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About Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901 | View Entire Issue (Aug. 13, 1896)
Dein einen sin Ulsi ist dem an dern sin llachtioal. in, Alllagsgkschichlc. Von M, Tchokpp, Niemand hatte es erwartet und die beiden am allerwenigsten. Wenn sie zurückdachten, tonnten sie gar nicht be greifen, woher sie den Muth genommen hatten. In einer schwachen Stunde, zu der er die Kraft in kurzem Stoßgebet gesunden, war eS geschehen. Sie stopfte gerade seine Strumpfe er hatte einmal Thränen in den Augen gehabt, als er ti beobachtet und er war hiniiberge kommen, um sie zu bitten, einen Knops anzunähen. Ta hatte er es ihr gesagt. Sie begann darauf schrecklich zu weinen und fragte, womit sie das verdient habe. Und er hätte am liebsten auch gemeint, so derzweifelt war er. Und stand nun in seinen Hcmdsärmeln da, mit den grobe, rothen Händen, den bleichen Kopf auf die Brust gesenkt, und sah auf das sehr grobe Loch in dem grauwollenen Strumpf, das ihn vor urfsooll anstarrte. Seit vollen sechs Jahren wohnte der Gerichtsschreiber Franz Ohlmann bei Luttgens und seit fiinfen hatte er sich vorgenommen, Alberta zu heirathen. Und sie hatte seit fünf Jahren darauf gewartet, hatte für ihn genäht und ge. stopft und gestrickt, zweimal wi)chent lich feine Lieblingsspeise gekocht und einmal fein kleines Zimmer ganz gründ lich reingemacht, obgleich sie doch jeden , Augenblick wahrnehmen mubte, um ihrer Weibnäherei obzuliegen. Ihre Eltern konnten sich darum nicht kürn mein. Sie hatten einen Gemusekeller und eine Rolle", denen ihr ganzes In tensfe gehörte. Zudem besaßen sie beide einen so stattlichen Umfang, das; ihnen überflüssige Bewegungen unbequem dann. Herr LUttgens saß deshalb bei gutem Wetter neben dem Kellereingang auf einer kleinen Bank, rauchte, wenn er nicht frühstückte oder vesperte und nickte den Dienstmädchen, die ihm freundlich einen guten Tag boten, her- blaffend zu. Er las nur die amtliche Zeitung, da sein Geschäft nur Herr schastliche Kunden besah, und in seinem Wesen, auf seinem Antlitz prägte sich etwas Patriarchaliiches aus. Im Wm ter sah man ihn selten, oder man mutzte das Glück haben, durch die ange, lehnte Wohnzimmerthllr zu sehen. Dann konnte man ihn neben dem Ofen blicken, wie er in tiefen Gedanken dasaß, die Augen fest auf den stattlichen, schwarzen Kater gerichtet, der ihn ab und zu anblinzelte, halbstündlich seinen bequemen, warmen Platz neben dem Kohleneimer wechselte, wobei cr jedes mal einen wundervoll abgerundeten Buckel machte, und nur bereitwillig zur Seite ging, wenn das Feuer geschürt der neue Kohlen aufgelegt wurde. Aus alledem war deutlich zu ersehen, daß Herr LUttgens die Repräsentation des Geschäftes übernommen hatte, ah rend seine Frau dem Handel vorstand, Zu diesem Zweck hatte sie stets eine blaue Scqurze vorgebunden, unter der eine riesige, viereckige Geldtasche sich verbarg. Ihr breites Gesicht konnte immer lächeln, d. h, bei den gutzahlenden Kun den; die kleinen Handwerker aus den Hinterhäusern sahen sie nur ernst und etwas streng. Und wenn man bei ihr borgen wollte, sagte sie, daß sie eS aus Prinzip nicht thue und stets auf Ord nung in ihrem Geschäft gehalten hat. Ihre Lieferanten hatten große Hochach tung vor ihr, und der Mann, der die Heringe, die Salzgurken und die weiße Seife lieferte, sagte, daß sich eine Gräfin nicht bester zu benehmen wüßte als seine theure Freundin. Natürlich war eS unter diesen Um stünden dem Ehepaar nicht möglich, sich um den Haushalt zu kümmern, und so hatte es die Sorge um diesen und ihren langjährigen Miether, den Gerichts schreib, aus die schwächlichen Schultern