Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, April 09, 1896, Image 9

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Zwei vriidlir,
ä:oii (.', ,irow,
Daß ti manchmal schon schlimm ist,
wenn ein Jüngling ein Mädchen liebt,
wissen wir zum Theil aus Erfahrung,
zum Theil aus dem berühmten Gedichte
von der alten Geschichte, die ewig neu
bleibt. Daß es unendlich viel Schlim
meres bedeutet, wenn zwei Jünglinge
ein Niädchen lieben, das leuchtet
auch dem einsachsten Verstände ein.
Da Allerschlimmste ist jedoch und war
immer, wenn diese beiden zwei Brü
der sind!
Den beiden Brüder Gert 'und Hell.
Muth OrtSdorff war in der That das
große Unheil widerfahren, daß sie sich
in ein und dasselbe Madchen verliebt
hatten. Und hieraus waren schon die
heillosesten Verwirrungen und Mißhel-
Iigieiten entstanden.
Gert, der Weitere, war von ruhiger
und schwerer Gemüthsart. Er halte
ganz das dickdlütige Wesen seiner frie
sischen Landsleute, wenn auch seine
Mutter eine leichtherzige Süddeutsche
gewesen war, Hellmuth war diel mehr
von jener landläufigen Liebenswürdig
keit, die schnell alle Herzen gewinnt,
aber er konnte auch sehr jähzornig wer
den. Beide Brüder bewirthschafteten ge
meinsam das vom Vater ererbte Gut.
Es waren da zwei Herrenhäuser, so daß
selbst für den Fall einer Heirath keine
Trennung zwischen ihnen zu erfolgen
brauchte. Es war eine ausgemachte
Sache, daß dann Gert in dem alten
Gutshause verblieb, während Hellmuth
in das moderne kleinere Wohngebäude
überzusiedeln hatte.
In der legten Zeit war die Einigkeit
zwischen den Brüdern st gestört wor
den. Jeder beschuldigte den anderen
der schlechten Laune, und keiner wollte
eingestehen, daß Mite Fachmitz es war,
die sie uneins machte. Eines Tages
kam Gert nach dem Abendessen auf Hell-
muth zu, legte ihm eine Hand auf die
Schulter und sprach in seiner langsa
men, gewichtigen Art:
Hör' mal, Kleiner, das Muckschen
zwischen uns muß aufhören; es führt
zu garnichts und ist unwürdig."
Also, warum muckscht du denn," la
chelte Hellmuth.
Ich thue es ja garnicht. Aber Mir
wollen doch nicht Versteck miteinander
spielen. Ich bin in diesen letzten Wochen
recht heruntergekommen, gerade weil
wir uns beide so stillschweigend quälten.
, Es ist bester, wir reden. Also sag'
offen: bist du in Mite Fachwitz der
schaffen, ja oder nein?"
Hellmuths Schläfenadern schmollen
an, aber er beherrschte sich.
Ich könnte das ebenso gut dich fra
. gen," sagte er, aber es ist am Ende
gleich ja, ich liebe sie! Und ich werde
sie heirathen."
Betroffen schaute ihn Gert an, und
sein gutes Gesicht wurde um einen
Schein blaffer.
Bist du schon mit ihr einig?"
Einig? Nein, einig gerade nicht.
Aber ich glaube bestimmt, daß sie mich
gern hat."
Gert fuhr sich mit der Hand über die
Stirn.
Ich glaube auch, daß sie daß sie
Dich gern hat.''
Ich glaube auch, daß sie daß sie
Dich gern hat,' sagte er mühsam. Dann
ging er zur Thür, als sei nun weiter
nichts mehr zu sagen, doch an der
Schwelle drehte er sich noch einmal um,
Bruder," sagte er, vielleicht tau
schen wir uns beide. Mädels sind zu
weilen so komisch. Und ich muß Dir
doch erzählen, daß sie mir neulich
einen Kuß gegeben hat."
Was!?" schrie Hellmuth aufsprin
gend. Sie Dir?"
