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About Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901 | View Entire Issue (April 30, 1896)
Doloro del mondo. 9ln b(t Sappe eine i: o t Utibcam t rit vo X Mit. Angiolina! Eineeigenihümliche Allsregung machte sich unter dem Publikum, welches den wnstlichen Garten dcS eleganten Die ftaurantk aus der Piazza Grande bis zum letzten Plüschen am Abend eines tropisch schwulen Julitages füllte, be merkbar. Angiolina, die Straßen süngerin! Bor wenigen Tagen war sie in unserer Stadt ausgetaucht und hatte in der Spljdtt ihrer auf die öffentlichen ReftaurativnSlolalc und i?ascs be schrünlten Kunst ungewöhnliche Tri umphe gkseiert, die sie theils ihren per sönlichen Reizen, theils aber auch dem entzückenden Vortrage eines seltsamen tiesergreifenden Liedes II Dolore del mondo der Weltschmerz" zu verdan ken hatte. Sie war eine zarte Blondine von elscnartigcr Gestalt, mit einen, kleinen edel geschnittenen Gesichtchen, welchem zwei große schwarze Augensterne einen eigenen Reiz verliehen, der durch einen leichten schmerzlichen Zug um die schmalen rosigen Lippen noch erhöht wurde. Ob derselbe in einem physischen Leiden Angiolina schien am linken Fuße gelahmt zu sein oder in einem seelischen Schmerze seine Grund hatte, ar bisher Allen ein Räthsel geblieben, denn die Straßensüngerin hatte sich mit keinem der Güste der Lokale, durch welche sie allabendlich die Runde machte, je in ein Gespräch eingelassen, und das Grazie Signore!", welches sie beim Absammeln der Spenien mechanisch wiederholte, waren die einzigen Worte, die man von ihren Lippen vernommen. 'Angiolina schien auch unter strenger Obhut zu sein. Ein verwachsener, mit einem Höcker behasteter Mann in mitt leren Jahren, von geradezu abstoßender Häßlichkeit war ihr stets zur Seite und begleitete auch ihren Gesang mit der Geige, welche er mit Geschick spielte. Einen größeren Gegensatz zwischen dem Ideale und der Verzerrung eines Wen schenbildes, wie derselbe in Angiolina und ihrem Genossen zum Ausdrucke ge bracht war, hätte sich die lebhafteste Phantasie kaum ausmalen können. Der Gedanke lag nahe, daß die Straßen söngerin mit Absicht eine solche Wahl ihres Partners getroffen, um durch die sen ö antraft den Werth ihrer persön lichen Reize in desto schärferes Licht zu stellen. Turste man aber diesem zarten Wesen mit dem Antlitz eines Engels ein solches Rassinement zutrauen? Dieser Annahme widersprach schon die That sache, daß die Sängerin vom Krüppel, welcher jede ihrer Bewegungen mit Ar Ausblicken versolgte, in einem gewissen AWngigkeits-Perhültnisse .zu stehen .schien. Angiolina, welche ein kleidsames, aber idealisirtes italienisches Kostüm trug, hatte ihr Eonzert mit einigen Na tionalliedern eröffnet und den gewöhn ten Beisall geerntet. Verlangen wir II Dolore del mondo", bemerkte mein Freund, Hauptmann X., der neben mir saß und für dieses Lied eine schwärmerische Be geisterung hegte. Auch an den anderen Tischen wurde der gleiche Wunsch laut. II Dolore del mondo!" tönte es da und dort. TS n)iififntitTi Innren sofort tVreit. dem Wunsche zu willsahren. Der Krllx pel praludirte aus seiner Geige die ersten Takte und Angiolina stand, die Arme leicht verschränkt, die tiesdunklen, trau menschen Augen zum Himmel gewendet, von welchem Zausende heller Sternlein funkelten. Ein Engel bin ich" entquoll es ihren