Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, August 20, 1896, Image 10

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    (Eine Merfcchrt.
Rovcllellk Don C. Mstcr,
Wellen wir heute nicht eine Fahrt
nach Arlona unternehmen, gnädige
grau? Wie ich heute Morgen ersah
ren habe, macht der Dampfer Rügen"
von Stettin aus eine Vergugungssahrt
nach Arkona und legt um zwei Uhr hier
in Saßnitz an. Es ist herrliches Wet
ter zu einer Seefahrt sehen Sie nur
das blitzende Meer, die schäumenden
Wellen !"
Er deutet mit der Hand auf das
weithin sich erstreckende Meer, das in
langen Wogen gegen den Strand von
Saßnitz heranrauschte und mit aum
psem Brausen an den weißschimmern.
den Kreidefelsen emporbrandete.
Der ernst blickende Mann mit dem
geistreichen Antlitz, daß jetzt die Sonne
und Luft der See leicht gebräunt hat
ien, und die schöne junge Frau, um
deren schlanke Gestalt sich das weiße Ge
wand in weichen Falten schmiegte, das
prachtvolle aschblonde Haar aufgelöst
über die Schulter herabhangend, damit
es nach dem eben beendeten Bade in der
Morgensonne trockne, standen auf dem
üußerften Ende des schwankenden Ste
ges, der, eine Fortsetzung der Strand
Promenade bildend, sich an den Kreide
seifen von Saßnitz entlang weit in die
See hinaus erstreckt.
Die großen, tiefblauen Augen der
jungen Frau schweiften sinnend über
die wogende See und schienen sich in die
nebelblaue Ferne des Horizontes träu
mend zu verlieren. Um ihre Lippen
schwebte ein leichtes, kaum bemerkbares
Lächeln, wie ein verlorener Sonnen
strahl durch das Laub brechend, zitternd
und schüchtern eine eben erblühte Rose
umkost und umschmeichelt.
Dann wanden sich ihre Augen lang
sam dem Herrn an ihre Seite zu.
Sagten Sie nicht, Herr Doctor,
daß sich der Wellenschlag des Meeres zu
verstärken scheine und wir stürmisches
Wetter bekommen wurden?"
Ein Lächeln flog über das Geficht des
Herrn. Fürchten Sie sich vor den
Wellen des Meeres, gnädige Frau?"
Ich fürchte mich nicht, aber "
Aber es ist unangenehm bei starkem
Wellenschlag auf der See. Sie haben
recht, gnädige Frau verschieben wir
unsere Fahrt."
Ein leichtes Roth stieg in ihren Wan
gen empor, sie senkte die Augen und
entgegnete in leichter Befangenheit:
Dennoch möchte ich es wagen ich er
warte Bekannte mit dem Rügen"
heute Morgen empfing ich den Brief , . "
Ihr Vetter? der Rittermeister von
Heaendorn? !
Ja, mein Herr Doctor, der Herr
Rittmeister von Heckendorff ! Ist Ihre
Neuaierde nun befriedigt !"
Es war nicht Neugierde, gnädige
Fru...."
Nur ein wenig Eifersucht, gestehen
Sie es nur ! doch es ist Zeit, daß ich
heimkehre," setzte sie dann rasch hinzu,
scheinbar in der Absicht, dem Gespräch
eine andere Wendung zu geben. Wer
den Sie mich begleiten?"
Wenn Sie gestatten, möchte ich mich
hier verabschieden. Ich wollte jenen
Felsen. von den schaumenden Wogen
umwallt, skizziren heute scheint mir
die richtige Stimmung."
Nun denn adieu ! Aber vergessen
Sie nicht, heute Nachmittag um 2 Uhr
am Dampfer "'
Also ich darf mitfahren?
Trotz des Herrn Rittmeisters,..."
Wenn Sie mich nicht erzürnen wol
lcn, so seien Sie pünktlich zur Stelle
trotz des Herrn Rittmeisters."
Sie reichte ihm lächelnd die schlanke
weiße Hand, die er rasch ergriff und an
die Lippen zog. Ihr Auge ruhte mit
warmem Ausdruck auf seiner leicht ge
beugten Gestalt, dann löste sie ihre
Hand sanft aus der seinigen, nickte ihm
noch einmal freundlich lächelnd zu und
schritt leicht und sicher den schmalen,
schwankenden Steg entlang, an dessen
Pfeilern die Wellen schäumend empor
spritzten.
