Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, August 27, 1896, Image 3

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    1V
NEBRASKA STAA19 - ANZEIGER. Lincoln tli
DW 4csirimniß utm 3iir
ümiici..
Roüia tan slnrl (!. Stlopftr.
Bei fiiiicnbcr Sonne betrat Her
wann jii:u erste Male feit laugen
Jahren luiebcr die Sdjiofifapclle, um
auch da die iciiiiniSrcitjen der Jngenb
Ltt af,iftiichcn. Er nahm dcu Weg
durch den Safriftrianluui, zu welche,
' dcr Vater den Schlüssel verwahrte.
Als cr hinter dc, rechten Slltar
fliigcl licmnlrat, warf er den ersten
Blick bchiat-c iittniillliirtich nach bet
Wand zu seiner Linken empor. Dort
oben in Stccmierfshühe befand sich das
halbrunde Etlerchen, da Cratorium,"
da die Gräfin zu i,rer tägliche Mor
genandacht unmittelbar von i,rei
chlaslabinett aus betreten konnte,
Jetzt, ,vo die niedergehende Sonne ihre
traljtcn d! liiimuffanbte uud sich in
den Glasscheiben hinter der Vergüte
rung spiegelte, sal, da lirferchcn
freundlicher ans als sonst. Heute hatte
Hermann bei dem beabsichtige Har
tnoniurnsuiclc auch feine Zuhörerschaft
, von da oben zu befürchten ; die Gräfin
war sa nicht zu Hause. Er schritt aus
da Podium an der dem Altar gegen
iiberlieaciiden Wand zu, wo da Har
monium stand, da er öffnete, u,'als
bald ein Präludium zu beginne. Der
Itc Organist drüben im Stadtchen,
bei dem cr als nabe Unterricht gc
nointne, halte ihm in der Musik eine
"Zukunft (jroychezeit. Biellcichl hatte
)ie sich auch erfüllt, wenn dieser loch
begabte, aber zerfahrene Geist e8 ernst
lich daraus angelegt hätte. Dock) die
.große Zukunft" war ihm j auch in so
vielen anderen Fächern vorausgesagt
-vorden, unb an seiner Universalität
war er zu (runde gegangen.
Was diese alte, kleine Hausorgel
doch noch für einen guten Klang hatte!
Hermann vertiefte sich mit immer
wachsender Liebhaberei in sein Spiel.
Plölilich blickte cr auf; war baS
nicht ein leichler Schritt auf dem flei
nernenEfliich gewesen! Ah! Dort am
Altarsliigel stand eine helle Gestalt
Fräulein v. Merkenfcld.
D cr die Sakristei hinter sich nicht
geschlossen hatte, war es leicht zn er
' klaren, wie sie da hereingekommen war.
Dennoch berührte ihn jcht diese &
fcheiming wie etwa Wunderbare.
Eglantine war gerade; verwandelt.
. Ein neuer eist schien in ihr zu
athmen. Zhr Gesicht verrieth eine
sieberischc Aufregung. Oder machte das
nur der Widerschein der intensiven
Abendröthe, der durch die zum Theil
mich noch dmikelroth gefärbten Scheiben
hereinfiel?
Hermann ließ überrascht die Hände
ruhen, und so sahen sie sich einige
Sekunden lautlos an. Da faßte sich die
junge Dame ein Her; und trat eilig
näher. Nein, er hätte sich nicht gc
täuscht, sie stand unter dem Bann einer
ganz außerordentlichen Bewegung,
Jetzt bemerkte er sogar Thränen in
ihren seltsam schönen, klare', sarb
I losen, unergründlich tiefen Augen.
JL Bitte, verzeihen Sie mir," lispelte
j'ff (ich die Worte nur mühsam abrm
gcnd, befangen, als ob er der Gebieter
hier wäre und sie ein Eindringling ;
ich hörte Sie spielen ich wußte
nicht, daß Sie und diese Musik sie
erweckte die wehmüthigsten Erinuerun
gen in mir ach, mein Gott !"
Er sprang von der Estrade herab,
aus'S Neue erschreckt, nd aus sie zu.
Fassen Sie sich, mein Fräulein! Was
ist Zhnen?-
Freilich, Sie wissen nicht, warum
mich das so crgrcist, dieses Stück, ich
habe es seit langem, Langem nicht gc
hört; meine Mutler spielte cS einst
auf dem Harmonium, cS war ihr Lieb
lingsftiick, und ich kann nicht daran
denken, ohne mich rnif'S Tiefste er
schüttert zu fühlen, ich sah meine Mm
ter jedesmal dabei wcincn, und ich
werde ihrer. Anblick in jenen Stunden
nie vergessen, obwohl ich erst ein sechs
jährige Itint war, als sie starb. C,
sagen Sie mir doch, wie heißt diese
her;bevegende Komposition und von
wem ist sie?"
ES ist ein Präludium von Bach!'
Bon Bach,' wiederholte sie leise
und langsam, die Finger an der Brust
verschlingend. ,311), von Bach!"
Kennen Sie Vieles von dem großen
Meister?'
Ach nein, ich bin ja überhaupt nicht
Vfftjifolisch, man verweigerte mir den
qintenicht, obwohl ich so viel Neigung
dazu gehabt hätte; e hieß, die Be
fchaftignng mit der Musik sei meiner
Gesundheit nicht tuttäglich .' Ein
bittere L'ädjcl erschien aus ihren fein
geschwungenen kivpen. Diese Men
sehen mit ihrer albernen Fürsorge!
AIS ob ich darnach fragen wollte,
wenn. Nein, nein, sie hätte mich
geheilt, die göttliche Musik und'
fassen Sie sich, fasse Sie sich,
mein th.'ureS Fräulein!' mahnte Her
mann, Jlne Nerven sind erregt'
Sie strich sich das wirre Vockenwar
us der Stirne und sagte lächelnd:
Sie haben Recht. Ich bin ein vierten
überreizt, die Ueberraschung, dieses
Stück wiederzuholen, da ich seil den
Zeiten meiner Mutter, seit dreizehn
Jahren, nicht vernommen, und von dem
nur der (-efomle an ein Unveigleich
lidic, unendlich Süß:, Erhebende in
mir lebte. Ach bitte, spielen Sie es
noch einmal !'
