Image provided by: University of Nebraska-Lincoln Libraries, Lincoln, NE
About Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901 | View Entire Issue (June 18, 1896)
Archivs Opfer. '.luä betn ('glijchkn. 'ioii '.'1. Vi'ildb. Es war der traurigste Sommer, ben ich je erlebt habe, Er machte mich zum Zeugen einer Tragödie, die ich niemals vergessen erde. Ich hatte einige Monate ans dem X Kontinente zugebracht und war nun nach London zurückgekehrt. Lange wollte ich nicht in der Stadt bleiben ; nur so lange, um einen Blick aus die Posteingäiige zu weisen und einige Depeschen abzusenden, dann sollte es wieder fortgehen, hinaus in Gottes freie Natur ! Aber wohin? Das war die Frage ! Ah ! Hier oben, aus dem Berge von Briese, den meine Wirthin auf den, Schreibtisch aufgebaut hatte, lag ein Schreiben, das uiich schnell zu eineni Entschluß brachte. Es war von Archie Nordy, dem frischesten und schönsten Burschen, den man sich beuten kann. Eine abschlägige Antwort wird nicht angenommen", so schrieb er, Du hast einfach zu kommen, mein lieber Freund! Es ist hier der schönste Fleck ans der Erde, und auberdem bin ich verlobt! O, Du mußt das reizendste Geschöpf kennen lernen, das jemals geathmet hat ! Ich erwarte Dich zu jeder Zeit innerhalb zehn Tagen; wenn Du Dich inzwischen nicht hier einstellst, werde ich selbst kommen, um Dich zu holen !" Als Freund von Archie's Bater und viele Jahre jiinger als dieser, war ich mit dem jungen Maipie ost zusammen gekommen, und seit seines Baters Tode waren wir treue Freunde gewesen. Archie verliebt? Unmögtich Und doch ! Ich war sicher, es konnte leine Spielerei sei ! Er war eine tief ange legte Natur und niemals ein Schmet terling gewesen. Archie's Brief war, wie ich bemerkte, eine Woche alt, aber schon nach drei Tagen befand ich mich selbst in Wales, in dem sauberen Hasenstadtchen mit dem ganz unaussprechlichen Namen, woher Archie geschrieben hatte. Ich kletterte den Hügel hinan und fragte mich nach der Rosen Eottage" durch. Endlich fand ich sie. Wirklich! Ich mußte mich zusammen nehmen, um nicht laut aufzujauchzen ob der unbeschreiblichen Schönheit der Natur. Die hohen, weißen Mauern des Haufes waren von oben bis unten mit Rosen bedeckt. Rosen kletterten über das hohe, spitze Dach, Rosen nick ten von den Fenstern herab und streif te die Rockärmel, wenn man den engen Fußweg dahinschritt. Auf der Hinteren Seite des Hauses war ein weiter Gras platz und noch mehr Rosen, überall Rosen, Rosen ohne Zahl ! Und in der Ferne, wie glänzender Saphir, schim mernd im Sonnenschein, lag das Meer. Archie sprang von einer Hangematte herab und faßte meine beiden Hände. Wie froh bin ich, Dich zu sehen!" Seine Augen strahlten vor Freude ! Ich erwiderte seine Begrüßung auf das herzlichste und dachte dann erst an das junge Mädchen, das schüchtern bei ihm stand. Sie hatte sich von einem niedrigen Stuhl an der anderen Seite der Hange matte erhoben und hielt ein Buch in der Hand, aus dem sie augenscheinlich mei nem bequemen jungen Freunde vorge lesen hatte. Ihre Schönheit machte mich sprachlos. Sie war sehr groß, fast zwei Zoll großer als Archie, mit einer jener tadellosen Figuren, die man, wenigstens bei Madchen,, nur in England und sonst nirgends findet. Sie hatte hellbraune Haare, auf welche die Sonne goldene