Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, July 30, 1896, Image 3

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    NKBRASKA STAATS - ANZEIQER, Lincoln, Neh.
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i s.rnrirh.
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9Iomn:i bau ctnrl ("o. Klupfer.
1. x i t e l.
Die crftrn 3rfnittcn der fommer
lidic Nacht breiteten sich über die
v Hügeltanbschist, fiin;:t ein ii'iiiMjiuul)
yf starte den tiefen VUicubfricbcn ; die
.( Glocken in Italien Stüdtrticn mrci;
eben crUingen. Xic bleiche Mond
scheibe, bic hingst schon hinter ben
fauftgcuvlltr'.t Archc-Hcn auiflftnufiit
war, l(ud;t:;c mit immer zunermicuber
'' straft, (lügcniifd) nnitc bic düstere
Masse, betf alten jnerrfrijiiftütriilofir
Birtntricb innitUm&iTuuniMu'sth'1-11'''
nen Thalmulde empor, einen bunllcn
Hintergrund für ben lidstumfloffcncn
Biiumfchlug bildend, beut cS feinen
Namen verdankte, Diese Wirfeit tiiit
ihren fchliinlni, silberweißen Slämmen
Ilielten treue Sticht um dies steinerne
Dettfimil laugst verflossener Reiten,
und es war, lö flechte ihr seine,
biegsames, melancholisch gesenkte Ge
Äst einen losen ranz um den alten
Jtfau.
Jetzt Imirbc Pferdegetrappel unb
Nädergeräufch auf bcrfdrmalcn Strafte,
die vom t,ibtd,cn I)öl)er gegen da
Sdiloß zulief, vernehmbar. Zwei Vidit
pünktchen die beiden internen eines
leichten Wägelchens näherten sid'
rasch, anfangs kam von bein P1)os--phoresziren
ber taichtkiifcrchcn zu
Unterscheiben, die aber dem duuklen
Rasengriin ihr anmulhigeS Spiel tric
ben.
Line alte, bald bauerisch, halb stiib
V tifc
A
r C-,1,
tisd, gekleidete Frau trat aus betn
chloile auf den Borpla heraus und
sah nad) deut heranrallenben Fuhrwerk
aus, das sie wohl erwartet haben
wußte. Als cS in ben Schloßplatz ein
fuhr, winkte sie den beiden Männern
graizeud zu, die aus dem Topuc'l't'e
saßen. Taö Pserd stand noch nicht, ba
sprang ber Eine schon herab,
Guten Abend, Mutter!" rief er
und umarmte bie Frau mit einer fair
schikosen Bewegung. (Sr lachte, als er
gewahrte, wie der Alten bie hellen
Thränen über die gefurchten Wangen
perlten.
Wahrhaslig Freudenthränen? Tu
wirst niich noch stol; machen. Mutter,
Ich hab' mir nicht eingebildet, daß
Tu nad Deinem Zungen noch so 'nmS
wie Sehnsucht empfinden sonntest."
Aber, Hermann!" sagte bie Frau
vorwurfsvoll, erschrocken, und wischte
sid die Augen hastig mit der Schürze.
Wie kannst Tu nur "
Na ja. Ich hab's dod auch nidst
verdient. Zhr habt nod wenig Freube
an mir erlebt das weiß Niemand des
fer, als ich selber."
Tic Mutter wollte etwas erwidern,
kam aber nicht dazu ; der ohn wandle
fid wieber zum Wagen, um ba dem
Bater, der ihn vom Bahnhöfe abgehoii
hatte, beim Abladen des kleinen ifnf
fers bebilslich zu fein. Tie Frau sah
i ihm mit einem leisen Kopfschiitleln zu.
i Die Art und Weise Hermanns, seine
-.Heiterkeit, die nur zu sehr nach Gal
genhnntor schmeckte, berührten sie nn
heimlich. Jedenfalls halte sie sich das
Wiedersehen mit ihrem einzigen Siinbe,
das und) neunjähriger Abwesenheit in'ö
Elternhaus zurücklehne, ganz anderes
vorgestellt.
,asz nur, laß!" wehrte indessen
der granbiirtige ü?ntcr die Hilfeleistung
des jungen Mannes ab. Wär' nickt
fdilecht, lveint ich so ein Ding nimmer
allein zwingen konnt'!"
Mit cinem Nuck fchivanz er sich dabei
den Söffet auf den breiten Nucken
und trug ihn in die Thoreinfahrt, als
wäre das nur Kinderspiel. Seine Frau
blickte ihm ernst nach. Ihr Mann hatte
sie gar nicht begrüßt, und sie begriff,
daß dieses itraftftiicMjen mit dem Mör
ser nur ein Lorwand war, die Verlegen
heit zu verbergen, in welche ihn ihre
Bestürzung über das Wesen des Heiin
kehrenden versetzte ; er, der den Sohn
auf der Bahnstation in Empfang ge
nomnien, halte diesen Eindruck wohl
vorausgesehen.
Komm' doch, Mutter!" sagte Her
mann, die alle Frau am Arnie eh
niend, als jetzt ein Knedt aus dem
Thore trat, um das Pferd in den Siall
zu führen. Ich setze voraus, daß zu
Ehren des verlorenen Sohnes das bib
lifdic flalb geschlachtet worden ist, und
sollst sehen, daß ick) dem Mahle
Mc Ehre anzuthun entschlossen bin!
Ich konnte schon in Breslau kaum nod
den Hunger bezwingen, und das war
vor zwei Slunben."
Ehe er jedod, in den dunklen Thor
weg trat, warf er noch einen Blies über
die langgestreckte Front des einstöckigen
SchloßgeviubeS, als wollte er sich beim
Wiederanblick der gewohnten Um
gebuug fragen : .Stehst Du nun wirk
jich wieder vor diesem Hause, von dein
Tu jeden Stein kennst und dessen Du
in der Feme so oft gedenken mußlest?"
Da der hohe Thorbogen mit dem
Portikus von vier Säulen davor, die
den steinernen Balkon trugen, der oben
im Stockwerk vom Festsaale und dem
Speisesaale aus zugänglich war! Die
zwölf romanischen Bogenfenster i.n
einer Reihe, darüber das blaulickischim
merndc Schieferdach, und dort, zur
Linke, mit dem Hauptbau verbunden,
der vorspringende jiapellendau, den
ein Glockcntburmdien krönte ! So halte
der Ahnherr des hodiadeligen Gefdilech
tc Derer . Eber-everg auf Birkenried
das Sd'loß zu Ende des fünfzehnten
Arlzundertscrrid'tel. und feine Nach
lolaer Kalten nie das Bedürfniß ge
' fuhlt, et? irgendwie zu nwdernijiren!
