Image provided by: University of Nebraska-Lincoln Libraries, Lincoln, NE
About Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901 | View Entire Issue (May 7, 1896)
Falsch verlobt. P o n lodert H ö i k r. Ein Sommerabcnd dämmerte in den Rheingau hinab, duslig und warm und skhnsuchtSweich. Die grünen Hänge ver schmolzen bei dem Halbdunkel z einem eilen Rund, das einem riesigen Rö merlelch glich, in dem ein ätherisch lcich in Weindunst seine Blume entfaltete und die luftgcössnetc Siele derau fflte. Nun zeigte sich der Mond am Rande des Niederwaldes und schlurste in vollen Zügen den bleichen Dustschaum, welcher schimmernd aus dem Gründe emporzog. Die Stille wurde stiller, die Daseins, wonne wonniger und die Blatter der mich überdachenden Geisoiaitiauve lerne, nen neugierige Ohren zu sein, welche dem hörbaren Klopsen meines Herzens lauschten. Alles traumhaste Bertlarung und sorgenentwöhnte Seligkeit ! So saß ich da in dem Borgarten der schmucken Villa in yatenheim, vor mir eine halbgeleerte Flasche SechSund ech! ziger und ein volles Glas. Es ruhte sich gut aus nach der Wanderfahrt im Heime des alten Studienfreundes. Er selbst hatte sich auf ein Biertelftiindchcn empfohlen, um grau und ,md am Bahnhose abzuholen, die von einem Bc suche in der Nachbarschast zurückkamen. Jetzt hörte ich das Pfeisen der Lokomo- tive; zugleich erhob sich ein leichter Wind und streifte die Wasserfläche, so daß ich nun wieder Wogenrauschen und ein geisterhaftes Geplauder in den Zweigen vernahm. Auch meine Gedanken kamen in Fluß und lenkten sich auf den Freund, von dem ich zu lange getrennt gewesen. Es ist doch merkwürdig, daß Alfred so frühe ein häusliches Glück und ein echtes Glücksbehagen erlangt hat, wöh- rend ich mich noch voll Unrast und meist unbefriedigt in der Welt herumtreibe. Und doch war' ich der Unternehmendere, Entschlossenere, während er vor Schüch ternheit nicht aus und ein wußte, so da wir ihn scherzend das Studenten' sräulein" nannten. Ich machte damals mit den Weibern nicht viel Umstände. Mbert jedoch, der seine stark erotische Natur zu verbergen suchte, wuchs nie über den diplomatischen Muselmann hinaus, der zahllose Schönheiten in sei nen Herzens-Harem einschloß, wovon diese nur nichts wußten. Wie hat der Mensch es nur zu Stande gebracht, sich so schlank weg zu veryeirathen ? Hat er sich dazu auch verschämt eina.e paukt, wie zu seinen Examen, die er zu unserer Uederraschung glanzend bestand, während Niemand ahnte, daß er wirk lich arbeitete? Jetzt ist er ein vielgesuch ter Rechtsanwalt und ein angesehener, wohlhabender Familienvater. Der Duckmäuser hat uns schließlich Alle überlistet. Eine fröhliche Kinderstimme und eine beschwichtigende Frauenstimme werden laut und weiße Motten stoßen an die Lampenkugel, um sich die Flügel zu verbrennen. Ja, ja, auch ich habe mich unnöthiger Weise oft erbrannt, statt Licht und Wärme in re peltvoller Ent fernung ruhig zu genießen. Wann werden meine Dummheiten ein Ende nehmen? Ein kräftiger Schritt und leichteres Trippeln nähern sich, Alfred am Ein gang der Laube ruft mir zu: Nun verlassener Nachtschwärmer, wohin sind Deine Gesuhle gewandert? Ich stelle Dir meine Frau Constanze vor, die sehr bedauert, daß sie Dich nicht schon bei der Ankunft empfangen durste. Das hat man von den plötzlichen UeberfäUen. Und hier noch eine Kleinigkeit: mein Walter. Walter, begrüße den Onkel Rüding." Ein Knabe von sechs Jahren mit dichtem Blondgelock und blauen Schel menaugen sprang auf mich zu, der sich rasch erhoben hatte, ergriff ohne Scheu meine Hand und sagte zutraulich: Onkel Rüding, Tu mußt recht lange bei uns bleiben, der Papa will es. Wir haben noch viel guten Wein im Keller." Alfred