Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, July 09, 1896, Image 12

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    was sich der siof erzählt.
Von Wilhelm WalliS,
Der Hos, in welchein Franz Berthold
wohnte, war ein ganz gewöhiillcherHo
nicht anders wie die meisten derartigen,
Kam man von der Straße her durch
den Thorweg des hochragenden Vorbei'
baues. so las man schon an dcr Äauer:
Hier dürfen keine Wagen hineinsah
ren." Die beiden sich gegenüberliegen,
den, langgestreckten Häuser hatten noch
jene mm, die allen mit kement er.
putzten Neubauten eine Zeit lang eigen
ist. Der Zwischenraum war nur schmal.
Die Leute konnten sich in die Fenster
sehe;:. A,is dem ungepflasterten Wege
lao, d,r belle !and, in welchen d,e um
der sich bis zu den Knieen eingrnben.
Der Bcsißer der benachbarten Terrasse
Halle Heine Gärten vor den Thüren her
richten lassen, die einen ganz freund-
licken Einblick mit ihren weißen Holz,
stacketen und den griin bewachsenen
Lauben machten, aber dem Eigenthümer
unseres Hofes wäre Derartiges niemals
eingefallen. Söoz auch? Er er
miethete seine Etagen ja ohnehin, und
es war ihm gleichgiltig. wenn sie ihn
den Filz", den Geizkragen" oder
Geldsack" nannten, wenn er nur seine
Miethe rechtzeitig erhielt,
Die kleinen Wohnungen, welche aus
drei bis vier nicht sehr geräumigen Zim
mern bestanden, wurden ausschließlicl
von Handwerker und Arbeiterfamilien
bewohnt. Die Arbeiter waren zumeist
in den nahe gelegenen Fabriken oeschäs
tigt, deren Qualm diese Gegend zeit
weilig wie mit einem schwarzen, un
durchdringlichen Schleier bedeckte. Die
Gesundheit ging dabei zu Grunde, doch
die Arbeiter wollten schnell zu Hause
sein, denn Mittags durften sie sich mir
für eine stunde entfernen. Die meisten
saßen bereits wenige Minuten nach
zwölf vor der dampfenden Schiissel und
dann griffen sie wacker zu; sie brachten
einen resprektablen Hunger nach Hause.
Allein nicht alle fanden eine so prompte
und zuverlässige Bedienung. Manche
Frauen wurden nie fertig. Sie begeg
neten bei der Rückkehr vom Einkaufen
gewöhnlich der Nachbarin, und den
Korb am Arme tratschten sie stunden
lang vor den Thüren, bis der schrille
Pfiff der die Mittagsstunde anzeigenden
Dampfpfeiten ne ins mm triev.
Wenn der Mann später eintrat und das
Essen nicht bereit war, hörte man den
Lärm aus dem Fenster ' heraus. Und
die Frauen lächelten sich zu und meinten
achselzuckend: Die bekommt's ordent-
tick); sie verdient es auch, die Schwätze
rin!"
Nach 1 Uhr gewann der Hof wieder
sein ruhiges Aussehen. Die Kinder
spielten im Sande und trugen hinten.
an der das Grundstück begrenzenden nie-
dngen Mauer, einen Berg zusammen.
Selbstverständlich gab es stets Streit;
die älteren schlugen die jüngeren, die
jämmerlich zu schreien begannen. Einige
Frauen blickten hinunter, sonst war
man das schon gewöhnt. Die halb
wüchsigen Mädchen erkuchten den Streit
zu schlichten, und nachdem es von allen
Seiten Püffe geregnet hatte und die Un
ruhestister heulend fortgelaufen waren,
nahm das Spiel seinen Fortgang.
Am Abend füllte sich der Hof von
Neuein. Die Arbeiter kehrten trupp
weise heim, die wenigsten blieben in den
Schünken. Bis Dunkelwerden saßen
sie vor den Thüren oder lehnten zum
Fenster hinaus und unterhielten sich
laut mit den College. Der Tabaks
rauch schlangelte sich an den Wänden
entlang, und der Geruch gebratener
Kartoffeln und frischer Zwiebeln lrang
aus den Häusern. Unter dem Thorweg
standen die jungen Burschen und beod
achteten, die Thonpfeife im Munde, die
Vorübergehenden. Mit breitem Munde
lachend, die Hände in den.Hosentaschen,
lehnten sie an der Mauer und erzählten
sich lustige Erlebnisse aus der Fabrik
und aus der Familie.
