(Eine Nacht in der Mörderlziitte M! Hockwald (tfckickic von I. ftitx. Lange stand ich in tiefer Bewuude .hma aus der weit überhängenden Fels, platte der Seemand, welche fast senkrecht in den Pliickenfteiner See niederstürzt; im interarunde der hochragende Stif. ter.Obelisk und darüber die gewaltige ffuppe des großen Plöckenstein. Rinasum breitete sich maieitätischer, fchmermuthSdoll rauschender Wald und in schwindelnder Tiefe unten gähnte der regungslose, schmarzbraune Spiegtl des marchenhasten Sees, cn uns i,ier in seinem Hochmalde so unvergleichlich geschildert. Ein Gesühl bemächtigte sich meiner, als mußte ich an oiefer wild schonen Stätte, die schon das Ziel mei. ner jugendlichen Träume gewesen, wei len für und für. Den Weg von Oberplan bis zum weltverlassenen HochaldSee hatte ich nach fünfstündigem Marsche ganz allein zurückgelegt. Kein Lebewesen kam mir in diesen vorweltlichcn Wildnissen vor Augen; je tiefer eS hineinging in die schier endlosen Nadelforste, desto weit verlassener fiihlte ich mich in der schau-rig-holden Einsamkeit. Nur die vom S niedertosenden Waffer schreckten den Urwald aus seinem, Schlafe auf und zeitweilig klang aus der Tiefe des For fteS der verhallende Schlag einer Akt an mein Ohr. Ueber den regungslosen Wipfeln lachte ein tiefblauer Himmel und im Geiste bewunderte ich schon die sterngelrönte Nacht und den Sonnen aufgang auf dem Fclsenthrone des Dresselberges, dessen Schußhaus das Ziel meiner heutigen Wanderung war. Als ich nach langem Verweilen beim StifterTenlmal endlich hinaustrat auf die Über der grausigen Tiefe schwebende Steinplatte und das Spiegelbild des Hochwaldes im einsamen See unten be wunderte, da hielt es mich wie durch geheimnifjdolle Mächte an den Ort ge bannt, so daß Stunden vergingen, be vor ich aufbrach, um den Kamm des Gebirges entlang, knapp an der Landes grenze, die noch zweistündige Wanderung aus den Dreisessel fortzusetzen. Ich hätte wohl noch länger geweilt, wenn mich nicht plötzlich ein kalter Wind in die Gegenwart zuruckgeslihrt hätte. Wie erstaunte ich nun, als wie auf ei nen Zauberschlag das holde Sonnen bild verschwunden war und wild dräuende Nebelschlangen vom Gipfel deö Plöckenstein hcrniederkrochen, den weiten, schönen Hochwald im Nu in un heimliche Wetternacht verwandelnd! Und ich kannte die Wetterlaunen meiner theuren Waldheimath nur zu gut. Ich hatte mich anzumengen, wenn ich unge, fäbrdet die Spitze des Berges erreichen wollte, die von dieser Stelle oft kriechend erklommen werden muß. Ich täuschte mich nicht. Kaum daß ich auf der sogenannten Kanzel des Plöckenstein stand, so fing es an, in Strömen zu regnen, und eine Dunkel bcit erfüllte die Wildniß, wie wenn es plötzlich Mitternacht geworden wäre. Und so stand ich nun allein und rathlos 4000 Fuß über dem Meeresspiegel und überlegte, wie ich so rasch als möglich das SchutzhauS auf dem Dreifeffelfels erreichen könnte. Mein einziger Wezgenoffe war der Compaß; ihm vertraute ich wie einem guten Freunde, denn die chaotische Fel senmildniß war mir vollständig fremd, der gedruckte Führer veraltet und die farbige Wegmarkirung fast gänzlich ver wischt. Ich wußte nur. daß der über Hoch moore und sumpfige Blößen, führende Pfad auf dem Kamme nordwärts gehe, und so schlug ich diese Richtung ein. Allein nur zu bald mußte ich erkennen, daß ich da vor einer kaum zu lösenden Ausgabe stand, und die Nacht war nicht mehr fern. So lange es noch durch den Hochwald ging, konnte ich die Spu nn wandernder Touristen so ziemlich erkennen, als ich aber die Treiecksmarke erreichte, wo drei Länder sich begegnen, verschwand in dem Gras jegliche Spur und der Nebel lag so dicht auf dem