ihrer Tochter Alberta gewalzt, die das zu ihrem Vergnügen" that, während ihre eigentliche Beschäftigung die Weiß Näherei war. Aber auch zu ihrer Bil dung fand sich hin und wieder noch ein Stündchen. Herr Ohlmann, der bei einem Gerichtsvollzieher als Schreiber thätig war und außerdem von allen möglichen Originalen Kopien in fast gestochener Schrift anfertigte, war in einer Leihbibliothek abonnirt, und wenn n ein besonders aemiilhvollkS Buch mit nach Hanfe brachte, mußte auch sie eS lesen. Tann sahen sie sich tief ergriffen an, und sehr oft mußte Alberta schnell in die Küche eilen, um ihr schmerzliches Schluchzen zu verbergen. Und nun mußte es so kommen! Sie waren verlobt. Und seltsam sie meinten, daß irgend etwas anders ge worden fei zwischen ihnen; etwas, das ihr Glück störte, das sie daS .Früher" urückmünschen ließ. Vielleicht meinten sie es auch nur, weil alleS so sehr seier lich und ungewohnt war. Wie Ver drecher waren sie sich vorgekommen, als sie den Eltern gegenüberstanden; sie wagten kaum zu athmen, grau Lütt gens weinte bitterlich, sagte, daß sie es nicht begreifen könne nach allem, was sie ihre Tochter GuteS gethan. Und daß ei grausam von einem fremden Mann fei. ihr Vertrauen f zu tauschen und sie ihreS KindeS zu berauben. Ihr Mann nickte zu allem, sah vorwurfsvoll bald aus das zerknirschte Paar, bald aus den Kater. Aber als sie am Schlüsse ihrer Thränen und ihrer Rede ihre dvllen Arme weit ausbreitete und in -ner Umarmung den Schreiber und ihr Lind an ihr übervolles Herz drückte. zog auch über sein rothes,' würdevolles Gesicht eie väterliche uyrung. r zog sein rothes Schlachtelaschentuch her vor, schneuzte sich und ahmte seiner Gattin nach. Und dabei machte er die Bemerkung, daß Herr Ohlmann eigent- lich doch recht mager sei, und ein mit richtiges Mitleid zog in sein Herz ein für den Schwiegersohn, und sehr oft schob er ihm nun bei Tisch die Fleisch schüssel zum zweiten Mal hin, was frü her nie geschehen war. Natürlich durfte fortan das Braut paar nicht mehr unbeaufsichtigt fein. Frau Lüttgens war eine Frau von Welt, und gerade Über diesen deli taten Punkt hatte sie die weitestgehenden und gedankenvollsten Gespräche mit ihren verheirathetcn Kundinnen, die aan, ihrer Meinung waren. Sobald Herr Ohlmann Mittags nach Hause kam, mußte Alberta in den Laden, während ihre Mutter siir das leibliche Wohlergehen ihres künstigen Schwie gerfohnes sorgte. Und waren sie Abends zusammen, wurde jedkr ihrer Blicke, -jeder ihrer Handedrücke einer genauen Kontrolle unterworfen. Oft wurde auch noch eine gute Freundin geladen, die sich dann zwischen das lie bende Paar setzte und eine stille Freude an der Verzweiflung der beiden hatte. Sie strickte, Alberta nähte, Frau Lütt gens achtete aus die Ladenglocke, und die beiden Männer sahen zu. Das waren ihre geselligen Abende. Nachdem die Berlobungsringe an- geschafft und zweimal umgetauscht waren, sprach man von der Nothwen digkeit, Visiten abzustatten. Ist es denn durchaus nöthig?" sragte Alberta ihre Mutter, sie hatte eine grenzenlo e Angst vor diesen Besuchen. Diese war äußerst erstaunt. Glaubst Du denn, wir sino unter den Wilden? Oder meinst Du, ich weiß nicht, was unserem Stande zu kommt?" Auch Franz suhlte, wie seine Fas sung ihn verließ, als er von den Be suchen hörte und daß er dazu einen nagelneuen schwarzen Anzug und einen (? ylinderhut haben müßte. Seine Züge verriethen ein krampshaftes Lächeln, als er die Liste der zu Besuchenden, die aus einem Stück chneeweitzen t5in wickelunqspapier verzeichnet war, sah. ,,Ja." sagte Frau Liittgcns stolz, wir haben einen großen Bekanntenkreis, lieber Ohlmann, und ich denke daher auch, wir