leicht geöffneten Lippen, und mit einem bei Italienerinnen seltenen Schmelz der Stimme sang sie das herz ergreisende Klagelied des Engels, der vom Paradiese zur Erde niederschwebte, .;rn dort den Weltschmerz kennen zu lernen. Da mi il dolor del mondo. io ti daro dei angeli, dei angeli l'amore." C gieb, o gieb den Weltschmerz mir. Zum Tanke gebe ich dafür Tie Liede Tr der Enget! Ein Beifallssturm brauste über den , Platz, als da Lied mit einem enchüt ternden Aufschrei schloß. Uis. dis!" scholl eS von allen Seiten. Tie Sänge- rin mußte ihr Zauberlied wiederholen und riß .damit das Publikum zu noch größerer Begeisterung hin. Selbst die Tarnen vergaßen der italienischen Titte und apxlaudirten lebhaft. Entzückend, reizend!" Ah wirklich pyramidal, solche Leistung verdiente königliche Belch-iSie nuug." näselte ein junger Mann an ei- nem Nebentische, an welchem mehrere Mitglieder unserer jeunesse doree saß!. Welche nq woyt tewer mit der! -Schwindsucht Teiner Börse nicht der-' trägt." scherzte sein Nachbar. Allgemei! ms Gelächter der kleinen Tvselrunde 1 lohnte den wohlfeilen Witz. 1 Wir geben Jeder ein Guldenstuck ! worin wird Teine königliche Belohnung bestehen?" j . In einem Kusse da sie zum Küssen gelungen bat.' .Bot aller Welt ? Tas ist nicht Teil 1 Pinsk." I Auf Ehre. Gilt'S eine Wette. Sechs Flaschen Rodetet. Wer halt?" ' j .Wir Alle. Top!" j Angiolina halte mit ihrem Teller be- j teil die und begonnen. To Et-' ttägnii irat, wie vorauszusehen war, ein reiches. Kleine Silbermilnzen sah man nur vereinzelt. Ader keine auch noch so hohe Gabe schien den Glcichmuth der Söngerin zu stören. Stets im gleichen Tonsalle klang ihr stcreotpcs: Tanke, mein Herr! Nun stand sie bei dem Tische der jun- gen Elegants. ?unf Guldenstiickc flogen in den Teller. Danke, meine Herren!" Ohne z bemerken, daß der Sachse kci nen Obolus entrichtet, wandte sich An giolina ab. Da saßte sie der junge Mann, der die Wette proponirt hatte, von rückwärts um die Mitte und drückte ihr einen Kuß aus die Lippen. Ueber rascht. aber keineswegs erschreckt blickte Angiolina aus und lächelte. Im gleichen Momente ertönte ein wilder Wuthschrci. Der Krüppel war aufgesprungen und wollte sich mit erho bcnem Sessel zum Tische der Elegants stürzen. Ter Restaurateur aber und ein Kellner, welche den Vorgang recht zeitig bemerkt hatten, hielten ihn zurück und sührten ihn sofort trotz seines Sträubens indasGastlokal. AusAngio lina aber hatte der Schrei eine eigen Ihümliche Wirkung. Wie aus einem Traum erwacht, schreckte sie zusammen, ließ einen Augenblick scheu und wie hilscsuchcnd den Blick über das Publi kum schweifen und eilte dann, ohne ihren Rundgang zu beenden, ihrem Be gleiter nach, Ah was weiter Wette gewon nen! Jean, sechs Röderer," besahl der Elegant und ließ sich mit einem gering schätzigcn Blicke auf seine Kameraden wieder nachlässig auf seinem Stuhle nieder. Als mir am nächsten Morgen im Bureau der Polizeirapport vorgelegt wurde, sand ich darin, daß man im Lause der verflossenen Nacht den Stra ßenmusilanten Pipi Lorenzin wegen eines an seinem Weibe begangenen Mordversuches verhaftet habe. Pipi Lorenzin, ist dies nicht der Krüppel mit der Geige, der gestern Abends auf der Piazza Grande ge spielt?" fragte ä)"btn Wache-Inspektor. Jawohl, Herr Evmmiffär." Und sein Weib?" Angiolina, die Straßcnsüngcrin, welche hier so großes Aussehen