wie solch' ein fremder Tropfen in so solides Beamtendlut hineingeräth." Rath Hillmann war bei diesen Wor ten etwas unruhig auf der Bank hin und hergerückt, hatte seiner Nachbarin einen unruhigen Seitenblick zugeworfen und war dann in eine merkwürdig sin nende, träumerische Stimmung der fallen. Nein." hatte er erst sagen wollen, fügte dann aber nicht ganz ohne Verlegenheit hinzu: .Das heißt nun ja, sehen Sie, verehrte Freundin, man ist ja auch einmal jung gewesen. Man hat ja wohl auch einmal Verse gemacht, man hat sogar von sich eine Zeitlang geglaubt, man könne zu etwas Be sondere bringen, lieber Gott, ja. Ader man hörte auf vernünftigen fiter lichen Rath und lernte sich bescheiden" er seuszte ganz leise, eS musste eben sein. Und schließlich man ist ja ich! daran zu Grunde gegangen," setzte er mit cinem gewissen melancholische Lächeln hinzu. .Rein," sagte Frau Cranz und lächelte ganz in ähnlicher Art. Sie hatten aber auch wohl keine Liebschaft im Genre ihres Herrn Sohnes, Hen Rath? Und das ist doch wohl das er schwerendfte dabei !" Diesmal kam Rath Hillmann's Ant wort noch zögernder heraus und lautete och unbestimmter: Ich? Oh, das heißt, ich hatte, wie das bei jungen dich krisch beanlagten Leuten ja immer so ist, eine große Vorliebe für's Theater, ich lernte da auch wohl die eine oder andere Künstlerin der Bühne kennen, gewiß, ja das geht ja so. Aber wollen wir jetzt nicht lieber weitergehen, gnädige Frau? Es könnte Ihnen zu kühl werden, sürcht' ich." Nein, bitte, bleiben wir doch," fiel sie ein. Dieser linde Sommerabend ist ja wundervoll. Und offen gestan den ich bin etwas neugierig geworden. Ich möchte mehr wiffen. Ich selber habe einen Einblick in das Leben mancher Bühnenkünstlerin gehabt, und ungesahr müssen wir beide ja wohl zur selben Zeit jung gewesen fein, Herr Rath. Sie waren damals in Magdeburg? Ich kenne Magdeburg. Lassen Sie einmal hören! Welche von der damalige Thcaterheldiniien hatte es Ihnen denn angethan? Ich finde, Sie können sich jetzt sehr ruhig darüber aussprechen. Die Dame muß weiße Haare haben und ist wahrscheinlich Großmutter." Der Rath gab sichtlich nur zaudernd diesem liebenswürdigen Drängen nach. Ich ich war unter Anderen mit einem Fräulein Hannah Jagemann bekannt. Ich weiß nicht " Ah!" sagte Frau Cranz. Die kenne ich, sehen Sie wohl! Die hatte eine etwas romantische Liebesgeschichte mit einem jungen Rcgierungsreferen dar. Die beiden waren nahe daran, durchzubrennen nach Buenos Ayres, glaub' ich. Nun, der Vater des jungen Herrn kam dahinter, und das junge Mädchm wurde auf gute Manier ab geschoben. Der Onkel des Herrn war nämlich Polizeipräsident dort. Und eine unbedeutende Komödiantin nun, Sie begreisen. Und die Geschichte ging dann ganz nüchtern und unpoetisch aus. Der Referendar, der eigentlich sich für einen großen Dichter gehalten hatte, sah ein, daß er sich doch wohl getäuscht hatte, daß die kleine Jagemann keine passende Partie für ihn sei und was haben Sie denn, Herr Rath?" Ich oh, ich ich dachte nur eben" eine erhaltene Erregung quoll in ihm empor. Frau Cranz, wenn ich fragen darf: woher , nein, ich wollte fragen: Wiffen Sie wiffen Sie viel leicht, was aus der jungen Dame ge worden ist?" Vor allem eine alte Dame", klang es zurück. Das ist ja so der Lauf der Welt, bester Herr Rath. Uebrigcns hat auch sie sich getröstet