Z'X hrcnd Hern,a::n mit der Mutter
die t-reitc (iin'ahrt durchschritt, um zu
der NM!tcrsii?nung zu gelangen,
in die der Vater s,j? den fioffer ge
Ureigen, fclilug er lachend mit der fla
c3 H:.:d gegen eine der mächtige
Wende, dß es in dem Bogengemride
widerhallte.
Js. man erteilt erst einen richtigen
Begriff via der aediegene Seßdailig
Icit t alter (eldilcriitcr, wenn man
ihre Stammburgen sieht. So wa
' : " ' -
gär das fiiirt mir aber jonderKire.
Weise erst jetzt ein, da id diese Steine
wieber mit meinen Handen betaste.
Wahrhaftig., id glaube, ba ist in den
neun Jahren noch lein Sanolorncheii
abgebröckelt!"
ißt sie Dich bd, wieber, die
schlesische Heimaih?" slüstcrlc die
Äluller gerührt dem Sohne zu, indem
sie sidi über diese eiüihsregung
freute. Hat Dii die Erinnerung daran
leine Nuhe gelassen und Dich wieder
zurückgezogen?"
Er antwortete nicht gfeid,. Er fall,
am inneren Thore angelangt, in den
mondhellen Sriiienhi'f hinaus, gegen
den Part zu, dessen dunkle Wipfel sid
sduirr von dem magischen Blau des
Naditltimmels abhoben,
Ja, freilich," versicherte erbaun.
Wir haben allerdings kein Recht, bies
ehrwürdige Nest wie ein wiiklid,es
Heim anzuseilen hm, hm! Unb ein
Gedanke hat mir die Erinnerung daran
auch immer ein biochen vergällt : daß
Du uud der Batcr es räume müßtet,
wenn es der erlauchten Schlvßsrau oder
etwa ihrem Erben so gefiele. Was
gälten zumal so einem bahergesdinei
teil Nachsulger bie vieljähngcn Dienste
bes Verwalters Plock unb seine Be
rusiing darauf, daß fdjon Kiter und
Großvater in derselbe Stellung der
Herrschaft gedient haben?"
Aber geh' buch, Hermann, wer wird
daran denken? Gottlob ist Pater nod
rüstig genug, und überdies ist Ihre
Erlaudii, nserc gnädige Frau Gräsin,
denn dack) zu fürsorglich gegenüber ihren
Renten, ats baß sie nicht für alle
Fälle-"
Nun, wo bleibt Ihr beim?" unter
brach sie hier bic Stimme ihres Man
nes, ber eben auf ber obersten ber ad)t
Stufen erschien, bic rechts vom Flur
zu der PerivalterSivohnung cmporsühr
ten, Es ist sdion aufgetragen und
ich habe einen gewaltigen Hunger."
Sie traten alle Drei in einen geräu
misten Porsaal, dessen Fußboden mit
Backsteinen belegt war; bie Wänbe
trugen nur einen altersgrauen Üalk
anstrich. Gleid, neben ber Äüchenthür
führte eine offene Wendeltreppe in
den Kellerraum hinab.
Hier in diesem Gelasse, das mit
feiner gewölbten Decke und dem ein
fachen Hausrath einigermaßen an ein
lofterrefekiorium erinnerte, hatten
schon mehrere Generationen ber Schloß
verwaltersfainilic Plock ihr tägliches
Brob verzehrt; hier staub auch heute
der gedeckte runde Tisch, und derselbe
eiserne iieonleuchter, ben schon Her
maiiuö Urgroßvater allabenblich ange
steckt halte, warf jetzt feilN'ampcnlidit
ans bas feine binnen, bas bie Mutter
zu Ehren ihres Einzigen aus einem
besonderen Fache ihres Wäscheschrcins
genommen hatte.
Ja, wahrhaftig auch hier noch
Alles beim Alten!" rief Hermann,
rückte ben Eid)estuhl au seinen ge
wohnten Platz und griss, um ben
Eltern zu beweisen, wie sehr cr sid, ,;n
Hause fühle, sofort nach seiner Ser
iette und dem Suppenlosfcl.
Erst allmälig kam das Gespräch in
Gang. Plock richtete eine Reihe von
Fragen an den Sohu, der bic ganzen
neun Jahre hindurch in seinen mige
mein seltenen Briefen nicht nur nie
inals davon gesprochen, was cr eigen!
lid trieb, sondern die Eltern bis zur
Stunde and, nicht einmal darüber ans
geklärt, was ihn von Amerika wieder
zurückgebracht hatte.
Und sie schienen es auch jetzt nicht
Erfahren zu sollen. Hermann sprach
allerlei, beriditete flüchtig lachend
und wegwerfenden Tones nur so viel,
daß er da drüben" bald unten," bald
oben" gewesen sei, ließ durchblicken,
daß er ÄiandieS versucht und gelernt
habe, aber aus eigentliche Thatsachen
ließ er sich nicht ein. Man sollte nur
errathen, daß er sich um feine nächste
Zukunft keine Sorge mache.
Die Eltern vermieden cs während
feiner Erzählung, sich wieder anzn
sehen, Sie wußten ja nur zu gut, daß
sich ihre Gedanken längst in der Mei
nung begegneten, Hermann sei keines
falls rcid,cr heimgekehrt, als cr damals
fortgegangen war, vom Pater mit gro
ßcn Opsern zn jener Amerikasahrt aus
gerüstet, von der sie allein nod gehofft
hatten, daß sie den Zahn auf einen
ersprießlichen Weg führen werde.
Damals war er schon sechsundzwan
zig Jahre alt gewesen und hatte bereits
eine erkleckliche Anzahl von Wander
jähren hinter sich gehabt: Gytnna
siums und Hochschuljahre im nahen
Breslau. Studien in Jena und Bonn,
sann in Genf, schließlich sogar in
Frankreich und England; alle Welt
saud ihn interessant, bewunderte sei
cn Geist, gab sid seiner zwingenden
Rednergabe gefangen, staunte itbcr
feine Fertigkeit in allen moglidien
Wänsten, nannte ihn einen Mann von
scharfem Berstande. schier unalaublidier
Belesenheit und genialer Weltgewandt
Heil, und titulirte il,n selbstverfländlid
Herr Doktor," obwohl er keinen wirk
lid,en Ansprud, darauf hatte.