erregt." Sein Weid ! Angiolina ist verwun det?" Nur leicht am rechten Oberarm. Lorenzin wollte mit dem Messer einen Stoß gegen ihre Brust führen, doch hat die Straßcnsüngerin denselben nur in den Arm erhalten, welchen sie glück- licherweise zum Schutze erhoben hatte. Lorenzin wurde von den Nachbarn, die auf ihr Hilfeqeschrcl herbeigeeilt waren. bewältigt und unseren Wachen über geben. Er hat noch lange Zeit im Arreste gewüthet, ist aber letzt ruhig. Auch Angiolina und deren Mutter be- finden sich bereits hier, um einvernom men zu werden." Lassen Sie die Straßcnsängcrin ein- treten. Allein?" Nein, mit ihrer Mutter." Zu Befehl, Herr Eommiffür." Wenige Minuten später standen die beiden Frauen vor mir, Angiolina vollkommen ruhig, mit ihrem gewöhn ten träumerischen Blick. Sie trug den rechten Arm mit einem Verbände in einer Schlinge. Ihre Mutter, eine be jährte, hagere Frau, befand sich in sichtlicher Erregung. Sie eilte sosort auf mich zu. Sie kennen den Vorfall, Herr Eom- missar, oh. es ist entsetzlich !" Ich ersuche Sie, zu schweigen, bis Sie gefragt werden. Sonst würde ich Sie auffordern müssen, sich einweilen zu entfernen. " Tie Alte wollte neuerdings erwidern, schien sich dann aber eines Beffcren zu besinnen und sllhrte ihr Taschentuch zum Munde, wahrscheinlich zum Zeichen, daß sie meinem Befehle, so schwcr es ihr auch fallen mochte, Folge leisten wolle. Ich wendete mich zur Straßensängerin. Sie heißen Angiolina Lorenzin?" Angiolina." Sind das Weib des Wandcrmusi kanten Pipi Lorenzin?" Sein Weib?" Ein Schauer schien den Körper der Sängerin zu durch- beben. Seine Gefangene!" Seine Gefangene?" entfuhr es mir überrascht. Jawohl, das Opfer eines bösen Zaubers. Auch Pipi ist nicht, was er , scheint. Seine Mißgestalt ist das Werk j finsterer Mächte, die ihn zu meinem Wärter bestellt. Ader die Stunde der , Erlösung ist nicht mehr fern, in er mein schöner Prinz erscheinen wird, der mir als Bräutigam bestimmt ist." sagte dies ruhig, im Tone voller : Ueberzeugung. Ein entsetzlicher Vcr '. dacht stieg in mir auf. Angiclina. woher sind ?ie?" fragte ich mit einem mitleidsvollen Blick mir das anmuthigk Gc'chops. Aus dem Paiadieie." antwortete sie. AIs ich zur Erde niederfiel, habe ich mir schwer den Fuß verletzt. Wie ehe dies thut ! Weher aber geschah mir noch. als man m,q meinem Ecrderus über-! lieferte. Oh. ich habe den Weltschmerz ! kennen gelernt, den ich auf Erden ge- ; sucht !" Ein Seufzer entstieg der Prust der Unglücklichen, der mir tief in's Herz schnitt. i Ich hatte des Zeichens nicht bedurft. das mir die alte Frau gab, um zu er I kennen, daß vor mir eine Wahnsin I niste stand. Ich klingelte dem Amts-' dienet und ließ Angiolina in das Bor I zimmer mit dem Auftrage geleiten, dort meine Anrrdnungen abzuwarten. j Ihre Tochter ist gristcSverwini?" fragte ich die alte Frau. Tiefe athmete auf: sie war sichtlich froh, vom Zwange des Schweigens er. löst zu sein, und ließ nun ihrer Zunge freien Laus, Was sie mir erzählte, war eine traurige Leidensgeschichte. Angio lina war ein Seiltäuzcrlind. Als Eiiui libristin hatte sie noch vor wenigen Iah rcn Triumphe gkseiert und sich und ihre Mutter erhalten. Ein unglücklicher Zu fall wollte es, daß sie bei einer Prodiik tion stürzte und sich so schwcr den linken Fuß verletzte, daß derselbe gelähmt blieb. Damit war ,ihre Lausbahn im yircus beendet, Angiolina, die außer