Image provided by: University of Nebraska-Lincoln Libraries, Lincoln, NE
About Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901 | View Entire Issue (July 30, 1896)
a Vi goldene Spcmow. NovkUetlk von IIike Htma cWiiiidjni). Im EurhauS jii Meran saß unS gegenüber an der "table dlioto" ein Paar, da schon fett einiger Zeit meine Aufmerksamkeit fesselte. ES waren Mutter und Sohn. Sie brauchten stet noch einmal so viel Zeit, als andere Leute, um den Saal zu kreuzen und zu ihren Plätzen zu gelangen. Der hagere junge Mensch führte mit einer liebe vollen Sorgfalt die alte ffrau, die ge blickt und schmerfällig mit ganz einen Schritten daherschlich. Er legte ihr vor, schänkte ihr Wein in'ä GlaS, befragte sie um ihre Wunsche, lauste ihr Glyci nen und Alpenrosen. Kurz, eS war er' sichtlich, daß er ihr den Eindruck geben wollte, sie hätte eS doch recht gut auf der Welt, sie sei umringt von Freuden und Genllssen, nach denen sie nur die Hand auszustrecken brauche. Aber die alte Dame hatte kaum noch die Kraft, ihre Hände nach irgend einem Gut der Erde auszustrecken. Abgezehrt und bleich, fielen sie ihr, sobald sie saß, mit welker Mattigkeit in den Schoosj. ES waren schöne Hände mit langen, zuge spitzten Fingern und feinen Gelenken. Der Sohn nahm zuweilen eine von ihnen auf und betrachtete sie zärtlich be wundernd. DaS gefiel mir. Er gefiel mir iiber Haupt. Bei einer Gelegenheit, die uns miteinander in's Gespräch kommen ließ, machte ich eine Bemerkung über seine Mutter wie imponirend vornehm sie noch erscheine, trotz ihreS Leidens, welch' ein stilles tragisches Pathos auf ihrem Antlitz ruhe. Er nickte erfreut mit dem Kopfe und nahm auch den Schluß meiner Bemerkung, den ich gern, sobald ich ihn aussprochen, unter drllckt gehabt hätte, ganz befriedigt auf. Ja, er sprach lebhaft und ein gehend weiter. Er sei Künstler, Maler, da habe er eine so ungeheure Freude an der Schönheit, wo er sie auch finde, daß er nicht milde werden könne, sie zu studiren, auch zu analysiren, um sich immer wieder über die Ursachen ihrer starken Wirkung klar zu werden. Auf diesem Wege wurden wir gute Freunde. Er kam zuweilen, während seine Mutter ruhk, zwischen zwei und vier auf die GolfPromenade, wo ich nieinen Kaffee trank. Dort schauten wir miteinander auf die pittoresken Felsen mit ihren grauen Burgtritmmern und in die grünen, rauschenden Wellen der Wasser. An dem Gewirr der, Rosen ranken, das die Terrassen zum Fluß hinab bedeckte, öffneten sich schon die ersten Blüthen. Er war davon entzückt wie ein Kind. EineS Tages wechselte die Gesellschaft am Mittagstisch. Neben mir erschien eine Frau, der man eS noch jetzt an sah, daß sie vor zwanzig Jahren um ihreS Geldes willen geheirathet worden war. Sie vertheilte mit einer lauten scharfen Stimme die Plätze unter ihren Gemahl und ihre Töchter, forderte be fehlshaberisch die Weinkarte, wünschte ein Fenster geschloffen zu haben und verursachte ein solches Geräusch, daß die Kellner von Bewunderung vor dieser Machtfülle ergriffen, nur so um sie her umflogen und sie vor allen Leuten zuerst bedient wurde. Als sie endlich zur Ruhe gekommen war, musterte sie durch eine langge stielte Lorgnette die Tischgesellschaft. Dabei siel mir an