schmunzelte, die frische, auf fallend hübsche Frau Constanze reichte mir die Hand und fuhr fort: Immer nimmt mir der Kleine das Wort aus dem Munde. Er bat bereits meinen und Alfred's Plan, Sie möglichst lange hier zu fesseln, verrathen und sogar zu einem schnöden Beftechungsmittel Zu flucht genommen. Seien Sie mir herz lich willkommen als Jugendfreund meines Mannes. Und nun will ich in der Küche nachsehen, damit ein einfacher Imbiß bald besorgt werde.' Sie nickte freundlich, wandte sich um und verschwand. Ter Walter deschäf tigte sich bereits mit meiner Uhrkette und dem daran gehängten Wolfszahn. Alfred hatte sich neben mich hingesetzt, füllte das zweite Glas und rief mir zu: Prosit. Alter!" Wir stießen an. Zu dem Jungen sagte er: Walter, ziehe Deine Hausschuhe an und helfe ein wenig der Mutter. Wenn das Essen fertig ist, darsft Tu wieder kommen." Ich gab dem Kleinen einen kräftigen Kuß. bei dem einige Weinperlen auf seine rothen Backen sich setzten. ir ( j . c.n ...I i . t : i r laqic cu uu, if,ic uutt inui komischer Würde hinzu: Ich werde schon Alles in Ordnung bringen. Und das Obst für Tich, Onkel, pflücke ich selber." Tann rannte er schnell von bannen. Alfred'S Blicke folgten ihm und freudiger Baterftolj leuchtete auS denselben. Eine verspätete Krähe flog über mei mm Haupte dahin und krächzte kurz nd verdrossen. .Nein." sagte ich zu mir, du geflügelter Harpagon, heute erweckst Tu kein Echo in mir. Neid und Weltschmerz habe ich für einige stunden begraben. Wie gefallt eS Dir bei mir, Rü ding." warf Alfred dazwischen, indem er eine Cigarre anbot und sich selbst eine sorgsam anzündete. Mir ist, als wäre ich durch einen himmlischen Zufall an der Küste der Seligen" gestrandet. Ich kann nicht viele Worte machen, da die bcsreite Brust Athem schöpfen will endlos erquicken den Athem." Da hat man wieder den Alles über treibenden Phantasten," demertte Alfred, der mit einem Finger eine Motte abwehrte, welche beinahe den Gluthrma der Cigarre mit den Fühl Hörnchen berührt hätte. Einst impfte mir Dein gewaltthätiger Geist auch manche magere Illusion ein. Toch fetzt habe ich erreicht das Vollgenügen einer befriedigten Kreatur." Fast wäre doch der Neid in mir auf gewacht. Doch ich würgte die häßliche Empfindung in mich hinunter. Und der Forfcherdrang oder richtiger die LcbensNeugierde machte sich bei mir geltend. Sage mir ehrlich, Alfred, wo und wie haft Du Dir das liebliche Weibchen gewonnen ; denn das Uebrige versteht sich von selbst. Tu warst doch eigentlich kein Herzenscroberer, obwohl Tu nur den Muth dazu zu fassen brauchtest. Wer gab Dir diesen Sieg friedsMuth?" Alfred schwieg einige Minuten der legen und warf einen prüsenden Blick auf mich, als wollte er sich vergewissern, daß ich sein Vertrauen nicht mißbrauchen würde. Die phhsiognomische Unter suchung schien ihn beruhigt zu haben. Er räusperte sich und sagte halblaut : Ja, das ist eine eigene Geschichte. Dir, als ältesten Freund, will ich keinen Hehl daraus machen. Aber reinen Mund ge halten !" Selbstverständlich !" antwortete ich, mit einer etwas ärgerlichen Handde wcgung die zudringlichen Motten ver scheuchend. Dabei fiel mir die Asche der Cigarre in das Weinglas. Ich schüttete den Rest mit den Worten aus : Deiner Hausgöttin ! und jetzt erzähle." Er füllte mein Glas, sog einige Mal stark an seiner Cigarre, um diese besser anzufacheu, und begann : Du haft ganz richtig vermuthet, daß ich meinen Erbfehler : die Blödigkeit gegenüber dem weiblichen Geschlechte, zu dem es mich doch mit laufend unsicht baren Armen hinzog, nicht sogleich ab gelegt habe, unter Umständen ihn auch heute noch besäße. Allein der Thor fin det stets einen rettenden