Wie oft schon hatte sich der Bater
in den letzten zwölf bis fünfzehn Iah
ien Borwiliie darüber gemacht, daß er
sich vom Hochmuihsteusel," wie er's
nannte, haue hinreißen lassen, den
Sohn zu einem Siudirten" zu machen.
Aber wer hätte auch voraussehen kon
nen. daß dieser Mensch, der in frühester
Ziinbhät schon die verblüffendste Be
gabuniz gezeigt hatt', cs trotz feiner
allernrts bewunderten außerordent
liehen Anlagen zu nichts Rechtem drin
gen werde? Und cS war auch nidit
allein der Ehrgeiz für feinen Sohn ge
wefcn, der Plock bewcgcn hatte, ihn
ftudiren zu lassen, foudcr damals, als
er den nahen auf das Grminaiium
gab, hatten sich die FainilicnvcrHält
nisfe des Gra'cn odegar v. Eberspcrg
auf Birkenried in einer Art gcftaltci,
die Plock berimhlen ließ, es werde der
Berirallerspofie auf dem Sdiloffe
nicht lange mehr eine feste Perforgunz
bilden, die der Bater dem Sehne, wie
bisher seit Generationen, als ein unser
druckiliides Erbe Hinterlassen konnte.
Graf teedegar . Ebersxerg Hatte
nur ein einziges Kind, eine Tochter
Adclaunde die iekiae Herrin auf
Jahre mit einein Grasen Aiorawmsli
in Russisch. Polen verheiratet war,
Bon den Vi'itten ans Birtenried und
in der Umgebung halle Niemand diese
polnischen Schwiegersohn je gesehen;
Comtesse Abelgunde hatte ihn in
Breslau keimen gelernt, wo ihr Pater
während der Wimersaison damals noch
ein großes Haus führte. Als Plock fei
nen Äiiaben auf die VeiteinidKile zu
schicken sich entschloß, halle (ras Ebers
perg feineu prächtige Sladtpalasi aber
bereits verlauft, und mehrere sili.T.e
Gitter nech biini. ES ging mit dem
Reichthum der Familie bergab, und
alle Welt wußte, daß eben jener pol
nische Eidam die Ursache davon war.
Gras Vendciznr zog sich auf die Birken
rieder Besitzung zurück, ein von S!m
wer gebeugter Greis, in Meufdieuliiiß
verbittert ; er unterhielt nicht einmal
mit ber nächsten Nachbarfdiaft Be
Ziehungen, und Niemand horte ihn je
feiner Tochter Erwähnung thun. Trotz
dem wußte man, baß cr in Verkehr mit
ihr staub durch bic fortgesetzten Geld
senduugen. liS waren mitunter sehr
große Summen, und die Briefe aus
Rußland rissen den allen Herrn jedes
mal zu entsetzlichen Wnlhansbrüche
hin. Dic Schwarzseher, die da prophe
zeite, daß Graf Morawinski schließ
lid) auch och das alle Stammgut Bir
keuried verzehren" werde, fanden
immer mehr Glaube, Sie hätten
wahrscheinlich and) Recht bekommen,
ivenn nicht einige Jahre später das
Sdiicksal ciue Wendung herbeigeführt
hätte.
Es war im Frühling 1865, als Graf
Lcodcgar eines Tages den iiberrasdien
den Besehl gab, dic Zimmer im süb
liden Theile bes Zd)Iosses zum
Empfang seiner Tochler in Bereit
schuft zu setzen. Und bald darauf kam
die Gräfin Morawinski and) richtig an
allein, in tiefer Traner. Sie fei
Wittwe geworben, hieß es; hinterher
aber munkelte man bavon, daß Graf
Bvgumil Morawinski noch lebe, daß
sid? die Gattin jedoch von ihm getrennt
habe, Geivisses war darüber nie zu
erfahren. Auf Birkenried galt die nn
glückliche Frau jedenfalls als verwitt
wet. lleberdies wurde sie nie Frau v.
Morawinski, sondern stets Gräfin
Adelgunde genannt ; sie schien an ihre
Ehe nicht mehr erinnert werden zu
wollen, Sie legte auch dic sdivarzen
jileider niemals ab.
Drei Jahre nach ihrer Ankunft auf
Birkenried konnten bic düsteren Ge
wänder der Traner um den Bater gel
ten. Der letzte Eberspcrg starb in den
Annen seiner Todltcr, vorzeitig von
seinem Gram dahingerafft, wie Jeder
mann sagte. Gräfin Adclgunbe war
die einzige Erbin ihres Vaters. Der
ihr verbliebene Rest des cinst fürst
lichcn Familienvcrinegens wäre immer
noch statttich genug geivesen, ihr ciucu
durchaus standesgemäßen Haushalt in
Breslau zu erlauben. Aber ne zog es
vor, Birkenried, dic Burg ihrer
Väter," in Stand zu halle, so kost
spielig das, ber daburd? bedingte zahl
reichen Dienerschaft wegen, auch war.
Die Güter, die nod;nr Stamuidoinäe
Birkenried gehörten, wurden verpach
tet, aber das Zchloß selber mit seinen
öciesengemächcrn, seinen Rebengebau
den und dem ausgedehnten Parke, des
scn Instandhaltung allein Tausende
verschlang, blieb unangetastet in sei
ner allmodisthcn feudal gediegenen
Pracht ; so wollte es dic Gräfin, der
letzte Sproß Derer v, Eberspcrg.