ihrer Kunst keine Arbeit gelernt, mit ihrer Mutter dem Elende preisgegeben, Ta hatte sich Pipi Lorenzin, der Krüp pel, der schon lauge sür die Seiltänzerin in geheimer, aussichtsloser Leidenschaft entbrannt und derselben als Mitglied des Eircus-Orchestcrs überall hin ge folgt war, genähert und ihr eine ge sicherte Existenz versprochen, wenn An giolina sein Weib werden wolle. Tie unglücklichen Frauen, welche vor sich nur den Abgrund der Schande oder das traurige Loos der Armenversorgung sahen, saßten ohne llederlcgung nach diesem Rettungsmittel. Erst als Angio- lina das Weid Pip, s war, kam stc zum Bewußtsein, welch großes Opfer sie gebracht, und verlor darüber den Verstand. Trotzdem löste der Krüppel die Fesseln nicht, durch welche die lln glückliche an ihn geschmiedet war. Er hatte entdeckt, daß sie in ihrer Stimme einen verborgenen Schatz besitze, ihr einige Lieder mechanisch einstudirt und mit ihr das Gewerbe des Straßenmusi kanten begonnen, das ihm reiche Früchte eintrug. Dabei liebte er das schöne 'Wesen mit dämonischer Leiden- schast und hütete dessen Besitz mit einer wilden Eisersucht, unter welcher Angiolina bitter zu leiden hatte Bei der gestrigen Scene aus der Piazza Grande hatte Pipi bemerkt, daß sein Weib über den Kuß des iunaen Elegants gelächelt und hatte, zu Hause angelangt, der Armen !ie heftigsten Vorwürfe gemacht. Angiolina hatte diesmal seine Schmähungen nicht mit gewohnter Ruhe entgegengenommen. sondern sich dagegen aufgelehnt und den ruppel zu verlai cn gedroht. Taraufhin hatte der Unbold nach dem Messer gegriffen und es ihr in die Brust zu stoßen versucht. Schluchzend stürzte sich die alte Frau als sie geendet, auf die Knie und beschwor mich, dem entsetzlichen Opser. das ihr Kind aus sich genommen, ein Ende zu bereiten und sie und Angiolina aus der Gewalt ihres Peinigers zu erlösen. Eine höhere Macht hatte ihre Bitte erfüllt. Angiolina wurde der Landcs-Jrrcn-anstalt übergeben und dort bald durch den Tod sür immer von ihren Leiden befreit. Ihre Seele ist in jenes Para dies zurückgekehrt, aus welchem sie im Wahne zur Erde niedcrzesticgen zu sein glaubte. Pipi Lorenzin, welcher wegen Mordversuchs zu mehrjährigem schweren Kerker verurtheilt worden war. hat sich nach Erhalt der Todesnachricht seines Weibes in der Anstalt zu G,, wo er seine Strafe zu verbüßen hatte, erdros seit. Auf dem Grade der Straßen sängerin in dem idyllisch gelegenen Torffriedhofe zu P. haben mehrere ihrer einstigen Bewunderer zum Danke sür die Lieder, welche sie einst so entzückt hatten, und vom traurigen Geschicke der Sängerin gerührt einen schlichten Denk' stein setzen lassen, aus welchem neben dem Datum des Todtestages zu lesen ist: t Angiolina, ehe canto e provo il Dolore del mondo. R. I. P. Angiolina, welche den Weltschmerz gesunoen und erprodt, sie ruhe in Frie den !" (Ein Abenteuer Valzac's, Um die Mitte der dreißiger Jahre beabsichtigte der damals hochberühmte Romanschriststeller Honore de Palzar eine Reise zu unternehmen, um dadurch seine Phantasie srisch anzuregen. Sein Verleger, der mit den Werken des sehr beliebten Autors diel Geld verdiente. war über diese, herrliche Resultate vcr sprechende Idee so entzückt, daß er ihm einen prachtvollen Tpazierstock mit eise liertem goldenen Knopfe seVnüc, ein wahres Kunstwerk, wovon die Pariser Zeitungen weitläufige Beschreibungen gaben, indem sie den