Zufall. , Und so ist es auch mir ergangen. Ein Jahr nach Dir verließ ich die Heidelberger Universität und brachte meiye Justiz-Lchrlingsjahre größten theils in der Kanzlei eines Bruders meiner Mutter in Mainz zu. Er führte mich in das heitere, gesellige Leben der schönen Rheinstadt ein, vermittelte meine Bekanntschaft mit angesehenen Familiei?, in denen reizende Mädchen aufgeblüht waren. Du weißt ja, daß Mainz bei einer SchönheitsKonkurrenz der Städte obsiegen durste. Ich wurde überall liebevoll aufgenommen, man kam mir in jeder Weise entgegen, nicht 'm wenigsten von Seiten der holden Rheintöchter. Mein Herz gerieth fort während in lebhafte Wallungen ; aber Körper und Seele blieben ungelenk. Auge und Mund verloren ihre Sprache und qualvolle Empfindungen über meine unmännliche Schwäche waren der Rest. Mein Oheim, der die Idee hatte, mich gut zu verheirathen, ärgerte sich weidlich über mich und brummte vor sich hin : Der reine Tolpatsch, trotz dem er etwas gelernt hat. Das kommt vom dicken pommerschen, Blut seines Vaters ; denn meine Schwester, die sich in den Stettiner vergaffte, hatte ein offenes, frohlauniges Gemüth, Ich muß den Kerl in fein Glück hineinkom mandircn, als wäre ich dessen Unter osfizier. , Sonst kommt er mir nicht weiter." Und richtig, ich werde kommandirt. Der Alte schleppte mich seit einiger Zeit häufig in die Familie eines sehr wohl habenden Bauunternehmers, dessen ein ziges Kind die l jährige Hedmig, von Allen verhätschelt wurde, und in ihren Kreisen die Unruhe in der Uhr war. Mich behandelte die schwarzäugige Heb wig sehr verschieden, je nach ihrer Laune. Bald tändelte ne mit,inir, als wäre ich ein harmloses Kind : bald de handelte sie mich förmlich seindseliq, warf fpitze Redensarten in das Gespräch oder kehrte mir völlig den Rücken. Ich spürte dunkel, daß sie mich kirre machen wollte und fühlte eine unheimliche Angst vor ihr. Als mir deshalb eines Mor gcns der Onkel Anwalt trocken sagte : Tu gehn heute Abend zu den Klinge mann's nach Eltville und hältst um die Hand der Hedmig an," überfiel mir ein großer Schrecken. Ich wagte einen Widerspruch, aber der Onkel blieb un erbittlich. Tu wirft thun, äs ich' sage. Deine Mutter will es auch. Hier, lese' ihren Brief. Sie ist. wie ich, überzeugt, daß Tu nie aus freien Stucken Dich zu einer Werbung ent schließen kannst und zu einem vergrillten alten Junggesellen Dich einmauterft, wenn man Dir nicht einen Stoß gibt. Morgen früh steht die Verlobungsan zeige in der Zeitung, ich selber habe sie vor einer halben Stunde eingeschickt. Und Deine Mutter ist eS. weiche das freudige Ereigniß mittheilt. Tu bist sicherlich nicht so unkindlich, die einsame Mutter, welche in Tir ihren einzigen Trost findet, zu beschämen. So wr baue die Ermahnungen Deiner Mutter ud rüste Dich mit dem Muthe, den selbst der letzte Schneidcrgesclle auf dringt, Um 5 Uhr fährst Tu mit dem Dampfer nach Eltvive ; um 7 Uhr komme ich nach. Ich hoffe, daß da Alles in Ordnung sein wird. Und nun gehe an die Arbeit." Ter tyranische Oheim ließ mich allein mit meiner Bestürzung. Er hatte die Wirkung seiner Gewaltthat nur zu gut berechnet. Tausend unklare Gedanken jagten durch meinen Kopf, aber mein zaghaftes Gemüth ließ sie zu keinem Entschluß reisen. Die Mutter krön ken nein, das darf ich nicht. Und die Hebwig ist wirklich nicht übel. Aber, ob sie mich auch nimmt und mir bei ihrer unberechenbaren Nawr nicht die Schande anthut, mich mit einem Korbe abzuspeisen. Doch die Sache ist i abgemacht, wie der Onkel sagt. Ab' gemacht seufzte ich vor mich hin. Um drei Uhr verließ ich die Kanzlei, nahm in einem Hotel einige Biffcn. zu mir, die schlecht schmeckten. Dann ging ich den Quai entlang