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About Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901 | View Entire Issue (May 14, 1896)
's t r Die lahme lllartba. i'on Sl. Aiomm. Das geHM zu meinen frühesten 15t innerungen, das, ich an einem Sonn tage in unserm Garte saß, während unsere Mühle klapperte und die Vögel sangen, daß ich durch den Stacketzaun iusah, wie die Kinder auf der Wiese lenseits des Weges herumsprangen, und daß ich meine Wärterin fragte: Christine, warum bin ich eigentlich lahm?" Das hat der liebe Gott so eingerich tet, Marthchcn," gab die Alte zur Ant. wort. Eine eigentliche Antwort war es nicht, das wußte ich wohl, aber ich fragte nicht mehr, wen sollte ich wshl fragen? Meine Mutter war gleich nach meiner Geburt gestorben, mein Vater hatte tagsüber in der Mühle und auf den Feldern zu thun, und meine Bru der Karl war, wenn auch etwas älter als ich, doch zu jung, als daß ich eine Aufklärung von ihm hätte erwarten können. Aber siir mich selber habe ich oft nachgegrübelt! warum mußte ich, die ich sonst gesund und stark war, diese verkrüppelten Fiiße habe, auf denen ich als kleines Kind gar nicht und spä ter nur mit Muhe an Krücken gehen konnte. Ich war scheu von Natur, und mein Gebrechen, das mich von anderen Kin derd fern hielt, machte mich noch scheuer. In die Schule schickte mich mein Vater nicht; er wollte, wie er sagte, nicht sehen, daß sein Kind von anderen zurückgesetzt oder gar verspottet wurde. So kam es, daß der erste Mensch, der von außen her in mein Leben trat, ein Brudersohn meines Vaters war, der aus einem anderen ijne ,n un,ere Stadt kam, wo er ein kleines städtisches Amt erhalten hatte. Er hatte hier nur noch einen Verwandten von mutterlicher '. Seite, einen galligen, geizigen alten Onkel, und so brachte er viele seiner freien Stunden bei uns zu Er kam zu mir wie ein frischer Hauch aus einer Welt voll Farbenglanz und Sonnen fchein, er brachte Leben und Frohsinn in unser stilles Haus, er lehrte mich lachen und mich meines Lebens freuen, r war der Erste, der mich nicht mit mitleidigen Blicken betrachtete, der nie mit einem Wort auf mein Gebrechen anspielte. Er sprach gern mit mir, denn ich war eine aufmerksame Zuhöre rin; was er sagte, nahm ich in meinem Herzen auf. Er blieb oft bei mir, wenn der Vater und Karl ausgingen. Mit Dir plaudert es sich am besten. Martha" pflegte er zu sagen. Du hast etwas so wunderbar Behagliches. Wie manchen Sonntagnachmittag im Sommer haben wir in der Laube ge fesfen, von der aus man den Weg über sah, auf dem die Spaziergänger dem Walde zu zogen. Und wie thöricht habe ich geträumt, wenn er fortgegan gen war. Heute kann ich diese Thor Zeit kaum begreifen! aber, lieber Him mel. ich war damals jung, ganz uner fahren in Welt und Leben, und ich hatte ein so warmes Herz in der Brust, ie eS nur jemals ein Mädchen gebabt hat, das auf zwei gesunden Füßen ein herging. Um diese Zeit starb mein Vater, ich habe ihn betrauert, aber bis in mein innerstes Leben ging mir dieser Verlust nicht. Er hatte mir mehr Mitleid als Liebe gegeben, eS fehlte an einem star ken Band zwischen UNS. An unserm Leben änderte dieser Todesfall wenig. Karl nahm sich beständig der Mühle und der Landwirthschaft an. die alte Christine waltete weiter im Hause, wo ich selber es nicht konnte, und was mir die Hauptsache war der Vetter HanS kam in diesem Sommer noch viel regelmäßiger als sonst zu uns. Weißt Du auch, Martha sagte Karl eines Tages lachend zu mir, warum HanS, wenn er bei uns im Garten sitzt, mitunter plötzlich auf springt und fortläuft?