ihrem Arm eine schwere goldene Spange von fremdlän bischer und eigenthümlich kostbarer Ar beit auf. Ihr Blick blieb an unserem Gegenüber haften. Die alte Dame hatte beim Erscheinen der Excellenz so wurde die Stürmi sche von den Kellnern titulirt nach dem Arm ihres Sohnes gefaßt, und mit ihm geflüstert. Ihre Wangen über flog eine jähe, in'S Bläuliche spielende Röthe. Mit ihren schönen, zitternden Händen zeigte sie ihm verstohlen die goldene Spange. Ich sah sie mit den Thränen kämpfen. Die Excellenz starrte sie durch ihre Lorgnette einige Sekunden betroffen an, meine alte Dame hob ihr verstörtes Antlitz erregt lächelnd zu ihr auf und plötzlich streckten sich beide Frauen über den Tisch die Hände entgegen. .Rosine....!' Lenon, Du....? Wahrhaftig! Nein, wie kommt Ihr denn hierher?" Die alte Dame wollte sich mühsam vom Stuhl erheben, doch ihr Sohn drückte sie sanft zurück. Er begrüßte die Verwandten höflich, aber keine Freundlichkeit erstarrte dabei zu einem steifen Ernst. Man sprach hin und her, wie lange man sich nicht gesehen habe eS lagen Iah dazwischen. Zuletzt in Gaben siebt Ach ja, als Du. liebe Lenore." die Excellenz sagte das mit einem lauten, wehthuenden Wohlmollen und brach plötzlich ostentativ den Satz ab. Sie schob die Spitzen von ihrem Handgelenk und zeigte der alten Dame ihr Armband. .Tu siehst ich trage ti immer noch, ti verlaßt mich nie mal." .Diese Spange sällt Jedem durch ihre Schönheit und Gediegenheit in'S Auge." bemerkt dn General mit weitschweifiger Verbindlichkeit. Zx junge Maler war dunkelroth ge worrxn. Sein Mutter seuszte schwer. .Und Sie sind Künstln?" fragte der Genera!. Wir lasen in der Zeitung von Ihrem vrtolge Eine Me daille! Alle Achtung! Bei der enor nun Uebnprodukti, heutzutage!" Der junge Mann lächelte nerv zu Der Jahrgang 17. den lauten Lobeserhebungen, die die Blicke der Umsitzenden auf ihn lenkten. Ja und er hat sein Bild so schön verkaust, der gute Junge! Davon sind wir hier," erzählte seine Mutter den Verwandten. Der Arzt hatte ge meint, ein Aufenthalt in Meran könnte mir gut thun Und ich hatte eine so dumme Sehnsucht nach dem Süden. Es werden da so viel alte Erinnerun gen Als ich mit meinem lieben Mann die schöne Welt sah...." Die alte Dame begann zu weinen. Sie war sehr aufgeregt. Ihr Sohn blickte sie besorgt an. Die Verwandten thaten noch eine Menge von Fragen,, und ich sah sie alle miteinander fort' Als ich am andern Morgen im Cur garten mein Frühstück erzehrte, sagte mir der Kellner, die alte Dame, mein Gegenüber bei der "table d'hote", sei in der Nacht plötzlich gestorben. Wir geleiteten sie zur Ruhe auf dem kleinen Fremdenkirchhof von Meran, wo eine köstliche Frühlingspracht über den Gräbern wucherte. Der Sohn war still und gefaßt. Als die Leiche in die Gruft gesenkt und die lrde darauf gefallen war, nahm die Cousine Excellenz, die in einer tadellosen Trauertoilette erschienen war, seinen Arm und führte ihn hinweg. Sie sprach tröstend auf ihn ein. Er aber hörte ihr gar nicht zu. Sein Blick hing mit der Starrheit milder Trauer aus den künstlichen Berschlingungen ihrer goldenen Armspange. Gegen Abend des nächsten Tages sah ich ihn in der Thür des Kurhauses stehen und unsicher umherblickend. Ich