auf und ab und blickte nach dem Unheilsminkel hin, der Eltville noch verbarg. Der Fünf-Uhr Dampfer läutete zur Abfahrt. Gleich sam, um mir selbst zu entfliehen, stieg ich ein. Ich dachte: Eine Stunde später erwartet Dich die ganze Klingemann'sche Familie um deiner habhaft zu werden. Ich will wenig ftens langsam mich hineinschleichen in die Ehesalle, die mir gestellt ist. Viel leicht erspähe ich 'noch einen Rückweg, wenn ich mich genügend gesammelt habe; vielleicht hilft mir ein Zufall." So geht es ja allen Unentschlossenen, die von einem unvermeidlichen Geschick hypnotisirt werden. Die Fahrt war herrlich und meine heiße Stirn kühlte der Oberwind. Da zeigten sich schon die umrisse der Rheininsel und da lug, ten aus Baum und Strauchmerk die netten Villen hervor, zwischen" welchen sich der rothe Kirchthurm erhob. SBein, berge umsäumten die liebliche Szenerie. Klopfenden Herzens betrat ich den Landungsplatz. Fünfzig Schritte wei ter rechts winkte die Villa Klingemann's mir mit unverschämter Vertraulichkeit zu. Wie der geöffnete Rachen der Boa den Vogel, so zog es mich dorthin. Ich wußte, wo das Hinterpförtchen der Villa sei und wie man dasselbe durch einen Griff nach Innen zu öffnen können Diesen Weg zu meinem Zwangsglllcke schlich ich hm. Der parkartige Garten zeigte sich völlig leer. Die Bewohner waren natürlich mit wichtigen Vorbcreitunqenen bcichäfiigt Ich schlug mich nach dem Warmhausc mit seinen theilmeise aufgeschlossenen Fenstern, hinter welchen tropische Pslan zen von ihrer südlichen Hcimath träum- ten. Hier schien mir der rechte Zu fluchtsort. Da entdeckte ich zwischen einigen im Halbkreise gestellten Kübel Palmen ein helles weibliches Sommer gewand; die Dame drehte mir den Rucken zu und las m einem Buche, Das konnte nur Hcdwig sein. Vollende es lieber gleich hier, rief eine fremd, artige Stinme aus meinem Innern mir zu. Dann ersparst Du m niastens die Tortur angesichts der An dern. Es dämmerte so lauschig in diesem Palmen-Klofter! Das ver stärkte meinen Muth. Noch stockte einige Zeit mein Athem, dann preßte ich mit Gewalt heraus: Fräulein, ich bitte, sich nicht umzu- sehen. Ich habe Ihnen etwas Wichtiges zu sagen." Ah!" Ilang es halb erschrecken zu rück. Tann aber ruhiger: Doch ich erkenne Sie an Ihrer Stimme, Herr K ammerer. Nein, ich fürchte mich nicht. Plaudern Sie nur Ihr Geheimniß aus! Und ich will mich vorher auch nicht um sehen." Mir schien es, als Hütte die stimme Hedwig's nie so weich und einschmei chelnd mein Ohr berührt. Die Gestalt glich jedoch im grünen Dämmern jener Hedwig's, so weit mein kurzsichtiges Auge es beurtheilen konnte. Hübsch war es wenigstens, daß meine Künftige mirdic peinliche Ausgabe nicht erschwerte. Wieder nahm ich einen Anlauf und fticß hervor: Fräulein, ich kann nicht anders, ich muß Sie heirathen." Jetzt war es heraus. Nur ein lautes Ah!" große Pause, indeß sich die Gestalt nach vorwärts bog, als wollte sie sich verstecken. Darin klang es wieder wie ein erzitternder Hauch: Aber, Herr Kammerer, wir haben uns erst dreimal gesehen!" Was soll daS!" dachte ich, wozu spielt sie noch Komödie?" Etwas ge zmungen war das Kompliment, mit dem ich endlich klare Situation schaffen wollte: Und wenn ich Sie ein einziges Mal gesehen hätte, Sie müßten die Meine werden." Nun wartete ich aus die grvße Touche, die sicherlich kommen würde. Da sprang die Gestalt auf. wandle sich rasch um und im Abendftrahl, der das Gesicht umwob, glänzten mir zwei skucht?ch:mmcrnde blaue Augen entgegen. Ich war ganz verdutzt. Tas war ja Constanze, die Tochter des preußischen Bergrathes aus l'oblenz, die Freundin Hedwig's, die liebliche Liedersängerin. j Wer im Traum von einem Thurm' fällt