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About Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901 | View Entire Issue (Aug. 6, 1896)
Der Ictzte Gruß. Vrzöhlung aiiä dem dreixigjährigc Kriege uon (?. Z s ch k r i ch. Es war gegen Ende der erste Halste de seckiiebntm Jahrhunderts. Ter Kriea. der schon dreißig Jahre in deut, schen Landen gewüthet, hatte das Land ausgesogen, ärger alZ einstmals die tftiJ mn und Hunnen. Er hatte dem Bauern das Bewußtsein und die Freude deS !8e sitzes genommen. Mancher Acker lag brach, weil der Eigenthümer zur Zeit der Aussaat nicht wußte, ob die Ernte auch sein eigen sein wurde, oder ob nicht der alles verzehrende Krieg auch sein Korn verschlingen werde, w,e er schon viel anderes der chlungen hatte. Auch auf den Herrenschlöffern fehlte die alte Fröhlichkeit. Schier ledes Oie schlecht hatte ein Opfer seines Stammes u beklagen: vorab in ienen Provinzen, die der Krieg selbst berührte oder wo die Truppen längere Zeit einlagerten, wie in Pilsen und Eger, waren die Zustande oft ganz verzweiselt. Zu den bis dahin noch am wenigsten aeschadiaten Landstrichen mochte die D tische Oberpfalz zählen. Lagen auch hier ganze Strecken brach und unbebaut, so trug weniger der Krieg selbst die llr sache. als vielmehr der Mangel an ge nügenden Arbeitskräften, der freilich abermals auf den Krieg zurückzuführen war. Dennoch war speziell an der Naab und ganz besonders in der nächsten Um gebung von Naabburg wenig von den allgemeinen Verwüstungen zu verspü ren. Freundlich wie das kleine Gewäs ser, das die Mauern des alten Ortes bespült, lag die ganze Landschaft. An den Ausbuchtungen des Masters blühten die Teichrosen, von den Hügeln grüßten die dunklen Bäume, auf den Aeckern wuchs das Getreide, ja auf den moori gen Wiesen stolzierte selbst der Storch, dieser alte Freund menschlicher Ansiede lung ruhig, wie hundert Jahre früher, als ob es draußen im Reich weder Schwe den noch Kaiser gebe. Vielleicht nicht ganz so ruhig, aber doch ftill und gefaßt, erharrten die Be wohner Naabburgs ihr zukünftiges Schicksal. Ter alte Freiherr von Wei ßensels, der Eigenthümer der den klei nen Ort krönenden Burg, war seiner seits an der Seite Wallensteins gefallen. Nun saß seine Wittib auf dem alten Schloß, mit ihrer kaum erwachsenen Tochter. Der einzige Sohn stand drau ßen im Feld und die Seinen harrten bang auf Nachricht von ihm. Es war um die Zeit der Aehrenreife. Zu Garben gebunden stand das Korn auf dem Feld. Die weiß und gelben Waffermumeln blühten, im Burggärt lein dufteten die Rosen, würziger Geruch quoll aus den Heuschwaden empor. Da zog ein einsamer Reiter die Straße von Eger herüber. Bestaubt war Mann und Roß und wohl auch müd, denn sie waren weit hergekommen; aber trotzdem ar der Reiter fröhlich anzusehen, denn er war jung und von einnehmendem Aeußeren, kaum daß ihm der erste Flaum am Kinn sproßte. Auq dem anen Wanenknechi, im Schloßhof der Naabburg, mochte er be, Lagen und wiewohl sonst Höflichkeit nicht seine schwache Seite war, der sprach k.r doch dienstfertigst, den gestren gen Junker bei seiner Herrschaft melden zu wollen. Dauerte auch gar nicht lang, so kam derselbige Wafsenknech! wieder in die Vorhalle und winkte dem jungen Mann, ihm zu folgen. Droben stand er einen Augenblick still, und besah sich noch ein mal den Fremden, dann drängte er sich dicht an ihn: So Ihr Unliebsames zu melden habet, kleidet es in freundliche Worte. Die Frauen sind schreckhaft, zumal die Herrin." Der Jüngling beugte den Kopf nie der: Ich will'S beherzigen." Tann folgte er ernst, aber gelaffen seinem grauen Führer. Drinnen im Saal war'S kühl und still; eine