Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, March 05, 1896, Image 9

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kottie.
Nach born ('nglilchcn. Von Tt. A, ohut.
Sollte war ein allerliebste Mädcl und
'ch hattk sie sehr gern. Sie war gut,
munter und hübsch. Schon als Knabe
auf meines Baters Pachthose bewarb ich
mich um l'ottie's Liebe in der altherge
brachten ländlichen Weise, und sie Wußte,
daß ich sie zu nieiner Frau zu machen
gedachte, das heißt, wenn ich je
Heirathe!! sollte. Das Heirathen aber
hatte noch seine guten Wege, denn dic Be
sißung von l'oltie's Pater war nur klein
und meine Aussichten siir die Zulunft
waren auch nicht derart, das! wir je aus
die Erfüllung uuscrer Wünsche hatten
rechnen können. Und da war ich ost
sehr bctrilbt, wenn ich sah, wie auch an
den Burschen Lottie's Reize ebenso be
wunderten wie ich und sie gern, in An
betracht ihrer häuslichen Tugenden zum
Weibe genommen hätten.
Aber obgleich einige von ihnen unter
den Schönen von St als gute
Partien bekannt und begehrt wurden,
so blieb Lottie mir doch treu und Der
sprach mir, zu warten. Da ereignete
sich etwas, was ich für einen Wink der
Borsehung hielt, damit ich doch endlich
iin Stande sein wurde, Lottie heimzu
fuhren.
Ein alter reicher Onkel von mir, der
sich friiher nie m mich gekümmert,
schrieb mir plötzlich zum erstenmale in
seinem Leben. Ich sei fein Pathe, be
merkte er in seinein Briese, und er halte
es für seine Pflicht, sich meiner anzuneh
inen. Es sei eine Stelle in seinem Ge
schiiste frei, und er biete mir dieselbe an;
ioenn ich es nicht vorzöge, auf meines
BaterS Rilbenfeldern fort zu vegetircn
möge ich kommen und sie annehmen.
Ich sollte indessen nicht denken, daß ich in
Anbetracht meiner Verwandschast mit
'ihm faullenzen diirfe, er werde mich Ich
ren, was ich zu thun habe, und er er
warte von mir, daß ich ein fleißiger
Lehrling sein werde. Er theilte mir
mit, wie viel mein Gehalt siir das erste
Jahr sein und wie hoch sich der Zuschuß
im zweiten Jahre belaufen werde. Der
Brief war keineswegs zärtlich, mich aber
erfüllte er niit Entzücken, Nachdem
meine Eltern ihre Freude über meine
Aussichten für die Zukunft Geniige ge
than, eilte ich, Lottie den Brief zu zei
gen. Du wirst ein Jahr auf mich war
ten nicht wahr Lottie?" fragte ich sie.
Dann haben wir Alles, was wir brau
chen. Sie versprach mir, treu auszu
halten, bis ich wieder känie, und nach
dem zärtlichsten Abschiede von ihr verließ
ich sie, überzeugt, daß es lein besseres,
hübscheres und süßeres Mädchen auf
dieser Welt übe als Lottie. Aiit An
bruch des Tages fuhr ich zur Stadt und
acht Tage später trat ich mein Ami in
meines Onkels Eomptoir an. Mein
Onkel war ein guter aber strenger
Mann. Er zahlte gut, wenn die Arbeit
gut ausgeführt war, aber er bestand auf
Fleiß und Gehorsam. Gegen Unred
lichkeiten kannte er kein Erbarmen, und
ich habe ihn ost sagen hören, daß wenn
er einen Sohn hätte und er ihn darauf
ertappte, daß er ihn bestehlen oder zu
betrügen versuche, so würde er denselben
-ebenso bestrafen, wie einen jeden Frem
den.
Ich war bestrebt ihm zu gefallen und
bin von Natur kein Faullenzer, mein
Onkel schien sichtlich mit mir zufrieden.
Sein Compagnon, weniger engherzig
-wie er, lud mich zu sich ein. Dort in
meinem ersten schwarzen Frack, einer
-weißen Eradatte und eine Rosenknospe
trn Knopfloche, trat ich zum erstenmale
-in der Gesellschaft auf, unter den
schükenden Flügeln meines Onkels.
Er, ein alter Hagestolz, der sich nie
viel um Damen bekümmerte, gesellte sich
bald zu einigen Herren, mit denen er
sich in ein ernstes, gelehrtes Gesprach
über Stocks und Eisenbahnen vertieste,
aber die Frau vom Hause erbarmte sich
meiner und führte mich in eine andere
Ecke des Saales, wo eine Anzahl junger
Leute plaudernd und lachend saßen. ,
rate!" sagte sie, und eine elegante
junge Dame erhob sich und trat vor.