Ja," sagte Gert, und strich sich wie
der über die Stirn. Sie war mit mir
aus dem Tanzsaal gegangen, als ich
eben von Dir zu ihr gesprochen hatte,
draußen im Wintergarten sah sie mich
eine Weile an und wurde ganz ernsthaft.
(Sonst lacht sie doch gewöhnlich, wie
Du weißt.) Und mit einem Mal hebt
sie sich hoch und giebt mir einen Kuß
und sagte: Sie goldene Seele."
Hellmuth war sehr bleich geworden.
Er sah mit brennenden Augen auf feinen
Bruder.
Und dennoch glaubst Du, sie habe
mich gern?" fragte er heiser.
Gert nickte. Gerade deshalb glaube
ich es. Kurz vorher hatte ich Dein Lob
gesungen wir find das ja nicht an
ders von einander gewöhnt, nicht wahr
Hellmuth? und vielleicht siel sie mir
nun aus lauter Dankbarkeit um den
Hals."
Hellmuth trat heftig mit dem Fuße
aus. Der Kukuk hole solche Dankbar
teil." Gert stand noch immer bei der Thür,
verlegen, als habe er etwas Unpassen
des begangen. AIs er endlich gehen
wollte, rief ihm Hellmuth nach:
Morgen wollen wir hinfahren und
uns Bescheid holen, wenn Du willst."
Ja, abgemacht antwortete
Gert und ging in sein Zimmer hinaus.
Luftig klang das silberne Schellen
qetön durch die sonnige Winterluft.
Der Weg zu dem Fachwitz'schm Gute
war nicht wert, wenn man über den
kleinen See fuhr, der die beiden Be
sitzunqen trennte.
Hellmuth, der gewohnlich selbst fuhr,
wollte die Jsadellen dort herumlenken,
aber der alte Kutkcher erhob Einsprache.
.Das Eis ist schon morsch, junger
Der
Jahrgang 16.
Herr (Hellmuth blieb immer der junge
Herr) und der Westmnd geht mir
könnten Unglück haben."
Als der Schlitten mit hellem Geläut
auf den Gutshos fuhr, stand Mite am
Fenster und nickte den Ankommenden
zu. Einige Minuten daraus kam sie
hinter ihrem Vater her in die Wtrtjn
stube und begrüßte ihre Gäste. Jeder
paßte nun aus, was sie dem anderen
für ein Gesicht machen würde. Ach, es
war kein Zweifel, Hellmuth war der
bevorzugte; ihm reichte sie freundlich die
kleine, rundliche Hand und lachte mit
ihren blauen Augen frei zu ihm auf;
Gert gab sie nur flüchtig die Rechte und
kümmerte sich dann weiter nicht um
ihn.
Die Brüder hatten verabredet, daß
der zuerst sprechen sollte, mit dem Mite
zuerst durch Zusall allein bleiben würde.
Zu ehrlich, um einen solchen Zufall
herbeizuführen, blieben beide nun wie
angenagelt auf ihren Plätzen sitzen;
doch machte endlich Mite der Sache ein
Ende.
Denken Sie nur." sagte sie zu Hell
muth, meine gestreiften Kamelien
blühen schon; wollen Sie sie sehen?"
Sie ging nach dem Wintergarten
voran, und Hellmuth folgte ihr, wobei
eine tiefe Röthe von seinem Nacken über
das ganze Gesicht zog.
Aber wie wurde Gert zu Muthe, als
schon nach zehn Minuten sein Bruder
wieder erschien, erdfahl und mit er
loschenen Augen. Der alte Herr Fach
witz war vom Inspektor abgerusen wor
den, und Gert, der allein im Zimmer
war, sprang aus:
Hellmuth sie hat nein ge-
sagt?" Der nickte nur und winkte dem
Bruder, er sollte Mite aufsuchen! dann
rannte er durch den Garten-Saal ge
radeweqs in den verschneiten Park hin
aus. Nun stand Gert vor dem jungen
Mädchen.
Mite," begann er mein Bruder
hat Ihnen gesagt "
Die Stimme stockte ihm, und sie
schaute zu ihm auf, als warte sie.
Hat er Ihnen gesagt, daß
wir beide daß auch ich ich
ich "
Mit einem Male hielt er sie in den
Armen und küßte sie, bis sie sich ibm
entwand.