einsame Fliege summte am Fenster, nur spärlich fiel das Licht durch die grünen BuKenscheiben. Alterthüm lich prachtvoll geschnitzte Möbel standen rings an den Wänden. Thür und Fenfterborhänge waren von den kostbar sten Stoffen. Man sah, eS war ein al teS, vornehmes Geschlecht, das hier seine Heimstätte hatte. Ter junge Mann hatte das auf den ersten Blick gesehen, und ihm war leid, den Frieden zu bre chen, in den er hier getreten. Aber es war sein Schicksal so, er konnte nicht da wider streiten. Auch blieb ihm nicht lange Zeit zur Ucberlegung, denn schon iffnete sich die ihm gegenüberliegende Saalthüre, eine alte ehrwürdige Dame kat aus derselben, gestützt auf ihre Tochter, daneben schritt der hochwürdige freundliche Berather, der Burgkaplan in dunkler Soutane, auf dem schneeweißen Haar das violette Biret, das Abzeichen seines Standes. Die Edelfrau, eine hohe, ariftolrati sche Erscheinung, von zartem schier durch fichtigem Teint, grüßte höflich mit der Hand. .Ihr habt uns eine Botschaft zu dringen?" Ter Junier trat einen Schritt näher, wahrend sie sich langsam aus einen Stuhl niederließ. Mir wird schwer da! zu vermelden, was mir aufgetragen wurde: aber ich gab das Versprechen, und so muß ich's auch halten. Und so erlaubet denn, daß ich vorerst zurück greife um eine geraume Zeit, und Euch ein Stück mein Geschichte in kurzen Umrissen erzähle. Meine Wiege ist am In gestanden, zu Landeck auf der Burg unseres alten Geschlechte! bin ich aufge wachse. Zu Heidelberg habe ich studirt. aber ich verstand mich besser aus die Führung des Degens, denn aus jene der Feder, und einmal nach einer durchzcch len Nacht, da mein Beutel absonderlich leer geworden, sprach mich ein Werber d'rauf an, daß meine Faust doch zu Besserem tauglich sei, denn das Eorpus Juris" berumzuschlevven: und da er mir die blinkenden Goldfüchsen hinschob. deren ich gerade benöthigtc, konnte ich nicht widerstehen und schlug in den an dcl ein. So ward ich Fähnrich bei den wallonischen Kürasstrcn, die vormals der Pappenheim befehligt, und so geschah es auch, daß ich der Zelt und agerge nosse Eures Sohnes Georg wurde, der um eben jene Zeit als Hauptmann zur Truppe gekommen war. Er mächte eine lleine Pause, wie um sich Muth i sammeln sür das, was nun gesagt werden sollte. Niemand un terbrach ihn, eine dumpfe Schwüle herrschte im Gemach, nur das spitzen besetzte Thrünentüchlein zitterte in der schmalen Hand der Freisrau. Da warf der junge Mann schier ge waltsam den Kopf empor: Seit vori gem Herbst sind mir ohne Unterbrechung zusammen gewesen und wir sind ein ander traute Gesellen geworden, bis zum Ende." Ein banger Wehlaut zitterte durchs Gelaß. Die Freifrau war in den Sessel zurückgesunken: zitternd beugte dieToch ter sich über sie. Es war eine herzzer reißende Gruppe, und jetzt traf den Junker des Fräulein Blick, so schmerz erfüllt, so vorwurfsvoll, daß auch ihm unsäglich weh ward im tiefsten Herzen; denn jene Augen, die nun so leidvoll nach ihm sahen, gemahnten ihn lebendig, an jene Anderen, die brechend noch an ihm gehanqen: Bring ü meiner Mutter und Schwester meinen letzten Gruß!" und das war auch sein eho liches Gesicht, Zug um Zug, nur zarter. seiner, blumenhaster, Die bebende Stimme der Freifrau riß ihn aus seinen Gedanken. Erzählet fertig, ich bin gefaßt ich will alles wiiim! Der Junker beugte das Haupt: ,Bor vier Tagen lagen wir vor Prag auf offenem Feld. Da kamen die Vorposten angesprengt: Der Schwed ist nah ! Wir sprangen aus unsere Rolle und jagten dem Feind entgegen. Ich hielt die Fahne m der Luft; eine Karthau nenkugel riß ein Stück des Tuches von der Stange los, nun flatterte sie erst