- Ich schüttelte den Kopf! bemerkt hatte ich eS wohl, aber mir nichts Besonderes dabei ge dacht. Gieb einmal Acht,' fuhr Karl fort; es geschieht jedes Mal, wenn die hub skhe Anna ersten vorübergeht. Das ist seine Flamme. Die Beiden sind untereinander einig: aber der alte Holst, ihr Onkel und Vormund, bei dem sie l wohnt, will nichts davon wiffen. weil l sie Beide. HanS wie die kleine Anna. X arm wie Kirchenmäuse sind." Ich kann nicht beschreiben, was ,n mir vorging, als ich ihn so reden hörte. Da erst wurde mir klar, waS Alles ich geträumt, gehofft, geglaubt hatte. So bald ich konnte, schlich ich in mein Zim merchen, und da habe ich memen Schmerz und meine Thorheit ausgetobt und immer wieder voll Zorn, Jammer !ni!Inn nerrnen : .Warum bin ich lahm.' Als ob mich das allein i von Anna ersten unterschied. j Nun, ich mußte mich wohl fallen; und al HanS das nächste Mal zu uns, kam, war ich so ruhig, daß ich thun konnte, was ich mir vorgenommen! hatte, ich ndete ihn auf seine Neigung ! und sein Verhältniß zu Anna an. So ! ie ich das eine mal oaruoer geioiv chtn hatte, war eS. als hatte ich alle Schleusen bei ihm geöffnet. öS spru delte AlleS auS ihm heraus, wie sehr er Anna liebe, wie engelgut und boldielig sie sei. und wie unglücklich sie Beide seien, da ihr Vormund von einer Ver heira'thung zwischen ihnen durchaus y üicht, wissen wollte. .Ader wir lassen . nliM Don einander, das dabei, wir uns ' geschworen.' schloß er. Und ganz den Der Sonntagsgast Jahrgang 16. so sprach er bei allen seinen ferneren Be suchen. Ich bin froh, daß ich mich Dir gegenüber aussprechen kann, War tha," sagte er. Einmal kam er ganz besonders ver stimmt an. Es ist zum Verzweifeln !" rief er auf meine Frage, was ihn quäle. Grade jetzt ist eine Stelle bei der stad tischen Sparlasse frei, und man hat mir angedeutet, daß ich Aussicht hatte, sie zu erhalten, wenn ich mich melden würde. Auf das Gehalt hin dürften wir wohl heirathen. Aber waS hilft es? Mir fehlt das Geld zu der Cau tion, die ich stellen muß. Würde Dein Onkel nicht bereit sein, Dir das Geld zu geben, wenn Du ihm sagst, um was es sich für Dich handelt?" fragte ich. Der?" Er lachte bitter. Der ver- gräbt sein Geld lieber, ehe er mir einen Pfennig giebt. Nein, nie. Für mein armes fußes Lied und mich giebt es ein mal kein Glück." Die hellen Thränen traten ihm in die Augen, Ich grübelte die ganze Nacht hindurch und am folgenden Tage, bis ich meinen Plan fertig hatte. Ich erzählte meinem Bruder, was Hans mir von jener An stellung und der erforderlichen Caution gesagt hatte. Ich will ihm helfen", fetzte ich hinzu, aber ich kann es nicht ohne Dich. Er soll das Geld von mir haben, mein mütterliches Erbtheil reicht gerade aus. Aber er darf es niemals erfahren, daß es von mir kommt, hörst Du wohl? Sowie ich merke, daß er eine Ahnung davon hat, springe ich dort in den Mühlgraben!" Karl sah mich an, als zweifele er an meinem Verstände. Wie ist das anzu fangen?" fragte er. Ich habe es mir überlegt. Sage ihm, der alte Schreiber" das war der geizige Onkel habe sich entschlossen, ihm das Geld zu schenken; aber er stelle die eine unerläßliche Bedingung, daß HanS niemals gegen irgend Jemand, ihn selber