Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, August 06, 1896, Image 10

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    Der Ictzte Gruß.
Vrzöhlung aiiä dem dreixigjährigc Kriege
uon (?. Z s ch k r i ch.
Es war gegen Ende der erste Halste
de seckiiebntm Jahrhunderts. Ter
Kriea. der schon dreißig Jahre in deut,
schen Landen gewüthet, hatte das Land
ausgesogen, ärger alZ einstmals die tftiJ
mn und Hunnen. Er hatte dem Bauern
das Bewußtsein und die Freude deS !8e
sitzes genommen. Mancher Acker lag
brach, weil der Eigenthümer zur Zeit
der Aussaat nicht wußte, ob die Ernte
auch sein eigen sein wurde, oder ob nicht
der alles verzehrende Krieg auch sein
Korn verschlingen werde, w,e er schon
viel anderes der chlungen hatte.
Auch auf den Herrenschlöffern fehlte
die alte Fröhlichkeit. Schier ledes Oie
schlecht hatte ein Opfer seines Stammes
u beklagen: vorab in ienen Provinzen,
die der Krieg selbst berührte oder wo die
Truppen längere Zeit einlagerten, wie
in Pilsen und Eger, waren die Zustande
oft ganz verzweiselt.
Zu den bis dahin noch am wenigsten
aeschadiaten Landstrichen mochte die D
tische Oberpfalz zählen. Lagen auch
hier ganze Strecken brach und unbebaut,
so trug weniger der Krieg selbst die llr
sache. als vielmehr der Mangel an ge
nügenden Arbeitskräften, der freilich
abermals auf den Krieg zurückzuführen
war.
Dennoch war speziell an der Naab
und ganz besonders in der nächsten Um
gebung von Naabburg wenig von den
allgemeinen Verwüstungen zu verspü
ren. Freundlich wie das kleine Gewäs
ser, das die Mauern des alten Ortes
bespült, lag die ganze Landschaft. An
den Ausbuchtungen des Masters blühten
die Teichrosen, von den Hügeln grüßten
die dunklen Bäume, auf den Aeckern
wuchs das Getreide, ja auf den moori
gen Wiesen stolzierte selbst der Storch,
dieser alte Freund menschlicher Ansiede
lung ruhig, wie hundert Jahre früher,
als ob es draußen im Reich weder Schwe
den noch Kaiser gebe.
Vielleicht nicht ganz so ruhig, aber
doch ftill und gefaßt, erharrten die Be
wohner Naabburgs ihr zukünftiges
Schicksal. Ter alte Freiherr von Wei
ßensels, der Eigenthümer der den klei
nen Ort krönenden Burg, war seiner
seits an der Seite Wallensteins gefallen.
Nun saß seine Wittib auf dem alten
Schloß, mit ihrer kaum erwachsenen
Tochter. Der einzige Sohn stand drau
ßen im Feld und die Seinen harrten
bang auf Nachricht von ihm.
Es war um die Zeit der Aehrenreife.
Zu Garben gebunden stand das Korn
auf dem Feld. Die weiß und gelben
Waffermumeln blühten, im Burggärt
lein dufteten die Rosen, würziger Geruch
quoll aus den Heuschwaden empor.
Da zog ein einsamer Reiter die Straße
von Eger herüber. Bestaubt war Mann
und Roß und wohl auch müd, denn sie
waren weit hergekommen; aber trotzdem
ar der Reiter fröhlich anzusehen, denn
er war jung und von einnehmendem
Aeußeren, kaum daß ihm der erste Flaum
am Kinn sproßte.
Auq dem anen Wanenknechi, im
Schloßhof der Naabburg, mochte er be,
Lagen und wiewohl sonst Höflichkeit
nicht seine schwache Seite war, der
sprach k.r doch dienstfertigst, den gestren
gen Junker bei seiner Herrschaft melden
zu wollen.
Dauerte auch gar nicht lang, so kam
derselbige Wafsenknech! wieder in die
Vorhalle und winkte dem jungen Mann,
ihm zu folgen. Droben stand er einen
Augenblick still, und besah sich noch ein
mal den Fremden, dann drängte er sich
dicht an ihn: So Ihr Unliebsames zu
melden habet, kleidet es in freundliche
Worte. Die Frauen sind schreckhaft,
zumal die Herrin."
Der Jüngling beugte den Kopf nie
der: Ich will'S beherzigen." Tann
folgte er ernst, aber gelaffen seinem
grauen Führer.