Lichter warf, und ihre großen, ernsten, sinnenden Augen waren vom tiefsten Blau ! Dazu trug sie ein einfaches weißes Kleid. Ich brauche wohl eigentlich nicht erst zu sagen, daß Archivs Braut mich im Sturm eroberte: in meinen Gedanken nannte ich ihn den glücklichsten Menschen auf Gottes Erdboden. Am Abend, als wir noch miteinander eine Cigarre rauchten, während der Duft der Rosen durch die offenen Fen fter hereinströnite, erzählte Archie mir seine Geschichte. Sie war romantisch genug. Drei Wochen vorher war er auf einer Bicycle.Tour unterwegs gewesen und hatte einen schweren Fall gtthan. gerade als er an der Rosen('ottage" langsam vorbeisuhr, um die Schönheit der Rosen zu bewundern. Eleanor hatte feine unfreiwillige Vorstellung und seine vergeblichen Versuche, aufzustehen, mit angesehen. Auf ihn Anordnung hatte ein alter Gärtner ihn in das Haus gebracht, und der Arzt des Ortes halte die Behand lunz seines verrenkten Knies übernom men. Eleanor'j Tante, eine sympathi sche, alte Dame mit weißem Haar und einer goldenen Brille, hatte im Laufe der nächsten drei Wochen ihr Herz fast benso an den schönen, jungen Patien ten verloren, wie ihre Nichle ! Ja, ich beglückwünschte Archie von neuem ! Ein Blick nur in diese ehrlichen Augen ge-! nllgte, um mich den l'hirakter des! Mädchens erkennen zu laisen. Eleanor und ich wurden schnell gute Freunde. Vielleicht war es. weil ich! mich selbst scbon für zu alt und meltj klug genug hielt, um noch irgendwie, Gefahr zu laufen, daß ich mich so froh und unbefangen an dieses Liebespaar! anschloß. Wir drei unternahmen weite Streifzuge durch die Wiesengründe und hinunter an die See. Es that mirj wodl. bei diesen Gelegenheiten Archie's ( " fast kindisches Entzücken an seiner Braut und seinem Gluck u sehen. Alle in Jahrgang 17. allem genommen, war er nichts anderes, als ein großes Kind, trotz feiner sieben undzwanzig Jahre. Er lachte den gan ze Tag und machte Eleanor den Hof, wie einem verwöhnten Kinde. lind sie? Sie nahm dies mit einer gewissen Ruhe und Befriedigung auf, Sie empfing des jungen Mannes Küsse ohne Erregung, als ob es eben so sein müsse. Oft dachte ich bei mir: Was möchte ich dafür geben, sie einmal zittern der erröthen zu sehen. Dabei schien sie in einer gewissen Hinsicht auf ihren jungen Liebhaber stolz zu sein: wenn sie so da saß im Sande, in ihrem weißen Kleide, weiß war ihre Lieblingsfarbe, so lieblich auzuschaue, mit diesem in die Ferne schweifenden Ausdruck i den blauen Augen, mit ihren schlanken Fin gern ihres Verlobten blonden Kopf, der auf ihrem Schooße ruhte, streichelnd, konnte sie mich schüchtern, aber ganz be sriedigt anlächeln. Und dann kam das erste Kapitel in dem Trauerspiel! Wir drei hatten einen weiten Spa ziergang am Strande unternommen, und Archie hatte seine Taschen mit den von seiner Braut gesammelten Mu schein vollgefüllt. Nun waren wir auf dem Rückwege, denn es hatte angefan gen zu regnen, und einige Donner Schläge warnten uns vor dem wilden Sturm, der losbrechen wollte. Eile schien erforderlich zu sein: wir wählten deshalb einen kürzeren, steilen Weg durch die Klippen, als der Sturm plötz lich in seiner ganzen Heftigkeit losbrach. Ich glaubte wirklich, daß ich niemals in meinem Leben, nicht einmal in den Tropen, solche Blitze sah und solchen