trat zu ihm und gab ihm die Hand. Ach, verzeihen Sie," sagte er leise, ich möchte mich hier nicht aufhalten. Ich kann diesen - Leuten diesen Verwandten von mir nicht wieder in den Weg kommen. Ich, . . man sollte sich nicht so nachgeben,.. Aber es ist mir nicht möglich,.. Ich kann die Spange nicht an dem Arm der Frau sehen,.." Wollen mir ein wenig in die Wiesen dort hinausgehen?" fragte ich. Oder sind Sie lieber allein?" Er schüttelte den Kopf und blickte mich dankbar an. So gingen wir in das weite, stille, einsame Thal. Die vorspringende Bergecke der hohen Wen del wurde von violettem Abendlicht um spielt, auf den weiten Wiesenflächen zit terten taufende von zarten, reizenden bunten Blumen in einem leichten war men Windhauch. Es lag ein sanfter Friede, eine beruhigte, harmonische Schönheit über den Dingen. Er genoß sie nicht, müde und gereizt von Schmerz und Erinnerungen. Was ist eS mit der Armspange?" fragte ich ihn. ES war förmlich quä lend mit anzusehen, wie Ihre Mutter durch ihren unvermutheten Anblick er regt wurde." Ich bin sogar überzeugt ..." begann er heftig und hielt dann inne. Nein, das kann ich doch nicht sagen... ES wäre doch bald eingetreten. Sie hatte keine Lebenskraft mehr. Und ich kann ja nur dankbar sein, weil ihr Ende so schmerzlos war. Aber, stellen Sie sich vor, daß ich von der alten dummen Geschichte nicht loskann,.." Sprechen Sie sich ous," bat ich ihn freundschaftlich. Ja, das will ich. ES ist auch schnell genug erzählt. Die Spange gehörte einmal meiner Mutter. Sie ist von orientalischer Arbeit, au? dem edelsten, unverfälschten Gold geschmiedet, aus venezianischen Dukaten. Mein Vater hatte lange gesammelt, bis er die ge nllgende Anzahl beisammen hatte... Ach Gott wie mir das nun wieder Alles vor Augen steht dieser Orient, wo ich meine Kindheit verlebte ... und der Tag, an dem der Goldschmied kam und sein Werk beginnen sollte. Ein uralter, weißbärtiger Kopte, in einem schwarzen Turban. Ich sehe ihn noch, seinen Teppich einen verschoffenen, zerfranste Fetzen, der von Schmutz, aber auch von Gold und Silberstaub starrte bei uns im Eßzimmer aus breiten, und sich mit seinem Kohlen decken, Löthpfünnchen, mit Zangen und Zänglein häuslich darauf einrichten. Die Goldstücke wurden ihm vorgezahlt und gewogen. Ein unendlich langer Handel entspann sich zwischen ihm und meinem Vater, bei dem der Vater drei mal die Goldstücke wieder in die Spar büchse schloß, - und der Alte dreimal Miene machte, seine Sachen einzupacken und abzuziehen, bis er sich endlich trieb lich an die Arbeit begab. Wir Kinder kauerten um ihn her, und sahen unter seinen runzlichen, braunen, gleichfalls von Metallstaub schillernden Händen da Kunstwerk entstehen. Ich glaube beinahe, ich empfing von dem alten schmierigen Kopten den Keim des Wun scheZ, der mir spüln keine Ruhe mehr Sonntagsgast. Beilage zum Nebraska Ttaats-Anzeiger. No. 11. ließ: in stiller, geduldiger Arbeit etwas in sich Vollendetes ein Stückchen Schönheit hervorzubringen Nach wenigen Tagen legte mein Vater unter unserem Kinderjudel die Spange, die kein Schluß besitzt, sondern nur durch ihre eigene zähe Schmiegsam keit gehalte wird, der Mutter um den Arm Sie gehörte nun zu ihr, wie ein Stück