und plötzlich meinem leichtflüssigen j Element zu schwimmen glaubt, kann mein damaliges Glück verstehen. Statt niedkrgc'chmkltert zu sein von dem un beichikiblichen Wirrwarr, den ich ange richtet, war mir aus einmal, als hätte ich die richtige Losung eines auälenden Problems gefunden. Und scdrn war Constanze an meiner Brust, küßte mich unter Thränen und rief: Auch ich habe Dich, Alfred, beim ersten Blick gc liebt. Ich will Tein sür immer sein." Ich jauchzte aus, der blöde Thor hatte den goldenen Hort gesunden. Und das Küssen erlernte ich ohne jede weitere 5ln leitung in fünf Minuten. Nun galt es aber das Schwerste, Doch mein Muth hatte sich zur Vcrwe genheit gesteigert. Ich ahm Constanze bei der Hand, uud führte sie in die Villa, in deren Erkergcmach sich Fräulein KlingcmannmiteinigenDuzsreundinncn befand. Bor die Erstaunten mit Con. stanze tretend, sagte ich laut: Ich stelle Ihnen, meine Herrschaften, meine Braut vor." Die langen Gesichter hüt, test Du sehen, die verlegenen Beglück, wünschungen hören müssen. Rüding, Es war zum Todtlachen. Und ich fürch, tete mich auch gar nicht mehr. Jetzt muß ich zum Telegraphenamt," fügte ich übermüthig hinzu, um meiner Mut ter Segen zu erbitten. " So verschwand ich und ließ mich nicht mehr feucn Eigentlich ein Rest von Feigheit. Allein ich besorgte ernstlich die Berlodungsän, zeige des Lokalblattes und beauftragte dieses drahtlich, die Namen in dieser Anzeige in der passenden Weise zu än dern. Tas gelang auch. Der Onkel schnitt am nächsten Mor gen ein fürchterliches Gesicht und brummte: Dummkops! Ein ganzes Vermögen hast Du verscherzt. Ich ziehe meine Hand von Dir ab. Mache kunf, tiqhin Deine Eseleien auf eigene Jaust.' Die Mutter war milder. Sie antmor tete telegraphisch aus Stettin, daß sie sich zur Bahn begeben, um meine Braut kennen zu lernen. Sie war froh daß ich überhaupt einen Ehering an den Finger bekam. Du siehst, Rüding, daß Kurzsichtige keit und Blödigkeit nicht immer in's Unglück führen. Mir haben diese Män gel sehr genlltzt. Doch da kommt mein Haussegen." Wieder lief der wilde Knabe voran die mütterlich holdselige Frau Constanze folgte ihm und lud uns ein: Darf ich die Herren zu Tische bitten? Ich faßte Alfred unter den Arm, drückte seine Hand und blickte nach oben zu den leuchtenden Sternbildern, die vom nächtlichen Himmel herabqrutzten, Der Rhein rauschte jetzt lauter irgend eine alte vergessene Wiegensage. Wer doch auch so im holden Ungesähr ankern könnte an der ewig blühenden Insel herzenstreuer Liebe. Warum bin ich beim mikroskopischen Schauen in andere Seelen selbst erblinde!? Nur einmal noch die Unbefangheit des wahren wenn man falsch geht. Humoreske von Aljnd von Hkdknsticrna, Wenn man hübsch und jung ist und alle nothwendigen Dinge, hat, wie Hut. Handschuhe, Halskrause, Sonnenschirm, Mantel, Schuhe und noch dazu alles in tadelloser Ordnung, was sehlt dann noch einem jungen Mädchen? Hat man gar noch lg Kronen im Portemonnaie übrig, was soll man damit anfangen? Für Naschereien sie auszugeben, hat kei nen Zweck, es ist also besser, man läßt sich photographiren. Fräulein Karoline rtromdom, die zum ersten Mal nach Stockholm reiste, um ihre Cousine zu besuchen, hatte alle Einkäufe besorgt. das Geld zur Rückreise zurechtgelegt und außerdem noch 1 Kronen übrig. Bei ihrer Cousine hatte sie sich nach einem Photographen erkundigt, und man hatte ihr einen billigen Photographen empfoh len, denn für einen Hosphotographen reichte das Geld nicht aus. Er sei übri gens ein feiner Mann, inscrire fleißig in den Blättern und wohne in der Com mandantengasse 34, 2 Treppen links, so hatte man gesagt. Sie ging also nach der Commandantengasse, blieb vor dem Hause 