Donner hörte. Ich schritt voran, und zwischen den surchtbaren Schlägen konnte ich vernehmen, wie Archie das schöne Mädchen ermuthigte, das er halb trug, halb nach sich zog, denn sie hatte vor Schreck beinahe die Besinnung ver lorcn. Plötzlich erfolgte wieder ein gewal tiger Donnerfchlag, der wohl Todte auf erwecken konnte. Als er vorüber war, stieß ich einen Warnungsschrei aus und sprang zur Seite. Ein großer, etwa vier Fuß hoher Felsblock hatte sich durch die Erschütterung losgelöst und rollte den Fußweg hinunter. Ich stand starr vor Schrecken, denn das Paar besand sich gerade an einer Stelle, wo es keine Hoffnung gab, ihm auszuweichen. ite konnten weder nach rechts noch nach links, und unmittelbar vor ihnen ragte ein anderer Fels empor, unbeweglich fest. Gegen diesen mußte sie das hm unterstürzende Felsstück, wie es schien, zermalmen. Alles geschah in einem Augenblick, Es war mir nicht möglich zu helfen. In dem Moment aber, als der Fels block auf sie stürzte, sah ich, wie Archie plötzlich mit feinen Armen Eleanor an den Hüsten umfaßte und emporriß! Höher und höher hob er sie empor, bis sie beinahe auf seinen Schultern stand. Dann hörte ich einen furchtbaren Krach! Ich werde dieses Geräusch niemals ver gessen! Archie's Gesicht wurde aschfar ben. Aber eingepreßt zwischen den Felsen hielt er noch immer das halb ohnmächtige Mädchen in die Höhe. Mit schmacher Stimme rief er mich zur Hülfe, und ich half, weinend wie ein Kind. Zwei starke Männer mit Hebebäu men nahm ich mit, um meinen Freund zu besreien. Glücklicherweise war die Form des herabgestürzten Felsstückcs kegelförmig, das spitze Ende nach oben: sonst wäre er unvermeidlich vollständig zerquetscht worden. So waren nur seine Schenkel vom Knie abwärts zer schmettert. Niemals ward ein Leidender so ge pflegt, wie Archie. Eleanor, deren Schmerz mitleiderregend war, erließ den Platz an seiner Seite niemals, wenn ich sie nicht dazu zwang. Ihre Tante war in gleicher Weise besorgt, wahrend ich natürlich auch alles that, was in mei nen Kräften stand. Fast einen ganzen Monat lang sprach Archie kaum ein Wort: eines Abends aber flüsterte er mir zu: Ich glaube, es ist alle mit mir. Jack!" Unsinn, mein Junge!" sagte ich mit rauher Stimme. Du kannst noch fünf zig Jahre leben." .Ich weiß," murmelteer, aber als ein ffrilpDel!" Ich konnte nicht sprechen und verließ das Zimmer! Hatte nicht der berühmte Wundarzt aus London mir bei feinem letzten kurzen Besuche gesagt, es sei nur die Wahl zwischen Amputation beider Beine oder Tod. Die Entscheidung muffe binnen einer Woche getroffen werden. j Naturlich hatte ich die Familie Nord von dem Unfall ,n enntniß gesetzt. An einem schönen Auguftabend kam Lieutenant John Nord, Archie'?) alteret Der äomtagsgasl Beilage zum Nebraska TtaatsAnzeiger. Bruder, in der RosenEottage" an, um dcii Verunglückten zu sehen. Sein Schiff, die Britannia," lag im Hasen von PortSinouth, und sobald cr von sei es Bruders Verletzung hörte, war cr zu ihm geeilt. Dieser starke, große See mann, er war mehr als sechs Fußhoch und sah mit seinem herrlichen Ebenmaß und seinen wettergebräunten Zügen wie ein altnordischer Recke aus, kniete an seines jungen Bruders Lager und sprach zu ihm mit unterdrücktem Schluchzen in feiner tief klingenden Stimme. Durch das Fenster sah