nicht ausgeschlossen, die lei seste Anspielung darauf machte. Er furchte sonst, von seinen übrigen Ver wandten mit Bittgesuchen überlaufen zu werden. So mußt Du eS machen, hörst Du?" Karl sah mich mit einem Gemüsch von Verwunderung und Rührung an. Martha,' sagte er und strich mir mit der Hand über die Haare die erste Liebkosung von seiner Seite, deren ich mich erinnere , ich glaubte, Du bist viel besser als wir Alle, und ich glaubte " Tu hast gar nichts zu glauben, als daß ich Hansen's Jammermiene satt habe," sagte ich kurz. Ich wußte, ich hätte den Gedanken nicht ertragen, daß Hans sich mir gegenüber verpflichtet fühlte, ich wollte ihn nicht durch Dank barkeit an mich fesseln, Karl that, was ich von ihm wollte, und Hans nahm die Freudenbotschaft mit großem Jubel, aber ohne sonder liche Verwunderung aus. Wenn ein wirkliches Wunder geschehen wäre, um ihn zu seinem ersehnten Glück zu er helfen, so hätte er das nur in der Ord nung gefunden. Der Einzige, der sich wunderte, war vielleicht der Onkel Schreiber, der sich bis zu seinem bald darnach erfolgenden Tode von seinem Neffen mit ganz besonderer Hochachtung behandelt sah. Nun führte Hans mir glückstrahlend seine Braut zu. Und ich muß sagen: der Ausdruck holdselig" paßte ganz und gar auf sie. Aber 'ich sah auch auf den ersten Blick, daß ich nichts hatte, waS sie anziehen konnte, daß wir ein ander fremd und fern bleiben würden. Und so geschah es auch. Nach der Hoch zeit, bei der ich nicht anwesend war, da sie noch in die Trauerzeit um meinen Vater siel, besuchte mich das Ehepaar noch einmal, dann blieb eS fort. Die Geburt eines Sohnes zeigte Hans mir später schriftlich an, und ich, die ich überhaupt unser Haus und feine Um gebung verließ, betrat seine Wohnung niemals. Es wurde immer einsamer um mich. Auch mein Bruder verließ mich. Er heirathete die Tochter eines Mühlen besitzerS im westlichen Teutschland, und blieb dort, da sein Schwiegervater die Leitung deS Geschäfts in seine Hände legte. S blieb ich allein in dem alten Hause, mit einem tüchtigen Werkführer und einer zuverlässigen Magd, die an die Stelle der mittlerweile verstorbenen Christine getreten war. Aber ich war nicht so einsam, daß ich nicht hin und Mieder ein Gerücht hörtt, das den Weg zu mir sand. So hörte ich. daß HanS und seine (ntbMx Frau weit über ibre Verhaltnine hinaus verschwenderisch ! lebten. öS geht kaum mit rechten Tin gen zu. hieß eS. Tas kann ein sehr schlimmes End nehmen.' Ich hielt solche Sieden für Uebertreibungen und dachte mir nicht viel dabei. Ader eines Abends im Herbst erschien HanS bei mir, auffallend blaß, erregt Beilage zum Nebraska Ttaats-Anzeiger. und verlegen. Tu wunderst Dich über meinen Besuch, wie?" fragte er. Ich freue mich, daß Du noch an mich dentst," gab ich zur Antwort, aber fehlt Dir etwas?" Etwas viel, Alles." sagte er mit einem kurzen, rauhen Lachen. Er ging ein paar mal hin und her, dann blieb er vor mir stehen. Wir sind immer gute Freunde gewesen, nicht wahr, Martha. Und' wenn ich so lange nicht zu Dir gekommen bin. so lag daS aber wahrhaftig nicht an mir." Halte Dich nicht mit Entschuldigun gen auf," unterbrach ich ihn. Ich habe Dir deswegen keinen Augenblick gezürnt." Nun wohl. So komme ich zu Dir, wie der Freund zum Freunde. Mar tha, willst Du mir helfen? So wie Du mich hier siehst, bin ich ein ruinirter Mensch." Ich starrte ihn faffungslos