Drinnen im Saal war'S kühl und
still; eine einsame Fliege summte am
Fenster, nur spärlich fiel das Licht durch
die grünen BuKenscheiben. Alterthüm
lich prachtvoll geschnitzte Möbel standen
rings an den Wänden. Thür und
Fenfterborhänge waren von den kostbar
sten Stoffen. Man sah, eS war ein al
teS, vornehmes Geschlecht, das hier seine
Heimstätte hatte. Ter junge Mann
hatte das auf den ersten Blick gesehen,
und ihm war leid, den Frieden zu bre
chen, in den er hier getreten. Aber es
war sein Schicksal so, er konnte nicht da
wider streiten. Auch blieb ihm nicht
lange Zeit zur Ucberlegung, denn schon
iffnete sich die ihm gegenüberliegende
Saalthüre, eine alte ehrwürdige Dame
kat aus derselben, gestützt auf ihre
Tochter, daneben schritt der hochwürdige
freundliche Berather, der Burgkaplan in
dunkler Soutane, auf dem schneeweißen
Haar das violette Biret, das Abzeichen
seines Standes.
Die Edelfrau, eine hohe, ariftolrati
sche Erscheinung, von zartem schier durch
fichtigem Teint, grüßte höflich mit der
Hand. .Ihr habt uns eine Botschaft zu
dringen?"
Ter Junier trat einen Schritt näher,
wahrend sie sich langsam aus einen
Stuhl niederließ. Mir wird schwer
da! zu vermelden, was mir aufgetragen
wurde: aber ich gab das Versprechen,
und so muß ich's auch halten. Und so
erlaubet denn, daß ich vorerst zurück
greife um eine geraume Zeit, und Euch
ein Stück mein Geschichte in kurzen
Umrissen erzähle. Meine Wiege ist am
In gestanden, zu Landeck auf der Burg
unseres alten Geschlechte! bin ich aufge
wachse. Zu Heidelberg habe ich studirt.
aber ich verstand mich besser aus die
Führung des Degens, denn aus jene der
Feder, und einmal nach einer durchzcch
len Nacht, da mein Beutel absonderlich
leer geworden, sprach mich ein Werber
d'rauf an, daß meine Faust doch zu
Besserem tauglich sei, denn das Eorpus
Juris" berumzuschlevven: und da er
mir die blinkenden Goldfüchsen hinschob.
deren ich gerade benöthigtc, konnte ich
nicht widerstehen und schlug in den an
dcl ein. So ward ich Fähnrich bei den
wallonischen Kürasstrcn, die vormals der
Pappenheim befehligt, und so geschah
es auch, daß ich der Zelt und agerge
nosse Eures Sohnes Georg wurde, der
um eben jene Zeit als Hauptmann zur
Truppe gekommen war.
Er mächte eine lleine Pause, wie um
sich Muth i sammeln sür das, was
nun gesagt werden sollte. Niemand un
terbrach ihn, eine dumpfe Schwüle
herrschte im Gemach, nur das spitzen
besetzte Thrünentüchlein zitterte in der
schmalen Hand der Freisrau.
Da warf der junge Mann schier ge
waltsam den Kopf empor: Seit vori
gem Herbst sind mir ohne Unterbrechung
zusammen gewesen und wir sind ein
ander traute Gesellen geworden, bis zum
Ende."
Ein banger Wehlaut zitterte durchs
Gelaß. Die Freifrau war in den Sessel
zurückgesunken: zitternd beugte dieToch
ter sich über sie. Es war eine herzzer
reißende Gruppe, und jetzt traf den
Junker des Fräulein Blick, so schmerz
erfüllt, so vorwurfsvoll, daß auch ihm
unsäglich weh ward im tiefsten Herzen;
denn jene Augen, die nun so leidvoll
nach ihm sahen, gemahnten ihn lebendig,
an jene Anderen, die brechend noch an
ihm gehanqen: Bring ü meiner
Mutter und Schwester meinen letzten
Gruß!" und das war auch sein eho
liches Gesicht, Zug um Zug, nur zarter.
seiner, blumenhaster,
Die bebende Stimme der Freifrau
riß ihn aus seinen Gedanken. Erzählet
fertig, ich bin gefaßt ich will alles
wiiim!
Der Junker beugte das Haupt: ,Bor
vier Tagen lagen wir vor Prag auf
offenem Feld. Da kamen die Vorposten
angesprengt: Der Schwed ist nah !