34 stehen, sah an dem Fen ster oben das Schild des Photographen, stieg hinauf, klopfte schüchtern 2 Trcp pen rechts an und fühlte, wie ihr dabei das Blut in's Gcsitzt schoß. Ein schöner junger Mann im elegan ten Sommercvstüm, mit prachtvollen blauen Augen öffnete die Thür, er röthete und tat näher zu treten. War das aber ein sonderbares Atelier, ohne irgend welche Versetzstücke, auch die üblichen Arm und Kopshalter fehlten ! Und ein sonderbarer Photograph, ganz schüchtern und gar nicht so dreist, wie sonst dergleichen .Herren find. Mit einer linkischen Gederde lud er das Fräulein ein, aus dem Fauteuil Platz zu nehmen. Also Fräulein sind in Folge meiner Annonce im Tageblatt gekommen", sagte endlich der freundliche junge Herr und wurde noch röther im Gesicht. Gewiß, und kann es nun gleich vor sich gehen?" Aber mein Fräulein, wir müssen doch erst miteinander ein wenig plau dern." Haben Sie die Güte, mir einige Porträts anderer junger Mädchen zu zeigen, damit ich mir eine Stellung wählen kann." Mein Fräulein, da muß ich um Entschuldigung bitten, aber ich besitze keine solche Photographien, denn Sie find die Erste, die mir die Ehre. . . " Um Gotlkswillen, was Sie sagen ! Haben Sie noch niemals Tamen Photo graphirl? Meine Cousine sagte mir doch, daß,.." Gewiß, beruhigen Sie sich nur, mein Fräulein, ich konnte doch nicht ahnen, das Sie so viel aus Erfahrung sehen würden", sagte der elegante junge Herr mit ironischem Lächeln. Reden wir nicht davon", wandte sie ein, Ich möchte nur wissen, ob ich mich besser stehend oder sitzend aus nehme." Sie find entzückend in jeder Siel liing, und was bedeutet denn die Stcl lung sür einen, der Sie immer zu sehen wünscht", sagte der galante junge Herr. Nun aber genug", rief Karoline, möchten Sie mich nun ausnehmen oder nicht?" Aber, mein Fräulein, so eilig wie Sie kann ich mich freilich nicht cnt schließen. Cs muß doch erst Alles bc sprechen werden. Nur das eine will ich gleich gesteben, daß mir Ihr Gesicht außerordentlich gesällt." Ich bin Ihnen sehr verbunden", sagte Karoline mit einer ironischen Ver beugung. Ich glaube aber, in Ihrem Beruse sieht man nicht auf häßliche oder hübsche Gesichter, und Sie werden doch auch nur an Ihren Bedienst ken ken." Genug, meine Gnädige, ich muß Sie bitten, keine Beleidigungen auszu sprechen. Ich gestehe ein, daß vielleicht meine Annonce Sie auf so wunderliche Gedanken gebracht hat. Aber nun sagen Sie mir einmal, was soll ich denn von einem jungen Mädchen den- ken, das hierher kommt, um mit einem jungen Manne ihren Scherz zu trei den?" Mein Herr, sind Sie verrückt? Wel chcr von un Beiden macht hier aller- Hand Umständlichkeiten? Zum letzten Iiiaie frage ich Sie, wollen Sie mv aufnehmen oder nicht?" fragte Karoline und erhob ich, um zu gehen. Der junge Mann aber befand sich in einer derartigen Gemuthsbcweauna, daß seine Stirnadern schwollen und seine Hände zitterten. Schließlich kam er auf Karoline zu, breitete seine Arme aus und rief : Es ist eine Narrheil, sein ganzes Ledensglllck auf ein Blatt Papier zu letzen und ein Wahnsinn, im Tageblatt zu annonciren. Auch ift es verrückt, sein ganzes Leben einem Mädchen anzu vertrauen, daß sich so benimmt wie Sie. Aber als ich Sie zuerst erblickte, wurde mein Herz von einer rasenden Leiden, schaft erfüllt und eine wahnsinnige Liebe erfaßte mich. Mag nun kommen, was da will, ich nehme Sie !" Unter den Sehenswürdigkeiten von Stockholm hatte Karoline auch die neue Irrenanstalt besucht, unv als der junge Mann so zu ihr sprach, da wurde es ihr zur Gewißheit, daß er dorthin gehöre, Sie schaute sich im Zimmer um, ob denn kein Glockenzug vorhanden wäre, und als sie nichts dergleichen entdeckte, stürmte