Ge-, birge, daß ich nur zu bald die Richtung verlor und nun trotz der Magnetnadel herumirrte. Mir wurde jetzt ernstlich banqc. Bis auf den Körper durchnäßt, gänzlich er, schöpft, und verlassen in endloser Wal, deSöde, wünschte ich mir sehnlichst ein lebendes Wesen heran. Drei Stunden war ich schon herumgeirrt, jetzt brach die Rächt an. Der grollende Himmel schloß seine Schleusen, einzelne Sterne wur den sichtbar, und ich wußte noch immer nicht, wo ich mich eigentlich besand. Zu Tode erschöpft ließ ich mich auf dem trockenen Nadelgrunde unter einer ver, wachsenen Baumfamilie nieder, deren Gezweig den Regen nicht durchlleß, zog meine Reiseflasche hervor und nahm einen tiefen Schluck daraus. Immer tiefer und tiefer senk inzwlfchen die Nacht auf den leise rauschenden Hoch wald hernieder, ans weiter, weiter Ferne kam wie auf Traumesschwingen gedämpfter Glockenklang an mein Ohr gezogen, und meine Augen schloffen sich unwillkürlich. Eine Stunde etwa mochte ich so im Haldschlummer gelegen haben, als lei sei Frösteln mich aufweckte. Ueber dem Wipfelmee thronte jetzt der diaman tine Kronleuchter des Firmaments, und unsäglich trauriges Rauschen und Sau sen zog wie Mifterrus aus fernen Wel, ten durch den Hochwald. Und wieder nahm ich die Wanderung auf. Ueber .riesige Felsblöcke und durch eine Wild nife 3on Schlingpflanzen. Bärlapp und gärn, ging eS weiter. raftloS weiter. I Plötzlich blieb ich überrascht stehe,:. Da unten, in einer wilden Schlucht, loderte eine Feueraarbe in die finstere Nacht empor, und das Praffeln der Flammen drang vernehmlich drch den stillen Tann. Dort mußten Menschen sein! Freudig erregt schlug ich die Richtung danach ein. Doch plötzlich kain mir der Gedanke, daß ich in ein Zigeunerlager gerathen könnte und unwillkürlich hielt ich inne. Ich hatte meine aame. so sauer erworbene Reise, barschast und sonstige Werthsachen bei mir und wer kennt sie nicht, die braunen, diebischen Nomaden! Und dennoch mußte der Versuch ge, wagt werden, wollte ich nicht einsam im Walde nächtigen. So schlich ich fast ans den Zehen allmählich näher, bis ich endlich nahe auf einem Steinriegel stand und das Ganze deutlich über, schauen konnte. Und nun bemerkte ich eine aus rohen Holzftämmen gezim merte, mit Streu und Moos überdeckte Hütte, und an dem laut prastelnden Feuer davor fast ein untersetzter Mann mit einer Zipfelhaube, welcher emsig im ffeuer herumschürte und mit großem Behagen seine Pfeife rauchte. Ein Stein fiel mir vor Herzen : mein guter Engel hatte mich zu einem Holz Hauer geführt ! Ohne Bangen näherte ich mich nun dem biederen Sohn des Hochwaldes und bat ihn nm eine Nacht Herberge. Bald saß ich mit dem wettergebräun ten Mann am Feuer und wärmte meine halb erstarrten Glieder. Die Ueber kleider hatte mir der dienstbeflissene Wirth abgenommen und an einen Tan nennst in der Nähe des, Feuers gehängt, damit sie trocknen sollten ; dafür halte er einen Sack um meine Schultern ge legt, damit ich mich nicht erkälte. Dann lud er mich ein, mit ihm sein bescheide nes Mahl zu theilen, das er sich so eben zubereitet. Es bestand aus Ziegen milch, Brod und gebratenen Kartoffeln. Einen Krug eisfrischen Waffers holte er aus der nahen, leise durch die stille Nacht plaudernden Quelle. Das ärmliche Gericht mundete mir köstlich. Tann als wir vergnügt rau chend neben einander saßen, über uns den gestirnten Himmel und um uns den rauschenden Wald, zog ich meine zwei in Obcrplan gefüllten Weinflaschen und eine stattliche Portion Schinken hervor und lud den Mann ein, es jetzt mit mir zu hallen, was er auch ohne Ziererei annahm. Mit Behagen trank er den Wein, sein blasses, eingefallenes Gesicht überzog sich mit