Eine Weile schaute der Zurückblci
dende mit sinnendem Blick der schlan
ken, zierlichkrästigen Frauengestatt nach,
iii ein Felsenvorsprung sie verbarg.
Dann seuszte er leise auf und wandte
sich dem Meere zu, sein Skizzenbuch zur
Hand nehmend. Aber die Arbeit wollte
ihm nicht gelingen, mißmuthig schob er
das Buch in die Tasche zurück. Tann
suchte er sich in dem Steingeröll des
Strandes ein dicht am Meer gelegenes
Felsftück auS, setzte sich daraus und
starrte trüben Auges auf die weithin
rollende See.
, Welch' ein Thor war er, hier seine
Zeit zu verträumen? Daheim harrten
die Sammlungen, die er von seiner letz
ten großen Reife zurückgebracht, der
Ordnung und der wissenschaftlichen Be
arbeitung. Nur wenige Tage der Er
holung hatte er sich auf dem meerum
rauschten Rüien gönnen wollen, und
jetzt hielten ihn die blauen Augen und
die dlondon Locken Frau Wanda's schon
. seit vierzehn Tagen seft in Saßnitz, und
er vermochte sich nicht loszureißen aus I
den Banden, welche die Anmuth der
jungen schönen Wittwe um sein Herz
geschlungen.
Er war mit ihr im Hotel Fahrenberg
an der Tadle d'hote zusammengetroffen.
Ihr Liebreiz, ihre schelmische Laune
hatte den ernsten, stillen Gelehrten an
gezogen, entzückt, und doch mußte er sich
sagen, daß seine Liebe hoffnungslos
war, denn ihre Charaktere schienen zu
verschieden, um für einander ein dauern
des, tieferes Jntereffe empfinden zu kön
nen. Sie liebte die Heiterkeit, den llber
sprudelnden Scherz, er war ein stiller,
ernster, zurückhaltender Mann, dessen
naturwissenschaftliche Studien ihm keine
Zeit gelassen, die liebenswürdigen
Galanterien des Lebens, der Gesell
schaft zu pflegen. Beim Lawn Tennis
Spiel, das sie leidenschaftlich betrieb,
stand er stumm zur Seite; er verstand
da Spiel nicht; wenn Frau Wanda
auf den Soireen sich der jugendlichen
Freude des Tanzes hingab, mußte er
abseits stehen, er konnte nicht tanzen,
jeder ritterliche, gesellschaftliche Sport,
den sie liebte, war ihm fremd, und oft
scherzte sie über seine ernste Pedanterie
in gesellschastlicher Beziehung.
Ihr Ideal schien die männliche Kraft,
die vor keiner Schwierigkeit zurück
schreckte. Wie hatte sie ihn geneckt, als
er sie warnte, sich dem schwankenden
Fischerfahrzeug anzuvertrauen, als er
besorgt um sie war, als sie einst an dem
steilen Felsen der Küste emporkletterte
und keck auf dem Gipfel des Felsens
stand, mit dem Tuch wie zum Abschied
einem Dampfer winkend, der drüben
auf der Höhe der Arkona in die dunkel
blauen Wellen tauchte !
Wag half es ihm, daß er weite ge
fahrvolle Reisen in ferne Welten unter
nommen? daß er unerforschte Länder
durchzogen, wo ihm täglich der Tod von
der Speerspitze eines Eingeborenen ent
gegengedroht? daß er auf halbwildem
Roß die Pampas von Südamerika
durchflogen er getraute sich nicht,
diese Erlebnisse zu erzählen, sie sah ihn
mit solch spöttischem Lächeln an, wenn
er einmal davon zu erzählen begann
Sie glaubte ihm nicht, der kecke Walze
muth des Mannes war ihm ja versagt;
es hatte sich bei seinen Reisen nicht um
romantische Abenteuer gehandelt, smi,
dein um wohl vorbereitete, Wissenschaft,
Ilche Erpeditionen. Es lag nicht in
seinem Wesen, die Gefahren dieser Ep
peditionen hervorzuheben; erzählte er
von ihnen, dann waren nicht die
fahren ihm die Hauptsache, deren er
kaum erwähnte, sondern die missen,
schaftlichcn Ergebnisse und für diese
schien sich die schöne junge Frau nur
sehr ooerstachlily zu interesflren.
Ihr Ideal war der Rittmeister v.