.Ich würde gerne, aber wenn der
Eindruck'
.I will reckt vernünftig sein, ich
Veriurcdtc e Ihnen!' unterbrach sie
ilm mich. .Ich bin auch schon ganz
1 ruhig. Sehen Sie, da will ich hübsch
stitliitsen u! zuhören!'
Sie setz sich auf die nächste Sitz
dank, so t:v sie da Harmonium vor
sich knie, lehnte sich zurück und faltete
die zarten schlanken Hände im Schoox.
wie ein li'id, das dem Befehle, artig
zu sein. fiiiarC;.
Hen::a.i:i hatte selber ta Verlan
gen, ihren Wunich zu tiinllea und da
eigenartig reizvolle Bild, da sie ta
bot, möglich Ijnge fest vollen.
Und gleich daran' tvm tt sein
Spiel von S'.ttf.. iicch einer Weile
ent isb er leieder u4 dein i'üdchrn-
uiid da erlahmten feine Hände auf den
Tasten vor dem Anblick, der sich ihm bot.
Eglautine saß noch immer mit im
Schooß gefalteten Händen da, aber, da
Haupt war völlig auf die Staute der
Baiifleltiie zurückgesunken t.nd bas e
sich! von einet wächsernen Starre; bnrch
bie halb geöjfnrten Kippen schien kein
Athem mehr zu gehen.
Heiman wollte sie schon, dem ersten
Drang gelu'rchend, laut aniufen. Da,,
aber besann ersieh. Seine Augen Ieuch
teten ans, Leise erhob er sich, stieg von
bem Podium und trat an die Regung
lose heran,
Da icke cr, als habe ihm der letzte
Blick eine hochwiehtige Muthmaßung
bestätigt. Ja, er kannte diesen justand
sehr wohl ; er hatte ihn in den letzte
Jahren oft genug beobachtet, emsig
genug slnditt. Das war hypnotischer
Schlaf.
lind warum denn auch nicht? War
hier nicht Alles vereinigt, was die
wissenschaftliche Erfahrung als Bedin
gnug zum Eintritt der Hypnose kennt?
Für'S Erste die Anlage der jungen
Dame: ihre hysterische Schwäche bei
Blutrnmuth nd Bleichsucht, Dann
die bedruckende Atmosphäre in diesem
fast immer geschlossenen Scannte, und
die Lichteffekte, die das grelle Abend
roth i diesen Nannt warf. Schließlich
die in solchen Fällen schon an und für
sich wunderbar wirkende schwermüthige
Orgelmusik und hier in einer jiot
Position, welche die aufregendsten Er
inneruugen in diesem exaltirten Ge
müthe ansgetufen hatte. Wahrlich,
unter solche Umständen wäre es viel
mehr ein Wunder gewesen, wenn diese
kranken Nerven da Stand gehalten hat
ten! . Ja, diese Licht, diese rothen Glu
theil, die jetzt noch intensiver geworden
waren! Sie tauchten die ganze Sthe
tische Gestalt in Puipur, so daß die
Regungslosigkeit der holde Schläseritt
nicht Beängstigendes mehr hatte. Das
war Dornröschen im Märchenschlafe,
wenn man wollte. Jedenfalls war Her
mann gewiß, niemals eine so liebliche
Mädchenerscheinung geschaut zu habe.
Einen Augenblick dachte er daran,
diese sanft geöffneten Lippen mit
einein Kuß zu berühren ; er wußte ja,
daß sie da nicht erwecken konnte, aber
schon im Begriffe, sich über da seine
Antlitz zu beugen, kämpfte er dieses
Verlangen nieder.
Rein!" sagte er sich. Keine
Dummheiten! Halte Deine fünf
Sinne hübsch beisammen und be
obachte, stndire, experimentire! Und
erwäge lalle Blute, was sich daraus
mache ließe!'
Er war i Fragen des HypnotisinuS
sehr bewandert und kannte alle seine
Erscheinungsformen genau. Er wußte,
baii baS hypnotisirte Jnbivibuum wil
l.nlos ist, daß es dazu gebracht werden
kaun, seine verborgenste Seelezu offen
baren, und mehr noch daß es nicht
nur für die Dauer der jeweiligen Hyp
nose den fremden Eingebungen, Sug
gesiionen' genannt, gehorcht, sondern
daß sich so eine Suggestion auch auf
solche Dinge erstrecken kaun, die in
späterer Zeit und in einem sonst durch
aus normalen, also wachen' Zustande
gethan, gedacht oder empfunden werden
sollen. Er war Zeuge gewesen, wie
einem Hypnotisirte ein Schlüssel ans
den Rücken gelegt wutde mit der Sug
geftion, dieses Eisen sei glühend, und
der Mann trug eine wirkliche Brand
wunde in Form eine Schlüssel davon
sThatsache, von Professor Nrafsl-Ebing
in Wien berichtet). Er wußte von
einer Dame, der suggerirt worden war,
sie solle drei Monate später, an dem
und dem Tage, zu der und der Minute,
ohne dabei in hüpnotischen Schlaf zu
fallen, einer bestimmten, ihr zur Zeit
aber noch durchaus fremden Person
eine gewisse Phrase sagen, in einer
Sprache, die sie vordem nie vernommen
hatte, und da Bersuchsodjekt' fährte
den Befehl genauestenS aus, ohne zu
wissen, daß es damit einer Eingebung
gehorchte. Die Eingebung von etwas
erst später zn Bollsührendem heißt
posthypnvtilche Suggestion.'
Zunächst wollte sich Hermann über
zeugen, ob ir Einfluß auf die Hyxno
lische üben könne und wie weil dieser
reiche. Er legte ihr die Hand ans bie
Stirne. Ein leichte Zittern flog über
ihre halb geschlossenen Augenliber.