recht im Wind. Georg ritt immer ne- den mir; auch da der Angriff begann blieben wir Seite an Seite. Es war ein heißer Kamps, ein morncri chcs Ringen, wie ich noch keines erlebt; aber der Sieg blieb unser. Weit bis über den Wald hinunter drängten wir die chwedischen zurück. Schon rief die Trompete zum Sammeln, da pfiff noch eine einzelne letzte Stücklugel, die traf Georgs Sturmhaube, daß sie zeriprang wie dünnes Glas. Langsam sank er mir in den Arm. Bring' Tu meiner Mutter und Schwester meinen letzten Gruß!" Tann drückte er mir noch einmal die Hand: Fahr' wohl!" und dann war alles vorbei. Am nächsten Tag haben wir ihn mit den anderen Gefallenen zur ewigen Ruhe gebettet," und mir blieb nichts übrig zu thu; als den letzten Wunsch des Todten zu er- suuen." Er schwieg. Leise schluchzten die Frauen, der preise Priester aber neigte sich jegtzur Freifrau: Der liebe Gott hat'S gegeben, er hat's wieder genom- men, er weiß warum; füget Euch drein. arme Mutter und folget mir nun und ruhet Euch aus. Nach dem Sturm kommt immer Stille; und in der Ein sammt könnet auch Ihr den Balsam finden, den Eure Wunde bedarf." Widerstandslos ließ sich die alte Dame von ihm fortführen. Schon wollte auch der Junker sich entfernen. Aber das Fräulein, das zurückgeblieben war, ergriff seine Hand nd zog ihn zu einer Sitzbank: Ver zeiht den wenig gastlichen Empfang, der Euch bereitet worden. Sonst ist die Naabburg allzeit berühmt gewesen, ob ihrer Wirthlichkeit; aber heute, wo sie zum Tranerhause geworden, um ihren letzten Herrn, dürfet Jhr's nicht übel nehmen. Auch nicht, daß die Mutter Euch den Tank zu sagen vergeffen hat, für die Mühe und Beschwerlichkeit, die Ihr gehabt, un diesen letzten Gruß deZ Bruders zu bringen. So gut eS mög lich ist, werd' ich sorgen, daß Ihr Euch ausruhen und stärken könnet, nach dem langen Ritt, aber zuvor sagt mir noch eins: Hat er lange und schwer gelit len?" Ihre Stimme zitterte stark. Der Junker hielt noch ihre feinen, weißen Hände zwischen den seinen. Es war ein schneller, kurzer Todeskampf: ich glaubt, daß er sich des Schmerzes kaum bewußt war, denn sein Antlitz blieb noch im Tode ftill und friedlich, wie das eines Schlafenden." Er fühlte einen schwachen Truck ihrer Finger. Habet Tank, tausendfachen Tank. Das wird mir über viel weghelfen. Aber nun folget mir. daß ich für Eure Bequemlichleil sorge. Der Junker wollte abwehren. Er werde sogleich wieder fortreiten, nun er sein traurig Geschäft abgethan: er wolle nicht weiter stören. Sie aber ließ ihn nicht zu Ende kam men. ic AtiMer wurde schellen, wenn sie später erführe, daß sie ihn so fortge lassen habe und ehe er sieh'S versehen. da hattk sie ihn in ein wohl eingerichte tes Gaftgemach geführt, mit breiter Lagerftelle und weichen Decken und Kiffen. Run mögt Ihr den Staub der Heerstraße von Euch waschen und, rasten nach Eurer Bequemlichkeit, ich werde Euch einen Diener heraus sendln, so Ihr sein bedürfet." Damit war sie gegangen. Bald her nach aber kam ein Knecht mit Wein und kaltem Wildpret und frug nach seinen Befehlen. Junker Axel, der seit lau gem nimmer an solch anmuthig weid liche Fürsorge gewöhnt war, fand sich ganz feierlich berührt. Schon während der Studentenzeit und nachher während dem Lagerleben, war ihm solche nim mer vorgekommen. Er ließ sich beim Umkleiden bedienen, dann verzehrte er das reichliche Mahl, und zuletzt streckte er sich auf das, mit dem feinsten Linnen bezogene Bett, zog die seidengesiitterte Bärcndecke über sich und schlummerte so schnell ein, daß er gar nimmer merkte, wie der Diener die Reste des Essens abräumte. Als er wieder erivachte, war der Abend so tief herabgesunken, daß