Du dummer, dummer, lieber
Elephant" (dies war sein Beinanie ge
Wesen von Jugend auf) mehr
konnte ich doch nicht thun, als dir um
den Hals fallen neulich, und da sag
teft du doch nichts!" I
.Ich war so erschrocken, entschul-
digte er sich. Ich dachte immer, du
hast Hellmuth lieber!"
Jawohl!" lächelte sie, du warft
eben ein Blinder! Papa wußte längst,
daß ich dich wollte. Und Andere auch."
Ein neuer Schauer von Kllnen ver-
schloß ihr den Mund
Der arme Hellmuth!" sagte Gert
nach einer Weile.
.O, sei ruhig, den kostet es nicht das
Leben," meinte Mite leichthin.
Der, von dem sie sprachen, lies in.
besten draußen im Park planlos um
her, wie gehetzt von seinem großen
Schmerz. Kleine Mite, kleine Mite, du
hattest es nicht bös gemeint, aber besser
wär's gewesen, du hättest den Brüdern
deutlicher deine Herzensneigung gezeigt.
Nun stand er an einen Baum ge-
lehnt und starrte in den schönen, weichen
Schnee. Und plötzlich sühlte er etwas
Häßliches, Beißendes in sich ausfteigen,
was ihn fremd an die Seele griff und
alle seine Gekühle durcheinander wir
belte. Neid, Neid auf Gert und eine wü-
thende Eifersucht ergriffen Besitz von!
ihm. Er sah nichts, hörte nichts, es
war ihm. als wirbele sein Kopf rundum.
und er biß die Zahne aufeinander, als
wollte er sie zerbrechen.
.Hellmuth! rief es vom Hauie her.
Das war Mite's Stimme. Ja, nun
mußte er hingehen und der Berlobungs
seligkeit beiwohnen und noch dazu thun,
als fühle er sich wohl dabei!
Nein, das war zu unnatürlich,
wollte er lieber allein nach Haus fahren.
Gert würde schon von seinem neuen
chmiegervater einen Schlitten gestellt
bekommen.
Er schlich sich durch das kleine Hofthor
zu den Stallen und befahl anzuspannen.
Aber als er eben heimlich davonfahren
wollte, kam Gert aus dem Hause und
winkte ihm:
Ich sah. daß vom Flur dein Pelz
und deine Mütze weg waren; da habe ich
mich auch schnell verabschiedet ich sahre
jetzt mit dir nach Haus und komme
Nachmittags allein wieder her."
Aber bitte!" sagte Hellmuth höflich.
Wozu willst du dir solche Umstände
machen ich finde auch allein nach
Haus."
Gert beugte sich dicht zu ihm. .Was
haben mir uns versprochen, Hellmuth?"
äNntagsaast.
Beilage zum Nebraska Staats Anzeiger.
sagte er bittend. Weißt du's nicht
mehr "
Hellmuth schmieg verbissen und knallte
mit der langen Peitsche. Fort eilten
die Jsabelle, als flögen sie.
Diesmal nahm Hellmuth den kürze
ren Weg über den See; es trieb ihn.
nach Haufe zil kommen und ganz mit
sich allein zu fein. Und während die
Hufschläge der Pferde dumpf auf dem
Eise wiederhallteii, überkam ihn von
neuern lene quälende Wuth wie vorhin
Er hatte etmaS zerschmettern, irqend
etivas Rasendes thun mögen, um sich
Luft z Ichaffen.
Gert saß schweigend neben ihm. und
gerade diese Ruhe regte ihn nur noch
mehr aus. Natürlich träumte jetzt der
Bruder von Mite's Küsten! Ah, Eine
Blutwelle stieg ihm in die Augen und
machte den Weg vor ihm flimmern und
wanken. Die Pferde fühlten die un
sichere Führung und machten einen Sei-
tensprunq.
Auch gut!" dachte Hellmuth und
lenkte nun in kürzester Linie über den
See, so kommen wir schneller an's
Ufer." Aber das Geräusch der Hufe
und der Kufen war jetzt anders gewor
den, und Gert legte die Hand auf Hell'
muth's Arm.