einer leisen Röthe und allmälig wurde der wortkarge Mann redselig. Während des Mahles hatte ich Gelegenheit, mir den Waldmenschen genauer anzusehen. Er konnte vierzig Jahre zählen, war in rohes Linnenzcug gekleidet; an den Füßen staken die waldüblichen Holzschuhe, auf dem Kopfe saß eine Zipfelmütze. Der Körper war stämmig und untersetzt, Brust und Schultern waren breit, und das voll, bärtige Gesicht hatte einen Ausdruck von tiefer Schwermuth. Wie wir nun so da saßen und ich meine Handvoll Cigarren auf eine Steinplatte legte, da fragte ich ihn, ob er den ganzen Sommer so im Walde lebe. Sommer und Winter, und das schon seit sechs Jahren", lautete die Antwort. Nur wenn mir die aller nothwendigsten Lebensmiitel ausgehen, was zumeist im Winter geschieht, schnalle ich meine Schneereifen an die Füße und wate hinunter in die Lockcuhäuser, um mir srischen Vorrath zu holen in meine Alörderhutte , wie man diese Hultc da gern nennt." Und warum nennen sie die Leute w?" Warum?" brauste er auf. Weil der Zapfer-Jogl ein Mörder ist, und der Zapfer-Jogl bin ich !" Fast wäre mir vor Schreck die Cigarre aus dem Mund gefallen, und nur mit größter Selbstbeherrschung bewadrte ich scheinbar meine Ruhe, wiewohl mir das Herz lauter köpfte. Mit erzwungenem Lächeln entaeanete ich: Sie wollen doch nur Ihren Scherz mit mir treiben, um mir Angst einzu flößen. Ich aber kenne meine Lands leute zu gut. Wenn Sie auch nach außen rauh erscheinen, so bergen Sie doch einen goldechten Kern im Innern. Nein, Sie find kein Mörder!" Herr, was ich spreche, ist so wahr wie das Amen im Gebet," entgegnete er traurig. Auf meinem Gewiffen lastet ein Mord, und die tausend und taufend Thränen, welche ich hier in mei nen einsamen Nächten geweint, haben ! daS glühende Feuer der Reue über meine schwarze That nicht wegwaschen können und die Wunde da drinnen wird brennen, so lange mich die Erde trägt, Aber fürchten Sie sich nicht vor mir, Herr. Ihnen soll kein Hacr gekrümmt werden, denn der Jogl hat nur ein Mal in feinem Leben gefehlt und dafür dann schwer gebüßt heute zertritt er kein Ame:siein im Walde. Sprach er die Wahrheit? Ter Mann redete so gewählt und verständig, und auch sein Benehmen war derart, daß ich wohl sah, daß ich keinen einfachen Holz Hauer vor mir hatte. Und doch kann ich eS nicht glauben." sagte ich, trotz dem Sie so hartnäckig behaupten, und darum müffen Sie mir nicht döse sein, wenn ich Sie um nähere Aufklärung bitte." Wenn Sie morgen den Touristen droben auf dem Treiseffclfels und aus dem Hohenftein und dann den Leuten draußen in den Walddörfern erzählen, 'daß sie in der Mörderhütte geschlafen ' und lebendig davongekommen find, so werden die guten Menschen die Hände zusammenschlagen und sagen: Danken Sie Gott, daß Sie noch athmen! Jeder mann bleibt der Mördcrhütte scrn, und wirklich bekomme ich auch den ganzen Sommer keinen Menschen hier zu sehen, denn Alles flieht den Jogl wie den bösen Feind. Sie sprechen aber so herzlich und find heute mein Gast, und deshalb sollen Sie erfahren, (wie es zugegangen ist, daß ich ein Mörder wurde. Ich will nur noch frisches Reisig zulegen, daß Ihre Kleider gehörig trocknen. Zum Schlafen auf der Pritsche da drinnen haben Sie noch lange Zeit genug , . , . Sie können sich den Riegel vorschieben. damit Sie sich nicht vor mir zu sürchten brauchen, und ich will hier bei dem ver, glimmenden Feuer den Anbruch des Tages erwarten. ) Der Mann legte neues Reisig zu, daß die Flammen laut praffelnd him melwärts lohten, nahm einen Schluck aus der Weinflasche, lehnte sich dann mit verschränkten Armen an einen Fich tenstamm und begann zu erzählen. - Nicht immer führte ich ein so arm- seliges