Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, May 07, 1896, Image 9

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    f
Gogol!
Noorllme von Hermann Heibeig,
Nun waren es gerade zehn Jahre, seit
dem Ponrad Gogol in das Bankhaus
Von Palacios & Comp. als erster Buch
Halter eingetreten, und gerade fünf
Iah seitdem ihm on dem phes dieser
, Weltfirmai Subprocura für die Esset
senadlheilung ertheilt worden war.
f Ja Palacioi K Comp., das war eine
Firma! Sie besaß einen unbegrenzten
Credit, besaß Niederlassungen an allen
rohen überseeischen Plätzen, und wenn'
sein mußte, vermochte sie an einem Tage
in wenigen Stunden aus eigenen Be
ständen eine Million Psund Sterling
flüssig zu machen.
In der Stadt am RathhauSmarkt
befand sich der Bankpalast, da waren
die Comptoir, in denen zweihundert
undfünfzig Angestellte an Pulten arbei
teten. Und am Alsterdam lag der andere
Palast, in dem Cäsar Palacios wohnte
und fürstliche Feste gab, von denen nicht
nur Hamburg sprach.
Welche Räume! Welche Einrichtung,
welche gediegene Pracht!
Wie funkelte die Equipage von Sena
tor Cäsar Palacios, die jeden Morgen
vor dem Hause hielt, um den Ches in's
Buchcomptoir zu bringen, wie ties der
beugte sich die in eiergelber Livree ge
kleidete Dienerschast, wenn die Wagen
thlir zuschlug und das Gefährt davon
flog.
Und oben guckte Felicita Palacios
aus dem Fenster, ein Mädchen, wie eine
Maurin mit ihrem weichen, etwas läng
lich geschuittenen Gesicht, ein Geschöpf,
das Männer, aber auch Frauen bezau
berte.
Aus schwarzer Nacht strahlten zwei
feurig blitzende Sonnen.
Und da sie die einzige Tochter des
millionenreichen Herrn Palacios, war
, sie umschwärmt von Denen, die meinen,
daß sie ein Anrecht besitzen auf jeden
LebenSerfolg, und ward beneidet und
sehnsüchtig bewundert von Denen,
welchen eine größere Rolle in der Welt
zu spielen nicht einmal der Gedanke
kommt.
Conrad Gogol gehörte nicht zu den
letzteren. Nachdem ihm in diesem
Jahre zweimal der Vorzug geworden
war, zu den Bällen und Maskeraden
im Palacios'schen Hause eingeladen zu
werden, hatte er sich mit Mienen und
Worten an Felicita herangemacht, als
habe chm nur die Gelegenheit gefehlt.
ihr zu zeigen, daß sie schon lange der
Mittelpunkt aller seiner Gedanken ge
Wesen. Es hinderte ihn durchaus nicht,
daß ihm iunae Militärs mit stolzem
Namen und alten Wappenschildern, daß
ihm die Söhne der großen Kaufmanns
familien, und daß ihm Mitglieder der
Gesandtschaften und Konsulate den
Rang streitig zu machen suchten, oder
schon mit Aussichten auf die Gunst
dieses schönen und klugen !vcadcyens ncy
ihr näherten. Er trat auf, als ob er
ihresgleichen fei, und da Felicita natür
l lich einem, ganz anderen Herrn als
Tischdame zuertheilt war. wußte Gogol
sich für Quadrille und Cotillon" neben
ihr einen Platz als Herr zu erobern!
Beim ersten Mal legte sich der schöne,
schwarze Kopf etwas steif zurück; ein
Anhauch von sprödem Zögern machte
sich in ihren Zügen bemerkbar. Aber
als er dann den Mund öffnete, in dem
zwei Reihen schneeweißer Zähne unter
.dem dunkeln Schnurrbart blitzten, als
' sprach mit der wohlklingenden
Stimme, als er seine entschlossen blicken
den, bezwingenden Augen auf sie rich
tete. da neigte sie dasselbe stolze Haupt
und bejahte nicht nur mit der Miene
der Wohlerzogenheit, sondern mit der
selben Zuvorkommenheit, die sie gleich
darauf dem Rittmeister Grafen von
Fürstenberg bei dessen Bitte um den
Walzer spendete.