besorgen vorläufig kein feil berzeug." Alberta bekam ein schwarzes Kleid mit Schneppentaille ihre Mutter hatte gesehen, daß die Tochter des Regierungsrathes von gegenüber auch so eins hatte und war nie so häßlich gewesen wie in diesem fctaatslleid. Ihre Magerkeit kam sehr deutlich darin zur Geltung, und trotz des Perlen, besatzes und der seidenen Schleifen machte sie einen höchst unvortheilhaften Eindruck. Als sie es zum ersten Mal angelegt hatte, fanden sich ein halbes Dutzend Nachbarinnen ein, die den Stoff und die Machart und sogar das Futter bewunderten. Denn da es lau ter praktische Frauen waren, niußten sie auch sehen, wie sich die linke Seite ausnahm. Franz saß auf dem Sofa es war in der allen Stube und lächelte krampfhaft, wie er es jetzt sehr oft that, und traute dabei seinen Augen nicht. War das wirklich Alberta, der so lange sein stilles Sehnen gegol ten und die immer geschäftig, immer freundlich gegen ihn gewesen die bei manchem schönen Gedanken in den gefühlvollen Romanen so schmerzlich geweint und die so ost in seinen Träu men erschienen war aber anders, so ganz anders! Er kcnnte es nicht begreifen. Verstohlen betrachtete er sie und auf einmal siel ihm ein, daß einige sei ner Freunde aus dem Gesangverein Harmonie" ihn dringend gebeten, seine Braut doch auch mitzubringen, damit man sie kennen lerne. Er hatte sie ihnen in glänzenden Farben gezeichnet, sie neugierig gemacht; ja, von dieser Alberta, die da vor ihm stand, mit hän genden Armen, linkisch und erlegen sich bewegend, mit der modernsten, für sie so unkleidsamen Frisur von dieser Alberta hatte er nicht gesprochen. Sie machten ihre Besuche. Ueberall war es dasselbe. Nirgends schienen sie erwartet zu sein, obgleich in all den be kannten Familien ihretwegen die guten Stuben gereinigt und gelüftet waren. Alberta wurde wie ein Wunder betrach tet, Franz vielsagend die Hand ge drückt, und da es natürlich Sonntag war, kamen auch die Kinder und die zu fälligerweife gerade anwesenden Nach barn herein, immer einer hinter dem anderen, die Kinder die Hände in dem Mund, die Erwachsenen sich heimlich mit denEIIendozen anstoßend, und waren junge Mädchen da, lieferten sie wohl auch. Auch die Gespräche waren sich sehr ähnlich. Familienmesen, Gesund heitszuftand, Geschäftsgang, Fragen über die Hochzeit, neckische Anzüglich leiten und dazu wurde ein SchnappS oder fogar Bier getrunken im Gan jen ging Alles sehr ernst und feierlich zu." Aber wenn sie draußen waren! Wenn man sich überzeugt hatte, daß sie wirk lich fortgingen! Alle tauschten dann ihre Bemerkungen, meist recht boshafte Bemerkungen. Und wenn die Alberta sie gehört, wäre sie wohl am liebsten vor Scham in die Erde gekrochen. WaS sie sich wohl einbildete! Und daß sie über Haupt noch einen Mann bekommen, und wie sie'S wohl angefangen, und wie alt sie schon aussehe, und daß man glau den könne, sie wtte seine Mutter o, eS gab für eine Woche Gesprächsstoff. und doch waren sie alle zur oqzeit ge laden. Vielleicht ahnten die beiden etwas von dem, was hinter ihrem Rücken ge sprachen wurde. Sie wurden immer schweigsamer; Franz starrte den Vor übergehenden in'3 Gesicht, und seine Braut ei hob den Blick nicht mehr vom Boden. Mit Gewalt drängte sie die Thränen zurück. Was hatte sie denn gethan, da er nun so anders war als srühcr? War er beleidigt? Aber warum beim? Auf dem ganzen Wege hatte er noch kein freundliches Wort an sie gerichtet. Erschöpft kamen sie nach Hause, wo sie Alles berichten mutzten, was in den verschiedenen Familien gesprochen wor den war. Frau Lüttgens nickte zusrie den mit denk Kopse. Es mutzte Franz doch imponiren, welch' grotzen Bekann tenkreis sie