sie zur Thür. Doch der junge Mann vertrat ihr den Weg und kragte, ob sie es sür un- zart halte, wenn er letzt nach ihrem Namen frage. Doch Karoline stürmte an ihm vorüber, riß die Thüre auf, o Schrecken ! das erste, was sie er blickte, war gegenüber das Schild des Photographen. Bestürzt und beschämt blickte sie den jungen Mann an. Verzeihen Sie, mein Herr, aber hier liegt ein fürchterlicher Irrthum vor. Sie sind ja gar nicht der gesuchte Photograph !" Gott sei Tank, nein, ich bin Ritter gutsbesitzer Lündberg." Haben Sie aber nicht selbst gesogt. Sie hätten im Tageblatt annoncirt?" Jawohl, hier ist die Annonce, lesen Sie doch gefälligst." Er ging in das Nebenzimmer, holte eine Zeitung, und Karoline las : ErnfthaftesHeirathsgesuch. Ein junger Landwirth von angcnch men Äußerem, guter Bildung und aus feiner Familie, sucht auf diesem nicht mehr ungewöhnlichen Wege Hier wäre Karoline beinahe in Ohn macht gefallen, doch ich begreife gern, daß sie es aus Schamgefühl lieber nicht that. Tasür weinte sie aber und sagte: Wie, Sie konnten wirklich glauben. daß ich auf ein solches Heirathsgesuch kommen wurde?" Mein Fräulein, was sollte ich glau ben ! Ich schäme mich ja vor Ihnen, aber wenn Sie noch einmal hereinkom men wollten, dann könnten wir uns ja besser besprechen, tenn ich hoffe, daß wir uns doch nicht das letzte Mal gesehen haben. Wollen Sie es mir ver sprechen?" Karoline versprach nichts, sie zog nur ihre Handschuhe an und ging. Die er ften Stunden war sie sehr böse, dann wurde sie ruhiger, und am folgenden Morgen fand sie, daß eS doch Unrecht sei, eines solchen LandjunkerS wegen auf den Photographen zu verzichten. Ter Gutsbesitzer war gewiß schon wieder heimgekehrt. Um elf lldr stand fie aus ver Treppe I des Photographen. H.ute aber ging fie nach links und desand sich sofort in dem Atelier des Photographen. Aber um Gottes Willen, was war denn das? In einem Fauteuil mitten vor dem Apparat, in die Nackenstütze' eingeschraubt, saß Gutsbesitzer l'und; berg mit einer wirklichen Lcichenbitter ! miene. Wahrscheinlich wollte er eine Erinnerung an Stockholm ans sein Gut nehmen Weiß Gott, wie es gekommen ist,! aber Lündberg ließ nicht früher nach, ! und jetzt hat Karoline Strömbom wohl , ein halbes Tutzend Jungens. alle gc! treue Abbilder vom Papa Lündberg.! Ja. da lohnt eS sich wohl, zum Photo- j grapben zu gehen ! Und da sie rechte! Wild'ange sind und viele Kleider und' Schuhe zerreißen, so sind die billigen! Bilder aus der Coi,adntcnil!c theurer geworden, als wenn sie der Hos. Photograph im größten Format gelie scrt hatte. Und wenn seitdem die Heirathsan nonccn immer häufiger geworden sind, so wird eS Familie Lündberg nicht ver dämmen. Frau Lündberg meint natür lich, es sei Leichtsinn, sie z schreiben, und ein anständiges Mädchen solle sich garnicht darum kümmern... Aber sie meint auch wieder: eS sUbrcn viele Thii ' ren zum Glück, und ost kommt man doch schneller zum Ziel, wenn man , falsch geht. ?cr kketmnitzvoUe Aoltant. Da sitzen sie, ihrer Acht an der Zahl, in dem großen Saal, Jeder über seine Schreibtisch gebückt nd mit Eifer die Aktenstücke beschreibend, die zur Erledi gng aufliegen. Von Zeit zu Zeit un terbricht ein Seufzer, ein schweres Aus athmen an dem einen oder anderen; Tische die still dahinfließende Arbeit: ti ist dies wie ein Augenblick der Erholunft von dem Drucke der tropischen Hitze, die sich im Saale bis zur Uuerträglichkeir sühlbar macht und den acht Mönmrn von der Stirne heiß" den Schweiß nie dcrperlcn läßt. Wie wohlthätig würde da eine kleine Erfrischung, ein Gefröre es, ein Glas Bier oder ein Pfiff G'spritzter", die Gemüther beleben und die Arbeitslust anregen! Allein, die acht