Heckendorff, der schon einmal sie besucht
hatte und den sie heute wieder erwar
tete! Der schöne kräftige Reiteroffizier
mit den blitzenden Augen, den keck
lachenden Lippen und dem kühnen Hel,
denantlitz, das einem Maler zum Modell
für einen troianischen Heros hätte 6ie
nen können! der unermüdliche flotte
Tänzer, der elegante Tennis-Spieler,
der unerschrockene Steeplechase Reiter.
dessen Name auf allen Rennplätzen
Teutschlands bekannt und berühmt war.
Welch eine Thorheit von ihm, dem
stillen Gelehrten, sich mit dieser Heldew
natur messen zu wollen!
Ncch diese eine Fahrt durch das
schäumende Meer an ihrer Seite,"
flüsterte er vor sich hin, und dann will
ich Abschied nehmen von ihr und
von der schönen Hoffnung meines
Lebens,..."
In weitem Bogen fuhr der Dampser
Rügen" in den Hafen von Saßnitz
ein. Tie Musik spielte eine luliqe
Weise, die Fahnen und Wimpel flatter
ten in dem Winde, und dicht gedrängt
standen die Passagiere auf dem Deck,
mit den Hüten und Tüchern der Menge
auf dem breiten Hafcnquai zuwinkend.
Das Kommando des Eapitüns ertönte
ein schriller Pfiff ein stärkeres
Rauschen nnd Brausen der Schraube
dann drehte der Dampfer an der Ouai
mauer bei und lag leise schwankend aus
dem ruhigen Wasser des Hafens. Die
Laufbrücken sielen, und die Reisenden
strömten heraus.
Gnädigste Cousine da bin ich!"
Mit lachendem Auge streckte der schöne
krästige Herr im eleganten Reiseanzug
der jungen Frau die Hand entgegen,
und erröthend und doch mit freudig
aufblitzenden Augen legte sie die Rechte
in seine Hand.
Also doch Wort gehalten, Erich?"
Zweifelten Sie, Wanda? Wo es
galt, Sie zu sehen "
Schmeichler. Wollen Sie nicht
unseren Doctor begrüßen?"
Ah, Doctor Wendtland, Sie auch
noch hier? -? Glaubte Sie schon längst
wieder bei ihren Kräutern und ausge
stopften Bogeldälgen "
Zu denen ich allerdings auch morgen
zurückkehren werde, Herr Rittmeister."
Viel Vergnügen," lachte dieser.
Doctor Wendtland wandte sich ab.
Er bemerkte nicht das leichte Erschrecken
Wanda's.
Was beginnen mir heute?" fuhr der
Rittmeister fort.
Doctor Wendtland meinte, ein Aus
flug nach Arkona sei sehr lohnend, der
Rügen" fährt in einer halben Stunde
weiter. Aber ich sehe, das Meer ist sehr
bewegt geworden "
Wir werden uns doch vor dem bis
chen Wellenschlag nicht fürchten?" lachte
der Rittmeister. Habe aus der Fahrt
von Stettin nicht den geringsten Anflug
von dieser scheußlichen seelraniyeit ge,
spurt. Mir thut daS Meer nichts. . . "
So fahren wir denn."
Man begab sich auf das Deck des
Dampfers, der leicht unter dem Ardei
ten der Maschine erzitterte. Rittmeister
von Heckendorff stellte seine Eousine,
Frau Wanda von Spörier. und den
Dr. Wendtland, berühmten Gelehrten
in trockenen Kräutern und ausgeftcpslen
Vogeldölgen". der Gesellschaft vor, die
mit ihm von Stettin gekommen war,
und bald saß man im lebhaften mun
leren Gcplauder unter dem schützenden
Zeltdach des Decks.
Die Musik spielte, ein Hurrah vom
Lande ertönte, die Schraube griff ran
sehend und brausend in die Wellen, und
hinaus dampfte der Rügen" aus dem
Hasen in die hohe See.
Tie Sonne glänzte strahlend am
wolkenlosen Himmel, weithin erglänzte
im lichten Blaugrün die wogende See,
die in langen schaumgelrönten Wellen
daher rollte, über die der Dampfer,
gleich einem edlen Roß über eine wellen
förmige Ebene, in stolzem Aus und Ab
dahineilte.
Die Möwen umflatterten das Schiff
und wiegten sich aus den stärker an,
schwellenden Wogen. Ein steifer Oft
wind thllrmte die Wellen zu höheren
Massen auf, und schon spritzten einige
schäumende Wellen über oas Reeling
des Decks.
Eine herrliche Fahrt!" flüsterte
Wanda ihrem Vetter zu, der merk,
würdig still geworden war.