es be reits zu dunkeln begann, und so behag lich schien ihm dies wohlige Hindäm mern, daß er sich erst nach geraumer Zeit entschließen konnte, aufzustehen. Bald nachher kam der Diener mit Licht: Das gnädige Fräulein läßt fragen, ob der Herr Junker den Abend imoiß am Herrentisch zu nehmen be liebt? Es ist aufgetragen!" Ganz schnell hatte Axel sich die Klei der geordnet. Er sollte das liebe, süße Gesicht wiedersehen, die holde Stimme wieder hören, die es ihm schon gleich beim ersten Begegnen angethan. Kaum konnte er den Augenblick erwarten, dem Fräulein wieder gegenubertrcten zu dürfen. Im Spelsesaal fand er die beiden Damen und den Kaplan. Frau von Weißen eis hatte ich ge aßt. Bleich. aber still sah das weiße Gesicht aus dem schwarzen Gebünd der Wittwenhaube. Milde bot sie ihm die Hand: Die traurige Stunde bietet wenig SBiin schenswertheS für den Gast, ich aber er kenne dankbar das Opfer an, das er uns dringt, hier zu bleiben und die erste, schwerste Zeit mit uns zu theilen, denn wohl thut es mir, Jenen noch bei mir zu wissen, der dem Hingegangenen lieb gewesen, und einen Bruchthell des Gefühls, das bislang dem Todten a gölten, auf den Lebenden übertragen zu können." Axel erröthete. Von einem Opfer seinerseits konnte nicht die Rede sein Er drückte einen ehrfürchtigen Kuß auf die Hand der Freifrau und beugte sich nachher auch zu den rosigen Fingern des Fräuleins nieder, doch zeugte dieser letz- tere Kuß weniger von (neuer Ehrfurcht, als jener süßesten Empfindung, die das Menfchenherz nur einmal durchströmt, der ersten, unentweihten Liebe. Einsilbig verlief die Mahlzeit. Nach Tisch sprach der Kaplan mit dem Jun ker von den schlimmen Kriegsläufen und zuletzt, da die Damen sich zurück zogen, schlug er ihm ein Schachzabel spiel vor; und da sich erwies, daß die beiden Männer gleich gute Partner in dieser edlen Kunst waren, so widmeten sie ihr noch etliche Stunden und fanden so viel Gefallen aneinander, daß sie sich trotz, vorgerückter Nachtzeit nur ungern rennten Am nächsten Morgen sprach Arel schon beim Frühmahl davon, sein Pferd satteln und in s Lager zurückreiten zu wollen. Aber sowohl die Damen als der Kaplan ließen ihn nicht fort, und da das Menschenherz sich durchschnittlich nicht lange nöthigen läßt, zu dem, was es selber gerne thut, so blieb er. Und so gingen vier Tage in's Land und Junta Axel saß noch immer zu Naabburg. Am fünften Morgen aber kamen flüchtige Bauern von Neustadt her, die, Schweden ständen dort, sie kämen wohl in kürzester Zeit auch hier her. Da fuhr Axel aus seinen träumeri schen Sinnen. Ter Feind in Sicht und er selber fern von keinem Regiment. Er rief dem Diener zu, sein Pferd zu zäumen, und flog hinüber zu den Da men, Urlaub zu nehmen. Wie ein Blitz war der Kriegsruf in das stille Schloß gefahren, aber nicht verheerend, nur erleuchtend. Fräulein Erika wußte mit einem Mal, daß der hochgewachsene Fremde ihr näher stand als sie selber eingeftehen mochte. Dennoch zuckte sie mit keiner Miene, j da sie ihm die Hand zum Abschied bot: Reitet glücklich und mög' Euch Gott beschützen!" Dann aber, da er durchs Thor über den Wallgraden sprengte, folgten ihm ihre Augen noch lange. Ob sie ihn wohl jemals wiedersah? Und wann? Endlich, als ein vorspringender Hügel ihn ihren Blicken entzog, ging sie ins Haus hinunter, ihren täglichen Geschäft ten nach. Aber der Abschied wer für kürzere .Seit gewesen, als ne gemeint. Schon in der Mittagsstunde traf Arel auf sein Regiment. Es hatte seine Vor Posten über Waldsassen ausgestellt und wartete nur auf Nachricht, um weiter vorzugchen. Axel'S Bericht vom An marsch der Schweden gab dieLosung zum