ich die Begeg nung zwischen dem Seemann und Elea nor und habe mich seitdem oft gewun dert, warum ich damals nicht sofort die Gefahr erkannte. Beide standen einen Augenblick völlig regungslos da, beide hingerissen von der gegenseitigen Schön heit'. Alsdann stellte sich John selbst vor, und beide schritten langsam hin weg, leise von dem Unglück redend, das den von ihnen so heißgeliebten, jungen Mann betroffen hatte. Zweimal während dieser Woche sah ich Thränen über die blassen Wangen des Krüppels fließen, als er so still auf seinem schmale, weißen Bette lag. Einmal sprach cr zu mir von Eleanor : Du mußt ihr sagen, alter Freund," flüsterte er, daß ich sie bedingungslos freigebe." Sie will nichts davon hören," erwi derte ich. Dann kam der Arzt aus London wie der. Er brachte zwei Assistenten mit. John, Eleanor und ich waren bei dem Gespräch mit dem Kranken zugegen. Lassen Sie uns offen sprechen," sagte Archie gefaßt. Wenn ich mich dieser Operation nicht unterziehe, ist dann der Tod gewiß?" Der berühmte Mann nickte bejahend, Was soll ich thun, Eleanor?" Seine Stimme zitterte. O Archie," schluchzte sie, an dem Bett auf die Knie sinkend, mir zulieb entschließ' Dich zu der Operation! Ich werde für Dich sorgen, solange ich lebe!" Zufällig fiel mein Blick auf den Rie se John, und ich sah sein braunes Gesicht bleich werden. Wohlan." seufzte der Kranke, das schöne Haupt des knieenden Mädchens sanft streichelnd, es soll geschehen! Wollen wir ansangen, Toctor?" Heute Abend nicht, mein lieber Freund," antwortete der Arzt, Sie müssen alle ihre Kräfte zusammenneh men. Morgen, frühzeitig " Er beendete den Satz nicht, und alle, außer mir, zogen sich zurück, Eleanor leise weinend. Ich hatte mich gesetzt und sah meinen jungen Freund in einen ruhelosen Schlummer sinken. Dann muß ich selbst geschlafen haben, denn ich sah später plötzlich den Mond mild durch das offene Fenster scheinen; und mit den strahlen, die auf das bleiche Gesicht auf dem Kissen fielen und es geisterhaft verklärten, strömten der Duft der Rosen herein. Als ich mich vorbeugte, um mich zu vergewissern, daß der Kranke schlum mere, hörte ich Stimmen von der Veranda, gerade unter dem Fenster des Zimmers, das zu ebener Erde lag. Man konnte die tiefe Stimme nicht ver kennen! Ich glaube nicht," sagte John, daß es so grundschlecht von mir ist. Nie mand kann dasür. wenn er sie liebt, und Gott weiß, ich wollte der armen Jungen nicht verrathen! Und ebenso- wenig wollte ich. daß Sie es thäten. Morgen will ich fort von hier, denn ich kann es nicht ertragen! Aber ehe ich gehe, müssen Sie mir sagen, das dürfen Sie, glaube ich, daß Sie mich lieben!" Ich konnte die Antwort nicht hören: nur einen leisen leidenschaftlichen Seuf zer. Dieses so ruhige Wesen war zu letzt also doch zum Leben erwacht ! Ich wußte es," fuhr die tiefe Stimme fort, ich wußte es schon im ersten Augenblick, als Sie in meine Augen sahen. Und gerade weil ich weiß, daß Sie mich lieben, muß ich wünschen, daß Sie so seien, wie Sie sind: stark, treu und wahr. Ich liebe meinen Bruder, und ich bin ein ehrlicher Mann. Aber wenn ich gehe, werde ich mein Leben bei Ihnen lassen! Eleanore, Liebling, gute Nacht, und leb' wohl !" I Tiefes Schweigen. Ich fühlte, gleich' wie durch ein magnetisches Fluidum.j einen Adschiedskuß, gerade