an: Wie ist das möglich?" Wie ist das möglich," rief er heftig, wenn man eine hübsche Frau hat, der man nichts verweigern kann, und dabei ein Gehalt, das allenfalls für das Noth wendigste ausreicht ! Um es kurz zu fassen: ich habe mich an der Kasse ver griffen, und wenn ich den Mangel nicht vor der nahe bevorstehenden Revision decke, bin ich verloren." Er umklam werte meine Rechte mit seinen beiden Händen. Hilf mir, Martha! Ich habe Dich ja immer lieb gehabt, viel mehr als Du denkst. Hundert Mal habe ich es mir gesagt: Du wärst die rechte Frau für mich gewesen. Tu allein. Und ich hatte Dich geheirathet, gewiß, aber warum mußtest Du lahm sein." Das war die Frage die ich oft in Kummer, Zorn und schmerzlicher Em pörung gethan hatte. Jetzt erregte sie nichts in mir, als Widerwillen gegen den Menschen, der mir so lieb gewesen war. Ich machte meine Hand los und fragte kurz: Wie viel brauchst Du?" Er nannte die Summe, mit dem Zu satz, daß er sie, wenn möglich, am fol genden Tage haben möchte. Das ist unmöglich." sagte ich. Mein Geld steckt in unserem Geschäft, an dem mein Bruder noch Antheil hat. Ich kann eine so große Summe nicht herausziehen, ohne ihn vorher zu be-nachrichtigen-, und es wäre nicht zu bil ligen, daß ich es thäte." Aber Du hast ja noch Dein mütter licheS Erbtheil," rief er, darübersteht Dir doch die freie Verfügung zu. Ich habe es nicht mehr," entgegnete ich stockend. Das lügst Du!" schrie er auf, Du willst es mir nur nicht geben!" Nun denn, sagte ich, wenn Du es wissen willst: das Geld wurde zu Dei ner Caution verwendet. Dein Onkel hat niemals davon etwas gewußt." Du Du?" rief er. Und ich habe den alten Schreiber hundert Mal wegen seiner Thorheit verwünscht. Das Geld bat ja den Grund zu meinem Unglück gelegt. Hätte ich es nicht ge habt, so hatte ich die Stelle nicht bekom men und die Kaffe niemals angreifen können." Mich ekelte vor dem Menschen, der Alles anklagte nur nicht sich, Du stehst nun, daß ich Dir nicht helfen kann," sagte ich kurz. Ist das Dein letztes Wort. Martha," fragte er. Mein allerletztes." antwortete ich und wandte mich von ihm kb. Er murmelte etwas und ging. Die ganze Nacht und den folgenden Tag hindurch hatte ich nur einen Ge danken: Was wird geschehen? Ter zweite Morgen schon brachte mir die Antwort: Hans war entflohen, sein Vergehen mar zu Tage gekommen, ich war froh, denn ich hatte Schlimmeres gefürchtet: daß er seinem Leben ein Ende machen würde. Aber die Besuche I der guten Bekannten, die mir alle ein thtilnehineildes oder aufklärendes Wort ! tagen zu muffen glaubten, wurden mir lästig, ich ordnete an, daß Niemai zu mir gelassen werden sollte. Dennoch kam nach einigen Tagen mein Dienstmädchen mit der Meldung, es wäre ein Herr da, der sich nicht ad weisen ließe. Der Hausmirth des Herrn Kraft,' setzte sie hinzu. Ich ließ ihn eintreten, und der Mann brachte sein Anliegen vor. Die Frau und daS Kind des Entflohenen waren im Hause zurückgeblieben, die Glaudi ger kamen von allen Seiten: er. der Wirth, hatte eine bedeutende Förde rung an rückständiger Miethe, jetzt grade hätte er Gelegenheit, die Woh nung anderweitig zu vermiethen. und die Frau weigere sich hartnäckig, sie zu verlassen. .Sie sagt nichts, sie geht nur nicht,' schloß er seinen wortreichen Bericht. Ta wende ich mich in mei ner Verlegenheit an Sie. Fräulein:, Sie sind ja die einzige Angehörige, die die