Hermann Plock, der ewige Slu
dcnt," hatte die Sdiloßhcnin mir
wenig gesehen zum ersten Md i:i
jenem Sommcr, einige Mrnrnte nach
dein Tode des Grasen lcodcgar, i
welchem cr daheim einen Fcricnbesuch
machte, ehe er sein erstes Univer
sitälsseniester antrat, dann ab und zu
bei ähnlichen Gelegenheiten, denn cr
ließ sich iinmcr erst ach mehrjährigen
Pausen im Elternhause blicken. Er
hatte stckS eine verbissenen (''roll
i,egen bie erlai!dIc Herrschaft" ge
nährt. In seine Flegeljabreu schrieb
sid) baS daher, daß ihm der Enn'chluß
beS Grasen Veobcgai", seinen ständigen
Wohnsitz auf Birkenried aufzuschlagen,
viel von der zügellosen Freiheit raubte,
die er vordem genossen hatte. Früher,
wo die Herrschaft kaum einmal im
Jahr auf ein paar Wodien erschien,
war ja der Perwalter so gut wie un
ümschränkier Herr ans dem Gute ge
Wesen, und Hermann hatte das ganze
schloß zum -chauplatz seiner spiele
gemacht, später spöttelte er über die
blaffe Wittwe," die 13 die Herrin
von Birkenried da einen ihm Innerlich
:rfcheinenben ÄhnenkultuS trieb, und
fand die Stellung des BnterS unter
dieser 'rlauchken Weiberherrschait"
ungemein armselig. Freilich, er steckte
immer voller, hochsliegender Pläne und
verfidlettc sehr bestimmt, daß er späte
ftenö in ein paar Jährchcn die Wclt
erobern und den Eltern dann ganz
was AndcreS" bictcn werde.
Und jclzt faß cr wieder in der Per
walterswohmmg volle fiinfunddreißig
Jahre alt; feine ganze Habe haue der
Vater auf den Zdiultern trage lonnen,
und dic alte Mutter ging sicher nicht
fehl, wenn sie heirnlid) der Meinung
war, Hermann, der Viclverfprc
chcnde," habe fdio geraume Weile
idit mehr so gut und reichlich gegessen
wie heute.
Euch ist'S dock) immer gut geg'n
gen, wie?" sagte er. nachdem cr sich
zu Ende der Mahlzeit den kurzen,
fchivarzcn Pollbart gewinnt hatte, und
nah, mit grvßhenlicherHera!laif'.i",i,
Nienngleich mit etwas mintrauiiche
Mäd);ln die Cigarre, dic ihm der Pater
darbot. Dir, Vater, ist ja die Ein
formigkcit ?eincrBcrufs:l,,!t,gleii auf
dieser -chollc das wahre Velcns
elcment. Warum auch nicht? Einem
Jeden scheint der Heri zout sein Fleck
dkn.Äk adzuschiikn. und w.r sich
damit unten im enaen Thsl bean.:,it,
der kann sich freilich das Erklettern
der himmelanfirebendcn Bergfpiizc cr
fvaren, Hahaha! Ich versiehe Eure
Blicke! Ihr meint, ich hatte hesser
gclwn. es ehensz zu iadcn? Ra
darüber können wir vcch spater eiunüil
mit einander sprechen. Jekt laßt uns
auf das Thema kommen, das mich ;i
hällnisse hier ans 'Birkenried. Stiles
och beim Alten, die erlauchte Gnädige
och immer in Traner, ciusai dem
Schmerze i.Lvr deu S:crfiilt ihres stolzen
Haies anhangend?"
Da !r,ai :;n bie Eltern gleichzeitig
eine Bcnv;,::ng..
Ach ia, das weiß er ja noch nicht!"
sagte der Alte, seiner Frau zunickend.
Unser dauüligcr Brief nach A'cw
Orleans bat ihn ja nicht erreicht und
ging verleccu, wie wir später horten.
Ich glaube, das ioar schon der eoiletzle
denn Tu, nimm mir S nicht übel,
Hermann, Du hast uns mit Deinem
PrienrecMci niriii gerade verwohnt. "
Hermann zuckte die Achseln, Du
lieber Geil, mir blieb verwünscht
wenig Zeit zur Privaliorrespoiibenz!
Aber was wolltest Du sagen? Du
schriebest mir damals nach New
Orleans das war also vor ungesähr
vier Jahre?"
Ganz richtig. Damals kam Frön
lein v. Merkenselb hier an, wovon ich
Dir berichten wollle, und was ich Dir
also jetzt nrd) als eine Neuigkeit mit
theilen kann."
Merkcnfcld?" fragte Hermann, sich
nad)denklich die hohe Slirn reibend,
dic unter feinem rabenschwarzen Haar
wic aus Elfenbein gemeißelt erschien
und sein stark niarkirtes Gcsidst ganz
eigenartig diarakierisirte, Der Nanic
klingt mir nidst unbekannt, Ist das
eine Verwandte Eurer oder meinet
wegen : unserer Gräfin?"
Ihre Nidile, nnmlich Tochter der
Base Ihrer Erlaucht. Fräulein Eglan
tine v, Plerkenseld hat seitdem das
Sdjloß nicht mehr verlassen, sie lebt
bei ihrer Tante." Der Verwalter
deutete zur Decke empor. Sie wohnt
da oben, in benselben Zimmer, bie
damals ber Gräsin Adelgunde einge
räumt wurden, als sie zu ihrem Paler,
dem Grasen Veobegar Galt hab' ihn
selig! zurückkehrte."
Was lausenb!" machte Hermann
betreten, während sidi seine buschigen
Augenbrauen über der kühnen Nase
finster zusammenschoben, Die alte
Dame hat jich also wohl so etwas wie
eine Gesellschasterin zugelegt, Ist
Fräulein v. Merkcnfcld och jung?"
Neunzehn Jahre," anlwvrtclc die
Mütter.
Mcrkcnfcld, Merkcnfcld!" wieder
holte Hermann nochmals. Der Name
ist schon in früheren Zeiten hier ge
nannt worden! Fräulein Eglautines
Aiiitter sei die Base der Gräfin Adel
gunbe, sagtest Du?" .
Sie ist sdion lange Waise, das
arme Äind."