Wende auf den Weg", sagte er,
Hier können Mir eiubrechcn, hörst du
nicht, daß das Eis hier nicht hält?"
Doch die wühlende Qual in Hellmuth
trieb ihn vorwärts. Mochten sie ein-
brechen! Ja, käme es doch, daß sie eiw
brächen! Ein wilder Haß gegen den
Bruder erfüllte ihn und der deutlich.
furchtbare Wunsch, daß er todt sein
möge, ganz still und todt, damit auch
er das schöne Mädchen nicht besitzen
sollte.
Verwundert beugte sich Ger! vor und
at) ihn an; er blickte in ein aschgraues,
nervös gespanntes Gesicht, in dem ein
paar wirre Augen glühten.
Mit einem sachten Griff suhr Gert in
die Zügel und lenkte nach dem richtigen
Weg zurück. Aber es war schon zu spät
und mit einem dumpfen Krachen
brach das Eis unter ihnen, und der
Schlisten sank ein.
Die Pferde riffen und zerrten in ihrer
Todesnoth an den Strängen, jedoch
unter ihrem wilden Stampfen brach
avch ihnen das Eis unter den Füßen,
und sie sanken ebenfalls.
Der alte Kutscher, der von seinem
kleinen Sitz zur rechten Zeit abgesprun-
gen war, wars sich flach aus den Boden
und griff nach seinen Serren. Doch
war bereits Hellmuth mit all seiner
Kraft und Gewandtheit emporgeschnellt
und hielt nun mit aller Macht Gert um-
saßt, der nicht schwimmen konnte.
Roch waren die Pferde mit den Vor-
derhufen und dem halben Leib auf dem
Eise, und deshalb konnte auch Hellmuth
noch eine Art Halt unter seinen Füßen
an der Schlittenlehne finden, die ab
wärts im Waffer hing.
Schneide die Stränge durch!" schrie
er dem Kutscher zu.
Und es gelang. Kaum sühlten die
Thiere ihre Freiheit, als sie mit einer
mächtigen Anstrengung sich wieder
emporarbeiteten, und bald triefend und
zitternd auf sicherem Boden standen.
Inzwischen hatte sich Hellmuth auf
das Eis geschwungen, und indem er sich
von dem Kutscher bei den Füßen fest
halten ließ, zog er liegend den Bruder
aus dem Wasser heraus und erreichte
mit ihm das nahe Ufer. Dann aber
brach er bewußtlos zusammen.
Gert beugte sich über ihn.
Armer Kerl." murmelte er zärtlich,
armer Kerl."
Dann rieb er ihm das Gesicht mit
Schnee, bis er wieder die Augen auf
schlug und lamqsam zum Bewußtsein
kam.
Kaum hatte er aber seine Gedanken
gesammelt, als ihm eine dunkle Röthe
der Scham ins Gesicht schoß.
Gert," sagte er mit bebender
Stimme. Gert. beinah hätt ich dich
vorhin mit Absicht"
Ach wo," unterbrach ihn Gert be
schmichtigend. Tu hättest dich schon
noch besonnen! Daß hier schon das Eis
brach, war nicht deine Schuld!" i
Doch, doch," beharrte Hellmuth
düster vor sich hinstarrend, es war
meine Schuld; wäre ich auf dem Fahr-!
weg geblieben aber du glaubst
nicht, wie mir auf einmal zu Muthe
wurde. Nein, wie ein Verrückter war
ich."
Ich glaub's schon," sagte Gert gut
müthig. Jeder von uns kann einmal
verrückt werden. Ist es denn nun1
gaziz vorbei?" !
Hellmuth schaute ihm mit einem
reuigen, großen Blick frei in die Augen,
Ganz vorbei !" rief er.
Ja. ja, so ein kaltes Sturzbad ist
manchmal eine wundervolle Kur,"
sagte Gert. Na, nun komm aber,
nun wollen wir zu Fuß nach Hause
gehen und uns trocken lausen. Werten
soll indeß die Gaule besorgen."
,Und Arm in Arm gingen sie zurück
in ihr friedliches Heim, Die eine böse
Stunde hatte sie wieder zur alten inni
gen Freundschaft zusammengeführt.