Wir sprangen aus unsere Rolle und
jagten dem Feind entgegen. Ich hielt
die Fahne m der Luft; eine Karthau
nenkugel riß ein Stück des Tuches von
der Stange los, nun flatterte sie erst
recht im Wind. Georg ritt immer ne-
den mir; auch da der Angriff begann
blieben wir Seite an Seite. Es war
ein heißer Kamps, ein morncri chcs
Ringen, wie ich noch keines erlebt; aber
der Sieg blieb unser. Weit bis über
den Wald hinunter drängten wir die
chwedischen zurück. Schon rief die
Trompete zum Sammeln, da pfiff noch
eine einzelne letzte Stücklugel, die traf
Georgs Sturmhaube, daß sie zeriprang
wie dünnes Glas. Langsam sank er
mir in den Arm. Bring' Tu meiner
Mutter und Schwester meinen letzten
Gruß!" Tann drückte er mir noch
einmal die Hand: Fahr' wohl!" und
dann war alles vorbei. Am nächsten
Tag haben wir ihn mit den anderen
Gefallenen zur ewigen Ruhe gebettet,"
und mir blieb nichts übrig zu thu; als
den letzten Wunsch des Todten zu er-
suuen."
Er schwieg. Leise schluchzten die
Frauen, der preise Priester aber neigte
sich jegtzur Freifrau: Der liebe Gott
hat'S gegeben, er hat's wieder genom-
men, er weiß warum; füget Euch drein.
arme Mutter und folget mir nun und
ruhet Euch aus. Nach dem Sturm
kommt immer Stille; und in der Ein
sammt könnet auch Ihr den Balsam
finden, den Eure Wunde bedarf."
Widerstandslos ließ sich die alte Dame
von ihm fortführen.
Schon wollte auch der Junker sich
entfernen. Aber das Fräulein, das
zurückgeblieben war, ergriff seine Hand
nd zog ihn zu einer Sitzbank: Ver
zeiht den wenig gastlichen Empfang, der
Euch bereitet worden. Sonst ist die
Naabburg allzeit berühmt gewesen, ob
ihrer Wirthlichkeit; aber heute, wo sie
zum Tranerhause geworden, um ihren
letzten Herrn, dürfet Jhr's nicht übel
nehmen. Auch nicht, daß die Mutter
Euch den Tank zu sagen vergeffen hat,
für die Mühe und Beschwerlichkeit, die
Ihr gehabt, un diesen letzten Gruß deZ
Bruders zu bringen. So gut eS mög
lich ist, werd' ich sorgen, daß Ihr Euch
ausruhen und stärken könnet, nach dem
langen Ritt, aber zuvor sagt mir noch
eins: Hat er lange und schwer gelit
len?" Ihre Stimme zitterte stark.
Der Junker hielt noch ihre feinen,
weißen Hände zwischen den seinen. Es
war ein schneller, kurzer Todeskampf:
ich glaubt, daß er sich des Schmerzes
kaum bewußt war, denn sein Antlitz
blieb noch im Tode ftill und friedlich,
wie das eines Schlafenden." Er fühlte
einen schwachen Truck ihrer Finger.
Habet Tank, tausendfachen Tank.
Das wird mir über viel weghelfen.
Aber nun folget mir. daß ich für Eure
Bequemlichleil sorge.
Der Junker wollte abwehren. Er
werde sogleich wieder fortreiten, nun er
sein traurig Geschäft abgethan: er wolle
nicht weiter stören.
Sie aber ließ ihn nicht zu Ende kam
men. ic AtiMer wurde schellen, wenn
sie später erführe, daß sie ihn so fortge
lassen habe und ehe er sieh'S versehen.
da hattk sie ihn in ein wohl eingerichte
tes Gaftgemach geführt, mit breiter
Lagerftelle und weichen Decken und
Kiffen. Run mögt Ihr den Staub
der Heerstraße von Euch waschen und,
rasten nach Eurer Bequemlichkeit, ich
werde Euch einen Diener heraus sendln,
so Ihr sein bedürfet."
Damit war sie gegangen. Bald her
nach aber kam ein Knecht mit Wein und
kaltem Wildpret und frug nach seinen
Befehlen. Junker Axel, der seit lau
gem nimmer an solch anmuthig weid
liche Fürsorge gewöhnt war, fand sich
ganz feierlich berührt. Schon während
der Studentenzeit und nachher während
dem Lagerleben, war ihm solche nim
mer vorgekommen.
Er ließ sich beim Umkleiden bedienen,
dann verzehrte er das reichliche Mahl,
und zuletzt streckte er sich auf das, mit
dem feinsten Linnen bezogene Bett, zog
die seidengesiitterte Bärcndecke über sich
und schlummerte so schnell ein, daß er
gar nimmer merkte, wie der Diener die
Reste des Essens abräumte.
Als er wieder erivachte, war der
Abend so tief herabgesunken, daß es be
reits zu dunkeln begann, und so behag
lich schien ihm dies wohlige Hindäm
mern, daß er sich erst nach geraumer
Zeit entschließen konnte, aufzustehen.