Leute hier am Orte haben.' j Ich versprach ihm, mich für die Sache ! zu inkresfiren. nur um ihn schnell zu j entferne. WaS ich thun wollte, stand schon bei mir fest. Ich wollte um jeden Preis die Erinnerung an das, was mein ohnehin, trübes Lebe verbittert hatte, los werden. Jene Frau mußte fort von hier, sollte es mich auch Einiges losten. Ich mußte mir Ruhe vor Allem ertausen. was mit jenem Menschen zu sammenhing. Ich fuhr in die Stadt, in der ich seit Jahren nicht gewesen war; aber ich dachte nicht oaran, wie seltsam das war. Ich wiederholte mir nur, was ich zu dem hübschen, leichtsinnigen Geschöpf sagen wollte, das immerhin einen Theil der Schuld an der Schande trug, die über unseren ehrlichen Namen gekommen war. Ich trat in das Haus, und man wies mich hinauf in die Wohnung. Die Thür zum Vorsaal war angelehnt; wie ich hinein und durch die kahlen Ziminer ging, hörte ich in dem einen eine schel tende weibliche Stimme, offenbar die der Hauswirthin, Nun wissen Sie, was Sie zu thun haben. Ich Ibin nicht so geduldig, wie mein Mann, ich werde mein Hausrecht zu brauchen wissen." O, aber ich kann doch nicht, ich weiß doch nicht wohin," sagte eine andere Stimme in hülflosem Klagetan. Die Wirthin mochte das Geräusch meiner Krücken gehört haben, sie steckte den Kopf zur Thür hinaus. Ich bin die Cousine der Frau Krafft," sagte ich. Gehen Sie nur hinunter, ich werde Alles ordnen. Die Frau ging an mir vorüber, und ich trat ein. In der äußersten Ecke des kleine Zimmers saß, scheu in sich zu sammengeschmiegt, Anna Krafft, meines Vetters Frau. Ihre großen braunen Augen sahen in hoffnungslosem Ent- setzen zu mir hin; ihre Arme hielten einen kleinen, etwa dreijährigen Knaben umklammert, nicht als wollte sie ihn schützen, sondern als müßte sie sich an ihm halten. Bei ihrem Anblick vergaß ich meine eingelernte Rede bis auf das letzte Wort. Anna," sagte Ich, ich habe von dem Unglück gehört, das über Dich gekom men ist. Und ich wollte Dich fragen: willst Du zu mir ziehen, bis Du' ein besseres Heim für Dich und Dein Kind gefunden hast?" Sie sah mich mit einem wirren Blick an, als verstände sie mich nicht. Dann stand sie auf, legte den Kopf an meine Brust und weinte. Wir drei, sie, ihr Kleiner und ich, fuhren zu mir nach Hause, wo ich sie zunächst zur Ruhe brachte. Sie war so elend, daß sie am folgenden Morgen nicht aufstehen konnte, sondern viele Tage krank und bis zum Aeußerflen er schöpft dalag. Das hatte sein Gutes. Es dar die Veranlassung, daß das Kind sich schneller an mich schloß, als es sonst wohl geschehen wäre, und daß eine Aussprache zwischen uns erst stattsinden konnte, als wir aneinander gewöhnt waren und uns verstanden, Sie er zählte mir alles freimüthig, ohne ihren Mann anzuklagen. Ich sah es, sie war zu unerfahren, und wer konnte es solcher Jugend und Schönheit verdenken! zu sehr geneigt das Leben leicht zu nehmen und gedankenlos zu genießen. Dann kam ganz unvorbereitet für sie die Flucht ihres Mannes, die entsetzliche Ungewißheit, bis ihr klar wurde, daß und warum er sie verlassen hatte. Und dann kamst Du, Martha," schloß sie und zog meine Hände an ihre Lippen, wie ich mich auch dagegen wehrte. Wir drei sind zusammen geblieben. Von ihrem Mann kam einmal unter meiner Adresse ein Brief an sie. Kla gen über das Unglück, das ihn auch dort erfolgte, sehr fadenscheiniges Bedauern, daß er nicht im Stande war, sie