von ihr selbst. Auch als die Zeit kam, da sie allem anderen Schmuck entsagte und mit einer schmerzenSvollen Energie zu entbehren, zu arbeiten begann, konnte sie sich noch lange von ihr nicht trennen. Die schwere Goldspange paßte freilich nicht mehr zu ihrem dürftigen Wittwenileide. Einmal rief Mutter mich zu sich an ihr Bett. Sie mußte schcn damals oft und lange liegen. Ich war ein fünf zehnjähriger Junge, aber als Aeltester besaß ich ihr Vertrauen. Und ich hatte ihr am Morgen geklagt, daß ich mein Schulgeld durchaus bezahlen müsse. Du bist mein verständiger Sohn. Ich möchte Dir einen Auftrag geben. Du sollst nach Gadenstedt gehen Tante Rosine ist heute dort zum Besuch. Ich habe an sie geschrieben. Sie ist ja eine reiche Frau, und thut mir gern den Gefallen Sie hat mir versprochen, mir die goldene Spange abzukaufen. Geh und bringe sie ihr." Sie bog die Spange von ihrem Handgelenk und küßte sie. Bitte Tante, Dir das Geld gleich mitzugeben," sagte sie mit ihrer matten, kranken Stimme. Ich machte keinen Versuch, Mama zu bewegen, das liebe Andenken zu behal ten, ich fühlte zu tief die unerbittliche Nothwendigkeit, die sie trieb. Ich nahm meine Mütze und ging. Ich lief die Chaussee entlang, die von der kleinen Stadt, wo wir wohnten, nach dem Gute der Verwandten führte. Es war ein nasser Novembertag. Der Sturm wehte über die weiten Rüben selber. Fast eine Stunde trabte ich so, frierend und mit den Thränen kämpfend den eintönigen Weg, an dem die kahlen Apfelbäume ihre dürren Aeste in die graue, schwere Luft st eckten. Und eS überfiel mich eine wahnsinnige Angst und Furcht: so grau, so häßlich, so eintönig werde auch unser Lebensweg vor uns liegen so frierend und mit erstickten Thränen kämpfend würden wir ihn gehen müssen. Der Onkel in Gadenstedt war der Bruder meiner Mutter. Ich empfand es als eine harte, boshafte Kränkung, daß man Tante Rosine zu seinem Ge durtstagsdiner geladen hatte, und uns nicht. Der Bediente sah mich ein wenig verwundert an, als ich erschien. In dessen mochte er denken, eS sei wohl in der Ordnung, daß ich meinen Glück wünsch darbringe. Die Herrschaften find im Billard zimmer beim Kaffee," sagte er, gehen Sie nur hinein." Ich klopfte. Als Niemand zu hören schien, rief mir der Bediente vom Büffet au? noch einmal lässig ermunternd zu: Gehen Sie nur hinein." Ich klinkte leise die Thüre auf. Der Schweiß brach mir aus, trotz der Kälte, so schämte ich mich, in diese glänzende Versammlung von stattlichen Verwand ten mit meinem armseligen Verlangen hereinzufallen. In dem hohen holzge täfelten Raum um das prasselnde Ka minfeuer saßen die Tanten in Eichen stuhlen, und hielten kleine Kaffeetassen in den Händen. Ein schönes, blondes, junges Mädchen, dem ich eine stille, heiße Anbetung widmete, lehnte in ei nem langen schwarzen Schlepplleide am Rande des Billards und kreidete ihre Oueue. Sie lachte mit einem Offizier in hellblauer DragonerUnisorm. Ein anderer der Vettern legte sich eben weit über die Platte. Ich wurde freundlich begrüßt. Die Gadenstedter Tonte brachte mir Kaffee und ein großes Stück Kochen. Sie schalt, daß ich bei dem kalten Wetter keinen Uederzieher trage. Ich wagte nicht zu sagen, daß ich keinen besäße und würgte