Ja, allerdings" entgegnete er zcr,
streut.
In diesem Augenblick legte sich das
Schiff stark auf die Seite. Tische und
Stühle wurden fortgeschleudert, die Da,
men in der Gesellschaft schrieen erschreckt
auf, die Herren suchten sich den Anschein
völliger Gleichgültigkeit zu geben. Aber
einer nach dem anderen aus der Gesell
schast verschwand die verstecktesten
Winkel des Schiffes wurden aufgesucht
die Matrosen und Stewards gingen mit
leichtspöttischem Lachein einher und ans
fen hlllfreich den blaffen, schwankenden
Gestalten unter die Arme, um sie in die
Cajüte zu geleiten.
Verteufelte Geschichte solch eine
Meeresfahrt," brummte der schöne
Rittmeister und ein eigenthümlicher Zug
zuckte um seinen mattlächelnden Mund.
Na, Vetter, Sie werden doch nicht
seekrank werden?"
Ich seekrank? Nein, so weit
sind wir noch nicht! Will doch einmal
sehen, ob das Meer stärker ist als ich!
Kellner einen Cognac "
Es war gewiß schon der fünfte Eog
nac, den der schöne Rittmeister als Mit
tel gegen die häßliche Seekrankheit zu
sich nahm. Doctor Wendtland lächelte
ein wenig schadenfroh, ihm that die See
nichts.
Der Rittmeister stürzte den Cognac
hinunter da neigte sich das Schiff
wieder stark zur Seite Entschuld!
gen sie mich, Cousine einen Augen
blick" und der Rittmeister stürzte
davon.
Wir hätten heute nicht fahren sol
len, gnädige Frau," sprach Doctor
Wendtland leise zu Wanda, der Wind
hat sich verstärkt, und auf der Höhe von
Arkona herrscht ein sehr starker See
gang." Ich fürchte mich nicht," entgegnete
sie stolz.
Das setzte ich auch nicht voraus
aber blicken Sie um sich! Wie sieht
es in der vor Kurzem noch so fröhlichen
Gesellschaft aus."
In der That kein anmutbiger An
blick."
Sind Sie seefest, gnädige Frau?"
Ich glaube es zu sein."
So möchte ich Ihnen einen Vor-
schlag machen. Kommen sie mit mir
auf die Kommandobrücke ich kenne
den Kapitän, er wird uns gestatten, daß
wir dort verweilen, Sie erden von
der Brücke aus einen interessanten An-
blick genießen."
Er bot ihr den Arm und führte sie
sicher über das schwankende Schiff, die
Treppe hinauf zur Commandodrücke.
Halten Sie sich an der Barriere fest,
gnädige Frau "
Ihre Hände legten sich fest um die
Messingstange des Geländers, das die
Brücke einfriedigte, und ihr Blick
schweifte mit Entzücken über das jetzt in
mächtigen Wogen daherrollende Meer
bis hinüber zu den waldgekrönten Fel
fen von Lvhme und Stubbenkammer
mit dem mächtigen Felsenvorsprung
von Arkona, deffen Leuchtthurm gleich
einer schlanken Säule gen Himmel
ragte. Ter Dampser hob und senkte
sich im harten Kamps gegen die anftür
menden Wogen. Hoch auf spritzte der
Schaum an dem Bug und überschüttete
das Deck mit kleinen Spritzwellen. Es
war ein herrliches, stolzes, freies Ge
fühl, wenn sich der Dampfer empor
bäumte und eine Weile aus der mächti
gen Woge schwebte, um dann wieder
hinabzugleiten in den dlaugrunen Ab
gründ deS Meeres.
Wanda's Augen blitzten in stolzer
Freude, ihre Wangen rötheten sich und
in tiefen Athemzügen hob sich ihre
Brust.
Welch' herrliches Schauspiel !"
flüsterte sie.
Er stand schweigend neben ihr; sein
Auge ruhte mit innigem Ausdruck auf
ihrem erregten Antlitz; schmerzhaft zuckte
sein Herz bei dem Gedanken, das schöne
stolze hochherzige Weid an den Ritt
meifter, den glänzenden Lebemann, ver
lirar. zu sollen.
Weshalb sprechen Sie nicht, lieber
Doktor?"
Die Größe der Natur macht uns
schweigsam," entgegnete er leise. Des
halb bin ich auch wohl ein stiller,
schweigsamer, wenig interenanler Ee
sellschafter geworden ich lebte zu viel
in der großen Natur ihr gegenüber
dünkte mir das Menschenleben so klein,
so unendlich klein "
Wanda senkte das Haupt.