Auch Franz Berthold plauderte oft
aus der Straße. Er war drüben in
der Maschinenfabrik angestellt und als
fleißiger Arbeiter und ordentliche:
Mensch überall bekannt. Seine Schlaf
stelle hatte er bei den Eltern eines Eolle
gen und seit zwei Jahren lebte er in
diesem Hose still und anspruchslos.
Sein Gesicht war nicht unschön, die
Nase etwas breit. Der stattliche
Schnurbart paßte recht gut zu der kräf
tigen Gestalt und ein absichtsloses
Selbstbewußtsein sprach aus jeder Be
wegung. Er hielt sich immer sauber.
Wenn er, die blecherne Kaffeeflasche
über der Schulter, am Morgen hinaus
trat, war der in's Gelbliche schimmernde
Rock, unter dem das blaue Hemd her
vorlugte und die braune, mit einem
schmalen Riemen festgehaltene Lcderhose
von jedem auffälligen Fleck srei.
Wenn seine Freunde Sonntags den
Tanzboden besuchten, begleitete er sie
gewohnlich und trank im Saale sein
GlaZ Bier. Er hatte keinen .Schatz".
Auch gefielen ihm die Mädchen seines
Hoses und des ganzen Viertels nicht!
sonderlich. Er hielt sich vcn ihnen
fern.
Als die Blätter sich bereits röihlich
färbten und vom Winde durch die
Straßen gewirbelt wurden, zog im
Hofe eine neue Familie ein. Man
achtete nicht sonderlich darauf ; es war
das ein bekanntes Schauspiel. Die
Leute batten nicht viele Möbel. Nach
Verlauf einer halben Stunde fuhr der !
kleine Wagen wieder fort. Dennoch
ging von Mund ja Mund : Ein
Schuster, ein Schuster. WaS der
eigentlich im Hole wollte? Wohnte da ,
nicht bereits seit drei Jahren Meister
Woltcrs, der die Stiefel zu aller Zu
friedenheit besohlte. Ei Eoncurrent,
natürlich ein Concurrent, hieß es schncll
und die Frauen riefen sich dies gegen
seitig zu.
Aber Meister Walters war bereits
aus seinem Keller herausgekommen.
Angethan mit der blauen Schürze und
die Hornbrille auf der Nase, stand er
vor dem Eingang seiner Werkstätte und
beherrschte das ganze Terrain. Seine
scharfe Stimme übertönte dus Geiniir,
mel der Versammelten und deutlich
hörte man seinen bitteren Hohn : Wer
wird's , sein? So'n Pfuscher, so'n
Schnclltünstler, dessen Sohlen an den
Steinen kleben bleiben."
Das ihn umringende schwache Ge
schlecht bekräftigte seine Entrüstung
durch Nicken und Bejahen, und wie ein
heiliger Schwur klang diese feierliche
Versicherung, daß man dem guten,
alten" Meister Walters die Treue be
wahren werde. Tiefgerührt über diese
Anhänglichkeit nahm er beruhigt seine
Arbeit wieder aus.
Berthold vernahm am Abend von
diesem für den Hof allerdings wichtigen
Ereigniß. Der schadenfrohe Schneider
erzählte es ihm und freute sich schon im
voraus auf die Eonsequenzen der Feind
schaft zwischen diesen beiden Schustern.
Während er noch sprach, trat aus dem
Thorweg ein junges Mädchen, zögerte
einen Augenblick und verschwand in dem
zunächst gelegenen Treppenaufgang des
linken vosflUgeis. Der Machlnenar
beiter starrte die Erscheinung wie ein
Wunder an. Doch die am Fenster
sitzenden Bewohner hatten das Mädchen
auch bemerkt und tauschten hastige Fra
gen aus. Niemand kannte sie. Der
Schneider rieb sich vergnügt die Hände.
sieht wenigstens proper aus,"
meinteer, und Berthold fragend, fuhr
er fort: Haben Sie das graue Jaquet
beachtet? Ich sage Ihnen, das ist mo
dern, ganz modern. Und wie ihr der
Hut sitzn Hm! Diese schwarzhaarige
leine ersteht ch zu kleiden."
Der als Angeredete hatte noch mehr
gesehen. Ihm war ob dieses dunklen
Augenpaares, vas unter den dichten
Brauen herausfunkelte, ganz heiß im
Kopfe geworden. Er blickte noch immer
nach der Stelle hin, wo die neue Per
sönlichkeit verschwunden war und achtete
kaum auf das Geschwätz des mit ihm
Sprechenden. Er glaubte, das Mäd
chen müsse zurückkehren und blieb wie
angewurzelt der Thür gegenüber. Sie
verließ aber das Haus nicht mehr, sie
gehörte zur Familie des neuen Schuh
machers, und Berthold mußte sich heim
begeben.