Leben wie seit der Zeit, da ich aus dem Kerker herauskam, worin sie mich acht Jahre einaeschloffen hielten. Der Zapfer-Jogl hatte dereinst bessere Tage gesehen und stand in Ansehen bei Jedermann. Da hat es der Böse ge wollt, daß ich Demjenigen daSLeben nehmen sollte, der meine einzige schme st schändlich hintergangen und um ihr JugendglUck gebracht hat. Ich war der Erbe des größten Bauernhofes in den Poftbergwäldern, und die schönsten und reichsten Mädchen machten sich eine Ehre daraus, wenn ich mich herabließ, niit ihnen beim Sonntagstanz einen Länd ler zu schleisen. Mein Heimathsdorf liegt hart an der Grenze, am Ursprung der Braunen Moldau. Tort war mein Vater Alles in einer Person: seinem Willen gehorchte das ganze Dorf: er be wirthete im Zapferhof den Bezirks hauptmann, den Grenz-Jnspektor und den Forstmeister, und hoch ging es dabei her, wie bei der nobelsten Herrschaft. Ich und meine Schwester, das schönste Mädchen im ganzen Grenzwald. wuchsen dabei sorglos auf. und das Leben lag im schönsten Glanz vor unseren Augen. och hinaus wollte mcme Mutter mit der Schwester. Eines Tages kam der Komminar in's Dorf, um die Finanzwache zu be sichtigen. Er war ein stattlicher Mann mit feurigen Augen, und er fand in meinem Vaterhause die gastlichste Auf nähme. Leicht war es ihm, das junge, unerfahrene Mädchen zu bethören, und meine Mutter glaubte bereits ihr Ziel zu haben, da sie immer nur von einem noblen" Eidam geträumt. Damals ging ich in die Studie: denn mein Vater wollte, daß ich mehr lernen sollte. als ein gewöhnlicher Bauer, und so sollte ich wenigstens die Unterrcalschule durchmachen. Während meiner Lernzeit wurde das Verhältniß zwischen dem Kommissar und meiner Schwester immer fester und inniger, bis es auf einmal hieß, es solle Hochzeit gemacht werden zwischen den Beiden. Das war gerade bei meinem Austritt aus der Schule der Fall. Ich war damals sechszehn Jahre j alt, ein Bursche von strotzender Kraft i und Gesundheit und stolzem, hochfah renden Sinn. Schon war der Tag des Festes angebrochen und Braut ' und Gäste warteten auf den Bräutigam. Vergebens; statt seiner kam eine Absage und die Mittheilung, daß er seinen Ab-i schied genommen habe und an die süchfl- sche Grenze abgereift sei, wo er für sich I zu leben gedenke. Nun kam Jammer ; und Elend über meine Familie. Mein ' Vater bekam einen Anfall von Tobsucht, und am nächsten Morgen fanden mir. ihn an einer Steinbuche erhängt. Meine arme, verführte Schwester wurde j gemüthskrank und genaß spater eines j todten Knäbleins, und die Mutter alterte zusehends. Ta beschloß ich. j meine arme Schwester zu rächen, wo i und wann sich mir nur immer die Ge-, legenheit bieten sollte. j Bis zu meinem zwanzigsten Lebens jähre bewirthschaftete ich noch unsern l Hos, dann kam ich zum Militär ; denn meine Mutter ließ mir meinen Willen, Soldat zu werden, trotzdem sie hätte! reklamiren können. Vicrthald Jahre 1 Schulter und weckte ihn mit dem Ton erbrachte ich bei der Kriegsmarine an i nermort aus seinen Träumen auf: Bord der Adria; vier Welttheile habe ! Erkennen Sie mich wirklich nicht?" ich gesehen und ebenso viele Menschen Etwas verwirrt entgegnete er: Ich Racen kennen gelernt. Und überall. ! auf hoher stürmischer See, in fremden Städten und fernen Landern, trug ich den Gedanken mit mir, meine chwcfter i zu rächen, und ich konnte ihn nimmer los werden Endlich kam ich nach Hause. Meine j Schwester hatte inzwischen den schweren j Schlag überwunden und mit einem braven Burschen fich verlobt ; zur Land- kirckweib sollte nun wirklich aebochzeit' werden. Ta kam das Verbänaniß über inirfL An einem berrlickkn uliinoraen machte ich mich auf, um den