Grace, meine Liebe, dies ist der junge
Herr Lascom, Herrn Lascom's Nefse.
Herr Lascom, meine Tochter, Fräulein
Hudson.'
Darauf verließ sie uns. Fräulein
Hudson stellte mich der Gesellschaft vor
und übernahm es, mich zu unterhalten.
Sie forderte mich auf, sie zu Tische zu
führen. Ich würde es niemals gewagt
haben und ich verbrachte einen köstlichen
Abend. Ich dachte an Lottie. Ich
dachte daran, wie hübsch sie sei, viel
hübscher als irgend eines der jungen
Mädchen in der Gesellschast, und doch
welch' ein Unterschied! Wie machten es
diese Mädchen, daß sie,s aussahen?
Warum fielen ihre Kleider in so an
muthige Falten! Wie war ihr Haar so
stilvoll geordnet! Wie stilvoll waren sie
selbst! Sie gingen und verbeugten sich,
tanzten und fächerten sich, nahmen die
Erfrischungen auf ganz andere Weise,
wie unsere Mädchen auf dem Lande.
Ich konnte nichts anderes wünschen als
Lottie möchte sein wie sie, besonders wie
Fräulein Hudson. Wie stolz würde ich
dann auf sie sein! Aber ich konnte mir
nicht verhehlen, daß, wenn Lottie jetzt
eingetreten wäre, in ihrem einfachen
weißen MusielinIIeid und ihrer römi
schen Schleife ich mich deffen, was ich
sooft so reizend gefunden hatte, ein we
nig geschämt hätte. Nicht Lottie's
0 nein, ibrer hätte ich mich gewiß nicht
Beschämt, aber der Art ihrer Anzüge und
hreS Auftretens. Ich war so aufgeregt j
Der
Jahrgang 16.
von AlledkM, daß ich die Nacht nicht
schlafen konnte. Erst gegen Morgen
verfiel ich in eine Art Halbschlummer
und ich träumte, nicht von Lottie, aber
von Fräulein Hudson.
Ich sah nun Grace Hudson sehr oft
und je öster ich sie sah, je mehr lernte
ich sie bewundern; dann und wann
schrieb sie mir kleine Briefe, Wie
verschieden waren sie von Lottie's Brie
fen! Welch' seines Papier und welch'
schönes Monogramm in Blau und Gold!
Ich wünschte sehr, daß mein gutcs
Mädchen besser schreiben und auch inchr
Mühe aus die Orthographie verwenden
möchte; ich trug mich lange mit dem
Gedanken, ihr in dieser Hinsicht einen
Rath zu geben, ehe ich denselben aus
führte. Es war ja nur z ihrem Besten
daß ich sie bat, ein wenig sorgsamer zu
buchstabiren. Aber ich mußte mich da
bei ungeschickt benommen haben, denn
ihre Antwort zeigte mir, daß sie sich be
leidigt gefühlt.
Mein Gewissen machte mir Vorwürfe
und ich setzte mich hin und schrieb ihr ei
neu langen Brief, einen Brief, wie ich
ihn früher an sie zu schreiben pflegte;
aber ich mußte zu einer Gesellschast bei
Frau Hudson, und ich vergaß, den Bries
abzuschicken. Er blieb vier Tage lang
in meinem Schreibpulte liegen, ehe er
zur Post gebracht wurde. In dersel
ben Woche kam Lottie niit ihrer Tante
in die Stadt. Die alte Tante war ein
Sonderling, und trug, es mochte Regen
oder Sonnenschein sein, stets einen roth
baumwollenen Sonnenschirm init sich
herum. Lottie kam zu mir in das
Comptoir, um ein paar Worte mit mir
zu sprechen, und brachte die alte Tante
natürlich mit. Sie hatte keine Unglück
lichere Zeit zu ihrem Besuch wählen kön
nen, denn Fräulein Hudson war gerade
anwesend, um ihrem Pater Geld abzu
schmeicheln, da sie verschiedene Einkäufe
machen wollte. Sie sah Lottie und die
schreckliche Tante.
Ach. was für eine komische Alte,"
flüsterte sie, nicht wissend, daß ich sie
kenne, und wie schlecht sitzt dem jungen
Mädchen das Kleid!"