Die Familie des Schuhmachers,
welche die Wohnung in der dritten
Etage bezogen hatte, lebte ziemlich bürf
tig. Da waren drei Knaben, die sich
im Gronenveryaitnii e der Orgelpfeifen
befanden und ein Mädchen von vierzehn
Jayren, oas mit ver Mutter den Haus
stand führen mußte. In den drei Zim
mern konnten sie sich's nicht besonders
bequem einrichten. Die kleine Stube
sollte des Vaters Werkstatt sein und das
Lager der Tochter aufnehmen! das
Schlafzimmer der Eltern und das der
Knaben war etwas geräumiger. Für
die zwanzigjährige Jda Holm, des
Schusters Kind aus erster Ehe, bot die
Wohnung absolut keinen Platz mehr.
Allein man wußte sich zu helfen. Jeder
Miethpartei gehörte ein Theil des Bo
dens, ein unbedeutender durch Bretter
abgetrennter Raum. Dieser wurde der
tagsüber außer Haus Beschäftigten be
stimmt.
Jda Holm begrüßte ihre Bodenkam
mer mit ungeheucheltem Entzücken. In
der früheren Wohnung hatte sie vor
ihren Stiefzeschwistern keine Ruhe ge
habt: jetzt ließ man sie allein, und auf
die Frage, ob sie sich dort oben unter
dem Dache nicht fürchte, lachte sie laut
auf. Sie fürchtete sich durchaus nicht;
man konnte ein Schloß vorlegen und
das genügte ja völlig. Kam der Win
ter heran, so stellte man einfach einen
Ofen auf und leitete die Ofenröhre
zum Bodenfenster hinaus. Viele halfen
sich in ähnlicher Weise gegen den Platz
mangcl. Berthold wußte es bereits am nächsten
Tage, weshalb die Tochter des Schusters
sich so hübsch kleiden konnte. Jda arbei
tcte in einem Tamenmäntelgeschäft der
Stadt und verdiente, wie er glaubte,
viel Geld. Von jetzt ab folgte er ihr
auf Schritt und Tritt. Als er sie zum
ersten Male grüßte war sie darüber
erstaunt und begnügte sich mit einer
flüchtigen Erwiderung. Tann grüßte
er sie immer. Doch er mußte vorsichtig
fein, um nicht den Spott der Hofbe
wohner auf sich zu laden. Sie bearif
fen schon anfangs nicht, weshalb er sich
den ganzen Abend vor dem Thorweg
herumtrieb und seinen Sonntagshut
trug. Schritt sie in ihrer gemessenen
Weise die Straße entlang, so ging er
gewiß in kurier Entfernung auf der
anderen Seite und ließ sie nicht aus den
Augen.
Er schlief sogar schlecht, der arme Pa-
, tron. Nachts warf er sich hin und her
!und träumte von allerlei Irrfahrten
und Abenteuern. Auch in der Fabrik
waren seine Gedanken nicht bei der Ar
beit. Sein Sinnin richtete sich ledig
lich auf die Frage, ob er Jda Holm nach
eierabend sehen werde der nicht.
Wiederholt hatte er sich vorgenommen.
ihr entgegenzugehen und sie rntzu
sprechen,
allein ne kam zu unbestimmter
Zeit nach Haufe. i,hr Feierabend rich
tete sich nach den vorhandenen Aufträ
gen. und oft verließ sie das Arbeit?
zimmer nicht vor zehn Uhr. Ja, hatte
er nur wenigstens ein Gespräch an
knüpfen können, so wäre das Eis wohl
gebrochen gewesen, indeß das war für
unseren Berthold leichter gesagt als ge
than. Guten Abenv!" hatte er be
reits häusig gewünscht, und in dieser
Begrüßung lag wirklich nichts Beson
deres. er auch hinzufügen durste:
Wie geht's, Fräulein?" Nein, das
klang zu gewöhnlich und ungeschickt,
solche Frage wäre dumm gewesen. Hier
schien wirklich Berthold's Weisheit zu
Ende. Was hätte er mehr sagen sollen?
Er war von Tag zu Tag unentschlosse
ner. Es schien leicht begreiflich: durch
ähnliche Redensarten würde er mit
einem Mädchen wie Jda Holm keine
Bekanntschaft geschlossen haben.