WaS ist Menichenkraft, Menschen
witz. Menschenheldenthum gegen die ge
waltige Natur", fuhr er lebhafter fort.
Der Geist der Natur winkt und
Städte stürzen zusammen die festesten
Mauern wanken und bebend und
rathlos steht der Mensch! Ein Wind
hauch weht über daS Meer und gleich
einem geknickten Grashalm liegt der
stolzeste von uns darnieder e'il elcn
der, schwacher Mensch ! Ruhm und
Größe Kraft und Stolz sie sinken
alle dahin vor der gewaltigen, erhabe,
nen Einfachheit der Natur !"
Sie haben recht", erwiderte sie
flüsternd, all unsere Kraft, all unser
stolz ist eitel und nichtig. Wie
thöricht sind wir, auf unsere Kraft zu
pochen , . . , ,
Schweigend standen sie nebeneinan
der. Unter ihnen erzitterte der Dampfer
im schweren Kamps mit den rauschenden
Wogen, die Maschine ächzte und stöhnte,
wie ein in übermäßiger Arbeit ringen
der Mensch und die Wogen rauschten
vorüber in ewigem Einerlei, in ein
sacher Größe, und der Wind sauste
durch das Takelwerk der Masten und
die Sonne strahlte in ewigem Glanz
von dein Himmel nieder auf das
kämpfende Schiff auf die schwachen
Äcenschlein
Sie wollen Saßnitz morgen schon
verlassen, Herr Doktor?" fragte sie
zögernd nach einer Weile,
Ich bin es mir und Ihnen schuldig,
gnädige Frau."
Ich verstehe Sie nicht!"
C, Sie verstehen mich sehr wohl,
gnädige Frau. Laßen Sie mich hier
angesichts der großen Natur Lebewohl
sagen in jener Gesellschaft da unten
erwartet Sie ein anderer ein glück
licherer Mann, in seiner Gegenwart
sande ich nicht das richtige Wort,
um Ihnen sür Ihre Güte, Ihre
Freundlichkeit zu danken "
Sie streckte ihm die Hand entgegen.
Sie dürfen mich nicht verlas
sen "
Wanda? !"
Nein, nein, Sie dürfen nicht von
mir gehen nicht jetzt nicht, wo
jener Mann mir nahe ist ich
ich fürchte mich vor ihm ich will
mich schützen vor mir selbst, . , "
Wanda und diesen Schutz soll ich
Ihnen bieten ?"
Ihre einsache Größe Ihre erha
bene Gedankenwelt. .."
Wanda. Sie wiffen nicht wie glück-
lich Sie mich machen?"
Ihre Hände ruhten warm und innig
ineinander. Sonst schmiegte sie sich an
seine Seite und blickte lächelnd zu ihm
auf, während eine tiefe Gluth ihr Ant
litz überflammte.
Jetzt erst habe ich Sie verstanden.
Bernhard", flüsterte sie. Jetzt erst
weiß ich, daß ich Sie nur Sie
liebe . . . . "
Er wollte sie aufjauchzend im Herzen
an sich ziehen. Sanft entwand sie sich
seinen Armen. Nicht hier, Geliebter",
flüsterte sie....
Hallo, Herr Doktor !" ertönte da die
Stimme des Kapitäns, der eben vom
Deck herauf kam. Noch immer hier
oben? Furchten Sie sich nicht, gnädige
Frau?"
Ich fürchte nichts mehr in der
Welt", sagte sie mit stolzem, strahlen
dem Lächeln zu dem Geliebten auf
blickend.
Da unten sieht's allerdings fürchter
lich aus", lachte der Kapitän. Wir
müsien umwenden. Bei diesem See
gang erreichten wir Arlona doch nicht,
und die Menschen sterben mir da unten
vor Angst und Schrecken. Bleiben Sie
nur ruhig hier oben, gnädige Frau ..."
Er trat an das Sprachrohr und rief
einen Befehl hinab. Tie Maschine
stockte einen Augenblick, dann arbeitete
sie mit doppelter Kraft. Das Schiff
ächzte und stöhnte und knarrte in allen
Fugen. Tie Schraube schlug wie
rasend die schäumenden Wellen der
Dampfer legte sich scitsmürts fast ganz
auf die See, die Wogen spritzten über
das Deck einige Schreckensrufe ertön
ten dann richtete sich der Dampfer
wieder empor, er hatte den neuen Kurs
genommen und flog in rascherer Fahrt
dem Hafen von Saßnitz zu.