vielleicht etwas später als er, aber doch getröstet, und schließlich sogar eine auffallend gute Partie gemacht. Sie hat dann die Bühne erlassen und ist heute, obgleich kinderlos, eine glückliche und zufriedene Frau Präsidentin. Denken Sie nur einmal an: die kleine Jagcmann die Frau des Chefs eines großen Regie rungsbezirkcs ! Sie hatte es nun ein mal durchaus auf einen Regierungs mann abgesehen, wie es scheint, und der ihrige avancirte schnell und glän zcnd." Sehr merkwürdig!" Der Rath schüttelte gedankenverloren den Kopf. Kaum glaublich ! Und sie ist eine wirklich hohe Beamtengattin geworden, eine respektable Dame der guten Ge kellschaft, eine, der man gar nichts davon anmerkt, daß sie srüher ?" Man sagt das wenigstens ganz all- gemein, wie ich höre. Kein Mensch hat ihr e etwas vorzuwerfen gehabt, ihre künstlerische Vergangenheit bildete weder ein Hinderniß für das Avancement ihres Gatten, noch gesährdete es irgendwie ihre oder seine gesellschaftliche Position. Im Gegentheil: man sagt die guten Formen und die geselligen Talente der grau hätten manches dazu beigetragen, dieselbe zu einer dominirenden in der Sladt zu machen. Sie genießt viel Verehrung, die Frau Präsidentin. Ich meine also: wenn die Liebe der beiden jungen Leute Ihres Herrn Sohnes und der kleinen Komödiantin nur echt ist, wenn es sich da wirklich um eine tiefe HerzenZneizung bandelt und gegen die kleine Komödiantin sonst nichts Ehrenrühriges einzuwenden ist, außer ihrem Stande," die Sprecherin lächelte so möchte der Carriere des Herrn Affeffors auch im Falle er der Be amtenlaufbahn treu bleibt, wohl schwerlich durch diese Verbindung ein Hemmschuh angelegt werden. Wird er aber wirtlich Schriftsteller, der Herr Sohn, nun dann ist die Partie ja ge wiß passend. Und ob er das Werden ausschließlich werden soll, das würde ich. Herr Rath.einsach von der Stärke seines Talents abhängen lassen. Gön nen Sie ihm er ist ja noch jung, wie Sie sagen eine Probezeit. Tann wird sich's ausweisen, ob sein Talent stark genug iß, sein ganzes Leben zu tragen und zu erfüllen, oder ob er eines festen, bürgerlichen Berufs daneben be darf, um gegen äußere Nothund innere Enttäuschung gesichert zu sein. Tas märe in beiden Punkten mein Rath. Vor allem muß man als Vater doch an das Glück seines Sohnes denken, nicht an eigene Wünsche und Hoffnungen, nicht? Wenn es sich freilich bei Ihrem Herrn Sohn auch nur um eine?!eigng Handel sollte, lvie bei jenem Regie rungireferendar, der die Ileme Hauuuh Jage,,! sitzen ließ Ralh Hillmann nierbrach die Sprecherin mit einem starken Räspern Dann ergriff er ihre beide Haube. Er war sichtlich bewegt. Ich danke Ihnen, verehrte Freundin, ich baute Ihnen, und es soll alles so werden, wie Sie mir's vorschlagen. Ja, Sie haben Recht, ich muß allein an meinen Sohn denken. Ihnen darf man folge. Und dies junge Mädchen, das mein Sohn liebt ja, ja, ich werde Erkundigungen über sie einziehen, und wenn nichts sonst gegen sie spricht" Darüber kann ich Sie zusüllia voll ständig beruhigen, Herr Ralh," siel Frau Cranz lächelnd ein, es ist zufül liq meine Nichte. Aber das ift ja ein merkwürdiges Zusammentreffen ! Und nun bedarf es la keinerlei weiterer Erkundigungen mehr. Eine Nichte von Ihnen, der ehrteste FitUndin, wird mir jede Stunde als Schwiegertochter hoch will kommen sein. Möchte sie ihrer Tante