Plötzlich leuchtete ihm vor seiner
Drehbank eine Idee ein. Er stieg zu
Schuster Holm hinaus und ließ sich ein
Paar Schuhe anmessen. Meister Wol
ters, sagte er, fertige zu enges Schuh
zeug an. Er log, denn der alte Wol
ters arbeitete ganz zufriedenstellend, aber
für Herrn Holm war diese Versicherung
selbstverständlich ein Quell reinster
Freude, und mit strahlendem Gesicht
hätte er den jungen Mann beinahe uni
armt. Und Berthold erreichte seinen
Zweck. Der Schuhmacher lud ihn im
Eifer seiner Liebenswürdigkeit zu einem
Sonntagscsien ein. Man müsse Freund
sckaft schließen, versicherte Jda's Vater,
der schnell begriff, daß das Wohlwollen
des Arbeiters ihm viele Kunden zu
führen würde.
Jetzt kam Berthold oft in die Woh
nung des Schusters. Er saß mit Früu-
lein Jda sogar an einem Tische, ohne
daß er vermocht hätte, lange mit ihr zu
reden. Wenn er allein war, so sprach
er alles, was er ihr aaen wollte, kalb
laut vor sich hin, doch sah sie ihn nach-
yer an, so war es weg, die Worte blic
den ihm in der Kehle stecken und er
fühlte, daß er einen rothen Kopf bekam.
Er war wüthend über sein zurückhalten
des Benehmen und schwor sich zu, ihr
bei nächster Gelegenheit ein Liebesge
ständniß zu machen: doch es blieb stets
bei dem ewigen Hin und Hertappen.
Sie hatte aber auch etwas so Ernste
hartes, Respect Herausforderndes. Der
Anblick ihrer Augen wirkte imponirend,
und die trotzige Grazie, die sie zur Schall
trug, war von entschiedenem Reiz.
Berthold widmete ihr alle seine Gedan
ken und war nahe daran, den Verstand
zu verlieren. Er gab sich wahrlich
Mühe genug, um ihre Sympathie zu
erringen ; er opferte sich für die Familie
Holm geradezu auf. Sonntags besuchte
er mit den Kindern die Bolksbelustigun
gen und kehrte gewöhnlich mit leerer
Tasche zurück, er besorgte Gänge und
befestigte in Jdas Bodenkammer die
lange Ofenröhre. Es sah aus, als ob
er zur Familie gehöre.
Auf Jda schien seine Freundlichkeit
ohne Eindruck zu bleiben. Sie behan
delte ihn nicht unfreundlich, aber so
etwa wie einen Gesellen ihres Vaters
und nahm nicht die geringste Rücksicht
aus iyn. Seine Hoffnungen, Sonn
tags sie begleiten zu können, erwiesen
sich als trügerisch, da sie sich gewöhnlich
mit Freundinnen aus dem Mantelge
schäft verabredet hatte und allein fort
ging. Als er sich dennoch aufdrängen
wollte, war sie so unfreundlich gewesen,
daß er den Versuch nicht wieder er
neuerte. Und die Eltern konnten ihm
in dieser Sache nicht helfen. Jda ver
diente monatlich ihre vierzig Mark bar
und mehr, und man mußte sie gewäh
ren lassen. Die Mutter schalt zwar
über ihren Starrkopf und mit den Ge
schmistern lag sie immer in Streit, aber
sie that dennoch, was sie wollte.
Schließlich glaubte Berthold, daß sie
sein unsauberer Arbeitsanzug abschrecke.
Sie hatte einmal feine schwielige, vom
Eisen geschwärzte Hand, die er ihr hin
hielt, mit einem Blick des Ekels betrach
tet. Sie wollte sich nicht beschmutzen,
hatte sie grob bemerkt, und er bat noch
um Entschuldigung. Hierauf wusch er
sich beständig im Fabrikhofe und ließ
sich deshalb ruhig von vielen Gesellen
verspotten. Man witterte im Hose ir
gend eine Liebschaft, und Berthold
mußte von allen Seiten Sticheleien hö
ren. Als es infolge dessen zu einer
Prügelei gekommen war, trug e: eine
klaffende Kopfmunde davon.
Trotzdem blieb Jda theilnahmsloS.
Berthold machte dem Schuhmacher An
deutunqen und dieser w.r ganz damit
einverstanden, daß der Arbeiter seine!
Afiteste heirathe. Nun kam es zu einem
heftigen Auftritt. Das Mädchen lachte
Berthold in's Gesicht und versicherte, sie
möge ihn nicht. Dergleichen solle er sich
nur nicht einbilden.
Ta ergriff es ihn, und die Liebes
wuth, die er so lange stumm in sich
herumgetragen hatte, brach hervor. Er
griff nach ihrem Arm und drückte ihn
mit seinen gewaltigen Handmuskeln so
zusammen, daß die Adern hervortraten.