den Kuchen mühsam hinunter. Dabei betrachtete ich verstohlen die Tante Rosine. Ein kindischer Haß stieg in mir auf. Ihre laute scharfe Stimme that mir weh, die Farbe ihres lila Sei denkleides verletzte mich, ihr hartes Ge ficht mit den stechenden Augen, ihre fetten aufgesprungenen Hände erfüllten mich mit einer heimlichen Wuth. Warum unter allen gerade sie? Ich dachte jeden Augenblick, sie würde mich nach der Spange fragen, die ich in mei ner Brufttasche trug, und ich dachte daran, wie an einen heftigen Schmerz, den man in der nächsten Sekunde erlei den muß. Aber sie fragte nicht. Die blonde Cousine Marie kam fröb lich herbei, erzählte, sie habe die Partie gewonnen und klopfte mir auf den kurz geschorenen Kopf. Die Vettern degan nen mich gemüthlich zu necken. Ich fühlte mich wie ein BuSgeftoßener unter ihnen. Und eine neue Angst begann mich zu foltern. Wenn die Tante Ro sine nun vergessen hatte, baß sie der Mutter die Spange abkaufen wollte wenn sie überhaupt nicht danach fragte, und ich unoerrichteter Sache ach Haus zurücklehren mußte? Der Direktor hatte mich schon zweimal um das Schulgeld gemahnt. Ich mußte von der Sache anfangen. ES ging nicht anders. Die Tante Ro sine stand auf ich stand auch auf und plötzlich stotterte ich zu meiner eigenen Verwunderung: Ich möchte Dir etwas sagen, Tante." Sie trat mit mir in's Eßzimmer. Nun, mein Junge?" . Ich habe das Armband von Mama." Aengstlich schielte ich nach dem Bedien ten, der ab und zu ging und uns neu gierig beobachtete. Tante Rosine dachte gar nicht mehr daran, ihn hinauSzu schicken. Sie begann die Armspange aus dem Papier zu wickeln und kritisch zu betrachten. Ja es ist wirklich ein sehr schönes Stück. Ich freue mich, es zu bekommen. Etwas verbogen ist es ja schon nun, das läßt sich repariren. Ich danke Dir, lieber Junge." Sie machte Miene, zu den Uebrigen zurückzukehren. Ich schluckte und schluckte, dachte, ich müßte erstickm. Mama meinte, Du hättest vielleicht ich möchte, wenn es ginge das Geld gleich mitbringen." So ja was forderte Deine Mutter doch gleich dafür?" Dreihundert Mark." Ich denke, sie hat es doch wohl von einem gewissenhaften Juwelier abschätzen lassen." Ich glaube." So. Nun warte nur einen Augen blick." Ich stand und wartete. Marie und die Vettern und Tante Rosines Töchter kamen herein und schlugen einen Spa ziergang nach dem Park vor. Unter ihren Augen gab mir Tante Rosine drei HundertMarkscheine und ermähnte mich, sie auf dem Wege nicht zu verlieren. Die Vettern flüsterten mit den Cousinen und dann wandten sie diScret die Blicke ab und thaten, als be merkten sie den Vorgang nicht. Marie fragte mich, ob ich nicht mit ihnen spazieren gehen wollte. Ich ver neinte. Deine Mutter erwartet Dich wohl? Na, da grüße sie nur schön," sagte sie und gab mir die Hand. Sie war mir von diesem Augenblick an widerwärtig, wie Alles, was zum Hause Gadenstedt gehörte. Ich rannte, so schnell ich nur konnte, davon. Unterwegs, auf der einsamenChaussee, habe ich geschrien und vor Ingrimm die Fäuste geschüttelt. Diese abscheuliche Frau sollte die Armspange nicht behalten. Mit ver zweiselten Thränen gelobte ich mir, sie meiner Mutter wieder zu schaffen. Wenn ich erst ein Mann und ein