edlen Verleger priesen. Balzac reiste zunächst nach Brüffel. Am Tage nach seiner dortigen Ankunft promcnirte er beim schönsten !ruhlingSwtttcr durch die Hauvtstranen der prächtigen Hauptstadt Belgiens. l-or dem HaupNenftcr einer anlehn lichen Buchbandlung blieb er stehen und musterte die darin ausgelegten Bücher. Ta sah er denn seine eigenen besten Romane ausgelegt es waren aber nicht die rechtmäßigen Pariser Origi nalausgaden. sondern Brüffclcr Nach drucke. Die belgische Nachdrucksindu ftrie florirte ja damals in üppigster Weise und namentlich die französischen Autoren wurden dadurch arg geschä digt. Balzac eine heißblütige, leicht ausbraulende Natur gerieth bei dem Anblick in bohen Zorn, indem er dachte: Wie viele tau'end Franken würde ich reicher sein, wie diele rechtmäßige Auf lagen meiner Rcmgne hatten mebr er scheinen können, wenn diese verwünsch- ten belgischen Nachdrucke? nicht wären !" Und in seinem berechtigte Zorne vcr goß cr alle Klugheit, hob seinen Pracht vollen Spnzicrstock und schlug damit so ergrimmt auf die größte Glasscheibe dls Schaufensters, daß sie lliirciid zer sprang. Zwci Buchhandlungsgchülfen, ein kleiner Lehrling und ein robuster Marlt hclfcr, kamen Hals über Kops zum Vor schein: die Passanten blieben neugierig steheni es entstand ein Zusammenlaus von Menschen; man glaubte es mit einem Wahnsinnigen zu thun zu haben. Wie aus dem Stroßenpflastcr herdorgc wachsen, erschien auch plötzlich ein Poli zist auf der Bildfläche, der den undc onnenen Autor beim ragen nahm und ihn nach dcm nächsten Polizcikommis sariat hinsiihrte. .Hier legitimme Balzac sich und gab der Wahrheit gemäß zu Protokoll, welche Ursache ihn zu solcher Zornes aufwallung veranlaßt habe. Er hatte Glück: der anwesende Kommiffar war ein Freund und eifriger Leser der Bal zaclchen Romane und aus ausrichtiger Hochachtung vor seinem Licblingsautor ließ er Diesen nicht einstecken, sondern begnügte sich, ihn einen Geldbetrag dcpo nircn zu lassen, mit der Bemerkung. daß cr Schadcnersatz zu leisten und jedenfalls auch eine Geldstrafe wegen Unfug zu bezahlen haben würde. Auch wurde der kostbare Spazierstock als Beweisstück vorläufig zu den Alten gc- nommen. In höchst trübseliger Stimmung ver sügte Balzac sich nach dem Hotel, wo er logirte. Am folgenden Tage berichteten die Brüsseler Zeitungen umständlich über diesen Borfall; auch vergaß kein Be- richterstatter zu erwähnen, daß der be rühmte prachtvolle Spazierstock, von dem jüngst die Pariser Presse so viel Lebens gemacht, nunmehr tonnszirt lei und voraussichtlich fortan unter Knüppeln, rostigen Messern und sonstigen Mord- Waffen im Brüffeler Polizeiarchiv dcm selben zur besonderen Zierde gereichen würde. Diese erschütternde Kunde rührte ei- nige der glühendsten und gefühlvollsten Verehrerinnen der Balzacschen Muse in Brüssel sast bis zu Thränen. Es bildete sich ein Damcnkomite, wclchcs in aller Eile einen überaus prächtigen Spazier- stock anfertigen ließ, der dann aus feier liche Weise dem berühmten. Romandich ter von seinen Verehrerinnen als Ge- schenk überreicht wurde. Unterdeffcn war man aber auch in den höheren Regionen der Brui elcr Po lizcigewalt zu einer milderen Auffas- sung der Sachlage gelangt. Wohl mußte Balzac Schadenersatz leisten und eine kleine Gcldstrase wegen Unfug be- zahlen, aber man beschloß doch, ihm den Spazierstock zurückzugeben; vielleicht