Der vicbstahl im (Dmnibus.
Thomas Smithsoli, freier ainerikani
scher Bürger, war Direktor der Maschi
nenfadrik Herrn Andcrson's, einer der
größten im Staate New-Bork. Im
reiferen Knabenalter schon war Smith
son als einfacher Arbeiter in den Dienst
der Fabrik getreten und hatte sich bis
zur. höchsten erreichbaren Stelle empor
geschwungen. Seine über jeden Zwei
sei erhabene Rechtschaffenheit erwarb
ihm das unbegrenzte Vertrauen , des
Chefs, in dessen Etablissement täglich
über zweitausend Arbeiter beschäftigt
waren.
An einem Samstag Morgen, nach
einer rastlo er Arbeit gewidmeten Nacht,
übergab Herr Anderson seinem Direktor
eine Anweisung auf fünfzigtausend
Dollars an die KentuckyBank um den
Betrag flüssig zu machen und hiervon
die Lohnauszahlungen zu bewirken.
Mit Rücksicht auf die Höhe der
summe sollte Smith on die Einkasff
rung persönlich besorgen. Thomas
legte den Check in ein umfangreiches
Portefeuille, nahm dieses unter den
Arm und bestieg einen Omnibus, der
in der Richtung der Bank fuhr. Hier
kassirte er das Geld ein, verwahrte die-
ses im Portefeuille und benützte zur
Rückfahrt wieder einen Omnibus.
Mit beiden Händen die Tasche mit
ihrem merthvollenJnhalt auf den Knien
festhaltend, suchte er mit äußerster An
strenqunq dem Schlafe zu wiederftehen.
der ihn nach der ruhelos verbrachten
Nacht heimsuchte. Das einförmige Ge-
räusch der Räder und die rüttelnde Be
wegung dcS Wagens trugen dazu bei,
der Natur zum Siege zu verhelfen,
Smithson kämpfte eine Weile vergebens.
Seine müden Lider schloffen sich und er
schlief ein.
Reben ihm saßen rechts eine umfang-
reiche Gemüsehändlerin, links .ein Herr,
der im Lesen seiner Zeitung vertieft
war.
Ein heftiger Stoß des Wagens weckte
den Schläfer. Er erwachte und stieß
gleichzeitig einen markerschütternden
Schrei aus Das Portefeuille war
verschwunden. Im Wagen saß nur er
allein.
Mit glühendem Antlitze und blut-
unterlaufenen Augen, dem Wahnsinne
nahe, stürzte er fort nach dem Komptoir
seines Chefs, dem er mit einer Stimme,
die kaum noch einen menschlichen Klang
hatte, berichtete, was ihm begegnet
war.
Herr Anderson hörte ruhig zu, run-
zelte die Brauen, sah seinen Direktor
forschend an und sagte dann in gewohnt
abgebrochener Weise:
Merkwürdig frecher Dieb Poli
zei verständigen Nachforschungen
pflegen Anderen Check flüssig ma
chen." Dann schien er sich zu besinnen
und fügte rauh hinzu: Wenn sich die
50,000 Dollars nicht vorfinden, werden
sie auf Ihre Rechnung gesetzt,"
Der Unglückliche erbebte, als habe er
einen elektrischen Schlag empfangen.
duntziatau end Dollars war eine
größere Summe, als er je im Leben zu
erwerben vermochte. Dazu noch der
Argwohn, den er deutlich im Antlitze
seines Chefs gelesen.
Vergebens machten die Polizei und
Thomas selbst alle Anstrengungen. Die-
ser hatte eine Belohnung von 1000
Dollars ausgesetzt, doch ebenso erfolglos.
Zwei Tage waren vergangen und vom
Thäter noch immer keine Spur. Zwei
Tage namenloser Oual. des Schwedens
zwischen Furcht und Hoffnung, nach de
ren Verlauf Thomas Smithson einen
verzweifelten, aber unerschütterlichen
Entschluß faßte.