Bald nachher kam der Diener mit
Licht: Das gnädige Fräulein läßt
fragen, ob der Herr Junker den Abend
imoiß am Herrentisch zu nehmen be
liebt? Es ist aufgetragen!"
Ganz schnell hatte Axel sich die Klei
der geordnet. Er sollte das liebe, süße
Gesicht wiedersehen, die holde Stimme
wieder hören, die es ihm schon gleich
beim ersten Begegnen angethan. Kaum
konnte er den Augenblick erwarten, dem
Fräulein wieder gegenubertrcten zu
dürfen.
Im Spelsesaal fand er die beiden
Damen und den Kaplan. Frau von
Weißen eis hatte ich ge aßt. Bleich.
aber still sah das weiße Gesicht aus dem
schwarzen Gebünd der Wittwenhaube.
Milde bot sie ihm die Hand: Die
traurige Stunde bietet wenig SBiin
schenswertheS für den Gast, ich aber er
kenne dankbar das Opfer an, das er
uns dringt, hier zu bleiben und die
erste, schwerste Zeit mit uns zu theilen,
denn wohl thut es mir, Jenen noch bei
mir zu wissen, der dem Hingegangenen
lieb gewesen, und einen Bruchthell des
Gefühls, das bislang dem Todten a
gölten, auf den Lebenden übertragen zu
können."
Axel erröthete. Von einem Opfer
seinerseits konnte nicht die Rede sein
Er drückte einen ehrfürchtigen Kuß auf
die Hand der Freifrau und beugte sich
nachher auch zu den rosigen Fingern des
Fräuleins nieder, doch zeugte dieser letz-
tere Kuß weniger von (neuer Ehrfurcht,
als jener süßesten Empfindung, die das
Menfchenherz nur einmal durchströmt,
der ersten, unentweihten Liebe.
Einsilbig verlief die Mahlzeit. Nach
Tisch sprach der Kaplan mit dem Jun
ker von den schlimmen Kriegsläufen
und zuletzt, da die Damen sich zurück
zogen, schlug er ihm ein Schachzabel
spiel vor; und da sich erwies, daß die
beiden Männer gleich gute Partner in
dieser edlen Kunst waren, so widmeten
sie ihr noch etliche Stunden und fanden
so viel Gefallen aneinander, daß sie sich
trotz, vorgerückter Nachtzeit nur ungern
rennten
Am nächsten Morgen sprach Arel
schon beim Frühmahl davon, sein Pferd
satteln und in s Lager zurückreiten zu
wollen. Aber sowohl die Damen als
der Kaplan ließen ihn nicht fort, und
da das Menschenherz sich durchschnittlich
nicht lange nöthigen läßt, zu dem, was
es selber gerne thut, so blieb er.
Und so gingen vier Tage in's Land
und Junta Axel saß noch immer zu
Naabburg. Am fünften Morgen aber
kamen flüchtige Bauern von Neustadt
her, die, Schweden ständen dort, sie
kämen wohl in kürzester Zeit auch hier
her. Da fuhr Axel aus seinen träumeri
schen Sinnen. Ter Feind in Sicht
und er selber fern von keinem Regiment.
Er rief dem Diener zu, sein Pferd zu
zäumen, und flog hinüber zu den Da
men, Urlaub zu nehmen.
Wie ein Blitz war der Kriegsruf in
das stille Schloß gefahren, aber nicht
verheerend, nur erleuchtend. Fräulein
Erika wußte mit einem Mal, daß der
hochgewachsene Fremde ihr näher stand
als sie selber eingeftehen mochte.
Dennoch zuckte sie mit keiner Miene, j
da sie ihm die Hand zum Abschied bot:
Reitet glücklich und mög' Euch Gott
beschützen!"
Dann aber, da er durchs Thor über
den Wallgraden sprengte, folgten ihm
ihre Augen noch lange. Ob sie ihn
wohl jemals wiedersah? Und wann?
Endlich, als ein vorspringender Hügel
ihn ihren Blicken entzog, ging sie ins
Haus hinunter, ihren täglichen Geschäft
ten nach.
Aber der Abschied wer für kürzere
.Seit gewesen, als ne gemeint.
Schon in der Mittagsstunde traf Arel
auf sein Regiment. Es hatte seine Vor
Posten über Waldsassen ausgestellt und
wartete nur auf Nachricht, um weiter
vorzugchen. Axel'S Bericht vom An
marsch der Schweden gab dieLosung zum
Aufbruch. Schon gegen Abend traf man
auf die ersten Spuren des Feindes, doch
zwang die hereinbrechende Nacht zu un
freiwilliger Ruhe.