Treifeffel, bera m besteigen, auf dessen Gipfel man das Jacodi-Feft feierte. Wie eS bei ' diesem Volksfeste hergeht, wollte ich mit eigenen Augen schauen; denn Ober! oftcrreicher. Baiern und Böhmen ver. , rudern sich da aliiaymq. yeitere cuflt ertönt und volksthümliche Tänze wer, den ausgeführt. Hunderte von Toun ftcn strömen dazu herbei, und deS baierischen BraundiereS will eS kein Ende nehmen. Nach sechsstündiger Wanderung stand ich endlich auf dem steilen Felsen und sah hinaus in die weit aufgeschlof senen Lande. Tie rebenreichen Flure Niederöfterreich'S, die bftgesegneten Gefilde Oberöfterreich Z. daS herrliche I Böhiner und Baikk'Land lagen wie ein Ricsenteppich vor meinen Augen, und des Bvhmerwaldes breite Waldeömogen erfüllten mein Herz mit hoher Freude. Viel Schönes habe ich in der weiten Welt gesehen, allein MaS ich von dieser stolzen Felseiizinne erschaute, daS machte mir das Herz im Leibe lachen; denn das war ja meine einzig schöne Hei math. die ich noch nie inniger geliebt, als in diesem weihevollen Augenblick, Unten auf dem grasigen Anger unter hohen Tannen und Fichten lärmte und brauste es ans tausend Kehlen, Alles war in freudigster Stimmung, und auch mich ergriff eine Wonne, daß meine Jauchzer weit hinaushallten in die Wildniß. Soeben spielte unten die Paffauer Regimentsmusik einen - Strauß'schen Walzer. Ich stieg die breiten Stein stufen wieder hernieder und mischte mich unter die Menge da, wie vom Blitze getroffen, stand ich still, als ich plötzlich einen Mann erblickte, in dem ich sofort den Betrüger meiner Schwester erkannte. Das Herz' klopfte mir zum Zerspringen, und meinen heißen Kopf erfaßte ein Schwindel. Der Mann, von dem ich auf dem Meere, in Asien, Afrika und Amerika geträumt, dem ich Räch? auf Tod und Leben geschworen, stand auf einmal so unvermuthet vor mir, daß ich mich an den erstbesten Stamm leh nen mußte, um nicht davon übermannt zu werden. Und jetzt kam mir der Ge danke, meinen Racheschmur ausjufüh ren. Er hatte mich nicht mehr erkannt; das erleichterte mir mein Vorhaben. Ich setzte mich zu ihm und knüpfte ein Gespräch mit ihm an. Ta erfuhr ich, daß er als Tourist den Böhmerwald be reise; er sei 111 hiesiger Gegend gut zu Hause, erzählte er, da er vor Jahren längere Zeit hier gelebt habe. In mei ner Aufregung sprach ich dem Münche ner Stoff mehr zu, als gerathen er schien, und bald umnebelte sich mein Geist. Der Satan hatte seine Schlinge um mich geworfen. In der inneren Rocktasche trug ich ein langes, scharfes Meffer, wie solches die Grenzer beim Raufen gebrauchen. An dieses Meffer dachte ich sogleich, und fortwährend war es mir, als sollte ich dem Eidbrecher bis crn's Heft in die Brust stoßen. Ich wäre im Stande ge Wesen, mein schreckliches Vorhaben so gleich auszuführen, wenn sich nur halb Wegs eine Gelegenheit dazu geboten hätte. Da, als eS zu dämmern begann, stand mein Opfer auf, um vom Hohen stein aus den Sonnenuntergang zu be trachten. Rasch enlschloffen bot ich mich zum Begleiter an. Anscheinend m fröhlicher Stim mung wanderten wir dem etwa zehn Minuten entfernten, aus dem Erdboden in schwindelnde Höhe emporragenden riesigen Felskoloß zu. Achtztig Stein stufen führten zur Zinne hinauf, von wo sich eine unbeschreibliche schöne Fernsicht namentlich über den Böhmer wald und tief hinein in's Böhmerland eröffnet. Seid Ihr schon oben ge Wesen. Herr? Fast senkrecht füllt dort die Felswand in die schauerliche Tiefe nieder. Aus den Ritzen des Urgesteins sprießt junges Tannicht, aus welchem der Scharlach des Traubenhollunders blutrotb hervorleuchtet. Tief unten dehnt sich ein unübersehbares Wipfel meer aus, und es ist Einem, als könnte lind müßte