Jubem er sn mit ihr in Berührung
staub, warf er einen Blick hinter sich,
wieber nach dem Oratorium einvor,
dann einen ziveiten zu dem Altarsliigel
hinüber, hinter welchem sich die Sa
kristeithnr befand.
lind da sagte Eglantine, ohne sich
zu rühren, mit leiser Stimme: Es
kann Sie Niemand stören, die Tante
ist fort, und wenn Jemand dott hinten
durch die Sakristei eintreten wollte, so
würden Sie ja seine Schritte hören,
mn mich och rechtzeitig zu erwecke,'
Hermann trat überrascht zurück ;
seine Miene leuchtete im Triumph,
Vortrefflich! Eglantine hatte ohne
Austorderung hierzu seine (Vedauken
gelesen; die bloße Handauslegimg
hatte genügt, seine Gedanken aus sie z
übertragen. Wahrhaftig, da durste er
eine Empfänglichkeit für hppnotische
Eingebungen, eine Suggestidlitäf
erwarten, wie sie ihm noch nicht sorge
kommen war !
Tairnji-u er ihr wieder näher, jedoch
ohne sie anzurühren. Er sirirte sie
nur mit seinem Blick, al er sie halb
laut ansprach: Berstehcn Sie, wa
ich Ihnen jage?'
Pollkommen,- erwiderte sie. mcie
können noch leiser sprechen."
Werden Sie mir Alle sagen, mt
ich von Ihnen zu wissen begehre?'
Fragen Sicund ich Iverdc antwer
ten!' Sie werden mir auch in Allem ge
horchen, wa ich Ihnen aufzutrage jiir
gut sindc?"
Ich mß ja."
Sehr ricniig Sie müssen!"
Ich muß!' wiederdolte sie, als
präge sie sich den Beiehl ein.
Wissen Sie, daß Sie krank sind?"
O ja.'
Und worin belicht diese Xrantheit
im Wesentlichen?"
I einer Ner.vnschwäche."
. Wissen Sie da nriei:t. insUirrrn
ypnotischrn Schlafe, oder ist cS Ihnen
auch zu anderer ,zat bewußt?"
O, sie hält s',ch fit, noch weit klän
ker, als sie ivirklich ist!"
Sie? Wer?"
Eglantine, die sichtbare."
Ah! Warum sagt dann Eglanlkie,
die unsichtbare, ihrer sichtbaren Schwc
stcr nicht die Wahrheit?"
Sie s indes nicht die Verbindung
mit ihr, darum ist sie ja eben die un
sichtbare. Sie ersteht nur in Träume,
von denen die Ändere, sobald sie er
wacht, nichts weiß."
Das ist ein Unglück für Eglanline ! "
Gewiß, denn der Stummer über die
vermeintliche. Unheilbaikeit ihrerKraut
heil nagt unaufhörlich au ihr. Sie ver
birgt ih und wird daran zu Grunde
gehe."
Nicht möglich!"
O doch, doch!" behauptete die un
sichtbare" Eglantine mit eigensinnigem
Nachdruck. Sie wird daran sterben.
Die EinUildung wird ja das Uebel ver
stärken." Hermann hielt den Alhem an. Ha,
welche Entscheidung da in seine Hand
gegeben war! Er begriff, daß die Hyp
notisirtc eine grausame Wahrheit ans
sprach. Eglanlinens Krankheit war
eine von jenen Ncrvenftornngen, die,
unter dem Name der Hysterie zujam
mengesaßt, eines der dunkelsten Ge
biete der Nervenkrankheiten bilden.
In diesem Zustande sind Einbildn,,
gen, die den Eharakter von Selbstsug
gesamten besitzen, oft nnübersteigliche
Hindernisse für den Arzt, der heilen
möchte. Ader da cr nun durch diese
Vermittelung des zweiten Ich in der
Seele der Kranken die Hanptwmzel
des Uebels kannte, war ihm auch schon
das Heilmittel dazu geoffenbart: er
brachte Eglanline jetzt einfach nur den
Befehl zu geben, gesund werben zu
wollen, sich der TobeSgebanken zu ent
schlage nd ihre Schwäche mit aller
Energie zu besiegen und sie mußte ge
horchen, ES stand also bei ihm, ihr ein
neue Leben zu schenke, oder sie Uni
kommen zu lassen, oder auch ihr Ende
zu beschleunige, sobald er ihr die feste
Ueberzeugung des unmittelbar bevor
stehenden Todes einimpfte.
Und da fühlte er sich wie ei Gott
vor seiner Kreatur; er konnte sie ret
ten, er konnte sie zerbrechen, wie es
ihm gefiel, eö bedürfte dazu nur cini
ger Worte!
Halte nn Dich und überlege!"
mahnte er sich hier abermals. Sie
könnten gesund werde, wenn ich
wollte," sagte cr bann.
Ich weiß, Sie brauchten es mir
nur zu befehlen. Aber, bitte, thun Sie
bas nicht!"
O, Sie sollen gesund werde, Sie
müssen gesund werbe! Wann sträu
ben Sie sich dagegen?"
Eglantine hat ihren Eltern ver
sprochc, bald zu ihnen in den Himmel
zu kommen, "
Hermann biß sich auf die Lippe.
Eine mitleidige Rührung zuckte in ihm
auf. Mit um so größerer Energie be
harrte er da jedoch auf dem Vorsatze,
nur den Verstand zu Wort kommen zu
lassen. Nein, überspannte Hetze
tcgungen mußten wenigstens vor
läufig ganz und gar au dein Spiele
bleiben !
'Das ist Kinderei !" sagte er streng.
Wie konnte Eglantine etwas ver
sprechen, das einem Selbstmord gleich
kommt, und wie kann sie einem solchen
thörichten Thun die Bedeutung eine
heiligen Gelübdes beimessen?"
Sie folgt damit nur dem Beispiele
ihrer armen Mutter, Dcr Vater fiel
im Kriege vor Paris, und die Mutt::
stieg ihm ein Jahr später in' Grab
nach ; die Leute sagten, sie sei au
Gram um ihn gestorben, und er habe
sie geholt."