Hand in Hand saßen sie da, die sich
auf wogender, schäumender See im An
blick der gewaltigen Natur gefunden,
und blickten hinaus auf das Meer und
hinauf zur strahlenden Sonne und sahen
sich lächelnd in die Augen und verstan
den sich ohne Worte.
Ter schützende Hafen von Saßnitz
war erreicht.
Wollen wir jetzt hinuntergehen.
Wanda?"
Sie nickte ihm zu und legte ihre
Hand in seinen Arm. Auf Deck trat
ihnen der Rittmeister entgegen. Ach
wohin war sein Stolz, seine Schönheit
geschwunden? Geldlichgrün erschien sein
verzerrtes Gesicht, die Augen blickten
starr, um die Lippen zuckte es schmerz
lich und wehn.llthig hing der lange,
sonst so keck empor gewirbelte Schnurr
bart nieder.
Armer Vetter", lachte Wanda.
DaS Meer ist doch stärker als Sie !"
Hol der Henker das Meer. Ich
fahre mit der Eisendahn zurück "
Tars ich Ihnen vorher meinen
Bräutigam vorstellen,..."
Wie waS ah, Herr Tok
tor Wanda.."
Der gute Rittmeister war sprachlos.
Der Doktor streckte ihm gutmüthig
lächelnd d Hand entgegen,
Gegen die Allgewalt der Natur ist
... m4in (rr WittmiHr
Nickis 111 machen, öerr Rittmeister." ;
Hol der .... na. ich wünsch von !
Herzen Glück! An diese Seefahrt
werd ich mein lebenlang denken! "
llk)cIznil.
line l'iilu (kichichie roti Ct,rir ityllrv
Laura stand am Fenster, drückte das
glühende Gesicht an die angehauchten
Fensterscheiben und weinte leise vor sich
hin; Bob, ihr Gatte, stand in der Ecke
seines armseligen tüdchcnS, geistcs,
abwesend starrte er vor sich hin, tiesci
Weh im Herzen. Jcdcsmal zuckte es
wie ein üM,tz über sein vcrwettertes,
hartes Gesicht, dann fuhr er mit der
flachen Hand llber's Auge und athmete
tief und schwer auf.
Im Kinderbettchen an der Wand lag
der fünfjährige Gcedy, seiner Eltern
einziges Glück, krank darnieder.
Der schwache Brustkorb hob und
senkte sich, vom stoßweisen, fliegenden
Athem getrieben; die eingefallenen Wan
gen bedeckte hohe Röthe. und die klaren,
hellen Kinderaugen hatten schon jenen
überirdischen, geisterhaften Glanz an
sich, der dem Sterbenden eigen ist.
Geedy," rief der Vater mit schwe
rer, thrünenerstickter Stimme, mein
Geedy!"
Aber Geedt, antwortete nicht, Geedy
blickte unverwandt zur Decke empor;
jetzt streckte er seine Hündchen aus, als
ob er vor sich etwas sehen würde ,
und die fiebernden, glühenden Lippen
murmelten fort und fort einen Na
men . .
Nankee-Johnny" Aan-
lee-Joynny
AIs der kleine, pausbäckige Geedu
noch gesund war, als er noch lachend
und lustig im Hofe mit den anderen
Kindern herumspielte, mit dem großen,
zottigen Hoshunde sich herumbalgte,
Papa am Barte zauste, wenn dieser ihn
ans seinem Knie herumreiten ließ
da besuchte er einst mit Vater und Mut,
ter den großen Cirkus. Nichts aber
belustigte Geedy und die anderen Kin
der es war eben eine Kindervorstel,
lung so sehr als das Auftreten des
Clowns Zlankee-Johnny".
Heii a! Wie er berumsvrana. und
seine Tollheiten zum Besten gab; und
wie schön er aussah in der rothen Per,
rücke, die dom mehligen, weißen Gesichte
abstach! Vankee-Johnny" war aber
auch so lustig, so lustig . . .
Und Geedy dachte fort und fort an
ihn. Geedy wollte .,?ankeeJobnnv"
sehen.
Warte, bis Du gesund wirst, bis der
Arzt erlaubt, daß Du ausgehst, dann
wird Dich der Vater in den Circus wie-
der mitnehmen; da wirst Tu Zjankee
Johnny" wieder sehen."