Am Morgen des dritten Tages brach-
ten sämmtliche Blätter fett gedruckt fol-
gende Ankündigung:
Äamftaq wurde mir in einem nacd
der Wallstreet fahrenden Omnibuffe ein
Portefeuille mit dem Inhalte von 5,0,-
000 Dollars gestohlen, die dem Maschi-
nenfabrikanten Anderson gehörten. Ich
setze hiermit den Dieb in Kenntniß, daß,
wenn er mir das Geld bis Donnerstag
neun Uhr Vormittags nicht zurückgestellt
hat, ich mir eine Kugel durch den Kops
jage. Der Tod eines rechtlichen Mannes
möge feine mich rächende Strase sein.
Thomas Smithion,"
Lvnnerftaq war gekommen und es
hatte sich Niemand blicken lasten. Mit
dem ersten Morgengrauen war Smith
son aufgestanden, hatte mir besonderer
Sorgfalt Toilette gemacht, hieraus
Frühstück eingenommen und traf nun
alle nöthigen Vorbereitungen, der Ehre
sein Leben zum Opser zu bringen.
Mit stoischer Ruh zündete er eine
s. 47.
Cigarre an, setzte sich an seinen Arbeits
tisch und schrieb einige Briefe. Der
letzte galt feiner Mutter, der er in we
nigen Worten ein letztes Lebewohl sagte.
Dann nahm er einen Revolver aus der
Schrcidtischlade. untersuchte die Waffen
sorgfältig, legte sie neben sich und dazu
die Uhr, indem er murmelte:
Halb neun Uhr Noch dreißig
Minuten!"
Dann legte er sich im Fauteuil zurück,
doch so daß er die Uhr im Auge behielt,
und fuhr zu rauchen fort.
Zehn Minuten waren schon vergan-
gen, als plötzlich heftig die Klingel an
der Eingangsthür seiner Wohnung ge-
zogen wurde.
Thomas zuckte zusammen und wurde
blaß wie eine Leiche. Er, der noch eine
Secunde zuvor mit Gleichmuth dem
Tode. in s Auge geblickt, zitterte bei dem
Gedanken an die Möglichkeit, dem Le-
den erhalten zu bleiben.
Herein!" rief er heftig und warf
rasch das Sacktuch über den Revolver.
Die Thüre ging auf und ein ältlicher
Herr mit ergrauendem Haar in elegan
ter, schwarzer Kleidung trat über die
Schwelle.
Sind Sie Herr Thomas Smith
son?" fragte der Fremde, nachdem er
höflich gegrüßt.
Ja, mein Herr.'
Und wohl derselbe, deffen Ankündi
gung ich im Herald" gelesen?"
Allerdings."
Und Ihr Entschluß,..."
Wird nach Ablauf von sechszehn
Minuten zur Ausführung gebracht,"
erwiderte Thomas mit eisiger Kälte,
nachdem er einen flüchtigen Blick aus die
Uhr geworfen.
Gott sei Dank, daß ich noch recht-
zeitig gekommen bin," rief der alte
Herr. Aifo rasch zur Kache."
Das ist nöthig, denn uns bleiben
nur vierzehn Minuten."
Vor Allem gestatten Sie mir, mich
Ihnen vorzustellen. Ich bin der Ban
kier MacLellan."
Thomas verneigte sich.
Ich habe 'eine Tochter," fuhr der
Bankier fort, schön und gut wie ein
Engel, Sie hat Ihre Ankündigung
gelesen und mich inständig gebeten, zu
Ihnen zu eilen und Sie zu retten. . , .
Mein Geschäft ist nur wenig umfang
reich, doch erfreue ich mich in der Han
delswelt eines guten Rufes. Jetzt wür
den sich Aussichten zu ortheilhaften
Unternehmungen hieten, doch bedarf ich
eines rechtlichen Mannes, da ich selbst
zu alt und kränklich bin, um Alles per
onlich zu leiten. Ihre Redlichkeit steht
außer allem Zweifel und wird durch
Ihren Entschluß bewiesen. Fähigkeiten
vesttzen ete, das weiß alle Welt. We
gen eines Geldverlustes sich das Leben
zu nehmen, wäre baarer Unsinn, und
zwar um so mehr, weil damit nichts gut
gemacht ist "
Acht Minuten, bemerkte Thomas.