Ja. ja, Geschwätz der Dienstboten,
wie es einer Kindessccle schon sooft
zum Verhängnis! geworden ist,"
Ach, bitte, schelten Sie nicht so!"
lispelte die Schlafende verschüchtert.
Und Eglantine muß diese söge
nannte Gelübde, da sie i kindischem
Unverstand als bindend abgelegt zu
haben glaubt, doch auch schmerzlich
empfinden, da Sie ja sagen, es bereite
ihr Klimmer, den vermeintlich sicheren
baldigen Tod vor Augen zu haben?"
Ja, ja," hauchte das Mädchen.
Jetzt wurde sie also lieber nicht
sterben?"
Eglantine gab keine Antwort.
Sprechen Sie doch!" befahl cr her
rijch. Warum würde Eglantine nun
leben mögen?"
Weil sie liebt," kam es kaum
hörbar von den keuschen Mädchenlippen.
Ah ! Den Baron Brüuow?"
Ja ihn!"
Und dennoch weisen Sie seine Wer
bung zurück?"
Mein Galt ! Kann ich denn ander?
Was soll ihm eine Todeslandidaiin?
Eglantine muß sa nun sterben, daran
ist nicht mehr z ändern."
Hermann nickte. Jetzt verstand er
ihre Haltung dem Baron gegenüber
vollkommen. Sie liebte ihn und durfte
e ihn nicht ahnen lassen, denn sie
konnte wol voraussehen, daß er sie
unausgesetzt beitmnie und ihr da Ge
heininiß. die Ursachen zudei Venveige
rung eines EhebnndeS entreißen würde,
ja, daß er diese Ursachen vielleicht gar
nicht gelten lassen wurde. Und da
glaubte sie, stark sei zu müssen, weil
cr keine Todesiandidatin" heimführe
dürfte.
ES ergriff ihn plötzlich mit wüthen
der Eifersucht ! Warum die Liebe die
se reizenden Geschöpfe einem Manne
gönnen, de sie ach der Vage der
Dinge doch nie erfreuen sollte? Er
selbst, er, er nur der Einzige, der sie
rette k?nnte. Und sollte er sie rette,
um sie Jenem in die Arme zu sichren?
Freilich, dcr Freiherr wurde c wohl
zu lohnen wissen, wenn tr seiner Heil
sanft eine liebende, schone Vreut zu
verdanken hatte, ein n,e,u"r, frische
Weib, d? ihm buchende indcr I
Erben seine Namen trlxnien konnte.
Und eine reiche Mi !,',, war ja auch
dabei und ivxtx. beim lere der (v;ra
sin. 6.1 tav.c Vermögen der Ebcr?
xergc das lißt.wenü die Wittrre Ms
rawiliöli dabei bekäme, ihren Zekn
nickn anetkemen zi wollen, lind will
lich. da? jchie inr feiler Ei'tsHIn?.
Hermann orr.ütc die " -..'i c.; di
Stirne. Dii"; ich ein wäre!"
durchzuckte e ihn. Wen ich die dem
Tode Entgegengehend,: den, Grabe ent
reiße. t;:n sie mein Geschöpf, uud
da will i:!, ei ich für mich behalten!"
Schon i'.c.rli a im Begriff, sich mit
biefem Ei, ich!v!j an die Hupuotisirte
zu wenden, da rief er sich zum dritte
Male zur Verfiel.
E galt aui'o gründlichste z über
lege, lind er konnte ja ruhig warten,
er brauchte nicht zu überstürzen; eine
spätere Gelegenheit, diesen ihm unter
thauen Willen ans' Nette zu bannen,
würde sich leicht finde lasse. Seine
Eljahru.lgeh hatten ihn zueem auch
gelehrt, daß die Zuggeftibilitat" der
HiVnoiische mit jeder Wiederholung
der Eiiischlaseruug zunimmt. Um so
sicherer war er dann seiner Sache.
Envachen Sie!" sagte er und blies
gegen ihre Stirne,
Augenblicklich erhob sich Eglantine,
durchaus nicht wie au einem Schlaf
erwachend, uud sprach, als ob er sein
Spiel eben jetzt erst unterbrochen hätte:
Warum spielen Sie nicht weiter?
Sie sehe doch, ich war bereit, Ihnen
ohne weitere Erregung zuzuhören."
Hermann faßte sich rasch genug, um
ihr nicht weniger unbefangen antwor
teil zu könne:
Ich habe den letzten Theil nicht
mehr völlig im Gedächtniß, und dann
fürchte ich doch, daß e Jhne nicht
gut thut, so still zn sitze nd Ihre
ganze Aufmerksamkeit nnf ei Musik
stück zu konzcntriren, das"
Sie lächelte. Gefallen Sie' sich
auch in der siren Idee, mich durchaus
krank zu finden?"
Wer thut das noch?" fragte er rasch,
Sie erröthetc und entgegnen aus
weichend : Nun, im Pensionat war
es die Vorsteherin, die diesen thörich
ten Gedanken ausgeheckt hat, Sie hat
der Tante darum den Rath gegeben,
mich, eine Fünfzehnjährige, die noch
sehr des Unterrichtes bedurft hätte, aus
der Schule zu nehmen uud hier wur
den mir die Bücher verboten."
lind man that Recht daran," sagte
er im verweisenden Tone eines streu
gcn Arztes. Ich finde, man ist noch
viel z sorglos und es wird i Ihrer
Pflege nd Diät viel versäumt. Frei
lich sind Sie am leisten selbst schuld;
Sie tauschen Ihre Umgebung geflif
fentlich," Da richtete sie sich stolz auf. Wer
sagt Ihnen da? Und wenn ich eö
thäte, so könnte ich Ihnen lein Recht
einräumen, mir Ihre Rathschläge aus
zuuöthigen." Es ivar aber doch weniger Ent-
rüstuiig, als Bestürzung über seinen
anscheinende ärztliche Scharsblick,
was jie bewog, ihm den Rnaen zu keh
ren und sich eilig zu entfernen.
Vortrefflich!" murmelte er mit Ge
nugkliumig, als sie in der Sakristei
verschwand.