großer Künstler sein würde, schien mir das ein Leichtes...." Der junge Mann schwieg und lächelte wehmüthig. Ein stilles Lächeln, in dem viel Wiffen und viel Entsagen lag. Ich war damals noch sehr jung," bemerkte er ruhig. Seitdem habe ich eingesehen, daß im Grunde nicht viel an einer goldenen Spange gelegen ist. Verdiente ich einmal Geld, so mußten immer nöthigere Dinge beschafft wer den. Die einzige Kunst, die für mich die echte war, ist eben nicht die glän zende, die auch die Menge blendet und lockt. Als jetzt so etwas wie Ruhm und Glück zu uns kam, da galt es nur noch die Gesundheit Ich habe sie meiner Mutter auch nicht wiederschenken kön nen. Und ich habe ihr nicht einmal den Begriff aufrecht erhalten, daß sie durch mich ein neues, schönes, heiteres Dasein gewonnen hätte., Sie ist mit der alten Bitterkeit und dem allen Schmerz um das Verlorene von mir gegangen. Wenn ich die gol dene Spange an dem Arm der Tante Rosim sehe, ist es mir doch, als hätte ich recht wenig im Leben erreicht " Ich drückte ihm die Hand und wir träumten Beide schweigend vor unS hin. Wer von uns hat nicht so ein Sym bol. an dem sich ihm in der Jugend Hoffnung und Erfolg verkörpert? Und wie vielen gelingt eS, ihre goldene Spange wieder zu erringen? Auf dem Rade. ,Nk ahn Geichichlk von Robb? Iones. Eine unangenehme Sache war's, daZ stand fest, wenn überhaupt etwas fest stand auf Erden. Eine sehr unange nehme Sache ! 'S giebt nämlich nichts Dümmeres für 'nen Mann als das Zeugs, hm, wie nennt man'S doch: Die Schiich. ternheit. Und Bill sah's ein, blieb's aber doch, blieb schüchtern wie ein Mädel, das immer roth wird, selbst dort, wo's gar nichts roth zu werden giebt. Hie und da nun beschloß er aller dings, sich einen Ruck zu geben, 'S blieb aber stets nur beim Beschluß, und zur Hauptsache, zum Ruck", kam es nie. Gerade jetzt aber wäre dieser Ruck so recht von Nöthen gewesen, denn heute heute fuhr sie fort, heute mit dem Zebnuhrzuge 10 Uhr 11 verließ sie Jacksonville und kehrte nach Detroit zurück. Um 1 Uhr 11 und jetzt war's 9 Uhr 12. Und wenn er diese !9 Minu ten verpaßte, dann war sie für ihn ver loren. Sie, Wer Sie" war? Wer sonst als das schönste, reizendste, liebenswür digste, entzückendste Mädel, deffen Fuß nur je den Strand von Jacksonville be treten hatte. Ein Mädel, in das man sich verlieben mußte ; und je nun, was er mußte, das that Bill Rodgers stets, und zwar gründlich. Er war also in Miß Belle Strooth ganz gründlich erliebt, hatte aber nie den Muth gefunden, ihr dies zu sagen. Das heißt, gefunden hatte er ihn schon, aber stets nur dann, wenn sie fort war, und da konnte er ihm nichts nutzen. Heute aber, jetzt, .. Nein, jetzt wollte er die Gelegenheit nicht verpassen und wenn's auf dem Bahnhof war, aber heute würde die Liebeserklärung ge macht. Und mit diesem festen Entschlüsse machte er sich auf den Weg. Daß er das Vorbeigehen an einem Blumenladen dazu benutzte, um einen prächtigen Blumenstrauß zu kaufen, daß er sich mit diesem in ein Cab warf und nach dem Bahnhof fuhr, braucht wohl nicht erst gesagt zu werden. Ebenso wenig braucht es erwähnt zu werden, daß ihn für das schöne Bou quet der herzlichste Dank und ein liebe voller Blick wurde, mehr aber auch