Sie schrie nicht ; sie blsz die Zähne aus
einander und brachte eine Geberde des
Abscheus hervor. Das traf ihn. Er
licfi den Arm fahren und die Thränen !
liefen ihm über die Wangen. In die !
sem Moment fühlte er sich so schwach,
wie ein Kind.
Er trug seinen Kummer zur Schänle.
Tort faß er bis nach Mitternacht und
stürzte einen Schnaps nach dem anderen
hinunter. TaS that wohl. Zuletzt
wußte er weder von Jda Holm noch von
dem Schuhmacher und von feiner Fa
brik. Er schlug auf den Tisch und be
theuerte. daß er ein Mordskerl sei. Man
trank auf sein Wohl, denn er hielt alle
frei und verausgabte über fünf Mark,
Gegen I Uhr taumelte er lärmend nach
Haufe.
Am anderen Morgen sprach der ganze
Hof von nichts anderem als von Franz
Berthold's Rausch. Er war früher nie
betrunken gewesen, in Zukunft sollte er
es häufiger sein. Er fing an mit den
anderen Ardeitern blauen Montag" zu
machen und den mühsam erworbenen
Verdienst durch die ginger gleiten zu
las en. Dann hatte es den Anschein,
als wolle er mit der Schusterstochter
absichtlich in Streit gerathen. Er
lauerte ihr in der Stadt auf und ver
folgte sie mit höhnenden Bemerkungen
Dabei blutete ihm das Herz ; denn er
liebte sie leidenschaftlicher denn je. Um
sich zu betäuben, griff er immer von
neuem zum Schnapse,
Eines Tages erfuhr er, daß Jda
Holm einen Liebhaber habe. Sie war
mit einem elegant gekleideten Herrn ge
sehen worden. Berthold paßte jetzt
gegen Abend auf. Richtig, sie gingen
Arm in Arm. duzten sich und scherzten
laut. Wie ein schatten chlich er bin.
ter ihnen her. Als sie eine sinstere
Stelle passirten, drückte er den Stock
mit dem Todtschläger fester und zielte
nach dem Kopse des ahnungslosen
Mannes. Allein er hielt inne. Diese
Geschichte sei zwecklos ; wenn der nicht
wäre, käme ein anderer. Und sollte er
sich an s Beil liefern?
Er nnißte etwas anderes. Er zeigte
ein so gleichgültiges Gesicht, daß Jda
Holm, die ihn gefürchtet hatte, wieder
ganz sorglos wurde und bei jeder Vev
anlassung den Widerwillen vor ihm
zeigte. Er ging wieder bei ihren Eltern
ein und aus, trank leinen Schnaps
mehr und wurde der solide ordentliche
Arbeiter, der er gewesen. Man vergaß
säst, daß er eine Zeit lang zu den
Trunkenbolden gehört hatte.
Doch er vergaß nichts. Er brütete
und brütete.
Als er eines Abends die Familie
Holm besucht hatte, verließ er nicht das
Haus, sondern versteckte sich auf dem
Boden. Nach kurzem Warten stieg Jda
die Treppe hinauf betrat ihre oben,
kammer. Berthold hörte, wie sie ein,
heizte und wie das Feuer lustig im Ofen
prasselte.
Es war eine kalte Winternacht und
ihn fror erbärmlich in der Ecke, wo er
niedergekauert fast zwei Stunden aus
harrte. Ab und zu verließ er seinen
ungemüthlichen Winkel und lauschte
nach dem Ofen hin. Nein, die Kohlen
brannten noch, endlich schien er befrie
digt. Wie eine Katze schlich er auf den
Strümpfen zu der Ofenröhre, die er
selbst angebracht hatte. Mit einem
Ruck drehte er die außerhalb der Kam
mer befindliche Ofenklappe um. Das
verursachte knarrende Geräusch beun
ruhigte ihn. Er horchte gespannt.
Allein nichts regte sich. Vorsichtig eilte
er hinunter in sein Zimmer.
Der folgende Tag erfüllte den ot
mit Bestürzung und Entsetzen. Schon
Vormittags verbreitete sich die Nachricht,
daß die zwanzigjährige Jda Holm in
ihrer Bodenkammer durch Ausströmung
von Kohlengas erstickt sei. Man bat
die Ofenklappe geschlossen gefunden
und beklagte die Unglückliche, die an
ihrer eigenen Unvorsichtigkeit zu Grunde
gegangen war. Man verwünschte diese
unheilvollen Ofenklappen und be
heuerte, sie sofort entfernen zu wollen.