Er schloß das Hannoninm und ver
ließ hierauf gleichfalls die Kapelle,
s, !kapitel.
Eglantine lief behende Über den Hof,
durch die Einsahrt, die Treppe hinan
nach ihren Zimmern. Erst da angc
langt, hielt sie inne und preßie die
Hand auf das hoch klopfende Her;,
Warum war ihr auf einmal so Angst
geworden da drnben in der Kapelle?
Was mußte dieser Herr Plock denlen,
als er sie so plötzlich cutsliehen sah,
gerade IS fürchte sie sich vor ihm!
Und sie hatte ihm doch eine hoch
miithige Zurückweisung seiner unge
betenen Rathschläge gegenüber ; Theil
werden lassen wollen. Wie sich der
Mann aber auch halte erlühnen tön
nen, ihr im Tone eines strenge Hof
Meisters vorzuwerfen, daß sie ihre Um
gebung täusche ! Worin denn? Mit
ihrer Krankheit hatte er wirklich nur
da gemeint? Hatte cr nicht so ausge
sehen, al wisse er noch weit mchr von
bei was sie in sich verschlossen hielt?
Da schoß ihr ba Blut zu Kopf. Ver
geblich sagte sie sich, baß es doch un
sinnig sei, anzunehmen, daß er auch
etwas von ihren Gesiihlen für HanS v.
Briinow errathen habe. Sie konnte den
ö-edanken nicht los werden, daß der
Mensch mit seinem durchdriiigenlxn
Blick das große Geheimniß in ihrer
Brust gelesen habe. Und sc eifriger sie
sich das auszureden versuchte, desto
banger ivurde ihr. Es war ihr, als
müsse sie vor diesem Manne Schutz
suche, noch weiter vor ihm fliehen
wohin? Ach, an eine treue, starke
Biust, die ihr Stütze bot, die sie
tvärnite und bettete wie ein schcues
Kind. Und ja, sie wußte, wo sie
diese Brust gesunden hätte, den Arm,
dcr sic licbcud umschlungen und gehal
ten und jede Verfolgung von ihr bqc
wehrt hatte, -chon bei dem Gebauten
an diesen sicheren Hort wurde ihr Herz
ruhiger. Und warm dmstc sic diesen
heiß cisehnten Schutz nicht aufsuchen,
da sie de Weg dahin doch so gut
kannte?
Sie mußte sich wirklich erst darauf
besinne. nS sie abhielt. Doch frei
lich, freilich, sie hatte sich ja oft
genug vorgehalten in de schlastosen
Nachten, in denen jie ihr Kissen mit
Thränen benetzte und der Name
Hau" ouf ihre bebenden Lippen
schwebte. Tie eiste Berührung seiner
Hand hatte den Keim dieser tchnierz
vollen, 'mzlnckielige Viebe in ihre.
Seele gewerten. lind jetzt glaubte sic,
e laqc schon ei langn -ZVitrau; seit
dem hinter ihr. Sic glaubte schon batb
und halb verwunde zu haben, und ü
auf einmal dieser böic Riickfatl? lhd
iva da Meilwuidigsic dabei war: die
Grunde, die sie bei ,i:ge ihre Her
zen at Hindernüie cniaeqengeschlcn
bett hatte, sie wellten nun auf einmal
nicht mehr so recht verlangen. Waren
sie denn nicht mehr voi banden, waren
sie geriilgsiigiger qei?vlee? Vaß dock,
sehen ! Du imißl a sterben!" Wer
sagt da?
Sie !!a:f de Kom auf und se.h
sich, at hatte da wirltich ein beser
Feind liiiiter ihr g,srcM, ein Ta
rn cm, gegen den sie sich allen Kraf
ten u-eliren wollte.
Tann legte sie die Finger an die
Schtasc und ließ fick in einen Petster
sliilil nieder, .ernstlich iibctlean:?.
waraiii im eenit oer vcctoige not ai iv
gewiß nd unanweichlich erschienen
war. War e denn so ausgemacht?
Ware nicht Leute vom Sterbelager
aufgestanden und wider Erwarten aller
Aerzte genesen? lind ihr hatte ja och
kein Arzt so ei Zodesuriheil gespro
che. Warum hatte sie sich ei solche
also so fest in de Kopf gesetzt? Tll'
nach! Da sah sie die Mutter im
Sarge, sah sich davor knie nd den
letzte Kuß aus die kalte Lippen der
Verstorbene drücken. Ja, sic war
dahin, die Theure, Über alle Maßen
Geliebte, dahin für immer ! Seltsam,
daß fic sich erst jetzt so recht eigentlich
entfernt von dieser lieben Todte
fühlte! Sie hatte mit ihr bisher!
einer rigrthiimlichen 'Verbindung ge
standen ; die Trennung war ihr nur wie
eine vorübergehende erschienen, ihr
eigenes Erdendajei als etwas Jnteri
mistische, ihre eigentliche Heirnalh
hatte sic schon da drüben" gewußt,
wo sie mit der Mutter wieder zusam
mentressen sollte, und bald, gar
bald. Und jetzt war es nicht, als ob
diese Band mit einem Male zerrissen
wäre, nIS ob ihr die geliebte Todte
zum zweite Male und erst jetzt so
eigentlich gestorben wäre? Wie kam
da nur, wie kam da mir? Hatte sie
denn der Mutter nicht gelobt, 'ihr ach
zusolgen, sobald sie rufen würde? Und
dieser Ruf, der ihr täglich deutlicher
im Ohre geklungen, war er nicht plötz
lich verstummt? Zürnte ihr die Mutter,
daß sie so durchaus von ihr gewichen
war? Nein, nein, Eglantine war es
vielmehr, als lvnne sie die Todte über
ihr lächeln sehen. Ein frommes, aber
kindisch thörichte Gelübde, nd eine
Sünde, wenn Du Dich bei cnvacheiider
Vernunft noch länger daran Hammer
solltest!" Wer blies ihr das ein?