auch, weil man annahm, daß andern falls die entrüsteten Pariser Zeitungen ein fürchterliches Geichrci deshalb it heben würden. Und so geschah es denn, daß Balzac, der mit einem prächtigen Spazierstock in Bru ei eingezogen war, nach einiger Zeit die belgische Haupt- stadt mit zwei prächtigen spazierstöcken verließ. Er begab sich zur Hochsaison nach Baden-Baden, wo er auf den Pro menaden Vormittags den einen und Nachmittags den andern Spazicrstock zur Schau trug, lind allgemeine sew sation erregte er, namentlich bei den spleenigen Engländerinnen, erstens durch seine berühmte litcrarischc Persönlichkeit, vor Allem aber durch die beiden Pracht vollen Spazierstöcke. Hn Original. Aus Karl Vogt's Erinnerungen (An? meinem Leben, Erinnerungen und Rückblicke", Stuttgart, Verlag von E. Nägelcj mögen hier noch einige be zeichnende Züge von dcm Senior der medizinischen Fakultät zu Gießen, dem alten Nebel, der dort vor sechzig bis 7 Jahren sein Licht leuchten ließ, wieder gegeben werden. Es war ein würdiges bemoostes Haupt, schreibt Vogt, dcr sich mchr mit Antiquitäten als mit Medizin beschäftigte, ein schönes, klassisches, ciccronianischcs Latein schrieb und sprach und deshalb überall vorgeschoben wurde, wenn es galt, durch derlei Kcnntniffczuimponiren. Seine Medizin hielt bei Boeihave und Twieten stille; wenn ich ihm von einem neuen Buche sprach, sagte er selbstzufrieden Das kaufe ich in zwanzig Jahren ganz wohl feil bei einem Antiquar." Seine Era nienfragen waren schrecklich: Herr ('an didat. was sind Krötenköpse?" Wenn dann dcr vcrzwcifelnde Eandidat nach irgend ciner Erklärung herumsuchte und endlich hcrvorftottcrtc: Eine Art von Mißgeburten!" dann drehte sich der alte Nebel rriumpairend zu seinen Erl legen herum, als wollte er sageni Seht Ihr, dcr junge Mann hat doch den van Smictcn gelesen. " Er selbst! las zwar mchrcre Eollcgia. brachte aber stets nur eins zu Stande: Ueber Zaci ins' Gennania das natürlich von den meisten Medizinern belegt, aber nur von Philologen besucht wurde. Ein besZkn:-g:!ter. grundehrlicher Mann, bis auf Ant:au:taien und Siegel aber da war eS auch zu Ende mit der Ehrlich leit; er stahl wie eine Ratz, d. h. er sammelte, wo es mit immer war, auch in anderen -ammlungen. ohne Arg und Falsch, aus reiner Freude an den Dingen, -cnft auch Kerübmt wegen seines Abscheus gegen das Wasser und die Sci.se. Tie Gattin zwang ihn von Zeit zu Zeit, ein frisches Hemde anzu legen; et zog cS tegelmäßig übet des schmutzige an, das et am Leibe behielt, und erst wenn er ausgebauscht war, wie ein zorniger Schwan, und Rock, Wcstc und Hose nicht mchr zulnöpsen konnte, entschloß er sich, mit einem Male das halbe Tutzcnd von Hemden, welche er an seinem Körper angesammelt halte, abzulegen. Einst sollte ein Maskenball gegeben werden und Ncbel hatte sich in den Kops gesetzt, ebenfalls dort zu er scheinen. Ader welche Maske wählen? Er konnte zu keinem Entschlüsse kom- men und consultiric die älteren Herren, welche sich im sogenannten Fettstübchcn dcs Easinos allabendlich zusammensan den. Wasche Dich", sagte Hosgcrichts rath Pilger, kein Mensch wird Tich erkennen." (Hnr Prophezeiung. Ter kürzlich verstorbene Schriftsteller Arsene Houssaye ist für folgende Ge schichte verantwortlich: Kurz nach der Kriegserklärung im Jahre 1870 woll ten sich Napoleon III, und Eugenik, die beide abergläubisch waren, über den Verlauf