Auch die Zeitungen verurtheilien von
Neuem dies: Ursache so vieler Todes-
falle.
An dem Begräbniß der Armen bethei
ligten sich sämmtliche Bewohner des
Hofes. Nur Franz Berthold fehlte.
Aber wem hätte feine Abwesenheit auf
fallen können? Zwar wollten ihn die
Kinder in der Nähe des Friedhofes ge
sehen haben, aber niemand dachte weiter
daran.
Kurz darauf wurde unter Geschrei
und Halloh ein blutiger Körper in den
Hof getragen. Die entsetzlich entstellten
Züge ließen Franz Äerthold erkennen.
Alles lief zusammen, und die beiden
Bahnwärter, welche den Transport ver
anlaßt hatten, gaben Bescheid: Bei dem
nahen Eiscnbahnllbergang sei der Ver
unglückte trotz ihrer Warnungsrufe
über die Kette gestiegen und von der
heransausenden Lokomotive erfaßt und
zermalmt worden. Er war rein wie
taub und rannte in sein Verderben,"
erklärten sie.
Und die Weiber theilten sich in zwei
?" t'e erlyolv
"betrunken gewesen, die anderen mit
vager,
terten einen Selbstmord und tuschelten
von unglücklicher Liebe. Keiner ahnte,
daß hier die unerbittliche, ewig gerechte
Nemesis gesprochen hatte.
Raffeekränzchen und Dunkel
kaininer. Humoreske von &, R,
Freue Dich mit mir, Malchen!
Endlich einmal ein total verregneter
Sonntag-Nachmiltaa. der erste in un
serer zmeimonotlichen Ehe. Bei diesem
abscheulichen Wetter werden unZ wohl
die diversen liebenswürdigen Tanten
mit ihren Betuchen verlchonenk Ta
bleiben wir schön daheim, lassen uns
' den duftenden Mocca gut schmecken und
j plaudern und kosten ungestört, f recht
nach Herzenslust.'
Das niedliche Frauchen stimmte freu
i big diesem Porschlage ihres geliebten
Otto zu, traf rasch alle Anordnungen
'wegen Zubereitung deS KaffeeS, deckte
, den Tisch im Eßzimmer auf das Einla
denfte und schärfte der Magd ein. alle
etwaigen Besuche, ohne Ausnahme, mit
der Auskunft abzuweisen, die Herrschaf,
ten seien ausgegangen und käme erst
spät Abends wieder nach Hause.
Doch was war das? War'S Täu
schung? Nein! Nein! Es hatte lei
der wirklich an der Wohnungsthüre
geschellt. Das erschreckte junge Paar
flüchtete schnell in die dunkle Garderobe
kammer, zu welcher vom Eßzimmer au
eine Tapetenthür sührte, und beorderte
die Magd, rasch nachzusehen, wer ge
schellt habe.
Welch' Verhängniß! Die Erbtante
Emilie war's, eine würdige alte Dame,
welche nebst einem besonders energischen
Wesen ein sehr ansehnliches Vermögen
uno ausgesprochene Vorliebe für guten
Kaffee besaß.
Nach einigen bedauernden Worten
über ihr Mißgeschick, das junge Ehe,
paar trotz des abscheulichen Wetter!
nicht daheim anzutreffen, schob die euer.
gliche Dame die Magd, welche sich wie
abwehrend vor die Zimmerthüre postirt
hatte, einfach mit dem Bemerken bei
Seite, daß sie ein wenig ausruhen müsse
un trat in t lifcjiiiimer. Den frage!!'
den Blick der alten Tante, als sie des
gedeckten Kaffeetisches ansichtig wurde,
beantwortete die Magd mit einigen nicht
eben eistvoll-schlagfertlgen Ausreden,
auf welche die Tante jedoch zum Glücke
weiter nicht achtete, denn ihre feine
Spürnase hatte bereits Blut wollte
sagen Kaffee gewittert. Dieser aro
matische Dust hatte im Kopse der lieben
Tante rasch einen Plan zur Reife ge
bracht, welcher bei ihrer anerkannten
Energie und der ebenso anerkannten
Unbeholfenheit der Magd, auch bald
in Thaten umgesetzt war. Und so saß
denn Frau Emilie nach Perlauf von we
nigen Minuten an dem, für das arme,
im dunklen Kämmerchen steckende, junge
Ehepaar gedeckten Tische im besten Beha
gen vor einer Schale des würzigsten
Kaffees und ließ sich dazu die knusperi
gen 'Butterkuchen recht wohl schmecken.