als ob ich es! meinen eigenen Augen gesehen! hatte. Tann hörte ich das Rauschen von Gewändern und den Schall ent, eilender Schritte. Nun blickte ich auf! Archie. und mein Herz stand still. Seine Augen waren geschlossen, aber Thränen rannen über die bleichen, Wangen, und der feingeschnittene Mund ! zuckte schmerzlich. Er hatte jedes Wort gehört, ich konnte nicht daran zwei feln, und gab sich nun den Anschein, als ob n schlieft; offenbar meinetwegen. Ich stand auf und verließ das Zim mer, denn ich konnte das Bleiben nicht ertragen. Zwei- oder dreimal während der Nacht kam ich, um nach ihm zu sehen, und sand stets dasselbe : thrä nenfeuchte Wangen, verstellten Schlaf. Ais wir Morgens sein Zimmer be traten, lächelte er freundlich und reichte de Arzte seine Hand. Toctor", 'agte t hastig. Ich habe mich anders e onnen. Meine Beine werde ich mir doch nicht abnehmen lassen. Ich will mein Glück versuchen. Ich habe doch das Recht daz::?" Gewiß, Mr. Nordy", entgegnete der Arzt bedächtig, allein ich warne Sie; es wird verhängnißvoll werden !" Nichts konnte seinen Entschluß man kend machen. Sein Bruder John ver einigte seine Bitten mit denen Elea nor's, aber ohne Erfolg, Als der Arzt und die Assistenten gegangen waren, seuszte er erleichtert auf und schlief ein, seine Hand in der Hand Eleanor's, Zehn Tage darauf starb cr plötzlich ! Es war ein wunderbar schöner Sonnen Untergang ; der ganze Himmel schwamm in Roth und Gold, und noch immer der unvergängliche Rosenduft ! Archie richtete sich plötzlich von seinem Kissen auf, warf einen Abschiedsblick auf das Meer und sank dann langsam zurück. Eleanor war sofort an feiner Seite ; aber er beiührt: ihre Wangen nur leicht mit seinen Lippen und nickte dann sei nem Bruder zu : Johnie, mein lieber, alter Johnie", flüsterte er, den Kops seines großen Bruders an seine abge magerte Brust herunterziehend, küsse mich und sorge für sie !" Das war das Ende ! Beide, John und Eleanor, aber ha ben Archie's Opfer niemals erfahren. Der )libolüurgast. Huiuorcökc' von l'. H. 3 d) übe i t. Adje, Frau; lebt wohl, Kinder, in sechs Wochen seht Ihr mich wieder. Die kann man schon dableiben, theuer ist es ja im Orte nicht und Urlaub habe ich. Im nächsten Jahre kann ich Euch viel leicht mitnehmen!" Mit dem guten Trost dampste Herr Richard Streifing zum Bahnhofe hin aus. Zwar war es schon etwas spät im Septembkr und die Mittel als ein facher Sudaltern-Bearnter waren auch gerade keine glänzenden, aber die Eol legen hatten alle ihre Reise gemacht und wußten davon so viel zu erzählen, und so mochte Herr Richard nicht von der leidigen Mode zurückstehen. Natürlich hatte er sich ein ganz be- j scheidenes Rest ausgesucht, das sich in Irgend einem Winkelblattchen, wo es Herr Richard entdeckte, als neuentdeck ter Kur- und Badeort" empfahl. Dort hin zog es ihn. Dorthin hatte sich der Strom der Reisenden noch nicht gewen det, dort mußte es noch billig und idvl lisch sein, was auch der ihm zugesandte Prospelt bestätigte. So trug der Zug Herrn Streifing nach Rungelstedt oder vielmehr nach der Bahnstation, von der eine rumpelige Postkutsche ihn erst nach dem ändert- halb Stunden :ntfernt liegenden Ziele bringen sollte. Kein Mensch stieg wei- ter in die Postkutsche und so fuhr sie denn mit ihm allein dahin. Herrn