dcs Kricgcs von dcr berühmten Kartenlegerin Morcau weissagen las en. Im Geheimen wurde diese nach den Tuilerien beruscn, wo das Kaiscrpaar sie in Gegenwart von zwei Kammcrher ren und zwei Hofdamen empfing. Zuerst mischte die Kaiserin die Karten, aber kaum hatte die Wahrsagerin die ersten auf dem Tische ausgebreitet, als sie entsetzt ausrief: Blut Blut! Nichts als Blut, Niederlagen überall!" In Teutschland?" fragte die Kai serin zuversichtlich. Nein, in Frankreich, erwiderte die Moreau, der Rhein, die Seine und die Loire werden sich mit Blut röthen." Dann warf die Kaiserin die Karten heftig durcheinander, während dcr Kai ser die Rolle des Schweigsamen spielte. Und nun mischte die Spanierin" die Karten zum zweiten Male, aber keines wegs mit glücklicherer Hand. Heldenthaten, aber nichts als Nie derlagen. Ein zweiter Rückzug von Moskau?" klang es noch unheilverkün dender aus dem Munde der Wahr sagerin. Und das Ende?" ließ sich nun Na poleon III. vernehmen. ' Tas Ende? Eine Katastrophe. Ich beschwöre den Kaiser, nicht an den Rhein zu gehen, cr wird nicht von dort zurückkchrcn." Tann mußte der Kaiser selbst die Kar ten mischen, aber wieder wußte die Mo reau nichts als schreckliches Unheil vor herzusagen, so daß man in den Tuile rien von ihr und ihren bösen Weis sagungen genug hatte "Alea jacta est!" sagte der Kaiser, der schon früher die Moreau sür sich im Buche der Zu kunst hatte lesen lassen, wie einst sein großer Onkel die Lenormand, als er noch General gewesen war önig torg der Tritte von Eng land. Als Georg III. nach seiner (iienesunq von einer schweren Krankheit im Jahre li9 sich eine Zeitlang zu Wyomoulh aushielt, machte er an einem schönen Morgen einen einsamen Spaziergang in's Feld. Eine Frau, die den Acker bestellte, war die einzige Person, die derselbe antraf. Ter König ließ sich mit ihr in ein Gespräch ein, und fragte sie, wo die an deren Arbeitet waren? Sie sind alle in die Stadt gegangen, um den König zu sehen" sagte sie. Und warum seid ihr nicht mitge gangm?" frug der König weiter Ich?" erwiderte das Weib ich wollte Nicht eine Stecknadel darum geben, ihn zu sehen! Tie Narren, sie verlieren eine ganze Taqesarbeit. Ich kann das nicht; denn ich habe fünf Kin der zu versorgen: da vergeht einem wohl die Neugierde!" Ter König lobte sie deshalb; gab ihr einige Guineen und nahm mit den Worten von der erstaunten Frau Ab schied: Saget den Anderen, die gegan gen sind, den König zu sehen, daß er hierher gekommen ist, euch zu sehen." Abwehr, Ader, Hugo, das bischen Geld reicht doch nicht aus; Tu scheinst aar keine Ahnung davon zu haben, was eine Frau, wie ich, sür ihre Toilette braucht!" Tas will ich auch gar nicht missen. Ich halte es sür sehr taktlos, sich um die Toilcttengeheimniffe einer Frau zu küm- Unerklärlich, Alte Jungfcr (aus Amcrila in Teutschland zu Besuch): Nun sagen die Leute, ich sei alt. und dabei komme ich aus der neuen Welt." sicherer jrcmcjs. A. Jnfifr meint T'i d,i fr fir mm des GeldcS wegen gchcirathct hat?" ,B.: Ich hadc sie gesehen." Vc: dein Sufffaften. Bauer: Schau, jetzt stach i a mol so a große Stobt und lost blos a Jün seil!" eSetanfenffüriex. Mit der Gardinenpredigt geht's o't wie mit dem Walzer : erst ein Vorspiel, und dann geht dcr Tanz los. Kein Mensch ist so dumm, daß er nicht glaubt, es gäbe ncch dümmere. Wohl mancher Schneidet mochte statt des Rocks den Leid