Aufbruch. Schon gegen Abend traf man auf die ersten Spuren des Feindes, doch zwang die hereinbrechende Nacht zu un freiwilliger Ruhe. Ter neue Morgen erweckte die Kriegs voller zu neuer Thätigkeit. Beim ersten Hahmnkrähen hatte die Lärmtrommel das Lager aufgeschreckt. Jetzt gingS im lichten Morgenschein d,n Schwedischen entgegen. Südlich von Neustadt stießen sie auseinander. Und nach kurzem aber heftigem Ringen hatten die Pappenhei mer die gegnerischen Reihen zum Wan len gebracht. Zwar wehrten sich die Schweden wie die Teufel, aber nachdem der Anführer gefallen, ergriff allgemei ner Schreck die Soldaten. Langsam erst zogen sie sich zurück. Dann schncllcr und schneller, zuletzt jagte alles in wil der Flucht davon, Deckung in dein nim mcr fern gelegenen Naabburg zu su chen. Arel hatte tapfer gefochten, der Schweiß rann ihm von der Stirn, da die Trompete zur Ruhe blies. Noch hielt er die Fahne, und sie flat tertc hoch in der Lust; da gewahrte er. wie die Schweden sich nach Naabburg warfen, das raubte ihm jeden anderen Gedanken, Aber so schnell, wie die Noth groß war fuhr ihm ein rettender Einfall durch 's Hirn. Die Fahne hochschmen kend, sprengte er den Feinden nach, zwi scheu sie hinein. Dem Feldzeichen Uiid seinem tollküh nen Träger folgten auch die anderen Pappenheimer, sie wollten ihre Stau darte nicht verlassen in der Gefahr. Die Hakenbüchse knackten ringsum Axel, blinkende Mordwaffen aller Art blitzten ihm entgegen. Er fuhr dazwischen hin durch wie ein Gespenst. Zuweilen ging's über Berge von Leichen, daß das Roß Mühe hatte, nicht zu stürzen ; aber es gelang, und Axel sah sich zuletzt init etlichen seiner Kameraden heil und un versehrt vor dem ersehnten Thore Naab bllrgs, noch einen Augenblick früher als die Schweden anlangten. Freilich galt es noch einen letzten Anprall auszuhalten; es war das heißeste, entscheidenste Ringen. Schon war in das Stadtthor eine Bresche ge schlagen, daß die Holzstücke splitternd umherflogen. Axel drosch wie ein Wüthender. Da traf ihn ein Kolben schlag auf den Helm, daß die Funken stoben. Wie feurige Räder tanzte es vor seinen Augen. Langsam sank er, die Fahne noch fest in der Rechten hab tend, vom Pferd, in das eben ausschla gende Thor. Tann ward es Nacht um ihn, Die Kürassiere aber, von dem Sinken ihres Banners noch mehr zur Wuth enb facht, stürzten nun erst recht rasend unter die Schweden, so daß sie dieselben tun ter und weiter abdrängten und zum größten Theil ausrieben. Ferner und ferner verzog sich der Lärm des Gefechtes: Naabburg war ge rettet. Wie die Bürger herauskamen, den Schaden des Thores zu bessern, fanden sie Axel noch besinnungslos auf ihrer Gemarkung liegen und sie hoben ihn aus, um ihn und die Fahne in gute Unterkunst zu bringen. Aber auch im Schloß droben hatte man das Gefecht und seinen Abschluß beobachtet, und sowohl der Kaplan als die Freisrau waren darin einig ge, Wesen, dem gestürzten Kürassier, der sich so heldenmütig um die Vertheidigung der Stadt verdient gemacht hatte, in eigene Verpflegung zu nehmen. Darum kam der Kaplan hinab, ihn zu holen. Wie aber erstaunte er, da er in dem Bewuntlosen Axel erkannte. Im Triumph brachte er ihn den Tamen, zumal sich bei näherer Untersuchung des inzwi chen wieder zu ich Gekommenen die leidliche Ungeföhrlichkeit der erlitte nen Verletzung erwies. fco schritt auch ein? Heilung rasch fort. Aber da er längst genesen, mochte er ich nimmer zum Abschied von Vtaab bürg zu entschließen. Jene Augen, die ihm einst in schmerer Zeit so suß ge leuchtet, die nachmals manche Stunde an seinem Siechenlager gewacht, gingen ihm niemals aus dem Sinn und so faßte er sich denn zuletzt