hätten. Als Franz am nächsten Tage in den Verein Harmonie" kam, wußte er, daß man soeben von ihm gesprochen. Es war aus einmal eine verlegene Stille eingetreten. Er ärgerte sich und setzte sich schlecht gelaunt hin. Und dabei beschlich ihn ein eigenthümliches Angst gesühl. Was sie wohl gesprochen haben könnten? Und wie schrecklich, wenn sie sie gestern gesehen hätten! Gestern, wo sie so linkisch ausgesehen. Scheu ver suchte er auf den einzelnen Gesichtern zu lesen. Auf einigen verlegenes Lächeln, auf anderen geheucheltes Staunen oder Gleichgiltigkeit aber dort Fräulein Trudchen, die, sich durchaus mit dem Provisor verloben wollte und deshalb die intimste Freundin seiner Schwester geworden, kicherte in ihr Taschentuch hinein und stieß ihren Freund sreund lich mit dem Ellenbogen in die Seite. Und der Provisor kicherte auch, und hin ter dem Bierglase schnitt er eine Gri masse, die sein Gegenüber, einen jungen Handlungsgehilfen mit rothen Händen und blauer Kravatte, zu stürmischer Heiterkeit veranlaßte. Wie ärgerlich Sie aussehen!" sagte der Vorsitzende, der einen stattlichen Schnurrbart hatte und im Civilleben Buchhalter, Kassirer und Expedient in einem Detailgeschäft war. Haben Sie Aerger mit Ihrem Alten gehabt?" Nein, durchaus nicht," erwiderte Franz und machte einen verzweifelten Versuch, ubervergnugt auszulehen. Aber Sie sehen doch so aus. Nicht wahr, Fräulein Trudchen? Er sieht doch so aus!" Nein," sagte die Gefragte neckisch, nein, er ist böse, daß er in den Verein gekommen ist. Er wäre lieber bei sei ner Braut geblieben." Ja, ja!" schrie es von allen Seiten, das ist's! Warum hat er sie denn nicht mitgebracht?" Sie ist zu vornehm für uns. Er denkt, sie könnte ihm untreu werden." Sie verkehrt nur in standesgemäßer. Kreisen." Alle lachten, alle blickten herausfordernd auf Franz, der sich ver stört im Kreise umsah und durchaus nicht wußte, was er von dieser offenbar feindlichen Haltung denken sollte. Sie sind in einem großen Irr thum," sagte er verwirrt. Meine meine Braut ich Sie dürfen mir glauben " Aber sie schrieen wieder alle durch einander, eS kamen einige recht anzüg liche Redensarten vor, denen er nicht einmal entgegentreten konnte, da er wohl fühlte, daß sie recht hatten so zu sprechen. Wiederholt hatten sie Alberta eingeladen, sie hatte stets abgelehnt, ebenso wie ihre Mutter, und manchmal unter recht nichtigem Vorwand. Er war zu all den Freunden und Verwandten gegangen, die Frau LUttgens ihm ge nannt; die seinigc waren völlig unbe rücksichtigt geblieben. Er dachte an die Unbehaglichkeit, seitdem er verlobt war. an die Langeweile, an das häßliche. magere Mädchen, das früher so ganz anders war und sich nun so nüchtern, so reizlos zeigte er sah sich von allen diesen hier ausgestoßen und wußte nicht, womit er das verdient hatte. Finster sah er von einem zum anderen. Und alle fanden das sehr komisch, denn alle kannten ihn nur als sanft und freund licy unv zuvorkommend. AN die em Abend wartete seine Braut vergebens aus ihn. und ihre Mutter sagte, daß man ihm eine derartige Nach laisigkeit bei Zeiten abgewöhnen miine. Lange nach Mitternacht kam er. und Alberta hatte am nächsten Morgen ver wcinle gen. Ihr müßt so schnell wie möglich heirathen", sagte Frau Lllttgcn's. Ohlmann neigt zum Leichtsinn. Gieb acht, er kommt auch heute nicht zur Zeit !" Und richtig, er kam nicht. Sein Prinzipal, der Gerichtsvollzieher Herr Braun, hatte ihn zu einem GlaS Bier eingeladen. Er hatte gehört, daß sein Gebilse heirathen wollte, und war fest entschlossen, ihn von dem Unsinn, wie er sagte, zurückzuhalten. WaS sollte er mit einem verheirathen Gehilfen an fangen? Jetzt war besten Denken und