Richard war es schon recht, er machte es sich in der Wageneckc bequem und freute sich seiner Entdeckung. Wo so wenig Verkehr, konnte es auch nicht theuer sein, darum berechnete er wohl zum zwanzigsten Male, was ihm sein hiesiger Aufenthalt losten würde. Unter diesen angenehmen Betrachtun gen war er Rungelstedt ziemlich nahe gekommen. Er steckte den Kopf zum Fenster hinaus und gewahrte, daß da unten etwas Besonderes los fei; eine Ehrenpforte war gebaut mit Guirlanden und Fahnen geschmückt. Schützenfest!" dachte Herr Strei sing. Nun wurde es da unten lebendig. Einige Herren in Fracks standen da, ein paar Madchen in Weiß. Und da hinter standen sechs oder acht Musi kanten. Da komme ich gerade zur rechten Zeit!" dachte Herr Streising wieder, jetzt geht der Rummel los." Mit einem Male hielt die Postkutsche. Warum? Ehe aber Herr Streifing sich die Fiage beantworten konnte, sin gen die Musikanten sehr rührend Gott grüße Dich" an zu blasen, die Kutschen- j thür wurde geöffnet und ein Herr in Frack und weißer Binde sagte sehr höf lich: Dürft ich Sie bitten, hier au-zu! steigen?" j Er folgte mechanisch, er vermochte sich keine Aufklärung zu geben: als er aber auf der Landstraße stand, den ge putzten Menschen gegenüber, die alle eine so feierliche Miene angenommen hatten, schien ihm plötzlich ein Gedanke Ro. 5. zu kommen und er sagte: Sie irren sich in meiner Person, ich bin nicht der " Fürst" wollte er sagen, denn cr nieilite, so etwas erwarte man hier. Der Herr ließ ihn nicht auSsprechen : O, gewiß sind Sie es!" lächelte er. ?!ein, wahrhaftig icht!" sagte er ganz treuherzig, ich bin der simple Subaltern-Beamte Richard Streising aus Berlin " Nun, das ist gut. Sie werden so fort erfahren, was dieser Empfang be deutet." Und nun trat ein starker großer Herr vor und hielt eine Rede, die Herr Richard ungefähr mit einer Miene anhörte, als hielte ihm sein Chef eine Strafpredigt. Er gab erst ein allgemeines Bild der Entwicklung von Rungelstedt, dann schilderte er die Entdeckung der Ouelle und die Heilwirkung, sowie Rungel- stedts wunderbar gesunde Lage, die von Jahr zu Jahr mehr Kurgäste herführe, als dessen Tausendsten zu begrüßen sie heute in Herrn Streising die Ehre hät ten. Mit einem Hoch schloß er und die Musik stimmte herzhaft ein. Herr Richard war wie aus den Wol ken gefalle über den Empfang. Da! hatte er sich nicht träumen lassen. Nun sprach ein weißgekleidetes, dünnes Fräu lein ein Gedicht, von dem er kein Wort hörte. Dann wurde ihm zur Erinne rung an das Ereigniß eine golden schimmernde Kette mit Münze um den Hals gehangen, ein Photographie Album mit sämmtlichen Ansichten Run gelstedts wurde ihm überreicht, sowie die neueste Kurliste und der Preiscourant des Hotels. Dann ordnete man sich zum Zuge, die Musik setzte sich an die Spitze und hinein ging es in die Stadt, bis ans Ho- tel. Pier nen man ihn allein mit ener Ueberraschung. Und er war ordentlich stolz auf seine Kette mit Münze. Was würde seine Frau dazu sagen! Mußte er auch gerade der Tausendste sein. Mit einem Male stutzte er: tausend! Eine hübsche Ziffer! Solchen Verkehr hatte er nicht erwartet, das sah man dem Nest, wo alles wie ausgesiorben war, gar nicht an. Na, die Haupt aiion war la schon vorüber, man wcir schon wieder abgereist, und nun mußte er als Nach