Ter neue Morgen erweckte die Kriegs
voller zu neuer Thätigkeit. Beim ersten
Hahmnkrähen hatte die Lärmtrommel
das Lager aufgeschreckt. Jetzt gingS im
lichten Morgenschein d,n Schwedischen
entgegen. Südlich von Neustadt stießen
sie auseinander. Und nach kurzem aber
heftigem Ringen hatten die Pappenhei
mer die gegnerischen Reihen zum Wan
len gebracht. Zwar wehrten sich die
Schweden wie die Teufel, aber nachdem
der Anführer gefallen, ergriff allgemei
ner Schreck die Soldaten. Langsam
erst zogen sie sich zurück. Dann schncllcr
und schneller, zuletzt jagte alles in wil
der Flucht davon, Deckung in dein nim
mcr fern gelegenen Naabburg zu su
chen.
Arel hatte tapfer gefochten, der
Schweiß rann ihm von der Stirn, da
die Trompete zur Ruhe blies.
Noch hielt er die Fahne, und sie flat
tertc hoch in der Lust; da gewahrte er.
wie die Schweden sich nach Naabburg
warfen, das raubte ihm jeden anderen
Gedanken,
Aber so schnell, wie die Noth groß
war fuhr ihm ein rettender Einfall
durch 's Hirn. Die Fahne hochschmen
kend, sprengte er den Feinden nach, zwi
scheu sie hinein.
Dem Feldzeichen Uiid seinem tollküh
nen Träger folgten auch die anderen
Pappenheimer, sie wollten ihre Stau
darte nicht verlassen in der Gefahr. Die
Hakenbüchse knackten ringsum Axel,
blinkende Mordwaffen aller Art blitzten
ihm entgegen. Er fuhr dazwischen hin
durch wie ein Gespenst. Zuweilen
ging's über Berge von Leichen, daß das
Roß Mühe hatte, nicht zu stürzen ; aber
es gelang, und Axel sah sich zuletzt init
etlichen seiner Kameraden heil und un
versehrt vor dem ersehnten Thore Naab
bllrgs, noch einen Augenblick früher als
die Schweden anlangten.
Freilich galt es noch einen letzten
Anprall auszuhalten; es war das
heißeste, entscheidenste Ringen. Schon
war in das Stadtthor eine Bresche ge
schlagen, daß die Holzstücke splitternd
umherflogen. Axel drosch wie ein
Wüthender. Da traf ihn ein Kolben
schlag auf den Helm, daß die Funken
stoben. Wie feurige Räder tanzte es
vor seinen Augen. Langsam sank er,
die Fahne noch fest in der Rechten hab
tend, vom Pferd, in das eben ausschla
gende Thor. Tann ward es Nacht um
ihn,
Die Kürassiere aber, von dem Sinken
ihres Banners noch mehr zur Wuth enb
facht, stürzten nun erst recht rasend unter
die Schweden, so daß sie dieselben tun
ter und weiter abdrängten und zum
größten Theil ausrieben.
Ferner und ferner verzog sich der
Lärm des Gefechtes: Naabburg war ge
rettet.
Wie die Bürger herauskamen, den
Schaden des Thores zu bessern, fanden
sie Axel noch besinnungslos auf ihrer
Gemarkung liegen und sie hoben ihn
aus, um ihn und die Fahne in gute
Unterkunst zu bringen.
Aber auch im Schloß droben hatte
man das Gefecht und seinen Abschluß
beobachtet, und sowohl der Kaplan als
die Freisrau waren darin einig ge,
Wesen, dem gestürzten Kürassier, der sich
so heldenmütig um die Vertheidigung
der Stadt verdient gemacht hatte, in
eigene Verpflegung zu nehmen.
Darum kam der Kaplan hinab, ihn
zu holen. Wie aber erstaunte er, da er
in dem Bewuntlosen Axel erkannte. Im
Triumph brachte er ihn den Tamen,
zumal sich bei näherer Untersuchung des
inzwi chen wieder zu ich Gekommenen
die leidliche Ungeföhrlichkeit der erlitte
nen Verletzung erwies.
fco schritt auch ein? Heilung rasch
fort. Aber da er längst genesen, mochte
er ich nimmer zum Abschied von Vtaab
bürg zu entschließen. Jene Augen, die
ihm einst in schmerer Zeit so suß ge
leuchtet, die nachmals manche Stunde
an seinem Siechenlager gewacht, gingen
ihm niemals aus dem Sinn und so
faßte er sich denn zuletzt ein Herz und
trat er, der einst in der Schlacht wie
ein Löwe gefochten zitternd, wie ein
Schulknabe, vor Erika.