Ihre Großmnttcr," erklärte der
Verwalter, bedächtig an seiner Pfeisc
ziehend, ebenfalls Eglanliiie gehei
ßen, war die Sdiwefter des Grafen
ieodegar; sie hat ihrerseits gegen den
Willen ihres Bruders einen Herrn v,
Fcrnwald geheiralhct und sich baburch
uit ihrer Familie cntzwcit. Ich weiß
mich an biese Thatsache sehr wohl zu
erinnern; ich war bainalö ja bereits
ein neunzehnjähriger Bursche und ging
meinem Pater in allen Gesdiäften
schon tüchtig zur Hanb, Frau v. Fern
walb kam nie mehr mit ihrem Bruder
zustimmen, aber gesprochen wurde noch
oft von ihr, Sie hatte, glaub' ich,
auch nur eine einzige Tochter, so wie
ihr Bruder, und diese war dann später
mit einem Offizier, eben jenem Herrn
, Merkcnfeld, verheirathct, dessen
Name damals bei uns genannt wurde,
!raf lcodcgar, den die unglückliche
Ehe feines eigenen ,iinbes schwer be
drückte, ging uämlid ernstlich mit bem
Gedanken in, jich mit seiner Nidile
zu veilohnen Eglaniiiic, bie Aellerc,
seine Sdnvestcr. war ba längst tobt,
z'lbcr es kam nicht bazu; Gras icodegar
erhielt bald daraus seine Tochter zurück,
und Gräsin Adelgunde mochte in ihrcr
Menschenscheu ach ber vierzehnjäh
rigen unglücklichen Ehe wohl keinen
Verkehr mit irgend Jcniand in der
Welt wünschen. '
Jetzt hat sie sich aber doch diese
cnlfcrnle Nichte ausgehalst?" warf
Hermann ein.
0, sie liebt sie sehr! Sie ist ihr
eine zweite Mutter geworden. Es ist
ja auch nicht mehr als nalüilich, daß
sich die Erlaucht endlich der einzigen
Perwandten nähert, die ihr geblieben
ist, Fräulein Eglanline ist ihre nächste
Erbin, wenn 'S einmal was Golt nod
lange ausschieden möge ! zum Ster
ben kommt."
Die dunklen Augen des jungen
Mannes wurden für einen Moment
großer, und die Unteilippe zog sid?
zwischen die Zähne. Er schien elwaS zn
überlegen. Dann lächelt: er wieder
auf seine eigene Weise.
ES ist aber dock, recht bezeichnend,
daß sich dic erlauchte Gräfin erst dann
der armen Nichte erinnerte, als diese
bereits Waise geworden. Ich begreife,
man betradtete schon die Verbindung
ihrer Großmutter mit einem einfachen
, Herrn von' als eine Mißheirath und
halte nicht Lust, so einen bloßen Herrn
v. Fernwald eder v. Mcrfenfcld als
Vetter im Stammhaasc von Birlcnricd
zu mvfangen ; das Mabdien, das doch
vom Blute Derer v. Ebeisvcrg ist, läßt
man sid, schließlich gefallen, und aud
das wäre nicht geschehen, wenn nod)
ein würdigerer Sproß vom Eberspcrg'
fdien Stammbauiiie vorhanden geivesen
wäre, Geht mir mit Eurer Groß
Herzigkeit beim Aristokratenvolkc! Es
ist AtleS nur Jntcrefsenvolitik."
Dic MuH schmteltc bekümmert
de ,'iepf und streckte sdion die Hand
aus. den Solm am Acriucl zu zupfen.
Da nahm der Vater die Pfeifenfpive
aus dem Munde und heb sie mit einer
leichten Warnungogcberdc emror.
.Thu' mir die einzige Viebe, Her
mann, und lasse Dich nicht etwa vor
ben Nuten hier oder fiwtcr drüben im
Orte auf fold,e Weise aus! Ich will
Dich nicht daran erinnern, daß wir
unserer Heirsü'aft zu ewigem Dank
verp'lidilet sind, uns daß Tu unsere
Anidiaunngen rerleizest es mag ja
tfin Svii? T!t rilt l'iit rtiit hn
...., . u Vl.t 7.t4 ., , , tl., Vbll i
Deinigen ; beharren: aber idl,cßl:d, I
wirit 4. ii nicht vergeiiei d irien, dß
wir das Brs der gnislichen Familie
essen, rorlä' ' fz , i c ch Du!"
Die Mutter zuckte fast zusammen
bei btm lernen Nachsätze. Sie mußte
nun wohl eine hechfahl ende Antwort
Hermanns erwarte, wie eine solche
bei früheren Gelegenheiten schon zu
hesiigei Aufeinanderstoße von Pater
und Sohn gefuiirt hatte, Sie kannte
ihren Mimi und den Punkt, aus we
chein sein sonst so gulnunhigeS Tempe
rameul zum Aufbrausen Im.
Aber sie haue sich getäuiül. Es
brauchte nicht einmal ihrer bej,!!l0"ien
den Geberbe, Hermann schien i'.eluch
minbesieuS Eines gelerni zu haben:
sich zu behei, scheu. Er verzog keine
Miene und erwiderte sehr gelassen:
Aber ich bitte Dich, lieber Paler,
ich denke ja nicht daran, esberErlandt
gegenüber am erwünschten NVipetl
fehlen zu lassen. Du sollst Dich bavcu
überzeugen, daß ich mich mit unserer
Gräsin sogar ans einen recht sreirnd
schastlidicu Fuß stellen werbe. Nein,
nein, ich spotte nicht, ich rebe in vol
lein Ernste! Ja, was windet Ihr
bazu sagen, wcim ich mich bei ber Er
taucht um eine Anstellung bewerben
wollte?"
Jetzt erstarrte das alte Ehepaar
geradezu in Verwunderung.
Und bie Gesinnungen, von benen
Du srühcr immer gerebet hast?" platzlc
der Mann dann heraus ; Deine Ver
achtung des AristolralenvolkeS, die Du
soeben noch ausgesprochen hast?"
Was thut das?" erwiderte Her
man mit Ruhe. Sotreibsauch id)
Jntei-csscnpolitik."
' Da sank bic Faust bes PatcrS schwer
aus den Tiscki nieder, er lehnte sidi
seinem Stuhl zurück und sah den jnu
gen Acann mit lveit geossncten Augen
an, Dic Frau, dic von dein Allen nur
begriff, daß Hermann clwaö Uuge
heuerliches voigebradlt haben liiiißlc,
blickte in zitternder Herzensangst bald
auf den Sohn, bald auf dc Vetter.
Ah, ich sehe, id werde nicht recht
verstanden!" meinte Hermann mit
einer Handbewegung, dic Alles, was er
soeben gesagt hatte, wie von eiucr Tasct
vor ihm wegzuwischen schien, und jetzt
schlug cr einen anderen Ton an, mit
beut er Denen, bie an Bildung unter
ihm standen, noch stets iinponiit hittic.