Trachten das Geschäft, nachher war's die Familie. Er dachte dabei an Ge Haltserhöhung, Urlaub, schmutzige Wasche und abgetragene Kleider, viel leicht auch an Pünktlichkeit zum Feier abend, und jeder dieier Gründe war ftichbaltig genug, ihn zum entschiedenen Gegner von Alberta's Liedesglück zu machen. Den Gedanken lasten Sie fahren", sagte n. auf Ohlmann'i BerlodungS ring weisend. Franz sah ihn ganz bestürzt an. Hat sie Geld?" Er wubte eS nicht. Darüber hatten sie noch nicht gesprochen. Oder ein Geschäft?" Sie nicht, aber die Eltern Hm. Ist sie jung?" Er stotterte etwas Unverständliches. Er hatte nie gefragt, wie alt sie fei. Vielleicht war sie noch jung; aber er glaubte ..5 sie hübsch?" Hübsch? Nein, hübsch ist sie gewiß nicht. Jetzt nicht mehr. Aber früher Tann will ich Ihnen was sagen, Ohlmann, Sie sind ein Narr." Verwirrt sah er zu Boden. Warum wollen Sie denn heira then?" Weil er sich' vorgenommen hatte und sie es wohl auch von ihm erwartete. Dann lieben Sie sie auch nicht?" Er versuchte dem Blick seines Brod- geberZ fest zu begegnen. Doch wie er ja" sagen wollte, konnte er S nicht, und glühende Scham stieg in ihm auf. Na. es ist ja noch nichts verloren", sagte Herr Vraun und trank sein Glas leer. Nun laffen Sie's aber auch genug sein, und machen Sie ' die Dummheit wieder gut. Andernfalls würde ich mich genöthigt sehen, Ihnen zu kündigen." Er rief den Kellner und zahlte. Es ist Ihnen peinlich, ich kann wir's denke. Wenn Sie wollen, können Sie für einige Zeit bei mir wohnen. Sollen die Hinterstube billig haben. Ihre Sachen lasse ich abholen." Er reichte ihm die Hond, klopfte ihm väterlich auf die Schulter und ging, zufrieden seinen dichten Schnurrbart drehend. Wie betäubt irrte Franz durch die Straßen. Er hatte eine schreckliche Angst vor dem. was kommen konnte, Was sie wohl sagen würden, wenn sie es hörten? Frau Lüttgens konnte so schrecklich döse werden. Er war doch so unschuldig dabei! Er konnte nichts dafür! Nein, gewiß nicht. Sie muß- ten es auch einsehen. Und wenn ihm seine Stellung gekündigt wurde er konnte doch nicht betteln gehen! Und seine Ersparnisse wie weit hätte er mit denen wohl gereicht! Er wagte nicht, nach Hause zu gehen, verbrachte die Nacht im Bahnhofs, Restaurant und kam bleich und über miidet eine Stunde früher als gewöhn, lich im Bureau an. Nun?" fragte der Gerichtsvoll, zieher, den er beim Kaffee traf, Haben sie sich s überlegt?" Die Lüttgens sie werden es nicht zugeben. Sie haben noch nicht mit ihnen ge sprochen?" Ich war garnicht zu Hause." Dann werde ich die Sache für Sie in s Reine bringen." Franz sprach von Dankbarkeit, sah erschreckend bleich aus, war nicht im Stande, etwas zu thun und wischte ver- stöhlen den Schweiß von der Stirn, Sein Prinzipal betrachtete ihn von der Seite, ließ sich die genaue Adreffe der ruttgens geben, obgleich er sie genau kannte, und nahm sich vor, im Laufe des Morgens dahin zu gehen. Frau Lüttgens befand sich in zorni ger Verfassung inmitten frischen Sa lats. Kohl und Früchten, ihr Mann saß rauchend auf seinem Lieblings platz neben der Thür, ängstlich bemüht, sorglose Heiterkeit zu heucheln. Als Herr Braun eintrat, sahen ihn beide neugierig an. Er war ein stattlicher Mann, so, wie ihn die Frauen lieben, freundlich, aber herablaffend, sodaß es sich unwillkürlich jeder zur Ehre anrech nete, von ihm gegrüßt worden zu sein. Lüttgens gegenüber war er besonders herablassend, und als er sagte, er komme in Familien-Angelegenheiten, wurde er in die gute Stube geführt. Hier sprach er sehr viel von dem Leicht sinn gewisser junger Leute, wurde immer ernster, sprach von seinem eige nen, armen Junggcsellenleben, von