Nein," begann Geedy und weinte.
nein jetzt Nankee-Jobnnn"
letzt."
Ter Arzt schüttelte den Kopf und die
arme Mutter weinte. . Der Vater aber
suchte die letzten paarMünzen hervor,
die ihm vom Lohne geblieben sind
ach, der ganze Lohn wanderte in die
Apotheke und machte sich auf den
Weg in die Stadt. Dort kaufte er ei
nen rothen Johnny" mit ausgebreite
ten Armen und Tschinellen. Wenn
man ihn an die Brust drückte, so schlug
er die Hände zusammen und die Tschi
nellen erklangen. Sorgfältig wickelte
er seinen Schatz in Seidenpapier ein,
schob ihn in die Rocktasche und eilte
heim.
Geedy hier ist Yankee-Johnny"!"
Er übergab ihm die kleine rothe Holz
puppe. Nein!" weinte Geedy will ,,?)an
kee Johnny" jetzt jetzt!"
Draußen stöberte der Schnee, daß
seine Flocken einen wilden Reigen auf
führten; pfeifend fuhr dazwischen der
Wind, heulte in seinen höchsten Klage-
tönen, daß eS zischend über die verödete
Straße dayinbrauste
Tie arme Mutter stand am Kopfende
des Kinderbettchens, in dem Geedy lag.
Thräne auf Thräne rieselte ihr über die
Wange und fiel auf die matie Stirne
des Kindes; daneben stand der Vater,
die Arme verschlungen, die düsteren
Augenbrauen gesenkt, in seinem In
nern arbeitete es, tobend und wild,
daß das arme Vaterherz sich fast ver
blutete;. . , .da lag vor ihm sein Geedy,
sein Kind, für das 't durch Sturm und
Wetter allen Welten hätte Trotz bieten
können, da lag der arme Geedy, ein
Opfer des tückischen, schleichenden Fie
bers den Tod auf der Stirne
Geedy hatte die Augen bereits ae
schloffen. Ter Arzt, der eben fortge
gangen, hatte blos stumm mit den
Achseln gezuckt, er hatte keinen Trost
mehr für die unglückliche Mutter, für !
den armen Vater.
Ta bewegte Geedy seine Lippen.
Rasch beugte sich der Vater nach vorne
sein Kind, das im -terben lag,
flüsterte einen Name Zjankec
Jobnny!"
Tief aus seufzte der Vater.
Ich will's versuchen," sagte er zur
Frau, griff nach Hut und Stock und
eilte hinaus in das Unwetter, eilte kotz
wilden Schneegestöbers in den Eirlus.
Und wenn der Wind ihm die eisigen
Flocken in'S Gesicht jagte, wenn es ihm
um die Augen brannte und schmerzte,
er fragte nicht darnach er eilte fort
und fort.
Temüthig bat er den Portier um die
Adresse von Yankee-Johnny". Ter ,
Portier musterte den Frager und nannte
eine der vornehmsten -trafen ?iew
Bork's.
Bob eilte dorthin. Es fror ihn der
! die innere Hitze verzehrte ihn er dachie
'nur sltl sinn slrmM frnn!n fiWhn
nur an seinen armen kranken Geedv,
und dieser Gedanke geb ihm gewaltige
ran.
Bor einem eleganten Hotel machte er j
Halt. Sein ganzer Muth war ge
schwundcn, da wohnen nur vornehme
Herrschaften, wie toll er vor den
KircuSclowu hiutrcten, aber in
feine Ohren tönte es fort und fort
Geedy's Flüstern 'lanlcc
Johnny"; schweren Herzens be
trat er die elegante Marmortrcppe. Im
ersten Stocke machte er Halt. Da stand
er vor der Wohnung des Clown. An
der Thüre war ei Mcssingschild be
sestigt. auf dem eingravirt stand:
Harry Rosthaivn, " Bob zog an der
Klingel; ein Diener öffnete ihm.
Kann ich Herrn Harry Rosthawn
sprechen?"
Sie wünschen?"
Der scharfe Ton deS Dieners er
schreckte Bob; er hätte am Liebsten in
kehren mögen. er hatte allen seinen
Muth ganz verloren.
Ich habe ihn dringend zu sprechen,"
stammelte er in bittendem, flehentlichem
Tone.
Er wurde vor Zlankee-Johniiy" ge
führt; wie erstaunte aber der einfache
Bob, als er statt des rothhaarigc
Clowns mit eingepudertem Gesichte und
breiten weißen Pluderhosen, vor sich
einen ernsten würdigen Herr erblickte,
der behaglich iin gepolsterten Stuhle saß
und seine Pfeife rauchte, dazu aufmcrk
sam die Zeitung lesend.