ein Herz und trat er, der einst in der Schlacht wie ein Löwe gefochten zitternd, wie ein Schulknabe, vor Erika. Das Thor, das drunten vor den Schweden geborsten, ist längst ausge- bessert und mein Kopf, der bei der selbi gen Affaire seine Schramme gekriegt, ist auch wieder zusammengeflickt; und ich weiß, daß es Zeit wäre für mich, an den Abschied zu denken. Aber in Euren Blicken, liebwerlhes Fräulein, sitzt ein Angelhacken, daran mein Herz hängen geblieben ist für alle -Zeit. Ich aber weiß nicht, ob Ihr es daran verbluten lassen oder ihm ein freundlich inniges Empfinden entqegentraqen wollet. Da rum komme ich Euch selber zu fragen, was ich zu hoffen habe." Erwartungsvoll sah er in Erikas Gesicht, das unter seine,: Worten dunkel erglüht war. Sie aber dielt ihre Blicke fest auf den Boden gerichtet, als könne sie dort der inhaltsschweren Frage Be antwortung ablesen. Darum haschte er zaghaft ihre Hand: Soll ich reiten?" Erschrocken hielt sie seine Finger fest: Nein, bleibet bei mir immer! immer!" Ta lachte er jauchzend und schlang seine starken Arme um ihre schlanke Gestalt und trug sie schier hinüber zur alten Freifrau. Ich habe Euch un längst an dieser Stelle einen Sohn ge nommcn, und es hat 'jfiemanD weyer gethan als mir; aber ich bring Euch beut einen anderen dafür, und eS ist Niemand glücklicher darüber als eben wieder ich. Ob der Neugewonnene so viel trerth ist, als der Verlorene. weiß ich wohl nicht, daß er aber mit herzlicher Liebe und Verehrung an Euch hängt, des möget Ihr gewiß sein ! Und die alte Tame gab ihm gern ihren Segen, war er ihr doch wirklich lieb geworden wie ein Sohn und mußte sie bei ihm ihr einzig Kind in sicherer Hut. Auch der greise Kaplan rieb sich der gnügt seine feinen wohlgepgegten Hände: .Fröhlich bin ich ob solchen Endes abschluß; den ei schöneres Pärchen hab ich wohl noch icmals zsaimcl geschmiedet und eine vrziiglichcn qaeyipiclparincr noch obendrein er odert." Der lange, dreißig Jahre währende Krieg hat bald nachdem seinen Abschluß gesunden. Unser Paar aber hat ro lich lange Jahre theils , Raabbura, theils zu Laudeck gelebt und hat stets m,t wehmüthiger Freude an teilen letz, teil Gruß des gefallenen Junkers Georg gedacht, der das nachmals daraus er blühte Glück der Seinen vermittelt. Ein lvi.'derfindcn, NovkUrtte von H ans Richte r. Mit dem erleichternden Bewußtsein, sich jeder Fessel entledigt zu haben, lehnte sich Eva von Hagedorn in die Ecke des Abtheils zurück, welchen ihr der verständige Schaffner freigehalten hatte. Ta wrde die Thür aufgerissen und ein Herr sprang herein, nur im Straßen anzug. jedoch mit einem prachtvollen Rosenstrauß in der Hand. Kerzengerade richtete sich Eva empor. Ihr feines, schmales Gesicht mit den seltsam dunkeln Augen erglühte. Sie schien nicht zu gewahren, daß der junge Herr ihr bittend den Strauß darreichte. Sie haben sich jedenfalls verirrt. Herr Doctor", sagte sie unnahbar kalt. sie befinden stch in einem Damen l?oute.'. Ich ersuche Sie, es zu der lassen." sosort?" fragte er und trotz seiner demüthigen Haltung zuckte ein schall. Haftes Lächeln um seine Lippen. 