Frauen find Blumen, die man
wegen ihrer simpeln Gewöhnlichkeit un
beachtet läßt, zu denen man sich hinab
neigt, um ihren süßen Duft einzuath
nun, oder nach denen man, berauscht
on ihrer Schönheit, die Hand aus
reckt.
Sie gehören zu den letzteren, Fräu
' lein Palacios "
Das hatte er gewagt, ihr zu sagen.
Und von den Kaufleuten sagte er:
'Y Es ist ein Stand, der die Kunst be
I sitzt, da sein Gewissen schon eingeschlä
V fert zu haben, wo das Anderer laut und
zagend zu pochen beginnt.
.Und wohin registriren Sie die Be
amten und Militärpersonen?" warf
Felicita, die nach dem unbescheidenen
Compliment eigentlich gesonnen ge
esen, eine straff abweisende Miene auf
zuziehen und doch ledhaft angezogen,
hin. Die Art, wie dieser Prokurist ihres
Paters sprach, gefiel ihr.
Er stand klug lächelnd über den Tin
gen, er besaß Urtheil und ein Seldftge
fühl, daS er sogleich in die Ecke zu ftel
len verstand, sobald ihm seine Klugheit
Beschränkung anrieth.
.Militärs gleichen in Friedenszeiten
Zinnsoldaten, und Staatsbeamte stellt
man an, weil sonst die 'armen Pulte in
der Welt verhungern müßten."
Felicita spitzte den Mund; sie läcbelte,
schien aber doch nicht ganz befriedigt.
.DaS klingt, als ob beide überflüssig
seien. Herr Gogel.'-
.Herr Gogol." betonte Koniad mit
lustig verschmitzter Miene. .Einziger
Sohn des Justizraths Gogol in Gör
y li, wenn Sie es gnädig gestatten."
A fügte er. sich grazi verneigend, hinzu.
Der
Jahrgang 16.
Um so besser, Herr Gogol. Der
Name, wie ich ihn bisher erstand, war
mir nicht sympathisch! Aber nun zu
meiner Frage zurück. Ich bitte, ant
warten Sie. Herr Gogol I"
Niemand ist überflüssig und jeder
mann kann entbehrt werden, gnadiges
Fräulein! Fern sei es on mir, diese
Stände zu mißachten! Aber wenn man
Veraleiche anstellt, kommt'S weniger auf
das absolut Zutreffende an, als auf die
Fähigkeit etwas unzweifelhaft Wesend
lickes in die rechte Beleuchtung zu stellen,
Man sagt z. B., der Mann sieht aus
wie ein Bär! Daß er nicht wirklich
wie ein Bär aussieht, ist ausgemacht,
obschon er wie jener auf den Hinterbein
nen spaziert!"
Ja, Sie haben recht ich erstand
auch, daß e durai piffle iiyaraiieri n.
rung der Beamtenmelt den vorhandenen
Ueberfluß ironrnren wollten!
Da in diesem Augenblick beide von
neuem zum Tanzen an die Reibe kamen,
wurden sie unterbrochen, und nach dem
Cottillon begegneten sie sich nur mit
den Auaen., Die aber traten na, ob
schon Felicita umschwärmt wurde wie
eine Königin.
Beim zweiten Mal, als Gogol eine
Ge ellscda t bei Palacios be ucyle, ge
langte das eingetretene stille Einver
standniß zwischen ihnen schon zu einem
aam anderen Ausdruck.
Felicita hatte Gogol inzwischen ein
mal auf dem Eise getroffen und auch
Erkundigungen bei ihrem Vater über
ihn eingezogen.
Er sei ein ungewöhnlich befähigter
Mensch. Wenn er sich ebenso unterzu
ordnen verstände wie er tüchtig sei, so
würde er ihn auch gehalten haben.
Nun aber wünsche er in ein Londoner
Geschäft einzutreten, und er, Palacios,
dielte ibn nicht, da er arund atzllch mt
mand zum Bleiben auffordere, der gehen
wolle.
Diese Einschränkung mißfiel jedoch
Felicita durchaus nicht.