nur in icder leder Beziehung glei chen!' Er küßte Frau Cranz beinahe leuriq die and. Na, na !" sagte diese und erhob scherzhaft drohend den Finger. Im wer haben Sie nicht so günstig von mir gedacht, Herr Rath Hillmann! Gnädige Frau!?" rief er bestürzt, fragend, unsicher, während eine fahle Blaffe sein Gesicht bedeckte. Eine furcht- bare Ahnung dämmerte in ihm aus. Sie aber entnahm ihrer Kleidertasche ein zierliches Visitenkarte!!, reichte ihni daraus eine Karte hinüber und tagte: Ich muß mich Jhnen doch nun da wir in gewisse verwandtschaftliche Beziehungen zu einander treten sollen, auch mit vollem Namen und Titel vor stellen, Herr Rath." Nach dem kalkigen Weiß überglühte jetzt ein heiß?s Roth Stirn und Backen des Rathes. Mit pochendem Herzschlag las er: Frau Regierungspräsident vannah Cranz, geborene Jagemann, Ein paar Augenblicke hindurch war ihm zu Muthe, als ob sich die Eide unter ihm ausihate, um ihn hinadzuschlingen. Die Gattin eines hohen Vorgesetzten und seine einstige Geliebte in einer Per- son! Es war etwas viel auf einmal Ihn schwindelte. Gnädigste Frau" er war aufgestanden, er hatte die Hand aus s Herz gepreßt, seine Knie schlotter ten. Und als sie ihn immer nur niit ihrem belustigten Lächeln anblickte, stotterte er: Wenn ich hätte ahnen kirn nen, welche Ehre und wiedererkennen konnte ich Sie ja unmöglich, Ich, ich habe Nicht schön an Ihnen gehandelt aber dasllr soll mein Sohn " er verwirrte sich, der Schweiß perlte ihm in hellen Tropfen von der Stirn. Na, na, na," machte sie und legte ihm ausstehend mitleidig die Hand au die Schulter. feie sehen ja, lieber Rath, es ist mir trotzdem nicht schlecht bekommen. Wir Haben s Beide ver wunden. Jugendthorheiten, Reinhold Hillmann, nicht wahr? Jugendthor heilen. Und jetzt haben mir graue Haare. UcbrigenS: ein bischen von 'ner Komödiantin steckt in der Frau Präst dentm doch immer noch, was? Die Lust am Intriguen, mein' ich. Sehen Sie, ich bin Ihnen noch ein Bekenntniß schul dig " Noch eins?" stammelte der Rath aufseufzend. Ja, ich bin nämlich bloß im Jnter effe meiner Nichte, für die ich nun ein mal ein Faible habe sie soll mir merkwürdig ähneln, innerlich und äußer lich , und auf Rath und Bitten der selben hierhergekommen, um den Vater ihres geliebten Assessors herumzukriegen, verstehen toie? Aber wenn Sie mir gesagt halten," siel der Rath ein, daß dies junge Mcid chen die Nichte eines Präsidenten ist, würde ich ja ohne Weiteres gleich " Ja," lachte sie. Das wußte ich wohl. Aber das wollt' ich eben nicht, begreifen Sie? Man hat fo seinen Stolz. Und nun, lieber Freund, geben Sie mir Ihren Arm und sühren Sie mich nach Hause. Und lassen Sie uns noch ein bischen von alten Tagen plau dern, ja? Wollen Sie? Nachdem alle Bemühungen der Kur gesellschaft, etwas Näheres und mög jichst Nachtheiliges über die unbekannte aufdringliche Frau Cranz in Erfahrung zu bringen, bisher gescheitert waren, brachte ihnen der Zufall eines neu an langenden Kurgastes die Genugthuung, sie plötzlich zu entlarven. Denn dieser schwur, sie in seiner Jugend als Naioe" auf der Bühne seiner Vaterstadt gesehen zu haben. Da war's also endlich her. aus: eine elende Komödiantin! Man hätte sich's denken können. Und nun war der Moment der Rache gikommen. An eben jenem Abend. als Rath Hill mann Frau Cranz an seinem Arm bis an'S Kurhaus geleitet