und das Kind zu sich zu rufen, nicht eine Frage nach ihrem Ergehen, keine Adresse, unter der sie an ihn hätte schreiben können. Nicht lange darauf erfuhren wir, daß er gestorben sei. Sie meinte eine Zeit lana All. als sie eS hörte, dann sagte sie'zu mir: Es ist! besser sur das Rind, )o wie eS ist. Besser, daß ich ihm sagen kann, daß sein Vater todt ist, als daß ich ihm ver schweigen müßte, wie er an ihm ge sündigt hat. Aber nun haben mir beide nur noch Dich auf der Welt. Martha!' und ihre Kinderaugen sahen mich dang und doch voll vertrauender Liebe an. Als ob ich es mir besser hätte wün fchen können! Ehe ich schließe, will ich noch erzählen, was mein kleiner Ernst er ist jetzt neun Jahre alt und ein lieber, gescheiter Junge unlängst zu mir sagte: Tante Martha!' fragte er: warum bist Du eigentlich lahm?' Und wie ich ihn be troffen ansah, da ich aus seinem Munde die Frage horte, die mich vordem so oft gequält hatte, setzte er hinzu: Ich glaube, ich weiß es: damit alle Leute, die wissen, wie gut Tu bist, um Teinct willen andere Lahme gern haben.' No. 52. Das ist eine kindlich? Antwort. Aber mich hat sie glücklich gemacht, und ich werde mein Leben lang nach tciner an- deren suchen. Die Troininel. Die Trommel ist ein beliebtes, ja nothwendiges Instrument neuzeitiger Deere, und wenn auch der Kün Wer Musiker vielleicht verächtlich aus den Tambour" herunterlchauen mag schadet nichts auf dem Marsch, im Gesecht, in der Schlacht ist er wohl etwas werth; sein Instrument giebt dann den Ton an, der erfrischend auf die wirkt, die seinen Klang hören, und deshalb ist es wohl zu rechtfertigen. wenn die Geschichte dieses einfachen Mitwirkers der Siege" einmal etwas näher betrachtet wird. Wann und wo die Trommel erfunden ist, kann kaum festgestellt werden. In der Geschichte nnden wir die ersten bei den Jndiern, und zwar wurden sie im Vereine mit Becken beim Angriff geschlagen, als Porus ich dem vordringenden vlleran der zur Entscheidungsschlacht jenseits des Indus stellte. Fraglich aber muß es scheinen, ob die Trommel nicht schon längst den Chinesen und den Völkern Afrika s bekannt gewesecn ist. Bei den Negervölkern diente sie mehr als irgendwo seit langer Zeit dazu, schnell und stcher aus wette Entfernungen Zeichen zu geben. Weder die Griechen noch Römer führten Trommeln, ebenso wenig Gallier und Germanen, dagegen wahrscheinlich die Perser, und i Europa taucht sie erst bei den Ungarn uud Böh men im 13. Jahrhundert auf. Die Hunnen und die Mongolen haben sie nicht geführt, wenigstens nicht in der Schlacht. Die Hussiten führten die be rühmte Trommel, die mit der Haut des Ziska Überspannt war, und schlugen die Trommeln beim Angriff. Dann kam die eigentliche Glanzperiode, die Landsknechtschaft. Die damalige tiefe, mit Schnüren gespannte Trommel wurde im Fünf-Takt geschlagen, wenn der gevierte Haufe" sich in Bewegung setzte. Selbst die wilden Haufen der Bauern im Bauernkriege hatten Trom m ler und Pfeifer, ihr Klang begleitete den Mord des Grafen Helfciistcin und feiner Ritter nach der Einnahme von Weinöberg. Auf eine Trommel sank der alte Landknechtsvater Georg von Jrundsberg vom Schlage getroffen nie der, als seine lieben Kinder" meuter ten, dei ihrem Schalle wurde Rom erstürmt, auf ihr würfelte man um Geld oder um Leben und über ihr wurden die Landsknechte getraut, das besorgte der Oberst des Regiments oder der