manvon hier über dasselbe hinwegflicgen. Im Westen stieg die Sonne unter die Wipfel der fernen Wälder hinab, mit ihrem Glänze die ganze Landichast noch ein Mal wundervoll verklärend. Der nichts ahnende Mann trat knapp an'Z Geländer und betrachtete in heiligem Schweigen daS großartige Na turschauspiel. Ich stand hinter ihm und hielt den Griff meines Meffers in der zitternden Hand. Plötzlich rief's in meiner Brust: Jetzt mußt Tu ihn todten, hier ist der geeignete Ort, und kein Späherauge ist in der Nähe! Ein Sturz von dieser Höhe muß ihm den tsarauS machen, und tollte er fich zur Wehre setzen, so machst Du Gebrauch von Deinem Meffer! Sterben muß er ohne Gnade und Barmherzigkeit! Und rasch faßte ich ihn an der hatte nie die Ehre, Ihre werthe Be kanntschast gemacht zu haben." So Ichauen sie mich nur einmal recht ordentlich an!" flüsterte ich ihm zu. Sollten Sie wirklich nicht in mir die hose erkennen, das Sie so namenlos unglücklich gemacht?" Ter Mann trat rasch zwei Schritte zurück und suhr mit der Hand in die Rocktasche. jrnc3 iauuicii? UU3 ucui ouf icl i.. .Laffen Sie den Revolver nur hübsch ! drinnen! Ter Hakker-oal. der mit I dem Meere gekämpft hat, zittert nicht vor einem solchen!" i V. , , , . .u Sie ,in anens Vruoer!' lenkte er in begütigendem Tone Ja, jetzt erkenn ich Sie wirklich! ienniiiaj: ik sind Ihrer schönen Schwester wie oem eflqie ge,niiien!- , Meiner schönen Schwester, die Sie ! fo schändlich hintergangen haben!" höhnte ich. .Sie scheinen furchtbar erregt zu sein! Vielleicht ift Ihnen das starke Bier zu K-pfe gestiegen? Lassen Sie UNS in Frieden den Rückweg antreten, ich bin Ihnen ,3 jeder Genugthuung bereit." ..Nein, hier machin wir unsern Han del auitt! fcier sind wir allein, hier will ich ausführen. aS ich Ihnen feit jenem , Tage geschworen, wo Sie meine Schive, ster der Schande preisgegeben! Ich hab' gewußt, daß Ihr Weg Sie früher oder Ipüter in meine Hand fuhren muß. und nun laß ich sie nicht mehr so leich ten Kaufes lo! Sie müffen Ihr 11, recht büßen, und zwar gleich hierauf dieser stelle!" Kaum hatte ich diese Worte aespro, chen, so stieß der Feigling ein klägliches Hülscgeschrei aus. das weühin durch den abendstillen Wald gellte. Wie ein Tiger warf ich mich auf ihn und schnürte ihm mit eiserner Faust die Kchle zu Ich halte alle Besinnung verloren, denn ich wußte gar nicht mehr, was ich that. Als endlich meine rast erlahmt war, ließ ich ihn los, und nun erst kam ich wieder zu mir selbst. Da hallte eS durch meine Seele: Mörder! und fast hatte ich mich leib erstochen. Doch bald kam wieder ruhig Blut über mich. Ich hob den Todten auf und stürzte ihn den Abgrund hinunter, um so glauben zu machen, er wäre ab- gestürzt. Doch Gottes Rache folgte mei, ner That auf dem Fuße. Gerade als ich den Leblosen über die Felskante warf, tauchten unten mehrere Männer gestalten auf, die auf das Hülfegefchrei herbeigeeilt kamen. Mir verging Hören und Sehen. Kopfüber wollte ich mei ncm Opfer nachstürzen, doch plötzlich fehlte mir der Muth dazu ein Schwindel erfaßte mich, und ich stürzte bewußtlos zusammen. AIs ich die Augen wieder öffnete, war ich in der Obhut zweier Gendarmen, die zum Sicherheitsdienste beim Volks- feste auf dem Treifeffel anwesend waren , , und nun, mein Herr, war es mit meiner Herrlichkeit aus für immer. Der Zapfer-Jogl war ein Mörder, ein aus gestoßenes Glied der menschlichen Ge sellschaft sür immer Was weiter geschah? Ich brauch es Ihnen nicht mehr zu erzählen. Ich kam vor die Geschworenen. Mein An- walt vertheidigte mich glänzend. Er wußte der Sache so beizukommen, daß es den Anschein gewann, als hätte ich in der Nothmehr gehandelt, was ihm auch gelang. Vom