kalte, begab sich eine Deputation der Kurgesellschaft zu ihm in sein Zimmer, um dem höchlichst Erstaunten die Indignation der ge sammle Badegäste darüber auszu drücken, daß es eine Abenteurerin ge wagt habe, seine vornehme Abgeschlos senhcit zu durchdringeri und " Der Rath hörte die wohleingudirte Rede gar nicht zu Ende, sondern unter brach sie mit den Worten: .Meine Herren, ich darf nicht dulden, daß Sie die Gattin meines hohen Vorgesetzten ich selbst bin nur ein ganz simpler Regiernngsralh. habe eS leider nie wei ler gebracht hier beleidigen. Wenn de, Regierungspiäsident Crnnz je er sühre, daß seine Frau hier den Iräiikeiidsten Insinuationen ausgesetzt würde " Als Frau Cranz drei Tage darnach das Badeörtchen erließ, hätte sie sich ein eigenes C?upee miethen niüssen, um alle die Boiiquets z besördern, die ihr von der mit gekümnten Rücken voll Zählig ans dem Bahnhof versamniellen Kurgefellschaft überreicht wurden Sie nahm aber nur lächelnd den kleinen Nelkenstrauß des Rathes in Emvsang und rief diesem, ohne sich sonst um Einen zu kümmern, aus dcni Coup, fenstrr zu: Auf baldiges Wiedersehen zur Hochzeit." Ein 2lchtIkoos. Aus dem Spanische von Paul Ludwig, Meine LebenSgeschichte wollen Sie hören? Nun wohl, aber machen Sie mich, bitte, nicht dasür kranlworllich, wenn Ihnen dieselbe nicht interessant oder seltsam genug erscheint, denn sie gruppirt sich eigentlich nur um eine ein zige kurze Episode. Eines Abends, es war schon recht spät, bot mir ein blasses, kleines Müd chen, dessen Haar der Zugwind arg zer zauste, in der Thür des Cases ein Achtel Laos zum Kauf an. Sie hielt mir ein einziges, das sie einer großen Anzahl entnahm, direct entgegen. Mit welch' liebenswürdig graciösem Lächeln dankte sie mir, als ich es, ohne mich lange z besinnen, nahm. Dies LooS birgt Ihr Schicksal, mein Herr: es ift ei Omen für viel kommen des Glück !" so schmeichelte sie mit der klaren Aussprache der Kinder aus dem Madrider Volke. Bist Du dessen so sicher?" fragte ich sie, um doch auch irgend etwas zu sagen und nicht gar zu unfreundlich zu sein, indem ich das Laos in die Tasche meines Ueberziehers steckte und das kleine Kachenez, das ich zum Schutz gegen den scharfen Nordost umgebunden, etwas höher, bis zum Munde hinauszog, weil ich bei dem barbarischen Decembernedel eine Lungenentzündung zu bekommen fürchtete. Ob ich dessen sicher bin?! Ganz sicher! Oh, wie viel Geld wird eS Ihnen einbringen! Ich hatte die Nummer ganz genau angesehen und nachgezählt, 1420, genau mein Alter, 14 Jahre und 20 Tage. Das habe ich natürlich sofort bemerkt, gleich beim Einkauf meines Vorrathes." Schön, meinKind!" Meine gewohnte Ruhe war durch diese Prophezeiung nicht zu erschüttern, meine gleichgiltige Contenance. an der weder die etwas fragliche Aussicht auf den sicheren Gewinn, noch sonst etwas so leicht rüt teln konnte, blieb völlig unanqesochtcn. nur eine gewisse, großmüihige Regung überkam mich. Wenn das Loos die Prämie erhält, dann gehört die Hälfte des Gewinnes ir. Also spielen wir zusammen!" Wie das kleine schmale Gesicht der jungen Loosverkäuferin vor Freude er klärt aussah, wie viel unbedingte, uner schütterlich feste Zuversicht sprach aus ihrem Ausruf, als sie mich fest und vertrauensvoll am Aermel packte: Wahrhaftig, gnädiger Herr! Bei dem Heil und ewigen Seligkeit Ihres Paters und