Hier handelt es sich darum, das er
forderliche Geld zu erwerben, um Ihren
Chef zu entschädigen. Hören Sie also
meinen Vorschlag. Treten Sie in meine
Bank. Ich biete Ihnen ein Jahres
gchalt von 5000 Dollars und Antheil
am Geschäftsgewinne. In fünfzehn
und. wenn das Glück uns begünstigt,
in zehn Jahren, können Sie Ihre
Schuld an Herrn Anderson abgetragen
haben. Nun abgemacht?"
Thomas war kreidebleich geworden.
Einen Augenblick zögerte er, dann legte
er seine Hand in die ihm dargebotene
Rechte.
Dank, ich nehme an," murmelte
Smithson kaum hörbar und Thränen
drängten sich in seinen Augen.
Am nach ten Morgen schon trat er in
die Dienste seines Retters. Mit seinem
Kommen schien auch das Glück im
Hause seinen Einzug gehalten zu haben,
denn alle, zuweilen auch die waghalsig,
sten Unternehmungen waren von Erfolg
begleitet.
Ein Jahr später hatte er an Anders
bereits 4000 Tollars bezahlt und war
nicht nur MacLellan's Komvaanon. kon-
dcrn auch besten Schmiegersohn ge
worden. Im Verlaufe weiterer bn Tiahn
war die Schuld an seinen ehemaligen
Chef getilgt und Thomas Besitzer von
zwölf Millionen und Vater von sieben
mumeren Zungen.
a e, aber kein vollkommenes Glück
unter der Sonne giebt, so kam auch ein
Tag, der einen düsteren Schatten um
sich verbreiten sollte. j
-ein Schwiegervater und R,t! rnr
gestorben. Im Testamente. dak Mac!
Lellan Hinterlagen, war ein t-rfi.it,s
an Smithson gerichtetes Schreiben vor
gesunden worden, das nach dem Wunsche
des Dahingeschiedenen sein Schwiegcr-
,vi civMurn un in lesen ollte.
Das Blatt enthielt nur wenige Zei
len: .Verzeihung! Der Tieb war ich ge-
Wesen. Jene Summe hat mich vor
unvermeidlichem Untergänge gerettet
und unser Glück begründet.
William MacLellan."
Das war die Wolle, die Smithfon's
sonst so glückliches Dasein trübte.
tn freimüthiger rzt.
Toktor Christian Ludwig Heim war
zu Ansang unseres Jahrhunderts eine
der populärsten Persönlichkeiten Ber
lins. Er war Leibarzt der Prinzessin
Amalie, der Königin der Niederlande
und des Kurfürsten von Hesse, bei ih
rem Aufenthalt in Berlin, und zuletzt
auch der Prinzessin Ferdinand. Diese
hohe Frau hatte einen vortrefflichen
Charakter und war äußerst gutmüthig.
Sie und ihr Hof halten aber noch die
Färbung von der Hofhaltung Friedrich
des Großen, der alle Leute Er nannte.
Es kam zwischen ihr und Dr. Heim
folgender charakterisirender Austritt vor.
Die Prinzessin saß in einem prächtige
Audienzsaale auf einem Sofa und de
sah durch ein Vergrößerungsglas, von
der Fußsohle bis zum Scheitel, den ge
wünschten Heim. Tret' Er näher!"
sagt sie und führt dann fort: Ich höre
von Seiner Geschicklichkeit und von Sei
ner großen und glücklichen Praxis sehr
viel Rühmliches. Ich bin darum ent
schloffen. Ihn zu meinem Leibarzt zu
ernennen; solches habe .ich Ihm kund
thun wollen!"
Daraus erwiderte Heim: Eurer Ki
niglichen Hoheit danke ich für Ihr Ber
trauen, aber die Ehre, Ihr Leibarzt zu
sein, kann ich nur unter Bedingungen
annehmen!"
Bedingungen?" entgegnete diePrin
zesfin, die hat mir in meinem ganzen
Leben noch niemand gemacht!"
Nicht?" antwortete Heim scherzend,
dann ist es hohe Zeit, daß Sie das
lernen!"