schmerzlichen Erfahrungen, getäuschten Hoffnungen und daß ein gewisser junger Mann heute Nachmittag seine Sachen abholen lassen würde, die auszuliefern man gut thäte. Frau Lüttgens war sprachlos vor Wuth, Am meisten aber über die die sem Undankbaren erwiesenen Wohl thaten. Sie entwarf eine schreckliche Schilderung von ihm, nannte ihn ver kommen, einen charakterlosen Heuchler, und ihr Mann nickte zu Allem. Als Herr Braun ging, sah man ihn als treuen Freund an, bat ihn wieder- zukommen und bedauerte, daß es nicht mehr solcher Männer gab. ' Alberta saß schluchzend in der diistc ren Küche und zerbrach sich den Kopf über die Ursache dieses brutalen Bru ches, empfand eine gräßliche Scham, wenn sie an ihre Bekannten dachte, und daß sie nun doch umsonst für ihn ge näht, gestopft uud gestrickt hatte. Herr Braun aber sand Gefallen an den reichen Bestanden des Geschäfts, an der Hypothek, die Lüttgens auf einem HK hatten, an der Thatsache, daß nur ein einziges Kind vorhanden und dieses Kind eine Tochter war. Und als er seinen dritten Besuch machte, faßte er die rundliche Frau um und fragte, ob sie ihn wohl als Schwiegersohn ha den wollte. Die Lüttgens waren verblüfft, ent zückt ihr -tolz kannte keine Grenze. Alberta wurde aus der dunklen Küche gerufen, um für die Ehre zu danken, und die glückliche Mutter bestand auf baldiger Verlobung. Sie erzählte allen, daß sie nie ein glücklicheres Paar gesehen und daß doch nun diese beiden für einander bestimmt wären. Und daß nalürlich Herrn Ohlmann seine Stcl lung gekündigt sei. Auch ein Iul'iläliin. 15'iiiem all! Kriegs l!a,neradn gchcrzäh. Die Jubelfeiern in Deutschland sind zu Ende, und doch giebt eS noch manche Gelegenheit aus der großen Kricgszcit, die es werth ist, gestiert zu werden. So habe ich vor einigen Wochen einem Freunde in der alten Heimath zur Jubelfeier der Entdeckung seine Frau gratulirt. Ich laste ihn die Geschichte, wie er sie entdeckte, selbst erzählen : Wir waren am 1. Januar 1871 von Paris abmarschlrt, und htilsen dann mit, die französische Armee Über die Grenze der Schweiz zu drängen. Wir lagen Mitte Februar in einem kleinen Reste nahe der Grenze iin Ouartier, und machten von dort ans Recognoscirungen nach allen Himmels richtungen. Gefahr drohte uns nur wohl noch von versprengten Franktireur Banden, aber mit denen wurden wir schon fertig und konnte nS das auch nicht abhalten, einen Abstecher nach St. Cloud, einem kleinen GebirgSstädtchen, zu machen. Tort sollte nämlich ein großes Tabaks-Magazin sein, und die seS sollten wir uns genauer ansehen. Unsere Compagnie wurde hierzu com mandirt, und vergnügt traten wir am nächsten Morgen um G Uhr unseren Marsch an nebenbei einige 30 Kilo mcter. Wir hatten Schnee und Eis am Morgen verlosten, aber je näher wir unserem Bestimmungsort kamen, je mehr änderte sich die Scenerie, und endlich am Spät-Nachmittage trafen wir in St. Cloud ein ein bezaubern des Städtchen, tief im Thalkessel gelc gen und von grüner Wiesen, wie mit ten im Frühling, eingeschlosten. Wir marschirten auf den Marktplatz uud nachdem die Ausgänge mit Doppel Posten besetzt, und auf der Mairie die Wache eingerichtet war, bezogen wir unsere von den Quartiermachern in der Mhe des Marktes ausgesuchten Ouar tiere, mit dem Befehl, dieselben nicht anders als feldmarschmäßig ausgerüstet zu verlaffen, und mit der Büchse im Arm zu schlafen. Ten Bewohnern war das Gerücht zu gegangen, die Bayern kämen, woran wohl die Form unseres Ezakos Schuld war, da sie sich die Preußen nur mit Pickelhaube vorstellten. Aber nach dem wir uns als preußische Chaffeurs vorgestellt hatten, thauten sie nach und nach auf, und ich glaube, daß mancher Bewohner