Das Thor, das drunten vor den
Schweden geborsten, ist längst ausge-
bessert und mein Kopf, der bei der selbi
gen Affaire seine Schramme gekriegt, ist
auch wieder zusammengeflickt; und ich
weiß, daß es Zeit wäre für mich, an den
Abschied zu denken. Aber in Euren
Blicken, liebwerlhes Fräulein, sitzt ein
Angelhacken, daran mein Herz hängen
geblieben ist für alle -Zeit. Ich aber
weiß nicht, ob Ihr es daran verbluten
lassen oder ihm ein freundlich inniges
Empfinden entqegentraqen wollet. Da
rum komme ich Euch selber zu fragen,
was ich zu hoffen habe."
Erwartungsvoll sah er in Erikas
Gesicht, das unter seine,: Worten dunkel
erglüht war. Sie aber dielt ihre Blicke
fest auf den Boden gerichtet, als könne
sie dort der inhaltsschweren Frage Be
antwortung ablesen.
Darum haschte er zaghaft ihre Hand:
Soll ich reiten?" Erschrocken hielt sie
seine Finger fest: Nein, bleibet bei
mir immer! immer!"
Ta lachte er jauchzend und schlang
seine starken Arme um ihre schlanke
Gestalt und trug sie schier hinüber zur
alten Freifrau. Ich habe Euch un
längst an dieser Stelle einen Sohn ge
nommcn, und es hat 'jfiemanD weyer
gethan als mir; aber ich bring Euch
beut einen anderen dafür, und eS ist
Niemand glücklicher darüber als eben
wieder ich. Ob der Neugewonnene so
viel trerth ist, als der Verlorene.
weiß ich wohl nicht, daß er aber mit
herzlicher Liebe und Verehrung an Euch
hängt, des möget Ihr gewiß sein !
Und die alte Tame gab ihm gern
ihren Segen, war er ihr doch wirklich
lieb geworden wie ein Sohn und mußte
sie bei ihm ihr einzig Kind in sicherer
Hut.
Auch der greise Kaplan rieb sich der
gnügt seine feinen wohlgepgegten Hände:
.Fröhlich bin ich ob solchen Endes
abschluß; den ei schöneres Pärchen
hab ich wohl noch icmals zsaimcl
geschmiedet und eine vrziiglichcn
qaeyipiclparincr noch obendrein er
odert."
Der lange, dreißig Jahre währende
Krieg hat bald nachdem seinen Abschluß
gesunden. Unser Paar aber hat ro
lich lange Jahre theils , Raabbura,
theils zu Laudeck gelebt und hat stets
m,t wehmüthiger Freude an teilen letz,
teil Gruß des gefallenen Junkers Georg
gedacht, der das nachmals daraus er
blühte Glück der Seinen vermittelt.
Ein lvi.'derfindcn,
NovkUrtte von H ans Richte r.
Mit dem erleichternden Bewußtsein,
sich jeder Fessel entledigt zu haben,
lehnte sich Eva von Hagedorn in die
Ecke des Abtheils zurück, welchen ihr der
verständige Schaffner freigehalten hatte.
Ta wrde die Thür aufgerissen und ein
Herr sprang herein, nur im Straßen
anzug. jedoch mit einem prachtvollen
Rosenstrauß in der Hand.
Kerzengerade richtete sich Eva empor.
Ihr feines, schmales Gesicht mit den
seltsam dunkeln Augen erglühte. Sie
schien nicht zu gewahren, daß der junge
Herr ihr bittend den Strauß darreichte.
Sie haben sich jedenfalls verirrt.
Herr Doctor", sagte sie unnahbar kalt.
sie befinden stch in einem Damen
l?oute.'. Ich ersuche Sie, es zu der
lassen."
sosort?" fragte er und trotz seiner
demüthigen Haltung zuckte ein schall.
Haftes Lächeln um seine Lippen. 33e
denken Sie, Fräulein Eva, daß sich der
Schnellzng letzt schon in voller Fahrt
befindet. Wollen Sie mich zum Tode
erurtheilen, so werde ich allerdings zur
Thür hinaussprinqen. Gedulden Sie
sich noch fünf Minuten. Für Sie,
Fräulein Eva, könnte ich eben alles
thun."
Sogar die Rücksichtslosigkeit be
gehen, und mir Ihre Gesellschaft auf-
drängen, da ich mich Ihrer nicht ent
ledigen kann, denn Sie werden mich
nicht glauben machen, daß Ihr Mitfah
ren nicht berechnet fei."
Wahrhaftig, Sie lesen in meinem
Herzen wie in einem Buch. So wisse
Sie auch jedenfalls, was diese Rosen
Ihnen sagen sollen." Seine Stimme
hatte einen ernsten Klang angenom
men, welcher jedoch ohne Wirkung auf
die junge Dame zu bleiben schien.