nicht, denn Denn Bill hatte natürlich wieder kein Wort vorgebracht, konnte auch nicht, denn der Schaffner drängte im selben Momente: Einsteigen, einsteigen." Nochmals herzlichen Dank," ein Druck ihres kleinen zierlichen Händ chens, dann ein Oeffnen der Coupee thür, ein Einsteigen und Oh." rief sie aus, Sie hier, Mr. Brown?" Wie ein Donnerschlag traf dieses Wort unsern Bill. Wie, Brown saß darin? James Brown. der freche Kerl, der Miß Strooth auf Leben und Tod die ganze Zeit über den Hof gemacht hatte, und der sollte jetzt mit Ihr allein in einem Coupee die Fahrt mitmachen und Nein, das sollte er nicht. Und Bill Rodgers sprang auf den Tritt, wurde aber im selben Momente zurückgeriffen : Herr, find Sie verrückt? ! der Zug ist ja schon im Gehen." Und so war's. Da fuhr er hin, schneller und immer schneller, und ent führte ihm sein Glück, sein Leben, alles,... Na, was starrst denn Du dem Zuge so nach, ist doch nicht! Besonderes daran, meine ich." Harris war's, der das sagte. Harris vom Eleitraclub" von Jacksonville, der beste Fahrer von Michigan. Bill RodgerS sah auf. Da?!" und wie ein HoffnungS schein zuckte es auf, als er auch Hemp kins, Beley und Moole sah, die in vol lem Radfahrdreß mit Harris auf dem Perron standen. Du?! Sag' mal. Könntet Ihr., könnten wir,. Ihr habt doch Euer ViererTandem hier?" .Selbstverständlich." Könnten mir den Zug da, der eben fortging, noch einholen? Ja oder nein." Hm. Wart' mal. Strecke macht bis Tunroe eine Kurve, Landstraße auch, aber der Abkürzungsmeg ja, es geht. Können ihn in Tunroe stie gen. Aber meshalb?" Weshalb? Tummkopf, weil ich an halten will." . .Anhalten? Wieso?" .Frage nicht lange. Anhalten um die Hand von Miß Belle, die dort im Zuge mit Brown in'einem Coupee fährt, und die der mir sonst wegschnappt." .Nie." sagte Harris. .Kommt Kin der. Elektra für immer, wollen'S der Eisenbahn zeigen, was radfahren heißt." Und Harris und Moole und Beley und Bill stiegen auf, und heidi! gingS; HempkinS aber, der Bill seinen Sitz ein geräumt hatte, schwenkte hinter ihnen die Mütze. Hei. wie das ging. ES war, als ob man den Boden verschlinge. Tort Tunroe. Und dort vorn rechts, weit vorn der Zug. Bill verzweifelte. Thut nichts," meint Harris. .Zug bleibt drei Minuten stehen. Drauf und dran. Elektra k,ir ever!" Und heidi geht'S weiter. Drei Län gen sind sie vom Bahnhof. Da das Glockenzeichen. Wahrhaftig er fährt ab." Harris aber schwenkt seine Mütze. Hurrah, jetzt zeigen wir'S Ihnen." Und am Bahnhof vorbei, der mitte auf freiem Felde steht, rast das Geführt. Dort fährt der Zug. In welchem Waggon?" Dort in dem zweiten." Und Hurrah Elektra," in rasendem, unglaublichem Lause eilt, jagt, sauft daS Bierrad niit feiner Bemannung dem Zuge nach, kiuipp neben d:m Ge leise fahren die wackeren Fahrer dahin jetzt der Zug ist erreicht, der erste Waggon überholt, der zweite erreicht, Harris greift keck nach der Thürklinke deS einen Coupees, es ist ein Wahn sinn, aber es glückt und Hurrah Elektra!" und mit der Linken schwenken die wackeren Vier ihre Mützen. An den Waggonsenstern standen die Passagiere und sahen hinaus. Auch ein reizender Blondkopf darunter. Sie ist's und neben ihr Brown! Oh!" ruft sie, als sie die Radreiter