Nach weiteren 1 Minuten schellte es
abermals an der Wohnungsthüre
Tante Frieda war's, die kluge alteSchma-
rotzerpflanze mit ihrer lieben Schwester
und ihrem unzertrennlichen Begleiter
Affi", einem sehr verwöhnten vorlau-
ten Pinl cher.
Die beiden Neuankömmlinge ließen
j nach kurzer Darlegung der Sachlaae
von ihrer Cousine Emilie nicht lange
nöthigen beim Kaffee mitzuhalten, und
nun entwickelte sich das angeregteste, ge
mllthlichste, improvisirte kleine Kaffee,
kränzchen von der Welt.
Die Magd mußte der Noth gebor
chend und nicht dem eignen Triebe"
Ta, e um Satte kredenzen, während die
drei alten Damen, angeregt durch den
würzigen Mokka, die schärfsten und
spitzigsten Bemerkungen über ihre ge
meinsamen lieben und guten Bekannten
und Verwandten das junge gefan
gene Ehepaar mitinbegriffen aus
tauschten. Der kluge Assi lagte. nachdem er mit
Kaffee, Kuchen und Zucker gesättigt war,
im Zimmer umher und blieb plötzlich
vor der zur Garderobekammer führenden
Tapetenthüre stehen, schnupperte, bellte
und kratzte schließlich recht ungezogen an
derselben, so daß Tante Emilie sich er
hob, um die Thüre zu öffnen, und den
Gründ der Unruhe des lieben Hünd
chens zu erforschen.
denklich gestaltende Situation gab Otto j
Wi?nftrfe fn fhr n.i I
Die für Malchen und Otto sich so be,
Emilie sich bemühte die Thüre zu öffnen,
...,.,,..,., Hl. V (V. MUU
Otto s kräftige ftaust vereitelte dies.
Die Thüre ist versperrt" erklärte nun
Tante Emilie mit einem fragenden Sei,
tenblicke auf die bleich und entsetzt da-
stehende Magd. Letztere hatte jedoch,
nachdem die Gefabr glücklich abgewendet
war, auch wieder Muth gewonnen und
log den Damen etwas von einem kalten
Bratenreste vor, der in der Kammer
aufbewahrt sei und die Nase des Hund
chens gekitzelt haben mochte.
Nach diesem verfänglichen Intermezzo
wurde der interessante Kaffeellatsch mit
Eifer wieder fortgesetzt.
Endlich das junge Paar hatte nun
schon nahezu zwei Stunden in der dunk
len ungeheizten Kammer, eingekeilt
zwischen den großen Schränken siebend,
zugebracht hatte der Himmel Erbar
men!
Tante Emilie gab nun das Zeichen
zum Aufbruche und die ungebetenen
Gäste zogen unter nochmaligem Be
dauern, das junge Pärchen nicht daheim
angetroffen zu haben, ab. nachdem vor
her der nun auch wieder ausathmenden
Magd aufgetragen worden, den jungen
Herrschaften viele Grüße auszurichten
und mitzutheilen, daß sie von Tante
Emilie morgen ein Schreiben erwarten
mögen.
Froh ausathmend verließen Malchen
und Otto nun die abscheuliche Kammer
und beschaffen, zur Entschädigung für
den so gründlich und grausam verdorbe
nen Sonntag Nachmittag, den Abend
im Theater zuzubringen.
Tags darauf kam auch der angekiin
digte Brief von Tante Emilie, welcher,
nebst vielem Tanke für den vorzüglichen
Nachmittagskaffee, einen verheißungs
vollen Satz enthielt, aus welchem das
junge Ehepaar begründete Hoffnung
schöpfen konnte, daß Emilie ihrem Bei
namen Erbtante", so weit es Otto und
Malchen betraf, Ehre zu machen fest ent
schlössen war.
Also doch eine Entschädigung für den
verdorbenen Sonntag Nachmittag, wenn
auch nur in Form einer anzenehmen
Hoffnung.
Kritiker (bei der Premiere zum Eom
poniften): Erlauben Sie. von wem
ist denn eigentlich Ihre Operette?"
lcr weiß es.
Unterosfizier: Schulze, sagen Sie
mich, wozu braucht der Staat Sol
baten?"
Schulze: Damit er mit den Sol
baten Staat machen kann!"
Kurze Lrklüniiig,
Herr: Es ist fatal, wenn man in
ein Bureau muß, die Herren sind alle
in Civil und da kennt man sie nicht."