Ihr Vater war herrsch süchtiger und
dem Widerspruch abgeneigter als ein
abessinischer Fürst, und sie begriff, daß
ein so gebildeter, kluger und tüchtiger
Mensch wie Gogot nur vis zu einem
Grade den Nacken beugen wolle.
Und es war auch geschehen.
Dieser junge Mensch hatte Felicita
Palacios, dieses Wunderwerk der Statur,
so bezaubert, daß sie nicht nur über
rascht, sondern glückselig aufjubelte, als
er sie in einer der verschwiegenen Ecken
der weitläufigen Prachträume des Pa
lacios'schen Palastes fragte,, ob sie
ihm die Ehre und das Vergnügen er
weisen wolle, seine Frau zu werden!"
Genau so hatte er sich ausgedrückt.
Unglaublich frech war er, aber gerade
deshalb so gefährlich.
Also, sie hatte genickt, und er war der
erste, auer der Amme und den Eltern,
der den Mund dieses berauschend schönen
Kindes geküßt hatte.
Aber sie hatte ihm auch in einem ver
zagenden Tone gesagt, daß ihre Liebe
hoffnungslos fei. Nie werde ihr Vater
die Partie zugeben!
Ende der nächsten Woche frage ich
ibn. ffelicita! Sagt er nein, dann da
ben wir Zeit. Schwöre mir, daß Du
zu mir halten willst, wie's auch kommen
mag!" ,
Ja, ich schwöre es Dir, Gogel "
.Warum nennst Du mich Gogel?"
Weil ich Dich unter diesem Namen
lieben lernte "
Da küßte er sie abermals und so
lange und übermüthig, daß sie ihm
angstvoll wehrte und dann auch rasch in
die belebten Raume zurückflog,
'
Ich hätte gewünscht, daß Sie zum
Schluß denselben guten Eindruck bei
mir hinterlassen hatten, wie durchweg
bisher, Herr Gogol! Ich sage: durch
weg, denn ein störend ausgeprägtes
Selbstgefühl war allezeit vorhanden,
und gerade von diesem haben Sie eben
eine Probe abgelegt, die mich fast glau
ben machen muß, Sie feien nicht mehr
recht mit den Füßen auf fester Erde.
Sie halten um meine Tochter an?
Machen Sie sich den Umfang und die
Bedeutung einer solchen Anfrage klar!?
Ja, wenn Sie einmal Socius von
Rothschild oder John William Parker
in London geworden sind, dann fragen
Sie nach der Tochter von Caesar Pala
cios. Sie thörichter Habenichts. So,
das ist meine Antwort! Und nun muß
ich auf die Börse! Noch eins! Sie
reiken morgen früh? Hm Stecken
Sie nur ich meine es gut mit Jh
nen fortan alle Süffisance und alle
solche Woltenluckucksheim-Gedanken ein
für allemal hinter den Spiegel! Tann
können Sie noch einmal tüchtig weiter
kommen, gar seldftftandig werden und
ein eigenes Geschäft aufmachen!"
.Za. ja, i können an William
Parker einen Gruß bestellen Wie.
was? Eine besondere Empfehlung?
Nein, die gebe ich nie. Sie haben das ,
Sonntagsgast
Beilage zum Nebratta Ttaat-nzeigr.
Zeugniß meiner Firma, damit haben sie
schon einen Orden auf der Brust "
Nach diesen Worten wandte sich Pa
lacios, kurz das Haupt bewegend, ab.
Neun Monate sind verstrichen, da
steht Konrad Gogol in dem Londoner
Privat'Comptoir on William Parker,
der 'größten Geldfirma Englands und
Indiens, und spricht:
Mr. Parker! Ich habe Ihnen
etwas vorzutragen! Ich bitte, mich an
zuhören! Da Mr. Ruffell, Ihr Theil
haber, gestorben ist, brauchen Sie einen
zuverlässigen Mann, auf den Sie sich
verlassen können, wie auf sich selbst!
Ich bin ein solcher! Machen Sie mich
gütigst zu ihrem Socius. Es soll Sie
nicht gereuen.. Nein, nein! Ich
bitte. Ich komme durchaus nicht mit
leeren Händen, im Gegentheil ich
werde innerhalb acht Tagen der Ver
lobte der einzigen Tochter und der ein
zigen Erbin von Caesar Palacios in
Hamburg sein.