sieht. Bill aber ruft ihr zu: Miß Arabella, find sie schon ver lobt oder nicht?" O," rust sie da, Sie sind eS, Mr. RodgerS?! Wie kommen Sie denn hier her?" Fragen Sie nicht, liebe Miß Strooth. Sagen Sie mir, s i n d Sie schon verlobt oder nicht?" Gar keine Spur." Dann gestatten Sie, daß ich un Ihre Hand anhalte." Sie aber sie lacht auf. Endlich! Mister Rodgers, endlich." Sie wollen also?!" Ob ich will!" Und Hurrah" rufen Harris und Moole und Beley. Der Zug fährt vorbei und läßt das Vierertandem zu rück. Jetzt o, jetzt kann man'S ja, jetzt hat man ja dieser Eisenbahn gezeigt, was fahren heißt, namentlich aber dann, wenn einer der Fahrer Tuff Harris heißt und einer der anderen ver liebt ist. Und der Schluß? Na, denkt ihn Euch selber. Jedenfalls fungirten bei diesem Schlüsse Harris und Beley und Moole als Zeugen und überreichten Miß Strooth pardon Mistres Arabella Rodgers ein kleines goldenes Vierertan dem als Hochzeitsgeschenk. Mr. Brown aber ist auf daS Rad fahren sehr schlecht zu sprechen. Ganz ungemein schlecht. Irischer Humor. Du solltest Dir Deine Ohren schnei den lassen, Brian," sagte ein witziger" Tourist zu einem irischen Bauern, in dem er ihn am Ohrläppchen zupfte, sie find zu groß für einen Menschen." Das Donnerwetter," war die Ant wort, ich dachte gerade, Ihre sollten verlängert werden ; sie sind sicher zu klein für einen Esel." In einem irischen Kolleg mußten die Studenten beim mündlichen Examen vom Katheder aus antworten. Ein Student, der nicht zu den Bescheidenen gehörte, bestieg das Katheder mit selbst zufriedenem, siegesgewissem Lächeln. Der Examinator sah das und beschloß, den Eandidaten durch einige schwere Fragen in seiner Zuversicht etwas her abzustimmen. Kaum eine Antwort war richtig und der Student schlich sehr ge knickt zu seinem Platz zurück, worauf der Examinator kalt lächelnd sagte: Wä ren Sie hinaufgestiegen, wie Sie herab kamen, so wären Sie herabgekommen, wie Sie hinaufstiegen!" Posturiosum. Eine Postkarte, welche in Grevenma cher im Großherzoglhum Luxemburg im Monat Januar 1896 auf die Post ge geben wurde und folgende ganz deutlich geschriebene Adresse trug : Herrn Fr. P. L. in Trotten. Kanton Clerf" ge rieth nach Amerika. Der erste Post ftempel, den die Karte trügt, ist der von Chicago, 16. Januar. Hier schrieb ein Beamter darauf : "Try Trenton" (Siehe Trenton). Die Karte trügt dann ebenfalls den Stempel von Tren ton. Man hatte sie hierher geschickt, weil dieser Name eine Aehnlichkeit mit Trotten hat. Tann glaubte man Clerf" könne wohl Californien bedeu ten und so findet fich der Stempel ,Pe taluma" in Californien darauf vom 27. Mai. Es scheint, hier in Calisor nien waren die Beamten witziger und schickten die Karte wieder nach Luxem bürg, wo sie endlich am richtigen Be ftimmungsort anlam mit dem letzten Stempel Boewange (Bögen). Vergebung. Er: Verzeihen Sie mir, daß ich Ihnen einen Kuß geraubt habe?" Sie: Versprechen Sie mir, es nie wieder zu thun?" Er: .Nein!" Sie: .Tann verzeihe ich Ihnen." Elaubmürdig. Richter: .Sie sollen einstweilen un vereidigt vernommen werden, Zeu gin Sie heißen Anna Müller, wie alt?" Zeugin: .Treiundvierzig!" Tie Richter (unter fich): .Die Zeu gin können wir unbedenklich vereidi gen!"