Hauptmann des Fähnleins. Hoch in Ehren finden wir die Trommeln der Reiterei, die Kessel- oder Heerpauken. Mit Borten, den Paukenfahnen, reich geschmückt, sind sie wie die Standarten und Fahnen Heergeräth und gehören zu den Kriegsbeutestllcken. Oft waren sie von Silber und das Regiment, welches Heerpauken eroberte, durfte sie, falls eS selbst noch keine besaß, führen. So ist es bis heute geblieben, aber die zahlreichen silbernen Pauken, welche preußische Regimenter in den friederica Nischen Kriegen eroberten und seitdem führten, sind nach 1806 eingeschmolzen. so daß die silbernen Paulen der Gardes du Corps, Gardekürassicre, Leibgarde und Ziethenbusaren Geschenke ihrer Chefs sind. Nur ein Regiment führt, wie man der Pos. Zeitung" erzählt, von ihm selbst eroberte, allerdings nur kupferne Pauken. Es sind das die ersten Leibhusaren zu Danzig, welche sie bei Katholisch-Hennersdorf ritten. Die Form der alten Landsknecht-Trommcl blieb lange Zeit dieselbe. Die Sviel leute putzte man mit Litzen und Borten möglichst bunt heraus, ein Tambour major der neapolitanischen Garde sah fchon feyr abenteuerlich aus. das Non- plusultra aber dürste der des russischen Regiments Preobratschenski um 1831 sein, dessen acht Fuß hohes Bildnis; im Tresdener Rathskcller sich besindet. Die pielleute zur Zeit Friedrichs des Er sten, namentlich aber die der Riesengarde Friedrich Wilhelms deS Ersten, waren Neger. Jener bezog sie auS seiner Ko lonie Groß.Friedrichsburg. dieser, der die Kolonie, weil sie nichts einbrachte, an die Holländer verlauste, hatte mit ihnen den Vertrag geschlossen, daß ihm eine bestimmte Zahl Neger zu liefern feien, die zu Tpielleuten ausgebildet wurden. Die Zeit des alten Friß bedielt, wie die der Freiheitskriege, die Form der Trommel immer noch im Wesentlichen bei, nur war sie weniger tief. Tann aber kam der Holzkcssel ab und wurde durch den Metallkessel krsetzt. die Span! nung erfolgte nicht mehr durch laut1 ttttll .-fitrtitf.n mi rnbji t v I Hl.v vufiHuim, ilfll HVUf IftUlt Ufl ütt aronen Trommel hrr tM,;,in. fiter, sondern durch Schrauben, welche ' mit drei oder vierkantigen Kopsen verl sehen waren, und statt deS etwa drei Fuß tiefen HolzleffelS wurde der Mef singlessel auf weniger als den dritten Theil verkleinert. Mit der großen stattlichen Trommel fiel auch der HanS wurstähnlich ausgeputzte Spielmann, der heute als winzige Erinnerung der früher reichen Ausstattung nur noch die Schwalbennester als Abzeichen behalten hat. Die alte Ordonnaiiztrommel, die bei so manchem Sturmangriff ihre Stimme hat erschallen lassen auch sie dürste bald das Zeitliche segnen. Das Belebende der Trommel, sei es auf deck Marsche, sei es im Gefecht, wird jeder Fußsoldat anerlennen. und im deutschen Heere kann von einer Abschaffung der Trommeln gar nicht die Rede sein, um so mehr, als jeder Spielmann vollstän big als Infanterist ausgebildet wird. Itmärkische Hochzeit. Ueber eine nach althergebrachter Sitte gefeierte altmärkische Hochzeit, die kürz lich in Eheine bei Salzwedel ftattgefun den hat, erzahlt der Salzwedel-Garde legener Anzeiger" Folgendes: Morgens gegen 9 Uhr kam der Bräutigam, be gleitet von einem Trupp Reiter, um die Braut zur Trauung nach Klein-Ger stedt zu holen. An der Grenze des Or tes wurde Halt gemacht. Es sprengten zwei durch Schärpen kenntlich gemachte Reiter voraus, um bei der Braut an zusragen, ob sie