Sie sagen, Mr. Gogol, Sie werden
das sein. Sie sind' aber nicht! Das
sind also taube NUffel Wenn Sie
etwas sind, und haben und viel haben,
so können wir vielleicht reden "
Wollen Sie mich zu Ihrem Partner
machen, wenn ich Ihnen schriftlich dar
lege, daß ich der Eidam von Cäsar Pa-
lacios werde. Mr. Parker?"
Darüber läßt sich reden! Ich bin
dazu nicht abgeneigt, Mr. Gogol.
Ich erwarte also die ücachweise.
aen Sie solche bei!"
Mit Vergnügen, Mr. Parker. Ich
bitte, mir nur einige Tage llriauv zu
gewähren, damit ich herbeischaffe, was
Sie erlangen.
Gut denn, wann wollen Sie reisen?"
In einer Stunde '
: Gut! Abgemacht!"
.
Wie haft Du's begonnen, Du Zau
berer? Ja! Du bist ein Mann.
Du weißt Menschen und Verhältnisse
nach Deinem Willen zu lenken.
Rasch, rasch, erzähle! Wie war
Papa? Wie haft Du'S begonnen?"
Ich ließ mich bei ihm melden und
hielt abermals bei ihm an. Ich erin
nerte ihn an seine Worte und erklärte,
ich werde innerhalb acht Tagen Socius
von William Parker in London sein.
Er guckte mich erst an, als ob ich
den Verstand verloren habe. Dann
reckte er den Kopf, sal mir forschend,
aber durchaus nicht ohne Wohlwollen
in's Auge und forderte die Beweise.
Es könne Jeder kommen und etwas
behaupten! stieß er heraus.
Herr Senator," rief ich. Kann
ich unredlich sein, gar Betrug begehen,
wenn ich fünf Jahre Prokurist bei Cäsar
Palacios war ? Der sieht seinen Leuten
wie Gott in's Herz. Aber trotzdem
bitte ich: depeschiren Sie an William
Parker, ob ich sein Partner werde?"
Schön! Es soll geschehen."
Und Dein Vater telegraphirte:
Gogol hier. Wünscht meine Toch
ter! Wird er Ihr Partner?!"
Und William Parker drahtete nach
dreißig Minuten in lakonischer Kürze
zurück:
Gogol sofort mein Partner, wenn
Gogol Schmiegersohn! William Par
ker."
Und mein Vater?"
Er schüttelte den Kopf, trat mir
näher und erfaßte einen meiner Ohr
läppen, er riß daran, guckte mir schmun
zelnd und diesmal mit unverhehlter Be
wunderung in's Auge und sagte:
Wahrhaftig, Sie find ein Teufels
kerl ! Und gut denn, da mir Die drüben
ja doch keine Ruhe geben wird." '
Und dann schickte er mich mit einer
Depesche an Dich und die Mama
voraus. Er kommt sofort nach. Ah
ah! Da höre ich schon den Wagen.
Er ist da! Laß uns ihm entgegen eilen,
zu seinen Füßen stürzen und ihm dan
ken. Vorher aber rasch noch einen
süßen Kuß kleine, schöne, unver
gleichliche Palacios da Tu nun eiti
mal mehr kur die Zunamen bin
Gewiß, gewiß! Hier! Und noch
einen! Einen langen, zärtlichen, mein
einziger, mein lieber, mein kluger
Gogol.
fjans im Glück.
Es giebt Menschen, denen jede Dumm
heit. die sie im Leben begehen, ohne ihr
Zuthun in einen lücksfall umschlägt,
sodaß die Welt sich bald darüber klar
ift, es mit einem heimlichen Schlaukopf
zu thun zu haben. Man behandelt sie dem
gemäß mit einer gewissen scheuen Hoch
achtung. giebt ihnen Ehrenamter der
pflegt ihr bäufigeS Schweigen bei wichti
gen Beschaffen nach dem Sprichwort zu
deuten: Reden ift Silber. . . .