Nun," entgegnete die Prinzessin,
ich bin begierig, diese Bedingungen
kennen zu lernen ; laß Er hören!"
Die erste ist," begann Heim in bester
Laune, daß Eure Königliche Hoheit
mich nicht Er nennen; das ist nicht
mehr an der Zeit. Der König thut das
nicht, und ich nenne selbst nieinen Be
dienten nicht er. Die zweite Bedingung
i t, da wie mich dann nicht, wie soeben
geschehen, so lange im Vorzimmer war
ten lassen; ich habe keine Zeit zu verlie
ren; der längste Tag wird mir stets zu
kurz. Die dritte, daß Eure Königliche
Hoheit mir nicht so nach den Füßen se
hen; ich kann nicht in Salontracht, son
dern nur in Stiefeln und im bequemen
Ueberrocke koinmen. Die vierte ist, daß
Sie nicht verlangen, ich soll sofort u
Ihnen kommen; ich komme nach Be
schaffenheit der Frankheit, nach Lage
der Straßen und Häuser. Die fünfte
ist, daß Sie-mich nicht allzulange aus
halten und nicht von mir verlangen, ich
soll mit Ihnen von der wetterwendischen
Politik und von Stadtneuigkeiten
schwatzen, dazu habe ich keine Zeit.
Endlich die sechste, daß Sie mich, weil
Sie eine Königliche Hoheit sind, könig
lich honoriren !"
Beide lachten herzlich, und er wurde
Leibarzt der Prinzessin.
mn fSischter Mops.
Der Pariser Gaulois" erzählt fol
gende lustige Geschichte: Eine sehr
reiche Pariser Dame kauste in London
für schweres Geld einen wunderbaren
Mops von sehr seltener Raffe nach
einigen Gelehrten soll diese Raffe über
Haupt nicht existiren und brachte ihn
wohl verpackt nach Paris. Nach einem
Monat merkte sie zu ihrem Entsetzen,
daß das Möpslein erkrankte, und lieb
sofort den Thierarzt holen. Der Dok
tor betastete den Hund, setzte sich erst
eine Brille, dann eine Lorgnette und
schließlich noch eine Lorgnette aus die
Nase, drehte den ungeduldigen Mops
nach vorn, drehte ihn nach hinten, um
endlich lgchend in die Worte auszu
brechen: Aber meine Gnädige, Ihr
Hund ist wohl und munter. Er wird
bald platzen, das ist Alles!" Darauf
legte er das unglückselige Vieh auf den
Rücken und zeigte der Gnädigen, die vor
Schreck einer Ohnmacht nahe war, eine
Naht, welche sich längs der ganzen
Bauchpartie des Mopses hinzog. Fin
dige Leute hatten einfach ein junges
Hündchen von ganz ordinärer Raffe in
das Fell eines hocharistolratischen Mopses
eingenäht. Nachdem das arme Vieh
von seiner Hülle befreit war, zeigte ti
eine unbändige Freude, die es durch
Belllaute von seltener Schönheit kund
gab. Weniger erfreut war seine be
trogene Herrin, aber schließlich machte
auch sie aute Miene iiim bösen Shi!
und beschloß, den Mops, obwohl er kein
Mops war, zu behalten."
llnrerfraren.
Prinzipal (zu dem kürzlich angenom
menen Commis): Sie. ich höre beute
zu meinem Erstaunen, daß Sie schon
wegen Betrug. Unterschlagung, sogar
wegen Diebstahl bestraft worden sind?"
Nun ja, Sie wünschten doch eine
möglichst vielseitigen Menschcn sllr Ihr
Geschäft!"
Bm IWliicr.
Kunde: Sehen Sie nur. wie Sie
mich da gcschnilten haben!"
. Barbier: Ach. entschuldigen Sie
nur. verehrter Herr, das wollen wir
gleich kriegen. So!"
Kunde: .Was bin ich Ihnen schul
dig?" Barbier: Safiren 10 Pf., ein Heft
Pflaster 5, Pf.. Wunddebandlung 2
Pf., macht 40 Pf."
Z! acht vc drei Männer klaue rr