von St. Cloud heute noch ohne Grimm und Rachegedanken an unseren Besuch denkt. Ich konnte ge nug französisch radebrechen, um zu ver stehen und erstanden zu werden. Ich lag mit noch zwei Kameraden bei einem Weinbauern, besten löjähriges Töchterchen meine ganz besondere Auf merksamkeit erweckte. Sie war ein kleines allerliebstes Franzosenmädchen. Für ihre 16 Jahre sehr gesetzt und gar nicht so zimperlich wie Backsische in dem Alter zu sein pflegen. Meine beiden Kameraden mußten sich wegen nix versieh" bald zurückziehen, und noch ehe wir uns aufs Lager streckten, hatte ich Papa Noir daS Versprechen gegeben, einmal Nachricht von mir zu geben, wenn ich gesund und mit heilen Knochen wieder in Teutschland sein würde. Am nächsten Morgen wurden zwei große Wagen oll Tabak und Cigarren geladen. Wir waren kaum eine Stunde in unseren Quartieren zurück, als ich durch das Signal das Ganze sam mein" aus der schönsten Unterhaltung qeri sten wurde. Ein kräftiger Hände, Druck mit meinen Ouartierqebern und einen Kuß auf den Mund des nieb, lieben Madchens und fort ging s, die Tachsriemen noch im Laufe fest, machend. In wenigen Augenblicken waren wir vollzählig fertig zum Leben ge laden Bataillon marich" und in 30 Minuten hatten wir die freund liche Stadt schon eine ganze Strecke hin ter uns, Daß irgend etwas nicht in Ordnung war, hatten wir schon in den ersten 1s Minuten an unserem Marschtempo ge merkt. Nach ungefähr zwei Stunden wurde Halt gemacht und mit leichtem Herzen sagte uns unser Führer: Gott sei Tank, aus dem Wurstkeffel wären wir raus." Ter Main hatte ihm den Wink gegeben, wir sollten so schnell, wie möglich die Stadt verlassen, da er sichere Kunde habe, duR zranctlreurs uns den Rückweg abschneiden wollten. und angefragt Hütten, ob die Bürger des Städtchens mit dabei sein würden. Ter Maire hatte eingesehen, daß die Stadt nur dabei verlieren könne, denn daß die Strafe aus dem Fuße folgen würde, darüber war er sich vollkommen klar gewesen. Es ist ihm diese muthige Offenheit von seinen Mitbürgern denn auch später hoch angerechnet worden, trotzdem zuerst manche Hitzköpfe von Verrath gesprochen hatten. Nachdem wir uns dann ei wema ausgeruht hatten, ging es in einem ge müthlicheren Marschtempo weiter, und nach nicht langer Zeit kam uns unsere erste Compagnie entgegen. Unser Ba taillons-Chef hatte unseretwegen eine unruhige Nacht gehabt, und unS gleich im Morgen die erste Compagnie ent gegengeschickt. vundemude von stetem Berganfteiaen kamen mir spät Abends in unseren alten Quartiert witder an. Ader mit 19 Jahren verschläft man alleS Ungemach, und frisch und fröhlich erwachte ich am nächste Morgen. Nach einigen Tagen schrieb ich denn auch über unserm TabalS-Zug an meine Eltern, vergaß auch nicht des geraubten Kusses. Meine Muiter antwortete allerdings, ich habe wohl daS Ausschneiden schon von den Franzosen gelernt, denn bei meiner bekannten Blödigkeit jungen Mädchen gegenüber, könne sie daS gar nicht glauben. Ich muß übrigens selbst gestehen, woher mir in dem -Augenblicke der Muth kam, weiß ich selber nicht. In den nächsten Wochen wechselten wir häusig die Quartiere, bis wir im Mai endlich die Fahrt in die Heimnth antraten. Ich zog dann bald darauf auch den grünen Rock wieder aus, um mich für den Beruf des LandwirtheS bei einem unserer tüchtigste Domainen Pächter vorzubereiten, Natürlich hatte ich mein, dem Papa Noir gegebenes Versprechen nicht ver gcffen, und anfangs Winter ging ein großer Schreibebricf, den ich mit Hülse des kleinen und großen Ploctz und Wörterbuchs zusammengeflickt hatte, unter Anschluß meiner Photographie nach St. Cloud ab. Der Schluß bildete die Bitte an Mademoiselle