Auch mein Freund Han? Fröhlich
gehörte in diese Kategorie. Schon on
der Lateinschule an. wo die Mitschüler
ihn als Philosophen respektirtm, weil er
zu wenig ruhmredig war, seinen Man
gel an Weisheit zu offenbaren, und
lieber, wenn nöthig, mit den ffäusten
dreinschlug, sollte es sein Schicksal blei
den, daß die Leute beflansig weit mehr
hinter ihm suchten, als er selbst mit
dem ehrlichsten Willen aik seiner Person
zu finden im Stande war. Mit ver
hältnißmäßig jungen Jahren tonnte er
sich bereits als den Präsidenten erschie
dener Bereine, als ersten Vergnügungs
rath, als Tanzorduer und was es sonst
noch für wichtige Stellungen auf dieser
Erde gibt, begrüßen lassen. Welche
Qualen man diesem .Glücklichen mit all
diesen Ehrenbezeugungen anthat, das
ahnte keiner. Ebensowenig, welch
heillose Verwirrungen dieser Mann zu
weilen anrichtete, die sich aber stets wie
auf einen Fingerzeug des Himmels als
gefälliges Etrempore zu lösen pflegten,
für das man ihm nachträglich doppelt
dankbar war.
Oft saß er verzweiflungsvoll in seinem
Zimmer und kaute wüthend an seiner
Cigarre. Herr des Himmels, stöhnte
er, da hat man mir schon wieder ein
neues Aemtchen aufgepackt. Und ich
könnts doch bei Gericht beschwören, daß
ich keine Ahnung von der ganzen m
schichte habe. Aber da kommt nun solch
eine Abordnung strahlender Männer zu
mir: Herr Fröhlich, Sie sind unsere
Rettung.- Sie müffen es sein, Sie oder
keiner. O widersprechen Sie nicht. Das
ist Ihre allzugroße Bescheidenheit, die
wir an Ihnen schätzen, aber gewohnt
sind. Hast du gehört? Bescheidenheit !
Und nun. hagelts Anftuerungen und
Liebenswürdigkeiten aus mich Wehr
losen hernieder, den sie immer wieder
an das Licht der Lampen zerren. Denn
ich kann den Menschen doch nicht em
gegenrufen: Ich danke Ihnen, meine
Herren, aber ich bin, bei Licht besehen,
noch bedeutend dummer als Sie! Das
wäre doch die Dummheit wirklich zu
weit getrieben. .
Trafen wir uns einmal bei einer
Veranstaltung, deren Leitung in seine
vertrauenswürdige Hand gelegt war,
so sandte er mir einen Blick zu, wie ihn
wohl ein römischer Augur bei Opfer
fest und Vogelschau dem in das Wesen
der Dinge. Eingeweihten zuzusenden
pflegte. Was halfs zuletzt, er mußte
sich in seine Rolle fugen. Und stehe da
sie sollte ihm das Glück seines Lebens
bringen.
Ein ihm befreundeter Landwirth trat
nach reiflicher Ueberlequnq in den hei
ligen Ehestand. Die Feier sollte auf
einem Gute abgehalten werden, das bei
prachtvoller landwirthschaftlicher Lage
nur den einen Fehler hatte, daß es von
mehreren Eisenbahn-Stationen gleich
mäßig verschiedene Stunden entfernt
war. Auch Hans Fröhlich war geladen
und als Mustermensch pünktlich einge
troffen. Gegen Mittag fehlte nur noch
ein junges Brautpaar, das jedoch seine
Ankunft fest zugesichert hatte. Nach
seinem Wohnorte konnte man mit tim
qer Gewißheit denjenigen der verschiede
nen Bahnhöfe bestimmen, an dem es
den Zug verlassen würde, und da ja der
gewandte und dien tdefli sene Herr Fröh
lich zur Hand war, so hätte man keinen
bessern bitten können, mit dem Wagen
nach der Station zu fahren, um die
säumigen Herrschaften so schnell wie
möglich heranzuholen. Nachdem man
ihm zur Genüge den Sachverhalt erklärt
hatte, entließ man ihn mit vielen
genswünschen.