Es wäre natürlich vergeblich, hier
das philosophische Ihstem auscinan
derzuscben, unter dem ich die Dinge
dieser Welk betrachte. Beruhige Dich
indessen, Baler, das mit einer Anstel
lung im unmittelbaren Dienste der
Gräfin Abelgnnbe ivar nichl so buch
stablich gemeint, ich bachte nur, Euch
ben Beweis zu liefern, baß ich ein
schlössen bin, mid) nach einet Thälig
feit umzusehen, wie sie iu Euren
Augen allein als nützliche Arbeit gilt,"
Golt gebe, baß cs Dir damit Ernst
ist!" cntgcgnetc ber Verwalter trocken,
Apropos, wie steht cs beim hier zn
Änbc?" incinte ber Sohn nach einer
kleinen Pause, offenbar nur gewillt,
die Unterhaltung wieder in glattcrc
Bahnen zu lenken. Wic ich aus einem
Gefpräd) nichrcrcr Rcisegenosscn von
Breslau her zufällig erfuhr, hat sich
in unserer Nachbarschaft Einiges vcr
ändert. Da drüben aus Nebenstcin ist
eine neue Herrschaft eingezogen?"
Ja, dic BriinowS," gab die Mut
ter lebhaft zur Antwort, fioh darüber,
ben Zwischcnsall von vorhin verplan
dcrn zu können. Das ist jetzt zwei
Jahre her. Die.Erben des Bankiers
üeubuschcr haben das R'itlergnl damals
verlauft. Aber der alte Baron Brii
now, ein pcnsioniitcr Gcneral, der es
erworben, konnte sich nicht lange daran
freuen; er ist schon zn Anfang des
vorigen Jahres gestorben."
Wahrhastig, ich hörte davon, und
daß er außer der Wittwe zwei Äiubcr
hinterlassen habe; nicht wahr?"
Ganz lichtig. Der Sohn läßt das
Gut aber durd) einen Verwalter bestel
len, denn er selbst lebt in Breslau; er
steht als ieutenaiit bei den Ulanen.
Es heißt, er hänge mit ganzer Seele
an dem Offizier berufe und würbe lie
der das Gut als dicsen aufgeben,
UcbrigcnS verfehlt cr nicht, so oft als
möglich nach Rcbcnftcin zu kommen,
um 'Mutter und Schwester zu besuchen
und in der Wirthschaft nach dem Rech
ten zu sehen. Jczzt ist er gerade seit
vierzehn Tagen wieder aus Urlaub
hier."
Ja, auch das habe ich gehärl. Aber
wie lammt cS, daß Du, wie es scheint,
über die Faiiiilienvcrhällnisse der
BriinowS so vortrcsslich unterrichtet
bist, Mnltcr? Ich dachlc immer, hier
aus Birkenried kümmere sich Nicmanb
tun dic Nadibarfchast und was iibcr fic
gesprochen wird?"
Mit Rebenstein stehen wir jetzt in
engem Verkehr," mischte sich da der
Vater wieder ein. Der junge Baron
Briinow kehrte in diesen zwei Wochen
fast jeden Tag bei uns ein."
Was?" lies Hermann, wic von
cincm clcklrifdlen Strome berührt,
Der rVieulenant v. Brimow verkehrt
hier im Hausc?"
Die Eltern waren ganz verdutzt vor
diesem Ausdruck einer ungchcurcn
Ucberraschung.
Du wunderst Dich mit Recht, daß
nnscrc Erlaucht die einst sz strenge
Abgeschlosscnhcit von aller Welt cini
germaßen aufgegeben hat"
In der That, in der That," sagte
Hermann, sid, rasch fassend. Ich
konnte mir gar nickt denken, daß Gräfin
Adelgunde ihre Menschenscheu jemals
o weit überwinden wurde."
Eö geschah ans Rücksicht aus Fräu
lein l. Mcrkenseld," er! laue dic Mul
ler. Natürlich, ein Mädchen von
ihrem Altcr b'.aucht deck, Umgang, und
da Baronin und Barcuesse Brunrw
feit kein Tode des allen Ficii,eun
ebenfalls verein:::',! iind. so inadite
es sich leidn, daß zriüeien den Innern
ein geselliger Perlehr angeknüpft
wurde. Fräulein Eglanline und dic
Baronesse .ca!he von iuh".i sind schon
seit Jahr und Tag gute Freundinnen,
und in neuester Zeit habe wir uns
and, iit kem Baro H,,ns, dem Illa-
enlicutcncnt. deireundet."
Hier l'elic die alte Frau geheim
ißvoll.
Merkst Du. tu Mrnier Miene
bedeuten soll?" fragte der Pcrwalicr
mit guin,lhigem 2noit.
Hermann that sich Gewalt an, um
mit einiger Ruhe die Gcgenirage her
oibrinaen n kennen: Vielleicht
daß der junge Zl'imm schon der Anbeir,
der Nidne unfair Gräfin ist, wie?"
Mutter bildet sich's wenigstens
ein."
So weit will Ich och nicht gehen,"
wehrte die Fron ab. Aber die Sache
ist in gutem Gange. Man müßtc keine
Auge im icopse habe, um ich! zn
sehen, daß der Baron bis über beide
Ohre in Fräulein v, Merkeiifeld ver
liebt ist. Seine Pintlci und die Sdiwe
ster begünstige ei zartes Verhältniß
zwischen ihm v.i Fräulein Eglatie
ganz entschieden, uuo nscre Erlaucht
hätte gegen ciuc solche Verbindung qe
miß auch nichts einzuwenden,"
Na also," warf Hermann höhnisch
hin, dann stände ja dem Zuge zweier
edler Herzen nichts im Weze, Ick,
gratulire."