Alice, mir wegen des geraubten Kusses ihre Verzeihung zu Theil werden zu lasten. Nach Monaten erst erhielt ich Ant wort von dem alten Herrn, aber wer war erfreuter wie ich. Eine Damen Hand hatte ganz zuletzt'geschrieben: Je ne suispas fache. Ms int Gedanken waren jetzt mehr als wie es meinem ge strengen Lehrherrn recht war, jenseits des Rheins, und habe ich denn auch noch noch 0 lange Jahre Briese nach St. Cloud abgeschickt. Schon im zweiten Jahre überließ Papa Noir seinem Töchterchen die ganze Korrespondenz, und dab unsere Briese immer häufiger sich kreuzten brauche ich wohl nicht bekräftigen. An meinem 25sten Geburtstage erhielt ich denn einen Brief mit dem bewußten Ja", dem bald daruf auch das bindende vor dem Altar folgte. Meine Frau ist heute deutsch in ihrem ganzen Wirken, und wie Sie w:hl bemerkt haben, verräth nur ein leichter Accent die Ausländerin. Und ob französische Mädchen gute deutsche Hausfrauen werden können? Meine alte Mutter hat sehr daran ge zröeiselt, wie ich sie zuerst mit meiner Absicht bekannt machte, aber schon im ersten Jahre unserer Ehe hat sie nach und nach das Regiment an meine Frau gutwillig abgegeben, und wie sie dann später von meiner kränklichen Schwester dringend verlangt wurde, sagte sie mir, ich kann hier bei Euch ab kommen, Tu hast Dir eine Perle von Hausfrau erobert, mein Junge; und meine Mutter pflegte mit ihrem Lob zu kargen. Und nun meine Herren, laffen Sie uns iu's Nest kriechen." Die Schuhe er Sängerin. Dieser Tage starb in Mailand Hr. Franchi, der viele Jahre Sekretär und Geschäftsführer der Patti war. Er war der Held einer in KUnstlerkreiscn oft erzählten Anctdote von den Schu hen der Sängerin. Es war in Phila delphia aus der Kunstreife. Maplefon war der Impresario und das Honorar der Patti betrug 100 Pfund St. für den Abend und mußte voraus bezahlt werden. Auf dem Zettel stand La Traviata" und Maplefon hatte am Nachmittag nur erst 800 Pfd. St. zur Verfügung. Es wurde hin und her verhandelt und die Sängerm kam schließlich Abends für die Vorstellung fertig angekleidet ins Theater. Nur die Schuhe fehlten. In der Noth wurden weitere 1(5 Psd. St. an der Kasse zu sammengeschaut. Da sprach Franchi das geflügelte Wort: Sie find ein großartiger Mann, Maplefon! Ma dame Patti thäte das für keinen ande ren Menschen in der Welt. Sie hat be reits einen Schuh angezogen !" Dabei blieb es aber auch sllr den Augenblick und Mapleson mußte das Unmögliche möglich machen und die letzten 40 Pfd. St. auf den Tisch legen, bis die Patti auch in den anderen Schuh hinein schlüpfte und hinaustrat aus die Bühne. Ttr Bsgtländer. Einer in der Leipz. Ztg.' erschiene nen Plauderei über den Vogtlönder ent nehmen wir folgende Bemerkungen. Die Volksart des Vogtlünders läßt sich bezeichnen mit dem Ausdruck: gut müthige Grobheit. Ter Vogtländer ist grob, sehr grob, sackgrob, grob wie Bohnenstroh", ungeschlacht und klotzig, aber dabei mit einem guten Tropfen Harmlosigkeit und Biederkeit gesalbt, so daß man seine Grobheit nicht Übel nimmt, sondern herzlich darüber lachen muß. Johann." so ruft die Frau ihrem Manne m. der bei inm nahm. den Gewitter auf dem Oberboden weilt. Johann, kumm runter, s danert." Er antwortet trocken: Dös ka ich duoben a hörn." Guten Tag mit enanner," so ruft der Nachbar dem Nachbar zu. der seine Kuh zur Stadt treibt oder mit seinem Hund ihm auf der Landstrake beaeanet. in nitcr b"r schilt daS TitnftmSdchen he'Iig aus. ais sie ivm veim ufwaichen lein TrinkalaS rbrorfiHi bntt- 5n tm.ii könnte mir nie passirkn." .Hrr Kreis einnehmer." so antwortete sie. .Sie greifen a nischt oa." Fräulein: .ck nfw i Promenade und Sie?" 'scher: Auch angkln."