geneigt sei, den Bräu tigam zu empfangen und sich zum Al tar führen zu lassen. Nachdem sich die Braut bereit erklärt hatte und die Bot-, schuft Uberbracht worden war, hielt der Bräutigam mit seinen Freunden, ein berittenes Musikkorps an der Spitze, feinen Einzug in den Ort. Nach er folgter Trauung und einem kräftigen Imbiß trat das junge Paar die Heim reife an. Den Zug eröffnete wieder ein Musikkorps zu Pferde. Hierauf folgten 30 Reiter, deren Pferde bekränzt warnt; hinter diesen kam der Brautwagen, dem sich die geladenen Gäste aus Cheine an schlössen, an zwanzig Wagen voll. An vielen Stellen, die der Zug passiren mußte, waren von Zuschauern Leinen über den Weg gesperrt; das Brautpaar mußte jedesmal erst ein angemessenes Wegegeld zahlen, bevor der Zug weiter ziehen konnte. Als man die Kl.-Ger-stedter Grenze erreichte, wurde abermals angehalten, um bei der Mutter des Bräutigams anfragen zu lassen, ob die Braut willkommen sei. Ein Korb mit Kuchen und eine Flasche Wein, welche den anfragenden Reitern für das junge Paar von der Schmiegermutter über geben wurde, drückte deren volle Genug thuung aus, und nun erst ging eS mit Sang und Klang zum Dorfe hinein, wo unter Theilnahme von mehr als dreihundert Personen drei Tage lang Hochzeit gefeiert wurde. ?lsässlsches iebesorakel. In wichtigen Dingen das Laos ent scheiden zu lasten, ist eine uralte ger manische Sitte. Im Elsaß ist bei den heirathslustigen Landmädchen folgendes Liebesorakel ungemein beliebt und gilt als äußerst probat. Haben mehrere Bewerber ihre Augen auf eine Schöne geworfen und begehrt sie zu wissen, welchen davon das Geschick ihr zum Manne bestimmt hat, so pflückt sie das mit ganz besonderen Kräften ausge rüstete Kräutlein Ehrenpreis, im Volke auch Männertreu genannt, und legt davon so viele kleine Zweige in je ein Stückchen Papier, als es Liebhaber sind, und schreibt auf jedes den Namen eines derselben. Dieses Zettelchen legt sie sodann beim Schlafengehen unter das Kopfkissen. Wenn sie'dieselben sodann am folgenden Morgen öffnet, so zeigt das frisch und grün gebliebene Zweig lein den künftigen Galten an, während die anderen, welche welk geworden find, die unbeständigen Freier bedeuten. Fnihreif, Onkel: ..Nun, wie nekillt iwrnn Euer neuer Lehrer Elfe?" Die acktiäbriae Elle? fi ifl r Mensch linkisch; der scheint noch wenig ,n .vamengefeufchasi gewesen zu sein!" Des Mädchens läge. Ach, das edle Weib von heute, as oeianniliq ofen sticht, Svricht vom Zweirad iindnnm Ti-riX- Doch vom Spinnrad spricht es nicht. uno oer zunggefkll von heute Folgt erröthend ihrer Spur, Svrickt vom 5iweirad und nnm Tirk Doch von Heirath? schweigt er nur'k Der kleine Gxtimift. Ein bniäbriaer ifciili-r dr ... schule in Frankfurt a. O. gab, wie die dortige Oderztg." erzählt, am Bor abende der Versetzung auf eine Frage des Vaters die Antwort: .Ich glaube, ich werde versetzt.' .So. woraus schließt Du das? Ich kriege jetzt alle Tage Prügel vom Lehrer, und da würde er sich doch sonst nicht so viel Muhe mit mir geben.' Schlechte Marke. Hasidwerksbursche (der einen Cigar renftummel gefunden, probirend): .Gut. daß er nicht lang ist." rbpptrmäuIAfn. Tante lauf "MnAi- y kk. . ' ' viu i,uvi (IMIU schrecklichen Appetit. Sag' 'mal. lieber Otto, wann eßt Ihr gewöhnlich zu Mittag?' Ter kleine Otto: lim mik iihr wenn aber Besuch da ist. warten wir immer, oiö kr wieder fort ist.'