Warum war sie niemals och auf die
seS klare, einfache, packende Woit ge
kommen, das sie plötzlich mit einem
ganz neuen Geist beseelte, gerade so,
als wäre die gegenwärtige Minute die
Scheidegrenze zwischen einer träum
befangenen Kindheit unb einer geistigen
Reise? Die Freude am Sterbe, die
sie in sich förmlich gehätschelt nd
auferzogen hatte, die war freilich schon
gewichen, als die Liebe bei ihr einge
zogen war, über Freude am Leben,
Glaube an das Lebe hatte sie ihr bis
lang nicht einzuflößen vermocht. Doch
jetzt war da nicht wilde, unbändige
Sehnsucht nach gesundem, überspru-
delndem Leben, was sie da ergriff?
Leben, ja leben, um zu lieben, glück
lich zu werden und zu beglücken !
Sie eilte an' Fenster und lehnte
sich hinaus. Da int Schloßhose, der
nach Osten ging, herrschte schon starke
Dämmerung,' in welche der Mond seine
ersten leuchtenden Strahlen warf.
Eglantine athmete die balsamische
Luft mit durstigen Züge ein. Horch!
war das nicht der Schlag einer Nachti
gall ans dem nächtigen Dickicht des
Parkes her?
Da tvnrde sie durch ein polterndes
Geräusch gestört. Das war ein Wagen,
der durch die Thoreinsahrt rollte. Ja
freilich, die Taute war'S, die heimkam,
aber nicht allein, sonder die Baronin
Briinow saß an ihrer Seite ! Was siel
dieser unvorsichtigen alten srau nur
ein, so spät noch mit herüber zu kom
men? Eglanline fühlte sich sehr unbehag
lich. Die Kraft, die sie eben noch in
ihren Gliedern gespürt zu haben
meinte, schien sich verflüchtigen zu
wollen. Nein, nein sie wollte die
Baronin nicht sehen, wenigstens jetzt
nicht! Sie war nicht im Stande, ihr
ruhig entgegenzutreten.
Aber bald kehrte die Besonnenheit
zurück, Sie mußte sich sage, daß sie
gerade durch ihre Znriickgezagenheit An
laß bieten würde, sie auszusuchen und
nach dem Gründe ihres Benehmens zu
fragen, Sie konnte unmöglich dem aus
weichen, de Gast des Hauses zu be
grüße. Mit einem encrgischcn Entschlüsse
raffte sie sich auf, um nach dem Salon
der Tantc am anderen Ende de Korri
dors hinüberzugehen. Sie zündete blo
eine Kerze vor dem hohen Pfeilerfpiegel
an, um ihr Haar ci wenig z ordnen
und ctwaige Spuren ihrer Aufregung
zu verwischen.
Da klopfte c auch schon an die Thür
vom Vorzimmer her.
Ich lommc gleich!" rief Eglantine,
in dcr Mcinuilg, ei Diener, von der
Tante geschickt, wolle sie bereit holen.
Ei gelinder Schreck durchzuckte sie
dann, als die Thüre aufging, ui die
Baronin Briinow einzulassen. E war
eine kleine, rundliche Dame, rosig und
lächelnd, mit einer Stimme, in der
sich allein schon das Wohlwollen und
der gesunde Hunior einer unverwüft
lichen Lebenskiiiiftlerin ausdrückten.
Wäre nicht der Krückstock in ihrer flei
schigen Rechten gewesen, ans den sic
sich bei ihrem schleppenden Gange
stützte; au ihrem Wesen hätte man
wahrlich nicht errathen können, baß sic
sich schon seit Jahren mit diesem
vertrackten Zipperlein herumbalgte,"
um ihre eigenen drastischen Worte zu
gebraucheil,
Sieh' da, mein Lindchen, vor dem
Spiegel? Das lob' ich mir. denn dann
ist's doch nicht so schlimm mit dem
Unwohlsein, da nn verhindert hat,
die alte Eule auf Rebenftein heimzu
suchen. Ich fürelitete schon, mein Piipp
chen läge schachmatt darnieder, und da
konnt' ich nicht umhin, mich persönlich
nach ihr zu crlundigen, weil ich ja die
Stelzen wieder rühren kann, wie Sie
sehen. '
Eglanline verbarg ihre Vcrlcgenlieit
hinter der zärtlichen Fürsorge, mit der
sie die alte Baronin Briinow zu dem
Divan geleitete und ihr da einen de- !
guemen Play mit Fußschemel i:nd
Rücklisi'en bereitete. Dabei warf sie
einen Blick noch der Eingangsthiir,
den die Baronin gleich aussing.
Nein, ich komme allein,' sagte sie
nach einigem Aechzen und gemurmelten
Verwünschungen, die den schmerzenden
stelzen' galten. .Ich hab' mir
trtra an!; beten, mit Ihnen ganz
ungestört rlaiideru zu dürfen.
setzen sie iicli neben mich! Nein, las
sen Sie keine Viiiiler mehr ! Wozu
denn Ich jinde ci so reckt Iiaulich.
Uud Sie im neu I, im naae guic
Auge, in mich zu überzeuge, ,!
Beispiel gleich: daß mein kleiner
Liebling zur Stunde Überraschend gut
aussieht. Da hätte wir ja aus ci-
mal ganz prächtige Blut i den Wa
gen!'
Sie tätschelte Eglaiitinc auf die
Backe, uud diese crröthete noch mehr.
Bravo! So ist'S gut! Und dieser
frische Blick! Mein hochgeehrte Fräu
lein, wissen Sie, daß Sic ein ganz
verteufelt netter kleiner Käser sind?
Wenn Sie mich nicht schon langst be
zaubert hätten, so müßt' e jetzt ge
schehen. Gebe, Sic mir eine Kuß ! "
Und die gute Frau küßte das Mäd
chen mit einer Entschiedenheit, dic mit
ihrer derbe Ausdrucksweise vollkom
me Übereinstimmte.