Sie zog den seidenen Staubmantel
enqer um sich, kreuzte die Arme über
der Brust und schwieg.
Eva !" murmelte der Doktor bittend
und faßte nach ihrer Hand. Ein einzi
ger strenger Blick scheuchte ihn zurück.
Habe ich Sie so ehr gekranll, baß sie
mir nicht verzeihen können, trotzdem Sie
wohl wissen, welche sehr ernsthaste
Ueberwindung mich dieser scherzhaft
aussehende Ueberfall gekostet hat. Aber
ich mußte noch einmal mit Ihnen
sprechen. Mein Lebensglück hängt ja
davon ab und ebenso das Ihrige, denn
in Ihrem Herzen spricht eine Stimme
für mich, wenn Sie es auch leugnen.
Eva von vagedorn war rolh und
wieder blaß geworden, aber sie schwieg.
Sie willen ia längst, was ich sür
Sie fühle", fuhr er fort, und ich
ahne, was im Grunde Ihres Herzens
schlummert. Lasten Sie das Köstliche
zur Blüthe reisen."
Und wieder bot er ihr die Rosen,
Mit einer blitzschnellen Bewegung er,
griff sie den Strauß und schleuderte ihn
aus dem Fenster.
Das ist meine endqiltiqe Antwort.
Herr Doktor Landau !"
Der Doktor wurde surchtbar bleich.
In seinen Augen sprühten Flammen,
aber er bezwäng sich. Eisiges Schwei
gen folgte. Auf der nächsten Bahn-
stelle stieg Landau, stumm den Hut lus
tend aus; eS war ein Abschied sur das
Leben.
: war fünf Jahre später. Nach
stundenlanger Eisenbahnfahrt war Tok
tor Landau in der großen norddeutschen
Stadt eingetroffen, in welcher seine
Schwester seit Kurzem wohnte. Müde
des Fabrens ließ er seinen Koffer auf
dem Bahnhof und ging zu Fuß. Unter
wegs fiel ihm ein Blumengeschäft auf,
welches der Hausdiener eben schließen
wollte. Haftig trat er noch ein und
forderte einen Rosenstrauß seine
Schwester liebte diese Blumen so sehr.
Nur noch eine Verkäuferin war in
dem sehr feinen Geschäft anwesend.
Landau fuhr erschrocken zurück er sah
in Eva's blasses Antlitz.
.Fräulein von Hagedorn Sie? !"
stammelte er betroffen."
Sie nickte, offenbar gewaltsam sich zu
äußerer Ruhe zwingend. Ter Eintritt
des Geschäftsinhabers ließ ein Gespräch
nicht auskommen. Landau bezahlte.
nahm seinen Strauß und ging, doch
draußen auf der Straße blieb er in
einiger Entfernung ftehen. Schon nach
wenigen Minuten kam Eva. Mit ein
facher Vornehmheit gelleidet, machte sie
noch ganz den Eindruck einer echten
Tame.
Darf ich Sie nun begrüßen?" fragte
Landau und nach kurzem Zögern reichte
sie ihm ihre feine Rechte.
Wußten Sie, daß Sie mich hier
finden würden ?." fragte sie zurück.
Auf mein Ehrenwort nein ! Ich
will meine Schwester besuchen, deren
Gatte hierher versctzt wurde, und trat
ganz zufällig in den Laden.'
.Sie lebt in Berlin?"
.Ja, die Heimath war mir verleidet, ,
weil nun, der Grund ist ja aleichgil
tiz. Genug, ich drauchtc daS lärmende
Treibe, die hastige, alle Sinne in
sprnch nehmende Arbeit der Großstadt.
Es gebt mir gut wie man so sagt
und Ihnen?"
Besser, als ich vordein hoffen durste.
Haben Sie nichts über mich gehört?"
Ich erfuhr nur, daß Excellcnz den
Abschied genommen habe."
Bald darauf starb mein guter
Pater. Der große Hausstand, zu
welchem ih seine Stellung genöthigt,
hatte unser Bcrmöge verschlungen.
Die arme Tochter des todten Generals
kannte natürlich Niemand mehr."
Sie hatten sehr ernste Verehrer",
warf der Doktor ein.
Eva erröthete.
Einige waren mir wirklich Ire ge
blieben", antwortete sie zögernd, aber
ich vermochte nicht, nur der Versorgung
halber eine Ehe ohne Liebe aus mich zu
nehmen. Ein Jahr lang kostete ich das
Elend der Gesellschaftsdame. Aber
diese erniedrigende Tienstbarkeit wrde
mir unerträglich ich war wohl mei
neu Gebieterinnen zu jung und zu
hübsch. Ta entsann ich mich, daß man
stets meinen Geschmack im Zusammen
stellen von Blumensträußen gerühmt
hatte. Ohne Besinnen griff ich zu die
ser Arbeit, welche mich befriedigt und
anständig ernährt. Ich glaube, auch
eine Generalstocher bat sich ihrer nicht
zu schämen."