33e denken Sie, Fräulein Eva, daß sich der Schnellzng letzt schon in voller Fahrt befindet. Wollen Sie mich zum Tode erurtheilen, so werde ich allerdings zur Thür hinaussprinqen. Gedulden Sie sich noch fünf Minuten. Für Sie, Fräulein Eva, könnte ich eben alles thun." Sogar die Rücksichtslosigkeit be gehen, und mir Ihre Gesellschaft auf- drängen, da ich mich Ihrer nicht ent ledigen kann, denn Sie werden mich nicht glauben machen, daß Ihr Mitfah ren nicht berechnet fei." Wahrhaftig, Sie lesen in meinem Herzen wie in einem Buch. So wisse Sie auch jedenfalls, was diese Rosen Ihnen sagen sollen." Seine Stimme hatte einen ernsten Klang angenom men, welcher jedoch ohne Wirkung auf die junge Dame zu bleiben schien. Sie zog den seidenen Staubmantel enqer um sich, kreuzte die Arme über der Brust und schwieg. Eva !" murmelte der Doktor bittend und faßte nach ihrer Hand. Ein einzi ger strenger Blick scheuchte ihn zurück. Habe ich Sie so ehr gekranll, baß sie mir nicht verzeihen können, trotzdem Sie wohl wissen, welche sehr ernsthaste Ueberwindung mich dieser scherzhaft aussehende Ueberfall gekostet hat. Aber ich mußte noch einmal mit Ihnen sprechen. Mein Lebensglück hängt ja davon ab und ebenso das Ihrige, denn in Ihrem Herzen spricht eine Stimme für mich, wenn Sie es auch leugnen. Eva von vagedorn war rolh und wieder blaß geworden, aber sie schwieg. Sie willen ia längst, was ich sür Sie fühle", fuhr er fort, und ich ahne, was im Grunde Ihres Herzens schlummert. Lasten Sie das Köstliche zur Blüthe reisen." Und wieder bot er ihr die Rosen, Mit einer blitzschnellen Bewegung er, griff sie den Strauß und schleuderte ihn aus dem Fenster. Das ist meine endqiltiqe Antwort. Herr Doktor Landau !" Der Doktor wurde surchtbar bleich. In seinen Augen sprühten Flammen, aber er bezwäng sich. Eisiges Schwei gen folgte. Auf der nächsten Bahn- stelle stieg Landau, stumm den Hut lus tend aus; eS war ein Abschied sur das Leben. : war fünf Jahre später. Nach stundenlanger Eisenbahnfahrt war Tok tor Landau in der großen norddeutschen Stadt eingetroffen, in welcher seine Schwester seit Kurzem wohnte. Müde des Fabrens ließ er seinen Koffer auf dem Bahnhof und ging zu Fuß. Unter wegs fiel ihm ein Blumengeschäft auf, welches der Hausdiener eben schließen wollte. Haftig trat er noch ein und forderte einen Rosenstrauß seine Schwester liebte diese Blumen so sehr. Nur noch eine Verkäuferin war in dem sehr feinen Geschäft anwesend. Landau fuhr erschrocken zurück er sah in Eva's blasses Antlitz. .Fräulein von Hagedorn Sie? !" stammelte er betroffen." Sie nickte, offenbar gewaltsam sich zu äußerer Ruhe zwingend. Ter Eintritt des Geschäftsinhabers ließ ein Gespräch nicht auskommen. Landau bezahlte. nahm seinen Strauß und ging, doch draußen auf der Straße blieb er in einiger Entfernung ftehen. Schon nach wenigen Minuten kam Eva. Mit ein facher Vornehmheit gelleidet, machte sie noch ganz den Eindruck einer echten Tame. Darf ich Sie nun begrüßen?" fragte Landau und nach kurzem Zögern reichte sie ihm ihre feine Rechte. Wußten Sie, daß Sie mich hier finden würden ?." fragte sie zurück. Auf mein Ehrenwort nein ! Ich will meine Schwester besuchen, deren Gatte hierher versctzt wurde, und trat ganz zufällig in den Laden.' .Sie lebt in Berlin?" .Ja, die Heimath war mir verleidet, , weil nun, der Grund ist ja aleichgil tiz. Genug, ich drauchtc daS lärmende Treibe, die hastige, alle Sinne in sprnch nehmende Arbeit der Großstadt. Es gebt mir gut wie man so sagt und Ihnen?" Besser, als ich vordein hoffen durste. Haben Sie nichts über mich gehört?" Ich erfuhr nur, daß Excellcnz den Abschied genommen habe." Bald darauf starb mein guter Pater. Der große Hausstand, zu welchem ih seine Stellung genöthigt, hatte unser Bcrmöge verschlungen. Die arme Tochter des todten Generals kannte natürlich Niemand mehr." Sie hatten sehr ernste Verehrer", warf der Doktor ein. Eva erröthete. Einige waren mir wirklich Ire ge blieben", antwortete sie zögernd, aber ich vermochte nicht, nur der Versorgung halber eine Ehe ohne Liebe aus mich zu nehmen. Ein Jahr lang kostete ich das Elend der Gesellschaftsdame. Aber diese erniedrigende Tienstbarkeit wrde mir