Behaglich in die Lederpolster des
Halbverdecks gedrückt, fuhr Hans in den
schönsten Sommertag hinaus. Der
Himmel zeigte nicht das kleinste Miß-
muthswölkchen, die Sonne meinte es
gut, blaue und gelbe Schmetterlinge
tummelten sich auf den werten Wiesen,
die mit dem bunten Schmelz blühender
Blumen überzogen schienen Hans
fühlte sich frei und glücklich Er war
froh, auf ein Stündchen oder zwei den
lachenden und plappernden Menschen
entflohen zu sein, die die unangenehme
Angewohnheit hatten, ihn stets mehr
zu fragen, als er beantworten konnte.
Eine süße Trägheit überkam ihn.
Nichts denken, nichts wollen, nur die
Gottesnatur auf sich wirken lassen.
Auch auf den pferdelenkenden Knecht
schien das Gefühl übergesprungen zu
sein, denn er senkte den Kopf und
träumte von Liebe oder Trinkgeldern,
und die wackeren Rößlein waren wohl
erzogen genug, ihn nicht durch hitziges
Ausgreifen in seinen köstlichen Betrach
tungen zu stören, sondern verfielen in
einen angemessenen Schritt. So ging
es eine gute Strecke lang. Plötzlich
saufte Hans Fröhlich auS seiner Wagen
ecke empor und, den Reft seiner Upmann
wie weiland Sehdlitz seinen Pfeifen
stumpf hoch in die Luft schleudernd,
schrie den jählings zusammenschrecken
den Knecht an: Ter Zug, der Zug!
Schockfchroerenoth, jetzt gehen auch noch
die Lud durch." Und mit einer krei
selförmigen Bewegung schlug er in den
Wagen zurück, wahrend die Pferde,
o. 5t.
durch den ungeahnten Aufschrei Fröh
lich's und durch das schreckhafte Zügel
anreißen des Kutschers scheu geworden,
dahinrasten.
Links lag die Bahnhofshalle, die der
Zug schon vor etlichen Minuten ver
laffen hatte, und auf der Landstraße
vor ihnen bewegte sich eilends ein jun
qes Paar in entgegengesetzter Richtung
des Gutes, die einzigen Passagiere, die
an diesem weltverlorenen Nest ausge,
stiegen waren. Und am Bahnhofs
gebäude vorbei sauste der Wagen wie
ein Gewitter, die Straße entlang, auf
das Paar zu, das, ihn erblickend,
schreiend zu flüchten begann. Mit ge-
spreizten Beinen stand der Knecht auf
dem Bocke, aus Leibeskräften die Zügel
kurz ziehend und aus rauher Kehle ein
Halt, halt!" donnernd, in das sich das
Hülferufen Hans Fröhlich s kläglich hw
einmischte. Endlich war es der Krast
des Bauernburschen gelungen, der
Thiere Herr zu werden. Zitternd und
dampfend hielten sie dicht neben dem
Paare, das am Gmdenrande mnetnge
sunken war, als erwarte es sein Todes-
urtheil.
Hans Fröhlich sammelte sich. Er
trat auf die jungen Leute zu und mit
einer Stimme, aus der noch die leiden
schaftliche Erregung herausklang, fragte
er: Sie tote wollten zur Hochzeit?"
Mit einem Klagelaut brach die junge
Dame vollends in ich zu ammen, ma
rend der in jüngster Jugend stehende
Herr ihn hülflos anstarrte.
. Hans Fröhlich rang noch immer nach
Athem. Bitte in diesen Wagen, ein-
zusteigen," stammelte er. Ich bin aus,
geschickt, sie zu holen. .
Ohne Widerrede kletterten die also
Angeredeten in das Gefährt und kauer
ten sich stumm und crgebungsvoll in die
Eilen. Hans besprach sich kurz mit dem
Kutscher, dem selbst am meisten daran
gelegen schien, daß das Mißgeschick ver
heimlicht blieb, setzte sich dann dem
Paare gegenüber und hüllte sich, da er
schlechterdings nichts passendes zu sagen
wußte, ebenfalls in tiefes Schweigen.
So wurde der Heimweg angetreten und
zurückgelegt. Nach einer Stunde Fahrt
bog der Wagen in den todtenftill da
liegenden Gutshof ein. Eine herbei
gelaufene Magd theilte ihnen mit, daß
die Trauung gleich zu Ende sein müsse.