Mütterdicn vergißt mir ci:'.e Klei
nigkeit," sagte ter Alte; iiämlicii,
daß Fräulein Eglanline die Bewcr
billigen des BarotiS bis jetzt nod, nidit
erhört hat und incincrAnsicht ach auch
niemals erhören wiid,"
Oho!" rief die Fin," wärmer
werdend. Wir werde ja sehen! Ver
laß Did) darauf, wir Weiber haben i
foldie Sache .feinere Witterung,
Fräulein Eglanline ist mir ein bisdien
schüdilcrn wegen ihrer klösterlichen Er
Ziehung, nb dic stuiniischc Art dcs
jungen Offiziers mag ihr anfangs
einen gewissen Schrecken eingejagt
haben, aber das gibt sich; sie läßt sich
seine Hnlbigungjn ja doch gefallen,"
Wie sich ihre weichliche, tranthait
zarlc Natur schließlich Alles gefallen
läßt," pellcrtc ber iVlami. Sie ist
wie weiches Wachs in den Hände ihrer
Umgebung und wagl nichts auch nur
zu denke, was ich! im Sinne der ge
strengen Frau Tante ist, lim so ge
ividitiger muß man daher de sanfien
Widerstand schätze, den sie den Siebes
Werbungen Herrn v. BriinowS ent
gegensetzt."
Ach, ich habe eS längst ausgegcbc,
mit Dir darüber zu streiten, lieber
Alter! Aber Du, Hermann, sollst
mein Zeuge sein, wenn ich über ikurz
ober ang Recht bekomme. "
Hermann zuckle bie Achseln, um
anzudeuten, daß ihm baS eigenliid)
sehr gleichgillig sein könne. Gleich
wohl aber beherrschte ihn eine prickclnbe
Ungeduld. Er halle schon mehrmals zu
einer Frage angesetzt, sie aber immer
wieder unterdrückt.
Du siehst mit Deiner Meinung
von der Sache doch ziemlich vereinzelt
da," fuhr der Verwalter fort, Ich
habe wohl gemerkt, wie dic kleine
Baroneß bekümmert ist, daß ihr Bni
der, den sie ja förmlich vcrgöllcrt, so
wenig Erfolg bei ihrer Freundin hat.
Und der Jan, der Bursch vom Herrn
Baron Hans, der hat inir's gcstcrn
aich bestätigt, daß sein Herr in großer
Betrübniß"
Der Bursche dcs Lieutenants?"
fuhr da Hermann abermals mit einer
Lebhaftigkeit dazwischen, die das Stau-
neu der EÜcrn hätte erregen müssen,
wenn sie nicht der Eiser in der seit
mehreren Tagen zwischen ihnen sd;ivc
bcnden Strcilsrage zu schr befangen
gcmad)t halte,.
Ja, der kann'S auch wohl wissen,"
antwortete der Pater aus die vermeint
liche Frage Hermanns, Der ist j;i
immer um ihn, ein prächtiger .Heil,
treu wie Gold unb von seinem Herrn
sichtl'cki auch nach Gebühr geschätzt "
Osfiziersbursche vorn Regiment des
Barons?"
Natürlich; der Ulan hat feinen
Herrn, der ihn nichl eulbehrcn mag,
hierher auf den Urlaub begleitet."
Und verkehrt am Ende auch ats
gestützter Haussrcund . aus Birken
rieb?" rief Hermann mit einem etwas
gewa 1 1 famen Gelächter.
Wenn auch nicht das. Du ewiger
Spötter, so doch alg täglicher Bote
dcs Gutshcrrn von Rebensteiu, bald
mit einem Eiulabungs-, bald mit
einem Dankbillelchen, beute mit einer
wichtigtlnienbkit Nachricht unb morgen
mit zwci gewaltigen Blumensträußen,
als ob wir uns bergleidien nidit in
Hülle unb Fülle selber in Park und
Treibhaus holen konnten. Und das
größere und schönere Bougnet ist mit
seinem Respekt immer für bie Erlaucht
bestimmt. Ja, ber Baron steck! sidi
überhaupt jc!t mehr hinter die gnädige
Tante, um die geliebte Nid?tc zu ge
winncn. Wirb ihm abcr, wic gesagt,
nichts nützen."
Hermann staub auf und dengle sich
mit gespannter Miene über den Tisch,
zum Vater hinüber.
Jan Slalidi erscheint also beinahe
täglich vor der Gräfin Adelgunde?"
Was, Du keimst den Burschen?
Du weißt sogar seinen Familien
uamen?"
Hermann räuspcrtc sich und sagte
etwas verwirrt : Haltest Du ihn nicht
vorhin genannt?"
Geu'ig nicht, beim ich kannte tiü
zur Minute überhaupt nur den Taus
nainen des Ulanen. Wie lc::m,st denn
Du dazu"
Ja, id) weiß nicht. Vielleicht habe
ich zuiällig auch title Namen unter
wcgs vernommen und cr ist mir plotz
I : cli, unbewußt, im Gebucht! ß anfgc
taucht. Das ist ja and, belanglos.
Eigentlid, wirklich lächerlich, daß wir
uns so eingehend mit einem Reillned t
besck?ästigen. Aber Du hast den Polen
ja als ein solches Juwel geschildert
er ist doch Pole ich! wehr?"
Ja, wie die meiste Vente in fei
nem Reaiment, ad man hcrl'S auch
foiert, ehr!;! c, das , rutsche s,.'r ,zu
spricht. Er ist überhaupt ein sehr intel
, genter Meush, dem man den r.i
Nischen Bauernion wahiha'ttg nid't
ansieht." ,
Ei ! Wie kemmt eS ahcr dann, daß
dieser Herr Jan nech immer gemeiner
Kavallerist und Olfiziersburfc isi?"
Fiik's Erste lungt er sehr treu an ;
leinen ,vcrrn, wie t 'it alle ilantdie-.
Diener, jo daß er liijet f.ur Beferde
rang verzichtet, cli den wcbl auch sehr
einiragliihen Pesten bei einem h
rcidien Offizier kzuaeden. Und tcr.n
glaube ich. hat der Barsche sich fein i
Avancement durch clleilci streiche ver i
feberzl ; er soll schon als Rekrut mit I
einem ameradcn Handel gehabt dabei. I
in welchen er den Gegner bei einem
Viuir mit Chiii .,, , .,iic.
Er spricht nidit gerj davon, aber es
scheint, da ihm cbeir damals der Ba
o,i Brünoiv aus berPatche gehvlscn
und ihn zn sich i Dienst genommen,
hat,"
Aha, da sind Hcir und ,(!ed,t
einander wohl wlirbig einer ein große
rer Ransbold uud Weibersäger als der
Andeic! Pian weiß ja, was Dic von
der jkavalleiie ter einem stalten
Bursche versiehe!"