zugler gerade deren,ge welcher sein! Aber es war hübsch, so mit Reden, Eh renjungfrauen und Musi! empfangen ;zu werden, eine ganz eigene Sache. Und ein erhabenes Gefühl durchbebie ihn noch jetzt! Doch nun kam die andere Seite. So still konnte das Ereigniß nicht vorüber gehen. Die Stadt hatte ihr Möglichstes gethan, nun galt es für Herrn Strei- nng, ;cfi dankbar zu erweisen. Der Wirth hatte schon was von einem klei en Frühstück gemunkelt. Herr Strei sing war nicht abgeneigt; am nächsten Tag wurden die Herren vom Eomite geladen. Es ging recht lebhaft dabei zu: ja es war so gemüthlich, daß auch der Nachmittag noch mit in Anspruch j genommen wurde. i Herr Richard war nobel, i. was schadete es, bei solcher seltenen Gelegen heit ! Erst wurde Wein aufgefahren und nachher ein, auch zwei Faßchen Bier aufgelegt. Gegen Abend fanden sich sogar noch die Frauen und Töchtern ein. ein Tänzchen wurde arrangirt so ging es bis fpat in die Rächt. Am andern Morgen erwachte der Jubel-Kurgast mit schwerem Kopf und bekümmertem Herzen ob seines Porte monnaies. Welch eine Oede darin! Es war doch eine verteuselt theuere Ge schichte. Und wer weiß, was ihm noch bevorstand, er hatte so etwas von drei mal in der Woche ihm ein Standchen bringen sprechen hören. Das war doch auch nicht gratis. Er sing an sich zu ärgern. Wußte ihn auch gerade das Schicksal als Tausendsten ausgesucht haben! Er zählte sein Geld nach, es reichte für drei Wochen, wenn alles normal ging und der Wirth nicht für ihn eine Ertra-Tare hatte, was er stark ver muthete. In aller Stille, in der Dämmerung, bezahlte er die ziemlich gesalzene Note des Wirthes, unter dem Bormand. nach der Heimath von amtsmegen zurück zu müssen, versprach in zwei Tagen zur Vollendung seiner Kur wieder zurück zu sein und verließ Rungelstedt; aber er fand erst Ruhe, als der Zug mit ihm auf der Strecke war. In dem Eoupee saß ihm gegenüber ein Mann, der ihn fortgesekt ansah. Herrn Striesing genirte das, cr beturch j tete, einen Rungelstedter vor sich zuj anen, ver ion zuruigoikn lollte. Damit er seinen Abschied feiere, um den er dieselben so schändlich gebracht. Mit einem Maie sagte der Mann: Kommen aus Runzelftedi ?" .Ja." Judel-Kurgaft gewesen k" .Ja. wieso?" Tachte rnir's! Bin vor drei Wochen dagewesen. Hatte auch die Ehre, Jubel Kurgast zu fein." Vor drei Wochen?" sagte Herr Streifing erstaunt; Sie wollen damit doch nicht sage, daß alles Schwindel ist." Der Mann zuckte mit den Schultern. Das wohl gerade nicht, die guten Rungelstedter sind auf das Wohl ihrer Stadt bedacht. Es ist nur Reklame, unschuldige Reklame. Jeder zehnte Gast ist ein Jubilar! Wer will's ihnen verdenken? Heute in der Zeit der Re klame ist jedes Mittel erlaubt." Ja, aber mein schönes Geld, was mich dieser Betrug gekostet hat," rief Herr Streising empört. Man hat mich geschröpft !" Sie hatte ja auch Ehre ud Ver gütigen davon," entgegnete der Mann. Trösten Sie sich deßhalb, ich habe mich schvn lange darüber hinweggesetzt. Heutzutage muß man eben auf alle? gefaßt sein!" ' Na. ich danke!" Ehe Herr Steising seine Wohnung betrat, versenkte er aii der tiefsten Stelle der Spree die Talmi-Ketle nebst Me daille; das Ansichten Album folgte, selbst die Kurliste und der Preiscourant er wollte an nichts erinnert sein, die Enttäuschung war zu