Bureaudiencr: O da kann ich Ihnen
gleich Aufschluß geben. Der Schreiber
hat einen Strohsessel, der Rath einen
Polstersessel und der Chef einen Schlaf
scssel!"
lkiichcumeishcil.
Junge Hausfrau (zur Freundin):
Sieh 'mal, wenn bei mir die Suppe
nicht gerathen ist, mach' ich sie recht süß,
und dainit das Süße nicht zu sehr her
ausschmeckt, gieß' ich Essig zu, und
wenii's dann zu sauer ist, salz' ich tüch
tig, und hilft das Alles nichts, laß ich
sie anbrenne, dann mag sie schon
Niemand mehr."
Umschrieben,
Frau: Aber Mann, das ist ja schreck,
lich; heute, an Deinem Geburtstag, bist
Du so betrunken, daß Du nicht mehr
auf den Beinen stehe kannst?"
Mann: Unsinn, ich bin doch nicht
betrunken, ich bin nur so lustig heute,
daß ich mich vor Freude nicht mehr
halten kann!"
Sie kennt ihn.
Mann: Ich bin heute so guter
Laune, daß ich Dir keinen Wunsch ab
schlagen könnte!"
Frau: Natürlich: es ist Sonntag
Nachmittag, wo alle Läden geschlossen
sind!"
Stimmt.
31. (salbungsvoll): Ein Mensch kann
nie am Morgen eines Tages sagen, wo
er am Abend liegen wird."
B.: Sehr richtig; namentlich wenn
er Radfahrer ist!"
urz.
Was meinen
Dichterling:
den Gedichten?
sie zu
Kritiker: Vernichten.
Zarter wink,
Papierhändler: Wünschen Sie diel
leicht Ihr Monogramm oderJhre Firma
über die Rechnungsformulare?"
Schneidermeister: Nee, Meester, aber
man eenen großen Vergißmeinnicht
strauß!" Line gelehrte jrau.
Professor (zu seiner jungen Gattin):
Ich muß Dir schon sagen, mein liebes
Kind, das verstehst Du nicht!"
Gattin: Arthur, vergiß nicht, daß
ich jetzt eine Frau Professor bin und
mithin zu den gelehrten Frauen ge
höre!" Die Hauptsache,
Madame (zum neuen Dienstmädchen):
Ich halte nun sehr auf Ordnung in
der Küche "
Dienstmädchen: Da werd' ich 'mal
gleich 'n Nagel einschlagen, wo mein
.Schab sein Seitengewehr hinhängen
"HIN '
Durchschaut,
Neffe (schwärmerisch): Tantchen,
Du bist die schönste und liebenswürdigste
Frau auf dem Erdenrund!"
Tante: Mein Gott, bist Tu schon
wieder auf dem Trockenen?"
Leniiyte Aelcgenbeit.
Daier: .... Sonst hat sich seit
Deinem Abgang zur Universität zu Haus
nichts ereignet. Mit meiner Gesund
heit geht es aber jetzt bedeutend besser!"
Studiosus (schleunigst ein Packet un
bezahlter Rechnungen hervorholend):
Kein Wunder, Papa, wo ich so viel
auf Deine Gesundheit getrunken!"
in miderfxruchsvoller pankffelheld.
Gattin: Na, wart' nur, das werde
ich Dir schon anstreichen! Neulich küßtest
Tu die Köchin und heute das Stuben
Mädchen "
Pantoffelheld: Ich mag aber thun,
was ich will, nichts ist Tir recht!" .
Line lange Nase.
Passagier (zum andern): .Sie, stecken
Sie den Kops nicht so weit zum Fenster
hinaus; wenn ein anderer Zug kommt,
sährt er Ihnen die Nasenspitze fort!"
Triftiger Grund.
Freundin (eine junge Hausfrau be
suchend): Tu haft alles recht hübsch.
Elfe, nur hätte ich an Teiner Stelle für
die Küche eine etwas hellere Tapete ge
nommen!"
Tas hat seinen Grund, Liebste, der
Schatz meiner Köchin ist nämlich Tchorn
fteinfeger!"
Derbiffcn,
Zimmerherr: Aber einen Hausschlüf
sel muffen Sie mir doch geben!"
Hausmirlh (mürrisch,: Ach wo, ich
kriege auch keinen Hausschlüssel mit.
wenn ich AdendS fortgehe!"
Vom Kasernenhof.
Unterofi,icr (zum Rclrut.'N Türr):
Kerl, wenn Sie Jbre Beine schmeißen,
das muß geben, als ob sie os einer
Flinte geschossen würden, die Ihrigen
passen ja auch gerade in das kleinkali
berige Gewehr!"