Nein, ba irrst Du Dich in Beiden,
vor Allem heim Jan. Dem stellen
umgekehrt dic Mibel nach, dic Magde,
liier und erst drüben aus R'ebciiftein,
und mit f toller, als sich der hübsche
Kavallerist garnichtsaus ihnen macht."
Zchau, scl,, das schein! ja ein
wahre! Ausbund von einem Tngeb
bold in Ulanruuuifori zu sein."
ES gehl das Gerede unter unseren
Ällägde, der schouc Jau leibe n einer
unglückliche riebe," meinle bie Mut
ter lächclnb, Das wäre schließlich
nicht unmöglich. Vielleicht ist ihm
schon in seinem polnischen Heiinaths
dorfc ei Schätzche treulos geworden
oder gestorben,"
Oder o ciue ähnliche blödsinnig
romantische Geschichte!" sagte Her
mann mit einer wegwerfenden Ge
bcrde. Was den nicht och Alles?
Steckt den biünmsten Jungen iit
zweierlei Tuch mit blanken jiilöpfe,
und dic Weiber laufen ihm fchaaren
wcis nad, besonders, wenn sie sich
verschmäht glauben,"
Nun, ärgere Dich nur nicht!"
fliehte die Mutter z beschivichligen.
Ich mich ärger? Haha ! Das
habe ich mir längst abgewohnt, E
ist ja Alles Unsinn, Thorheil, Posse!
Wenn der Mensch selber nichl betrügen
kann, jo ist ihm nur wohl, wen er
betrogen wirb, Nein, ei, ich habe
meine geistige Äindhcit sd)o hiiiler
mir!"
Der Paler zog die Augenbrauen in
die Höhe und tiffnetc schon dic Kippen
zu einer sich ihm ausdiäugenden Be
mcrkuug, hielt es aber doch für besser, '
sie z verfdil uifeii.
Bald darauf gab ihm der Schlag
der alle Wanduhr Gelegenheit, au
dic vvrgcrüdlcZeit zu mahnen.
Du wcißl, wir gehen früh zn Bett,
mein Sohn ; unb wenn auch baiin
Deine Gewohnheiten nichl mit ben
nnserigeu üi,crcistimicu werden, so
wirst Du doch heute müdc gcnug sein,
um ebenfalls nach Ruhe zu verlangen."
Er zeigte auf dic zweite der beiden
nebeneinander liegenden Thüren, die
von dem Poisaalc in dic inneren
Wohnräuinc führten ; ba hinein ging'ö
in das Stäbchen, bas Hermann schon
in feine ejiiuderjahren inue gehabt
hatte.
Schlaf wohl!"
Die Äiuttcr solgle ihremMannc nur
zögernb; sie hätte gerne ein paar
herzliche Fragen an ben Sohn gerichtet,
aber biescr schien das nick?! zn bcincr
ten, erwiderte leichthin den Gntenacht
grnß und zog sich in das ihm ange
wiesene Gemach zurück, während ans
der jiüdie die Magd erschien, den Tisch
abzuräumen und bie 'ampe zu loschen.
Erst als das Ellcrupaar die Sdilas
stnbc cireidit Halle, zu der daö letzte
Fenster in der Erdgcschoßfront dc
Cchlosscs gchörtc und die von dcm c
mach dcs Zohucö durck) ein großes
Wohnzimmer getreunl war, fand Frau
Plock dic Worte, das zwischen ihr und
dein Galten herrschende Sdiwcigen zu
brechen.
Ich glaube, Tu thust ihm dock) Nn
recht unserem Jungen," sagte sie
mit unsicherer Stimme.
Womit?"
Nun, D scheinst nicht gerade waZ
Gutes von ihm zu erwarten. "
Da saßte sie der Mau derb an der
Schulter, drehle sie herum und sah ihr
in'S Gesicht, D etwa?"
Die Frau wollte etwas sagen,
brachte aber nur einen verrätherischen
Seufzer hervor.
Na, laß gut sein, ?Nar!e! Wir
könnten eS doch schon verlern! haben,
uns einander nech was von großen
Hoffnungen auf unseren Einzigen vor
zugankelii. Nehmen wir unser Geschick,
wie's ist und wic'S komm! ! Jich will
dem Burschen nichis in den Weg
legen, cr so bei uns and) sein Bett
und seinen Tisch finden, wie bisher,
und wenn ich ihn iveiter nidit darnnd)
frage, wie'S ihm die neu Jahre ge
gangen ist, und wie er sidi die Zu
kunft zu bestellen gedenkt, so glaube
ich, baß ich ihm damit den willtom
menften Ovfnlleii thue. Jetzt leg' Dich
auf 's Ohr und gräme Didi nicht ! Wir
haben uns schon seit vamicm daran
gewöhnen müssen, de Hermann so
halb und halb als einen Fremden anzu
scheu, und :rir waren dock, Beide nicht
so thöricht, auf diese Heimkehr scheue
Erivnrtungc zu setzen."
Das waren für heute die letzten
Werte, welche die Alten miteinander
wechselten.
Hermann dachte indessen noch nicht
daran, sidi zur Rulie zu legen. Er
öffnete für s Erste seinen ,'cofser und
kramte in beut wild durcheinander
geworfene Jithall, bis er daraus eine
mäßig große iederbriestasdie hervorzog,
die cr eine Zelnndc unschlüssig in der
Hand behielt einen Blick aus die
issen seines Bettes werfend, als ob
er daran dadite, sie dort zu verwahren
um sie hierauf in bie innere Brust
lasche seines Rockes zu stecken. Dann
ging er aus die zweite Thür zu, dic
in das bereits erwähnte Wohnzimmer
führte, unb drehte den Sililiiiiel im
Schlosse herum. AIs dies geiehehen,
ahnte cr sid, dem hohen Bogen
fenster, das ciien stand, und ichnie fid
an die 2:abc des kunstvollen Eisen
gitlers, das stinimllidie Fcniieröf'iiun
gen im Erbgciehoffe verwahrte.
Der Pollmend der wundervollen
Maiennacht beschien fein Gejicht.
Welch' ein lAiidit! War das sein
wahres Antlitz und das. das er den
Eltern gezeigt hatte. nur Zli'aske dann
hatte daS MnlteiHer; Recht, als es i:.i
Justin!! vor ihm zusarnmengesckuueri
mit.
(ijortsttjunj folgt.)