Hans begab sich deshalb mit seinen
Schützlingen in's Empfangszinmer, in
das sich die Neuvermählten nach dem
feierlichen Akt auf kurze Minuten der
Erholung zurückziehen wollten, um als
dann Cour abzuhalten. Grade waren
sie eingetreten, als sich eine Thür öffnete
und das Hochzeitspaar erschien. Mit
erstaunten Augen blickten sie auf die
bereits Anwesenden. Die von ihnen
Erwarteten waren längst von einem an
dern Bahnhof aus eingetroffen.
Hans Fröhlich trat vor.
Meine Herrschaften," begann er,
hier bringe ich Ihnen die Vermißten,
welche "
Weiter kam er nicht. Aufschluchzend
hatte sich das junge Mädchen der Braut
zu Fußen geworfen.
Verzeihung, Verzeihung!" wimmerte
sie. Ich hätts ,a auch nicht gethan
Aber er sagte, es müßte so sein "
Die junge Braut fragte: Warum
haben sie Ihre Eltern verlassen?"
Ich weiß es selbst nicht!"
Wann sind Sie abgereist?"
Heute früh,"
Und heißen?"
Jda Liebling aus D."
Ah.'' bemerkte Herr Fröhlich, die
Tochter des Fabrikanten Liebling."
,;Wie alt sind Sie denn, meiu Kind?"
fragte die Braut theilnehmend.
.Siebenzehn."
Und Sie?" fragte der Bräutigam
den lungen Mann.
Ich werde in sieben Monateu acht
zehn "
Der Bräutigam führte nun den v-
zweifelten Jungling einstweilen in sein
Zimmer: während die Braut das ver
meinte Madchen in ihre Gemächer ge
leime.
Sagen Tie mal, Sie Tausendsassa,"
lachte der zurückkehrende Gutsbesitzer,
wie haben Sie nur das Unglück wie
der so schnell erspähen und vereiteln
können?"
O," erwiderte Hans erröthend.
.Die beiden rasten vor uns her auf der
Landstraße wie aufgescheuchte Hühner.
Tas kam mir den verdächtig vor, ich
setzte ihnen auf Tod und Leben nach
und donnerte sie an. Sie gestanden
auch gleich, daß sie zur Hochzeit woll
ten, und da nahm ich sie vorläufig
mit."
Sie sind ein großartiger Mensch,
Fröhlich."
Man hatte dem alten Herrn Liebling
telegraphirt. Gegen Abend schon traf
er ein und saß im Beisein Fröhlich's
in einem entlegenen Zimmer über die
Uebelthäter zu Gericht. Wie immer
ging das Weib straflos aui, während
sich bald darauf der junge Herr, eine
romantisch veranlagte Tanzstunden
bekanntschaft, zu Fuß auf den Weg zum
Bahnhof machte, mit solch hochrothen
Wangen, daß man sich zu der Annahme
berechtigt fühlte, nicht allein die Scham
habe sie also gefärbt. Fröhlich aber
wurde feierlich als Lebensretter pro
klamirt und als bevorzugter aus
freund im Kreise der Liebling'S aufge
nommen.
Zwei Jahre später trat er mit der
hübschen Jda eine Hochzeitsreise an, die
aber diesmal ohne (Störung verlief.
Ich kenne kein glücklicheres Paar un
ter der' Sonne. Frau Jda hat eine
unbegrenzte Hochachtung vor ihrem
Gatten, dessen Blicken, ie sie aus Er
fahrung weiß, nichts verborgen bleibt.
Und Hans ist selig im Besitz einer Frau,
bei der er niemals in den Verdacht der
Dummheit gerathen kann. Die Mensch
heit aber schließt sich dem Urtheil der
Frau an. - ' ' ' , .'
Nur mich mißt Hans beim Eintritt
in sein Haus immer noch mit dem be
wußten Augurnblick. Er hat mir in
schwacher Stunde die Geschichte einmal
erzählt. Aber ich plaudere sie ja nicht
weiter.
Di neue Frau!".