des saumigen Kun den mit dem Bügeleisen bearbeiten. Vtr Kurs lies. Ans üniiein Boom So halb im Troom Ae Giiguck saß, TaS macht inet Echbaß. Zu stehen still: Ob er wer will Mal brophezeih'n Mit Giiguck-Schrei'n, Wie lang' ich leb'? Guguck ! Ich geb' Ae Zeechen ihm; Das Uiigediehm Giebt tarnten Laut, Möcht' aus der Haut Ooch fahren ich. Er riehrt sich nich Uff e Mal seh' Ich ei herrjch ! Daß es Sie gar Kce Guguck war ! Auch sic, Sie: Wie kommt's, daß es jedes Mal, wenn der Frühling beginnt, zwi scheu Himmel und Erde so stürmi ch zu- geht?" Er: Ganz einfach; da will dann eben auch die Erde ein neues Kleid haben " Fortbildung. Sehen Sie mal, die neue Kellnerin thut recht verschämt." Das ist nur im Anfang so; wenn sie erst eine Weile hier ist, dann wird sie unverschämt!"" Vor dem Ndc!Nagnziii, Er: Komm', liebes Kind, es ist ja gar nichts zu sehen!" Sie: Hast 'Du nicht am Altar geschworen, mich zu beschirmen und zu behüten?" vor Gericht, Richter: Sie sind schon wegen aller möglichen Delikte vorbestraft!" Angeklagter: Wegen Herausforde rung zum Zweilamps noch nicht!" . Lchcinliarer IVidersprcl, Der Herr Müller geht jetzt mal recht viel spazieren, alle Tage sehe ich ihn des Vormittags und des Nachmittags aus gehen." Das kann der Mann auch, 'denn der hat sich ja jetzt zur Ruhe ge- Das Aber, Baron: Pferde sind wahrhaftig ein zig vernünftige Geschöpfe. Schade nur, daß Pferde nicht sprechen können." Dame: Wie aber, wenn das Pserd ausplaudert, wie oft es Sie abgeworfen Undank, Taschendieb (zum Kollegen): Wo haft Tu denn die schöne, goldene Uhr her?" Tie hat dcm Vertheidiger gehört, der mich letzthin sreigelriegt hat!" ?as Linzige, A: Na, die Preise im Seebade waren wohl schön hoch, wie?" B: Tas will ich meinen, nur eins konnte ich dort so billig kaufen, wie zu Hause!" A: Was war denn das?" B: Briefmarken und Postkarten." Das nachsichtige arlchcn, Karlcken du dem tben intt,n Papa): Aber, Papa, warum machst Tu denn ein böses Gesicht?" Vater: Weil ich Irnnn mi ss mcucii vrie, uiio iu ai o unartig warst!" Karlchen: Aber. Papa, wenn ich immer ein böses Gesicht machen wollte, wenn Mama mit Dir schilt!" Salomonisches Urtheil von beute, Tas Kind gehört mir." Nein, mir." Rechtsanwalt: finfirr l,,s.l,k d sich der Fall so nicht wird entscheiden laffen, so beantrage ich, daß konstatirt werde, vor welcher von den Frauen der Junge die meiste Angst hat; das ist dann die Mutter." Natürlicher Tob, Richtet: Jht bleibt also dabei, der Sepp wäre eines natürlichen Todes ge starben?" Angeklagter: Allerdings. Herr Gc richtsrath, eines ganz natürlichcn Todes." Richter: Wie wollen Sie Angesichts der so linzweideutigen Zeugenaussagen die Behauptung begründen?" Angeklagter: ..Das i hhr i,,!,,, Herr Genchtsrath. Erscht Hain mer uns in der Goldene Sonn'" mit 'nanner an Ecktikck ,irkckt u u acht Halbe getrunken. Hernach sin mer T-,4,l,.-:x t:..: ' -!.'wim ijifji worre, nacddcr am mer Handel kriegt und da ham m,r aus einander lcä.n'iMn ha einet von uns lieg'n gebliem is. Sie ic.ien icivn. oerr ierichlsrath. es ist alles ganz natürlich Zugänge!" l'orbcrkitct. Warum beikt iirUr Igk? .i., " I" VM.4fV HUHU llch . Zum Raubritter'?" S werden Sie frfjon nSnhn wenn Sie die Rechnung kriegen!" Abwrbr. Richter: .Sie wiffen also von dem Kartcneldiebftabl nichts?" Angellagtet (stolz,: .Nein, an so kleinen Unternehmungen kclhcilige i mich nicht!"