Männer müssen sich solche Wohlthat versagen, denn die Ercellenz, der ge strenge höchste Chef, der im anstoßenden Gemach bei offener Thür Aktenstücke prüft und erledigt, ist ein Gegner der Erfrischungen im Dienste". Er hat, wie das N. W. Tgbl." erzählt, den Beamten seines Ressorts die Anschaffung von Getränken während der Amtsstun den einfach im Zirkularwege" verboten. Denn die Excellenz hatte mit Aerger wahrgenommen, daß mit der steigenden Hitze auch der Durst seiner Beamten von ' Tag zu Tag sich erhöhte; der Amtsdie ner hatte tagsüber fast nichts Anderes zu thun, als die Bierkrügel und Wein glüser dutzendweise aus dem nahe gele genen Wirthshause zu holen, so daß dir' Arbeitssäle in einzelnen Augenblicken förmlichen Kneipsalons glichen. Dar aushin erließ die Excellenz das Zirkular, welches dem Bier und Weinidyll der Beamten ein jähes Ende bereitete Allein ein Verbot des Chcss löscht den ' Turst der Beamten noch lange nicht Doch wie Bier und Wein herbeischaffen, um sich für einen Augenblick zu er frischen? Da half der Amtsdiener aus. Er brachte, Wein und Bier, die Be omten erfrischten sich nach wie vor, nur die Ercellenz sah und merkte nichts da von. Da eines Tages füllt es dem geftren gen Chef auf, daß der Amtsdiener ei nen mächtigen, wie in braunes Leder gebundenen Folianten, so dick wie vier Conversationslexika, mit großer Vorsicht an seinem Arbeitslobinet vorbei in den anstoßenden Beamtcnsaal trägt. Rasch erhebt sich die Excellenz, und nun ent wickelt sich solgender Dialog: Sie, Amtsdiener, was ist das für sin Foliant und wohin tragen Sie ihn?" Amtsdiener, am ganzen Leibe zitternd: Excellenz, es ist ein großes Rcchnungs buch aus dem Archiv." Ercellenz: Da bin ich doch neugie rig, was darin alles verzeichnet ift. Lassen Sie sehen!" Mit wahrer Leichenbittermiene stellt der Amtsdiener den mächtigen Folian ten" vorsichtig auf den Tisch. Die Ercellenz öffnet eigenhändig den Teckel ober richtiger das Thor" des Riesen buches und bleibt bei dem Anblick dessen, was ihn der Inhalt des Werkes sehen läßt, ftarr. Statt der beschriebenen Blätter enthält das mächtige Buch" einzelne Fächer, in denen gut verkorkte Flaschen mit Bier und Wein wohlver wahrt ruhen. Ter Foliant" hatte sich ganz einfach als ein buchartig gesorm ter, braunangcftrichencr Kasten entpupt, den der schlaue Amtsdiener hatte anscr tigen lassen, um den verschmachtenden Beamten Erfrischungen unauffällig bringen zu können. Tie Ercellenz er theilte dem Schlaumeier und seinen Auftraggebern eine scharfe Rüge und nun wird kein Foliant mehr in den Bcamtensaal geschleppt. Tas Verbot gegen die Erfrischungen im Tienfte ober blieb nach wie. vor in Kraft und dir Beamten müssen ihren Turst mit Was ser löschen. Zwei hübsch eschichtk aus dem eben ttto Rokte weiß ein langjähriger Freund deS ver blichcnen Dichters zu erzählen: Zu Roquette S Obliegenheiten in Tarmftadt gehörte die Verwaltung der Bibliothek der Hochschule. Kommt da ein Student, der den Tichtcr nicht kannte und fragt, ob Waldmeisters Brautfahrt" nicht zu entleihen sei, er habe viel Schönes darüber gehört. Roguette beeilt sich, ihm das Buch zu geben, der Student schlägt es aus, schlägt es aber sofort wieder zu und giebt es zurück. Tas find ja Verse", rust er entrüstet, Verse les' ich nicht !" sprach's und schritt stolz von bannen. Einmal war ine hohe Persönlich keit in Tarmftadt zu Besuch, der auch Roiuette vorgestellt wurde. .Ter Ver sasser der Erzählung Waldmeisters Brautsahrt", flüstert der Adjutant. Ah, ah," rust der Herr und streckt die Rechte dem Tichter eulgegen. Wachtmeisters Brautsahrt". das ist wunderschön. Ich habe auch mal s, 'nen verrückten Wachtmeister im Rczi ment gehabt !" I