Bob drehte erlegen den Hut in der
Hand, und wagte nicht seine Bitte vor
zubringen; der ernste Herr hatte aber
aber ein so mildes liebes Gesicht, daß er
sich endlich das Herz nahm und zu
sprechen begann; aber in der Mitte sei
ner Rede mußte er zu weinen anfangen,
er wendete sich cb und trocknete die
Thränen.
Zlankce-Johnny" war ausgestan
den: Weinen Sie nicht, lieber Mann,
wir treffen Ihren Geedy hoffentlich noch
am Leben."
Einige Minuten darauf saßen Beide
im Schlitten und fuhren hinaus in die
Vorstadt.
Sie traten in's Zimmer; noch immer
stand die bleiche Frau an derselben
Stelle, jeden Hauch ihres Kindes be
wachend. Heiffa, Heiffa!" schrie Yankee
Johnny", warf den weiten kostbaren
Pelz ab, fuhr mit der Hand durch die
rothe Perrücke und machte seine
Sprünge.
Geedy wendete sich langsam um,
öffnele die glanzlosen, verloschenen
Augen, und starrte die Erscheinung
an, dann aber begann der arme
Geedy herzlich zu lachen, klaschte freude
trunten in die abgemagerten Händchen
und schrie mit AankeeJohnny" um
die Wette: Heiffa! Heiffa, Yankec
Johnny"!"
Ein mehlbestaubtes Gesicht, mit rothen
Flecken an der Nasenspitze und den
Backenknochen beugte sich über Geedy's
Gesichtchen, und die Lippen des
kranken Kindes berührten sich mit den
Lippen des Cirkus-Clowns.
Und er kam alle Tage berausae-
fahren, uud machte alle Tage dem
kranken Geedy seine Künste vor,
und Geedy klatschte in die Händchen
und ilachte, und wurde von Tag
z Tage im Geüchtchen voller, gesünder.
AIs endlich brausen die Frühlings-
sonne spielte und Lerchen himmelaus
wärts stiegen, um Gottes Herrlichkeit
zu preisen, konnte Geedy zum ersten
Male ausgehen, und er besuchte mit
dem Vater den Cirkus, denn Vankee
Johnny" hatte ihm Freikarten ge
schenkt.
Vater Bob sparte, und bis er nach
langer Zeit genügend zusammen , zu
haben glaubte, machte er sich mit
Geedy aus den Weg zum Janlee
Johnny". Sie wurden Beide lieb
ausgenommen.
Und was bin ich schuldig?" frug
zitternd Bob.
Einen Händedruck!" erwiderte der
Cirlus-Clomn, und da er Bob's
Hand drückte, fühlte er, wie eine
glühende Thräne eines glücklichen Va
ters darauf fiel.
Gegenseitig Vorstellung.
General von der Tann war ein lci
denschaftlicher Theaterfreund, und so
versäumte er denn auch nicht im Jahre
1880 die Muftervorstellungen in Mün
chen zu besuchen. Eines Tages wurden
die gastirenden Künstler mit den ersten
Kräften der Münchener Hofbühne zur
königlichen Tafel gezogen. , Unter de
Repräsentanten des Hofes befand si4L
auch General von der Tann, der da
mals
Gencral-Adiutant des Königs'
war. Vor der Tafel unterhielt man
sich lebhaft. An einem der Fenster
stand Franziska Ellmenreich, die in der
Rolle der Jungfrau von Orleans"
ihre schönsten Triumphe feierte, im Ge
sprach mit dem General-Jntendantcn
begriffen, dem plötzlich der General vrn
der Tann auf die Schulter klopfte.
Excellenz befehlen?"
Ach, bester Herr Intendant, wür
den Sie nicht die Güte haben, mich mit
Frau Ellmenreich bekannt zu machen ?"
Mit vielem Vergnügen." entgegnete
der Intendant, den greisen General der
grocn unftlerin zuführend; aber
eine Vorftelluna ist zwischen den fterr
schasten wohl überflüssig der Erode.
rer von Orleans die Jungsrau v:n
Orleans !"
prompte Vcdirnung.
Gast: Kellner, wie lange find Sie
schon hier?"
Kellner: Seit vier Wochen!"
Gast: Tann waren Sie allerdincz
noch niqk va. als ich mein Leeistcal
stellte."