Ja, so muß c komme ! Da Sie
sich seit einiger Zeit bei mir nicht
mehr sehe lasse wollen, bleibt mir
nichts Andere übrig, als daß ich Sie
aussuche, ich mit ,bieser Satansgicht,
deren sich ci altcr, in Schlachte er
grauter Generalfeldmaischall nicht zu
schämen brauchte. Wirst Du Ruh'
geben, sag' ich!" Diese energische
Weisung, von einem Puff mit dem
lrtock gegen da eine ausgestreckte
Bein begleitet, war eben an die Sa
tansgicht" adressirt. Sehen Sie, jetzt
gibt'S wirklich Ruh'! Ich stehe zu
meinem Uebel in einem Verhältniß wie
etwa z einem bissigen Köter. Wie ich
mich mit ihm herumschlage, ich bring'
cS nicht los. Aber sich ulcrkriegen
lassen? Nee, da gibt'S bei mir doch
niemals nicht! Wen' z toll wird,
verjag' ich die Bestie doch immer wie
der so weit, m mir ei bischen Lust zu
verschaffen. ES ist eigentlich crbärm
(ich, wie ich als Frau daz komme, mir
so eine Krankheit gefallen zu lassen,
dic doch iiicist nur ftti die Männer auf
der Welt ist. Meinen Sie nicht auch?
Da .muß man es wohl mtschuldigen,
wen ich mir zur Bekämpfung dieses
martialischen Uebels auch ein bischen
vom Kasernenton eines alte Korpo
rals angewöhnt habe. Mein Seliger
konnte gut lachen darüber ; der trug an
den Beinen blos die rothen Generals
sireisen und ich nn seiner Statt diese
Zipperlein,"
Ich fühle mich wirklich sehr be
schämt, daß Sie sich um meinetwillen
herüber bemüht haben," sagte Eglan
kitte zerknirscht. Der srohe Muth,
mit welchem Sie, gnädige Frau, Ihr
Leiden Überwinden, hätte mir ein Bei
spiel sein sollen."
Sie sagte das mit noch weit mehr
Aufrichtigkeit, als die Baronin ahnen
konnte.
Sie kleine Diplomatin! Als vb ich
nicht recht gut wüßte, was Sic eigent
lich veranlaßt, Rebenstein in neuester
Zeit zu meiden."
Fra Baronin!"
Ach, warum wollen wir uS Aus
flüchte vormachen und wie die Katze
um den heißen Brei hentmschlrichen?
Sie können ihn einfach nicht leiden
und damit basta ! lieber Geschmacks
sachen läßt sich nicht streiten."
Wie wie meinen Sie?" stotterte
Eglantine. Sie glaubte nicht recht zu
hören. Wenn sich das auf den Sohn der
alten Dame bezog, so mußte sich diese
aus einmal mit einer Ansicht abgesutt
den haben, dic sic früher nie hatte gel
ten lassen wollen,
Na, meinen Hans mein' ich, wen
denn sonst? Sie brauchen auch nicht zu
erschrecken der gar nach Ausslüchten
zn suchen. Wir können ganz aufrichtig
ipit einander reden. Vielleicht haben
Sie bemerkt, daß ich es gern gesehen
hätte, wenn sich zwischen Euch Zwei
Beiden so ein Techtelmechtel attge
spönnen hätte, wie?"
Ob Eglantine das bemerkt hatte!
Wäre ihr nicht so furchtbar beklommen
zu Muthe geivesen, so hätte sie lächeln
müssen.
Ich sage Ihnen ja, jetzt können
wir'S ganz ungcnirt sSsprcchcn-Sic
Ihre Avcrsion gegen ihn und ich
meine kurzsichtigen Verntittlnngspläne.
Jetzt kann ja so wie so nityt daraus
werden,"
Eglantine holte tief Athem.
Sie haben Recht, daß Sie erleich
tert ausathmcn! Ich weiß jetzt, daß
ich Ihnen 'ncn Scin vom Herze
nehme, begreise jaganzwohl, wiepein
lich es Ihnen gewesen wäre, Ihrer
alte Freundin, die Sie so lauge nicht
verstehen wollte, einen Nascttstaber zu
geben. Gottlob, diese Wolke ist also
vorübergegangen! Sie können nun auch
wieder zu uns 'riibertoniaien, ohne
eine Begegnung mit dem Junge
fürchte zu müssen. Morgen stich kehrt
er nach Brcslau zurück."
Eglantine fühlte einen Stich durch
ihre Brust gehen. Sie wollte nichts
fragen, aber da dic Baronin ihrc ganz
beiläufige Mitthcilung über Hans da
abbrechen und auf ein anderes Thema
übergehen z wollen schien, konnte sie
doch nicht umhin, etwas eiiizmversen.
Der Herr Baron reist ab? Ich
dachte doch, sein Urlaub liefe noch län
gere Zeit?"
.Allerdings. Aber cr hat fich's plötz
lich ander überlegt. Er hat heule stich
ein Briefchen bekommen : ich sollte
den Inhalt nicht kennen lernen, denn
er verbarg c mir alobald; ich hab'S
aber, als Jan die Post in der Mappe
heimbrachte, zufällig vorher gesehen,
baS heißt nur so viel wie den Post
stempel von BreSla auf der Marke
und dic weibliche Handschrift der
Adresse, und habe bemerkt, daß e nach
Pateliouli oder dergleichen stank bir!
Ich hasse die Parfums, das wissen
Sie ja, unb konnte dergleichen mein
Lebtag nicht ausstehen, nicht erst seit
dem etwa, daß ich mir einbilde, alle
starken i'crnc! schlügen sich auf mein
Podagra "
Ja, ja, unterbrach da Eglantine
ktw ungeduldig diese ermüdende
Abschweifung. .Ein Brief also, sagte
Sic, aus Brestau?"
Richtig. Und bieie Ding scheint
ihn so plötzlich abznrnien. Er wollte
lange nicht mit der Farbe heraus, ich
hab schon ien ganze Vormittag be
merkt, wii er b rau b:ruinbruette. ent
vor ein paar Stunden überraschte rr
un mit der Mittheili::,,!. d.: er fort
müsse.. Die Broni s.mztc schwer
betl
All, Sorten Whiökies,
Brandies, Weine usw,
in, retail und whole
sal ' tti
H WQLTEMADE,
12(i südl. 10. Strasze.