unerträglich ich war wohl mei neu Gebieterinnen zu jung und zu hübsch. Ta entsann ich mich, daß man stets meinen Geschmack im Zusammen stellen von Blumensträußen gerühmt hatte. Ohne Besinnen griff ich zu die ser Arbeit, welche mich befriedigt und anständig ernährt. Ich glaube, auch eine Generalstocher bat sich ihrer nicht zu schämen." Wahrlich nicht !" rie Landau. O Eva, Sie haben so viel Muth bewiesen, wie nur je Ihr Bater in einer seiner schlachten. Auch ich kenne den Segen der Arbeit. Doch ganz vergessen lassen kann sie mich doch nicht, daß auch das Herz seine Rechte verlangt." Als wir uns zum letzten Mal sahen, wiesen Sie meine Rosen zurück. Wol len Sie den Strauß heute annehmen?" fragte er. Zögernd griff sie danach und dabei umspannte seine Hand plötzlich sest die ihrige. Eva, sind Sie in der That eine andre geworden? Haben Sie nun Ihr eignes Herz und besseres Selbst er kannt?" Sie antwortete nicht, sondern drückte ihr Antlitz in die duftenden Blüthen. Darf ich morgen wiederkommen?" fuhr der Doktor leidenschaftlich fort. Darf ich, liebe, holde Eva?" Nun antwortete ein heißer Hände druck, dann verschwand die schlanke Gestalt im Dunkel des Hauskingangs. Eine Minute später fiel von droben eine Rose herab. Landau fing sie auf und preßte sie an seine Lippen. Was der erste Strauß ihm geraubt, brachte der zweite wieder : die Rose sei nes Lebens, sein Glück. Lohnende Gefangenschaft. Ter französische General St. Pierre, welcher oft bei Hofe war, besuchte im Oktober 1827 einen der bedeutendsten Bankiers in Paris und theilte demselben mit: Ich war eben im Schlosse, wo man die Nachricht von einem sehr wich tigen Ereigniß erhalten hat, das bis jetzt noch Niemand bekannt ist. Abends aber wahrscheinlich ausführlich erzählt werden wird." Und welches ist dieses Ereigniß?" fragte der Bankier. Die türkische Flotte ist von den Franzosen, Engländern und Russen bei Navarin vollständig geschlagen worden." Wirklich!" entgegnete der Bankier mit gleichgiltiger Miene. Verzeihen Sie, Herr General, daß ich Sie einen Augenblick allein lasse; ich bin sogleich wieder bei Ihnen." Der General blieb eine halbe Stunde allein, wunderte sich sehr über die lange Abwesenheit des Bankiers und wollte fortgehen aber die Thür war ver schlössen. Er klingelte, Niemand kam; er öffnete das Fenster, rief aus allen Kräften, aber Niemand erschien. Erft nach einer mehrstündigen Haft kam der Bankier zu ihm zurück und sagte: Verzeihen Sie, Herr General, daß ich Sie etwas länger allein ließ, wie meine Absicht war." Etwas länger? Trei lange Stun den! Wollen Sie mir nicht erklären, was diese Eigenmächtigkeit zu bedeuten haben soll?" . &ie bedeutet, daß ich sür Sie und für mich arbeitete. Ich begab mich mit Ihrer Nachricht an die Börse; um aber Gewinn zu ziehen, mußte das Geheim- niL streng bewahrt werden. Nun glaube ich, daß die Verschwiegenheit eine der gebrechlichsten Tugenden ist, deren man sich nur unter Schloß und Riegel versichern kann. Sie werden mir wegen dieses Mißtrauens nicht zürnen, daß sowohl in Ihrem wie in meinem Jnter effe war. denn ich habe Sie bei meiner Spekulation zum Kompagnon gemacht und hier ist Ihr Antheil an dem Gewinn." Dabei legte der Bankier dem Gene ral fünfzig Stück TausendsrankenbillelS hin. Stimmt fam. Rentier Kiekebusch besichtigt mit sei ner Frau daS neu gekaufte Gut. Kiekcbufch: Nun, Jnspectorchen. wie geht'S, wie steht'S, was macht daS liebe Buch?" Inspektor: .Läßt sich schönsten? be danken für gütige Nachfrage. AllcS wohlauf, die rothe Tchweizeriuh hat so eben ein Kalb gekriegt." ikkebusch: .siehst Du. Ludoiska. wenn wir au'S Land kommen, vermehrt sich daS Rindvieh!"