Eben hatte ein Zug der Union Pa
eific-Eisenbahn die Station Omaha,
Nedr,, verlassen, als eine schöne, fein
gekleidete Dame den Wagen für Raucher
betrat und sich ohne Weiteres auf einem
Sitze niederließ. Ein hinter ihr sitzen
der Herr tippte sie auf die Schulter und
sagte: Verzeihen Sie, meine Dame'
Es ift dies der Wagen für Raucher." -Ich
danke Ihnen! Ich dachte es!" war
die Antwort. Damit brachte unsere
Schöne eine feine Schachtel Cigaretteir
und ein Schächtelchen mit Wachszünd
Hölzchen zum Vorschein, und gleich dar
auf half sie die blauen Tabaksmölkche
in dem Wagen vermehren. Man lä
chelte, grinste, ließ gedämpfte Bemer
kungen fallen und warf verstohlene
Blicke nach der Raucherin, dieselbe ließ
sich jedoch nicht stören, und bald hatte
man die Sache über dem Studium der
Morgenzeitungen und Journale, in die
sich auch die Dame vertiefte, vergessen.
Hinter South Omaha erschien der Zug
führn im Wagen, und die Cigarrette
zwischen den zarten Fingerchen der
Dame nicht bemerkend, sagte er: Ma
dame! Das ist nicht der Platz für Da
men!" Wirklich?" erwiderte die An
geredete. Ist das nicht der Rauchwa
gen für die Passagiere des Zuges?"
Ja, Madame!" war die Antwort.
Nun gut!" sagte jetzt die Neue!"
Ich rauche, und deshalb bin ich hin!"
Hier werde schmerzlos Zckhn
' herausgenommen",
las Herr Huber, als er die Stadt be
suchte, an einem ganz neuen Schilde.'
Da er schon längere Zeit einen brisen
Zahn" hatte, trat er ein und fragte den
entgegenkommenden Zahnkünstler miß
trauisch: Thut's aber auch wirklich
nicht weh?" Meine Methode, die
Zähne herauszunehmen, schmerzt nicht,
nehmen Sie nur Platz, ich werde sie
Ihnen sogleich erklären." Damit nahm
ex eine Zange und that an dem Zahne
einen machtigen Ruck, so daß Herrn
Huber Hören und Sehen verging.
Sehen Sie," sagte er, so nahm man
die Zähne früher heraus." Nun riß er
nochmals an dem Zahn, so daß Herr
Huder aufschrie. Nicht wahr, das
schmerzt auch? Ja, das ist die Methode
von meinem Concurrenten da drüben.
Und jetzt paffen Sie auf," sagte er, den
ganz losen Zahn mit den Finger her
ausnehmend, sehen Sie, so mache ich
es das thut doch gewiß nicht weh?"
Schlagfertig.
In einem Wohlthätigkeitsbazar zu
Paris ward einst eine Sammlung für
die Hinterbliebenen verunglückter See
leute veranstaltet. Eine der sammeln
den Damen, die Marquise Briffac,
eine reizende junge Dame, tritt mit
ihrem Teller an den Lord Lington her
an. Danke! Ich habe schon gegeben!"
tönt es ihr trocken entgegen. Sie der
beugt sich lächelnd, wie nur eine Fran
zösin lächeln kann. Da holt der Lord
ein Goldstück heraus und legt es ihr auf
den Teller mit den Worten: Hier!
Das ift für ihr schönes Auge!"
Ich hab' zwei, mein Herr!" entgcgnet
die Marquise, und der Lord spendet
unter dem beifälligen Lächeln der Um
stehenden ein zweites Goldstück.
Ein vnffikus.
Du, Mama, gieb mir doch Geld!"
Ja. wozu willst Tu denn schon wie
der Geld."
.Ich ich ich möchte Dir aerne
etwas zu Deinem Geburtstag kaufen.
wenn er kommt.
Deshalb.
Merkwürdig, daß der junge Doktor
ts die aemnknlick f:fcn tilih.nhn
stet
Madchen zum Tanz auffordert."
,.. ! ein Wunder. Er ift Botani
ker und interessirt sich deshalb für Mauer
blümchen."
Entgegenkommend.
Onlel: .Tu mufct f.nn nti.4uftri.
aen. lieber jPiu.io hui i k Munin
'coreioe, ver iu weißt, bei meinem
Alter...."
Neffe Student): Ach. Onkel, ich
könnte Dir ja immer einige fertig ge
schriebe Postanweisungen zuschicken!"
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I