herbe, und wenn man ihn fragte, warum er schon zurück gekehrt sei, so erwiderte er kurz, die Luft sei ihm dort zu kräftig gewesen. Sin kctroischmugglcr. An einem Pariser Stadtthore wurde kürzlich ein Greis von einer Kutsche umgefahren. Vergeblich hatte der Kut, scher gerufen und geknallt, der Greis hörte nicht, und nun fuhr die Droschke über seinen Körper. Bleich vor Ent setzen eilt alles herbei, in der Meinung, nur noch zwei blutige Hälften des ehe maligen Greises auf dem Pflaster zu finden. Zu allgemeinem Erstaunen er hebt sich aber der Greis un et iudivi siblo, wenn auch triefend von Blut? Nein, aber von etwas anderem. Alle Hilfeleistungen voll Dank abwehrend, sucht der Greis dem mitleidigen Men schenknäuel zu entrinnen, allein nun setzt sich das Erstaunen ber Menge in etwas Anderes um. Dem geräderten Greife quoll nämlich Oel aus allen Poren, und ein solches Wunder war noch nicht erlebt. Einer holt einen Octroibeamten herbei und zeigt ihm das Wunder. Der, nicht faul, faßt den Greis unter die Arme. Ich danke," macht dieser, ich habe gar keine Schmerzen." Darum handelt sich's auch gar nicht," sagte der Octroibeainte. Mitkommen!" Alles zarte Sträuben des Alten hilft nichts, er muß mit. und in der Octroistube sucht man nach den Wunden, die Oel schwitzen. Der vor her ganz behäbig aussehende Greis wurde bei der Entkleidung immer magerer, bis er endlich als spindeldürrer Hering erschien. Und was entdeckte man? Auf der Vorderseite hing vom Hals bis zur Hüftbeuge ein zerplatzter Lederschlauch, aus welchem das Oel troff. Der Schlauch war zum Lebens retter des Alten, aber auch znm Ver räther an ihm, als einem Schmuggler, geworden. Es stellte sich nun heraus, daß die Oelsorte im Octroi 6g Eentimes für das Liter zu zahlen hat, und daß der lebensrettende verräterische Leder schlauch etwa 7 Liter gesaßt hatte; macht eine Unterschlagung von 4 Fran ken 20 Eentimes. Wie oft mag der Alte, der sich Saurot nennt, schon auf ! diese Weise geschmuggelt haben? In seiner Wohnung hat man dann noch mehr von der Oelsorte gefunden. Als Alles festgestellt und der angesammelten Volksmenge mitgetheilt war. krönte ein homerisches Gelachter der lustigen Pari ser diesen scherzhaften Unglücksfall. juter verg,iiigu, Angestellter: Herr Direktor, ich möchte um zwei Tage Urlaub bitten." Direktor: Na, hören Sie, erst hat ten Sie drei Tage für Ihre Hochzeit Urlaub, zur Kindlaufe hatten Sie einen Tag frei, nnd vor Kurzem waren Sie krank das sind alles Vergnügungen, für die ich Sie bezahlen muß!" ' kogisch. Gast: Das ist doch merkwürdig, ich habe meinen Schirm bei Ihnen stehen lassen und Sie haben ihn nicht gefun den?" Wirth igrob: Warum lassen Sie Ihren Schirm stehen Sie sind doch kein Professor!" ?chisteriunge,iiz, Schufterjunge: Sie. Ihr Pferd ver verliert etwas!" Sonntagsreiter : So, ein Huf eisen?" Schufterjunge: Nee, seinen Reiter!" 8cijnfen'plittcr. Das weibliche Geschlecht liebt über Alles den Schein namentlich aber den Trauschein. Sdmfe Ilntnwrt. Reisender, der sich schon zudringlich benommen hatj: Eni'chuldigen Sie. Sie reisen wohl auch zum Vergnügen?' Fraulein: So lange, als Sie im Eoup,' sind, nicht!" Srflirt. Wie. nie Emilie heirathet einen haid lahmen Menschen ?" Ja. damit er in der Ehe nicht f, leicht - über die Strange schlagen kann!'