Meuchelmord wurde ich freigesprochen, dagegen wegen Todt schlags zu acht Jahren Kerker verur theilt. Meine Mutter tras vor Kum mer der Herzschlag. Bevor ich meine Strafe antrat, übergab ich meine Wirthschaft meiner Schwester, und heute ist sie mit ihrem Manne gänzlich Herrin derselben, nachdem ich nach meiner Freilassung beschlossen hatte, meine schwere Schuld durch ein ent sagungSvolles Leben in freiwilliger Ver bannung zu sühnen. Hier ließ ich mich nieder, baute niir diese Hütte, die jetzt weit und breit errufene Mördcrhütte, und seit sechs Jahren verdiene ich mir den kargen Bissen als Holzhauer. Aus diese Weise hoffe ich die Verzeihung des Himmels zu erlangen " Der Mann schmieg. Thränen rollten ihm über die Wangen. Das Feuer war erstorben, durch die Wipfel dämmerte der junge Morgen. Sprachlos vor Rührung drückte ich ihm die Hand. Seien Sie getrost, mein guter, armer Freund," sprach ich mit zitternder Stimme. Sie haben schwer gefrevelt, aber auch schwer gebüßt und bitter bereut. Gott hat Ihnen ge wiß schon erziehen." Xiifdtn WiirtonMi Srslrtrt "hör 0? nrslmil,, Mnn ,tn oaien, Häusern in die Wildniß herauf, und die Wipfel der Bäume erstrahlten im rost gen Lichte der aufgehenden Sonne. Die Vögel begannen sich zu regen, und der Wald wurde lebendig. Andächtig beteten wir Beide den Morgenscgen. Tann machte ich mich reisefertig. Und nun begleitete mich der Holzhauer" zum Rittsteig, der gerade auf den Trci seffel zu führt. Noch ein stummer Hände druck und er verschwand unter dem Gewirr der Bäume. Als ich im nächsten Jahre wieder aus dem Treisessel stand, pilgerte ich hinun ter. die einsame Mörderhütte aufzu suchen. Sie stand jedoch nicht mehr; sie war dem Erdboden gleich gemacht, und auch von meinem seltsamen Freund war keine Spur zu finden. Erst beim Rosenberger in den Lacken Häusern, wo Adaldert Stifter so gern geweilt und sg Herrliches geschrieben, erfuhr ich, daß ihn im vergangenen Winter eine fallende Tanne erschlagen. Nun ist er dort, wo es keinen Haß und keine Rache mehr gibt. Ich aber will ' ihm ein stetes Angedenken bewahren. Das hohe und das tiefe YCtb l'an Aar i t i 1 1 6. Sie Scene spielt im Hotel Eaviar", welches dem Opernhause zu X. gegen über liegt, Tazumal logirle im drillen Stock der Kapellmeister des Opern Hauses, im vierten -loa ver ,'yoriit Pumpel. fM. 1 .4... üUm .X. , " !?""' ' ',". """'" -""'""'-""""., u " ! mit dem Ultimatum: Zahlen cver aus !Z:ehen." .... Pumpel war nämlich bet den '.l'iöb ; litte Zimmer" Veimietheriunen der j Stadt zu bekannt, als daß er irgendwo , Ausnahme hätte nehme dürfen. - Gehalt war immer ein ganzes Viertel z jähr vorher von unbarmherzigen GlSu bigein mit Beschlag belegt worden. w:e sollte er da an s l'netvezaliien venien ? So versuchte er eS denn mit dem Hotel, aber da ging eS ihm noch schlimmer. Er halte in kurzer Zeit so viel n braucht, daß er bereits ein zweites Quartal seines Gehaltes in Rauch auf. gehen sah. Im dritten Stock, "im Zimmer des Kapellmeisters, befanden sich anßer die sem noch der Direktor des Opernhauses und ein Theateragent. Sie besprachen gerade ein neues Engageinent, als der Kapellmeister plötzlich ausrief: Pst! Hören Sie doch!" Wahrhastig daS hohe E!" schrie der Direktor aussahrend. Wer von un ferem Personal wohnt denn hier?" Nur der Chorist Pumpel," erwiderte der Kapellmeister, gerade über mir." Alle drei erhoben sich und stürzten die Treppe hinauf in das Zimmer des Choristen Pumpel, welcher erschreckt in einen Winkel zurücktrat. Pumpel, haben Sie eben gesungen?'' rief der Direktor. Jawohl, Heir Direktor!" Singen Sie dasselbe noch einmal!" Pumpel begann feinen Luftigen Jagdchor". Ach, Unsinn! singen Sie