Wahrlich nicht !" rie Landau. O
Eva, Sie haben so viel Muth bewiesen,
wie nur je Ihr Bater in einer seiner
schlachten. Auch ich kenne den Segen
der Arbeit. Doch ganz vergessen lassen
kann sie mich doch nicht, daß auch das
Herz seine Rechte verlangt."
Als wir uns zum letzten Mal sahen,
wiesen Sie meine Rosen zurück. Wol
len Sie den Strauß heute annehmen?"
fragte er.
Zögernd griff sie danach und dabei
umspannte seine Hand plötzlich sest die
ihrige.
Eva, sind Sie in der That eine
andre geworden? Haben Sie nun Ihr
eignes Herz und besseres Selbst er
kannt?"
Sie antwortete nicht, sondern drückte
ihr Antlitz in die duftenden Blüthen.
Darf ich morgen wiederkommen?"
fuhr der Doktor leidenschaftlich fort.
Darf ich, liebe, holde Eva?"
Nun antwortete ein heißer Hände
druck, dann verschwand die schlanke
Gestalt im Dunkel des Hauskingangs.
Eine Minute später fiel von droben eine
Rose herab. Landau fing sie auf und
preßte sie an seine Lippen.
Was der erste Strauß ihm geraubt,
brachte der zweite wieder : die Rose sei
nes Lebens, sein Glück.
Lohnende Gefangenschaft.
Ter französische General St. Pierre,
welcher oft bei Hofe war, besuchte im
Oktober 1827 einen der bedeutendsten
Bankiers in Paris und theilte demselben
mit: Ich war eben im Schlosse, wo
man die Nachricht von einem sehr wich
tigen Ereigniß erhalten hat, das bis
jetzt noch Niemand bekannt ist. Abends
aber wahrscheinlich ausführlich erzählt
werden wird."
Und welches ist dieses Ereigniß?"
fragte der Bankier.
Die türkische Flotte ist von den
Franzosen, Engländern und Russen bei
Navarin vollständig geschlagen worden."
Wirklich!" entgegnete der Bankier
mit gleichgiltiger Miene. Verzeihen
Sie, Herr General, daß ich Sie einen
Augenblick allein lasse; ich bin sogleich
wieder bei Ihnen."
Der General blieb eine halbe Stunde
allein, wunderte sich sehr über die lange
Abwesenheit des Bankiers und wollte
fortgehen aber die Thür war ver
schlössen. Er klingelte, Niemand kam;
er öffnete das Fenster, rief aus allen
Kräften, aber Niemand erschien.
Erft nach einer mehrstündigen Haft
kam der Bankier zu ihm zurück und
sagte: Verzeihen Sie, Herr General,
daß ich Sie etwas länger allein ließ, wie
meine Absicht war."
Etwas länger? Trei lange Stun
den! Wollen Sie mir nicht erklären,
was diese Eigenmächtigkeit zu bedeuten
haben soll?" .
&ie bedeutet, daß ich sür Sie und
für mich arbeitete. Ich begab mich mit
Ihrer Nachricht an die Börse; um aber
Gewinn zu ziehen, mußte das Geheim-
niL streng bewahrt werden. Nun
glaube ich, daß die Verschwiegenheit eine
der gebrechlichsten Tugenden ist, deren
man sich nur unter Schloß und Riegel
versichern kann. Sie werden mir wegen
dieses Mißtrauens nicht zürnen, daß
sowohl in Ihrem wie in meinem Jnter
effe war. denn ich habe Sie bei meiner
Spekulation zum Kompagnon gemacht
und hier ist Ihr Antheil an dem
Gewinn."
Dabei legte der Bankier dem Gene
ral fünfzig Stück TausendsrankenbillelS
hin.
Stimmt fam.
Rentier Kiekebusch besichtigt mit sei
ner Frau daS neu gekaufte Gut.
Kiekcbufch: Nun, Jnspectorchen. wie
geht'S, wie steht'S, was macht daS liebe
Buch?"
Inspektor: .Läßt sich schönsten? be
danken für gütige Nachfrage. AllcS
wohlauf, die rothe Tchweizeriuh hat so
eben ein Kalb gekriegt."
ikkebusch: .siehst Du. Ludoiska.
wenn wir au'S Land kommen, vermehrt
sich daS Rindvieh!"