F. Lange & Co
(gritz Lange und Peter Pommerj
11!) südl. Str. Lineoln
Wein- und Bicr
Wirtbsch-.ft.
Tick Lro vorzügliche! Bir immer
irisch m Zats. Gute Wkiak und Li
aueure; seine tZigzrie !.
mir. ,?tvcr wa reden wir weiter dar
über? Ihnen wird c genüge, die er
frenliche Thalsache ztt erfahre, daß
Hau geht; wa ich für betrübende
Muthmaßungen an dicsc jähe Et
schlug knüpfe, da kann Sie natürlich
nicht interessire. Also nicht mehr
divvn ! Apropos, ist das widerspen
stige Pferd, der Fuchs, den Sie da
unten im Stalle haben, jetzt wirklich
zur Raison gebracht worden?"
Ich weiß es nicht. Sie irren aber,
Frau Baronin, wenn Sie glauben, ich
interessire mich so wenig für die Dinge,
dic Ihnen nahe gehen. E würde mir
sehr leid thun, wenn Ihnen Ihr Herr
Sohn Kummer bereiten sollte."
Sie gutes Herzchen ! Na ja, daß
ich' Ihnen gestehe: ich fürchte, der
Jnnge ist im Begriff, einen dummen
Streich zu machen. Den hindern zu
wollen, da wäre vergeblich; er ist
inajoreiin und hat in gewissen Sachen
einen eisernen Schädel, dc hat cr
nebenbei gesagt von mir. Nn sehe
Sie doch, was kömite ich Ihn, wenn
der Unglücksmensch ans dic Idee käme,
sich zum Beispiel in ci verrücktes
Liebesverhältuiß z stürze? Er Ware
ja nicht der Erste, der i der Berzweif
litiig sei LebeiiSgliick mit Füße ,,e
treten hat, "
I der Verzweiflung? Was' '"i
Tic da?' stammelte Eglantine erblei
chend und wollte sich erheben. Wie
löulie Sie da so ruhig zusehe? Sic
müsse dazwischen treten Sie müssen
ach Gott! Sie besitzen doch sonst so
viel Energie, und bedenken Sic : wenn
es sich um das Lebensglück Ihre ein
zigen Sohne handelt "
Sie tonnte nicht weiter. Einc Silbc
noch, und sie Hütte da Schluchze her
vorbrechen lasse müssen, da sie in
ihrer Brust aufquellen fühlte.
Sie wandte sich ab, um ihre Thrä
ncn z verbergen.
AI sich die Baronin aber nicht
rührte, da mußte sie sich nach einer
Weile doch wieder nach ihr umsehen,
Und da sah sie die gute Alte mit
einem Gesichte, da ganz i Heiterkeit
getaucht war, r.oth und glänzend wie ei
BorsdorserApsel.
Verrath !" schrie Eglantine, nnüber
legt genug auf, al sie nun mit einem
Male begriff, wie gründlich ihr uner
fahrenes Herz da aus den Leim gegan
gen war.
Jetzt erhob sich auch die Baronin mit
einer Behendigkeit, alö ob sie nie etwas
von Gicht gewußt hätte. Verrath,
sagen Sie? Wer übt Verrath oder
wer hat sich verrathen? Vielleicht Du,
mein allerliebstes Zuckerplätzchen?
Komm, laß Dich küssen. Tu gott
begnadete Unschuld! Nein, nein, jetzt
entkommst Du mir nicht mehr!
bleibst da, und ich lass' Dich nicht eher,
bis Du mir Dein wuderlic!,es Herz
völlig ausgeschüttet hast, dieses tomische
Ding, das erst in eine plumpe Falle
stolpern mußte, bis kö sich selbst ver
stehen lernte,"
Lasse Sie mich, o bitte, lassen
Sie lich!" rief Eglantine flehend, rig
sich loö, auf den Divan zurückfallend,
und streckte die zitternden Hände ab
wehrend vor.
Die Baronin überlegte nur eineSe
künde, dann humpelte jie, so rasch es
gehen wollte, zur Thür und schrie auö
Leibeskräfte hinaus: Haus, Hans!
So komm doch!"
Heiliger Gott!" stöhnte Eglanline.
Er ist hier?"
Ja freilich, mein Schäfchen. Und er
soll sich sei Glück nur selber holen;
ich tudß nicht, wie ich dazu käme, es
ihm noch zuzutragen.'
Eglantine saß geisterbleich da, zu
nächst leine Laute fähig. Vielleicht
glaubte sie gar nicht, daß e wirklich so
kommen könnte, wie c doch kommen
mußte. Sie hörte dic rasch nahenden
Männerfchritte auf dem Korrioor, jetzt
schon im Vorzimmer, und rührte sich
nicht. Aber da Herz stand ihr still.
Han trat ein, ernst und gemessen.
Er konnte Eglantine nicht gleich be
merken, das schwache Kerzenlicht be
leuchtete ja da Zimmer schlecht gennz.
Da Fräniein ist nicht hier,
Mama?' fragte cr zerstreut. Und
ich dachte doch, D riefst mich, um
mich Wissen zu lasse, daß sie sich von
ihrer Unpäßlichkeit genügend erholt
habe, um meinen Abschiedsbesuch zu
empfangen?"
Die Mutter hatte ihn ruhig aus
rede lasse und, statt ihm jetzt zu ant
Worte, wandte sie sich an Eglantine
zurück.
Ja, er wollte wirklich fort, morgen
mit dem Frühesten, der arme Kerl,
weil cr ns doch nicht glaube wollte,
daß Du ihn liebtest."
Eglantine!" schrie Briinow ans und
stürzte auf sie zu,
Sie halte sich eben erbeben und ent
fliehen wollen. Aber die (Glieder ver
sagten ibr de Dienst. Sie war nicht
einmal im Stande, ihm ihre Hände
zu entziehen, die er erbaicht heute lutd
jetzt mit stürmischen Küsse bedeckte.
(ouiij'3:iB folgt.)