mal die Tonleiter. Pumpel gehorchte, aber keine Ahnung vom hohen C. Er blieb elend in den niederen Oktaven stecken. Das heißt C! Das hohe C!" brüllte der Kapellmeister, Abermaliger Versuch, abermaliges Mißlingen. Wir haben es doch eben gehört," jammerte der Direktor. Legen Sie fich 'mal hier auf das Sopha." Pumpel gehorchte und alle drei bc ganncn ihn zu massiren und zu würgen, so daß der Chorist ganz blau im Gesichi wurde. Nachher stellten sie ihn noch auf den Kopf und ließen ihn die Kehle mit Wasser ausgurgeln. Alles er geblich. Darauf beslellte man nach und nach: eine ma ehe Zelters mit Alllch, ein Glas Eiergrog, drei Cognacs und eine Flasche Sekt. Das hohe C fand sich immer noch nicht. Aber sehen Sie doch," rief der Agent, welch ein trübseliges Geficht der Kerl macht. Ich habe immer gehört, wenn den Sänger ein tiefes SLeh drückt, kann er die höchsten Töne nicht 'rauskriegen." Pumpel, herrschte ihn der Direktor an, drückt Sie irgend ein tieses Weh?" Ach ja," stammelte der Chorist, meine Hotelrechnunq kann ich nicht be- zahlen, und der Wirth will mich hin aussetzen." Wo ist die Rechnung, her damit I" Man läutete nach dem Oberkellner, und die Rechnung wurde bezahlt. Haben Sie sonst noch Schmerzen?" Pumpel nannte mit Grabesstimme die Höhe seiner Schulden. Hier ist ein Check auf den genann ten Betrag." Pumpel steckte ihn ein, erleichtert aus seufzend. Nun aber fingen Sie " In diesem Augenblick erscholl von unten herauf eine helle Singftimme. Das hohe E ! Das hohe C !" riefen die drei Theatermenschen einstimmig. ' Sie stürzten hinunter und befanden sich t bald in dem Zimmer des berühmten s Tenoristen Octavini, der zu einem Gast-' spiel eingetroffen war, aber so früh nicht erwartet wurde. Nun schnell zu Pumpet," rief der Tireltor, ich muß meinen Check ret ten." Aber der Chorist war bereits übcr ' alle Berge. Er bezahlte den erstaunten Zimmer - Vermieterinnen von X. die rückständige Miethe. Sic will die (ifciilmdn aufhalten. Au5 Geestemünde wird berichtet: Eine heitere Geschichte ereignete sich kürzlich aus der Bahnstrecke Geeftemünde-Beder-kesa in der Nähe von Trangstedt. Ein Landmann der dortigen Gegend unter- nimmt eine Eisenbahnsahrt und bittet seine Gattin, ihn bei seiner Rückkehr vom Zuge abzuholen. T:e Frau er füllt den Wunsch ihres Gatten mit Freuden und begibt sich zur Zeit, da der Zug mit ihrem Gemahl wieder eintres sen muß, an den Bahnkörper. Vom Zuge ist noch nichts zu sehen; sie be schließt daher, ihm auf dem Geleise ent gegenzugehkn; offenbar ist ihr der Zweck eines Bahnhofes noch nicht bekannt ge worden. Endlich braust der Zug heran. Ter Lokomotivführer sucht durch Rufen, Winken u. s. m. die Frau zum Verlas sen des Bahndamms zu bewegen, abe rc- vergeblich, die Frau weicht und warn"! jli tiitr.jt : j..b..:r. f:-..i . 1 I irnvi. wuuuMitytuiiriic tiiiii es ityrn rechtzeitig, den Zug nahe vor der Frau zum Stehen zu bringen. Den deutlichen Vorstellungen des Beamten legt die brave Frau keinen Werth bei; ruhig entgegnet sie vielmehr: Ick will mien Mann afhalen", und dabei bleibt sie. Ter Beamte traut seinen Ohren kaum. j Den können sie hier nicht abholen," l erwidert er, nachdem er die sonderbare Absicht begriffen hat. Ja. süh. dor is he." jubelt plötzlich die ,,rait auf, als . das wodlbekannle Ant,,, ik,-, .. tm in der Fensteröffnung eines Wag. nnn5 triArintn fifh. T,rR.m.. lich ist. springt von der Lokomotive und entfernt mit Gewalt die rau Zug vom seine Bahnkörper, woraus FahTt fortsetzt. der Uns dn KmcVrftniV. Mutter: S,. Kinder, jetzt spielt artig zusammen: Emma ift da Kind und Linchen das Kindermädchen. 'Ski wiiin xu lein, arlchen?" Karl: .Ich bin der Soldat!' Y t i L