Ihrer Mutter, alle Zeichen stimmen. Die Nummer ift gut; ich weiß es ganz genau, in vier Tagen wer den mir gewinnen!" Zehn Minuten später hatte ich diese kleine Scene schon völlig vergessen, und das unruhige, trubulöse Großstadtleben ließ mich auch nicht eher wieder daran denken, als bis ich zusällig nach vier Tagen unten auf der Straße Ziehungs liste! Neueste Ziehungslifte!" ausrufen hörte. Mein Diener mußte mir sofort eine heraufholen. Wie gebannt blickte ich auf die erste fettgedruckte Zahl: 1420!! Die Prämie! Meine Nummer! Träume ich denn? Nein, nein, ich träume nicht, ich bin vollständig wach, bei absolut klarer Besinnung! 1420 ist meine Nummer! Tas Alter der kleinen Verkäuferin! Unser Loos! Es war eine recht stattliche Zahl Duros, welche die Summe dort reprä sentirte Eine leichte Verwir rung bemächtigte sich meiner meine Kniee zitterten, meine Hände bebten, ein leiser Schauer überlief mei nen Körper Ich dachte sofort, der Leser möge es mir glauben, an mein Versprechen: ar doch das Kind, das mir mein Schicksal erkündet hatte, mein Glücksengel! Na türlicherweise mußte der Gewinn redlich getheilt werden, denn unsere Verbin dung war eine moralisch ebenso giltige Association, wie irgend eine geschäftliche Abmachung Meine Hände schienen ich törmlich nach der innigen Berührung des glück- spendenden Papierchens zu sehnen. Ich erinnerte mich ganz genau, daß ich es in die äußere Tasche meines Ueberziehers gesteckt hatte, weil es mir unbequem gewesen, denselben erst aus- zuknöpfen Wo mochte mein lleberzieyer leinT Wewiß im Ächtante! Jawohl. Ich fasse in die Taschen, in die äußeren, in die inneren, keine Spur des Lookes. Wüthend klingle ich meinem Diener, gewiß hat er wieder gerade in diesen Tagen meinen Ueberzieher ausgeklopft. Gewiß, antwoitete er mir. ich habe ihn ausgebürstet und geklopft, aber dab,i ift nichts aus den Taschen herausgefallen, nichts, absolut nichts, denn das hätte ich doch wohl gesehen!" Ick sah ihm scharf nd pritsend in die nicht gerade ntizuschlaue Visage, in der aber wirtlich nur Ausrichl, gleit, Treue und Ehrlichkeit z lesen war. Hatte ich ihn doch auch während der ganzen siinf Jahre, welche er in meinen Diensten stand, noch nie auf einer lin redlichleit, ud wäre eS eine noch so kleine gewesen, ertappt. - Acrgcrlich, wüthend, fing ich an z brummen, z schimpfen und zu flu- fipn . . . fAlipftliA lihiiwti iA ein S'Mii an, leuchtete in allen Ecken herum, durchsuchte jeden Winkel, schloß alle Schlöffer aus, zog alle Echiebladen her aus, untersuchte und diirchlramte alle Papiere, jedes Schnitzelchei, wurde re idirt, jedes Streischen angesehen. zn letzt stürzte ich auch noch den Kehrichts kästen um Alles vergeblich! Es ift nichts zu finden und zu constatiren, als das Zit lern meiner Hände, ein bitterer Ge schniack in meinem Munde, ein völliges Ausgetrocknetsein meiner Kehle und eine schäumende, gallige Wuth in meiner Brust. Es war schon sehr spät, als ich mich an jenem Abend auf mein Lager warf und meinen Unmuih und Aerger mit den blaucn, aromatischen Wölkchen einer ächten Elah zusammen wegzubla sen versuchte. Ein heftiger Wortwech sel entspinnt sich ans dem Corridor, ein chimpsk, ei lebhaftes Protestiren und Dkbattiren wird hörbar. Mit einem Mal wird die Thür meines Zim mers ausgerissen und in einem Aihem lachend und och or Empörung schlnch zend, fliegt die kleine Loosoerkänserini auf mich zu. X Gnädiger Herr, unser Locs ist nnt. Hören Sie doch nur, gnädiger Herr, unser, unser Loos ist gezogen !" Ich Unglücklicher! Schon hatte ich das Schlimmste überstanden geglaubt und mich mit möglichst stoischem Gleich muth in mein Pech hineinzuduseln ver sucht, und nun kam erst der eigentliche kritische Moment ! Was thun? Ich be gann zu reden, zu erzählen, zu beichten, wie ein Angellagier seine Schuld ein zugestehen.... ich sagte schlankweg, daß ich das Loos verloren habe, und in Folge dessen gar keine Hoffnung auf Erhalt des Gewinnes da sei. Ich hatte nach der anderen Seite gesehen, jetzt blickte ich, schwer athmend, das Heine Mädchen an. Wie mußten ihre schwor zen Augen jetzt vor Unwillen blitzen, welch M,l;trauen, welch infamer, ent ehrender Zweifel würde ihr Gesicht jetzt wohl ausdrücken. Gerade das Gegentheil. Wohl etwas traurig, aber durchaus nicht empört starrten mich ihre feucht gewordenen Augensterne an, und ganz ernsthaft, nur die Achsel ein wenig dabei zuckend, sagte sie einfach : Bei der Jungfrau ! Herr, wir beide scheinen doch nicht dazu geboren oder auserkoren zu fein " Wie sollte ich dem kleinen, süßen Ge schöpschen sür seine milde Verständniß volle Nachsicht danken, wie seine Un , cigennützig'eit erwidern? Womit konnte i, ich es für seinen Verlust entschädigen und meine große, große Schuld tilgen? Gewissensbisse über meine unverunt Wortliche Nachlässigkeit und die Ueber zeugung. daß ich wirklich für das fer nere Schicksal der Loosverkäufeiin ver antwortlich sei, veranlaßten mich, die selbe in meine Obhut zu nehmen, und so kam es, daß ich sie in mein Haus aufnahm, sie erzog und schließlich nach einigen Jahren heirathrte ! Der letzte seine Stammes. Einer der eingebildetsten und adel stolzesten Menschen des vorigen Jahr Hunderts war der Baron Spane. Der selbe machte einmal eine Reise durch Schweden und verlangte, an einer Post Station angekommen, in herrischem Tone nachPscrden. Es thut mir leid, Ihnen mittheilen zu mllffen, daß Sie noch eine Stunde auf frische Pferde warten müssen", sagte der Pcsthalter. Wie", versetzte der Edelmann in heftigem Tone, das mir? Auf der Stelle will ich Pferde haben." In demselben Augenblick bemerkte er, daß ein paar Pserde an einen anderen Wagen gespannt wurden und schrie: tfm wen sind denn diese da?" Jener Herr dort bat sie bestellt". ersetzte der PostHalter und deutete aur" einen kleinen, untersetzten Mann, der l wenige Schritte von ihnen entfernt stand. Hören Sie, mein lieber Freund." wandte sich der Edelmann an den klei nen Herrn, wollen Sie mir nicht diese Pferde überlassen, wenn ich Ihnen eine gute Abstandssumme zahle?" Bedaure," verietteder andere, .aber ich will sie selbst benutzen." Das wagen Sie mir zu sagen?" rief der Baron empört. Ja, warum denn nicht?" entqegncte der kleine Herr. Vielleicht wissen Sie nicht, wer ich bin?" brauste der andere auf. Mein Herr ich bin der Baron Georg von Spurre, der Letzte meines Stammes." .Das freut mich sehr zu hören," ver setzte der kleine Herr und stieg in seinen Wagen; es wäre auch grüßlich, wenn noch mehr von der Sorte kommen soll ten. Im übrigen gestatten Sie mir, mich Ihnen ebenfalls vorzustellen. Ich bin der König von Schweden." Die Leidenschaft schlügt dort am lcich testen Zvurzel, wo der Sown locker i9 "X ) X