Und Lottie war zu mir herangekom
men und hatte in ihrer alten herzlichen
Weise gesagt:
.Nun, Eduard, da bist Du ja. Wir
fürchteten schon. Dich nicht zu treffen.
Wir konnten nicht warten, denn wir
haben Retourbillets."
Und Fräulein Hudson hatte es gehört
und hatte groß aufgeschaut und ich
schämte mich und Lottie sah es.
Sie wurde sehr still, und wollte nicht
leiden, daß ich mit ihr in den Bahnhof
ginge. In wenigen Tagen kam ein
kleiner Brief von ihr, und er war ganz
richtig geschrieben; sie hatte sich große
Mühe gegeben, folgende Zeilen zu schrei
ben: Eduard, wenn Leute sich Einer des
Andern schämen, so würden sie sehr un-
glücklich werden, wenn sie zusammen zu
leben gezwungen wären. Du schämtest
Dich meiner, als ich Dich neulich im
Comptoir besuchte, weil mein Anzug
nicht so modern war, wie der jener
Dame, die mich lo anstarrte, lind
Eduard, ich schämte mich für Dich, daß
Du Dich meiner schämtest, und es so
offen zeigtest. Ich glaube, ich schämte
mich am meisten. Lebe wohl! um uw
seres eigenen Glückes willen dürsen wir
uns nicht angehören. Eharlotte.
Ich war beschämt, aber ich muß es
zu meiner Schande gestehen, ich suhlte
eine große Erleichterung. Ich liebte
Grace Hudson, und glaubte sie er
widere meine Gefühle. Wenn ich
meinen Gehalt erhoben hatte, wollte ich
Grace fragen ob sie mich heirathen wolle.
Und dann würde sie gewiß darauf ge
drungen haben, daß ich als jüngerer
Theilhaber in das Geschäft ihres Vaters
eingetreten wäre.
Das Jahr verfloß, und mein Urlaub
nahte heran. Mein Onkel hatte mir
gesagt, daß mein Gehalt erhöht werden
solle. Hoffnung schwellte meinen Busen.
Ich beschloß, ehe ich die Stadt verlassen
würde, um Grace zu werden. Ich fürch
tete ihre Antwort nicht. . .
Wir machten an jenem Tage früher
Feierabend wie gewöhnlich, und als ich
im Begriff war, das Eomptoir zu per
lassen, rief mich Herr Hudson, und han-
digte mir eine Summe Geldes ein mit
dem Bedeuten, ich solle dieselbe in der
Bank dcponiren. Es waren nur hun
dert Tollars.
.Ich denke, Sie werden noch rechtzeitig
kommen, ehe die Bank geschloffen ist.
Sollte es zu spat sein, s, können S la
morgen sruh hingehen. Ich lasse nicht
gern Geld im Eomptoir, und Lascom
hat den Sicherheitsschlüssel mitgenom
men. Ich beeilte mich, so sebr ich konnte,
aber die Bank war geschloffen, ehe ich
ankam. ' So steckte ich das Geld in meine
Tasche zu meinem monatlichen Gehalt.
.Tort ist es m sichersten.' dachte ich.
Ader ich vergaß alles um mich, als ich es
Aonnlagmst.
Beilage zum Nebraska Staats-Anzeiger.
erreicht hatte, daß Grace Hudson mich
ins Treibhaus begleitete.
Wir waren allein, umgeben von süß
duftenden Blumen, wir saßen neben
einander, ihre Hand ruhte in der mei
nigen. Ich sprach zu ihr von meiner
Liebe, und fragte sie, ob sie mein Weib
werden wolle, und sie blickte mich an,
ein leises Erröihen flog über ihre Züge,
und dann rückte sie etwas von niir fort.
Ich bedaure sehr, Herr Lascom, daß
Sie sich so etwas in den Kopf gesetzt
haben," sagte sie. Ich bin um
zwei Jahre' älter als Sie, und
ich kann leinen armen jungen
Mann heirathen, der, entschuldigen Sie
meine Aufrichtigkeit, noch sehr viel zu
lernen hat. Ich muß einen vollendeten
Weltmann haben ein anderer würde
mir nicht genügen. In derThat bin ich
auch mit einem solchen Mann verlobt.
Augenblicklich ist er auf Reisen, aber
gleich nach seiner Rückkehr wird die
Hochzeit sein. Er ist vierzig Jahre alt.
Sie sind noch ein Knabe und ich würde
Ihren ganzen Gehalt siir Glacehand
schuhe und Parsümerien ausgeben.
Doch ich habe Robert Hastings den näch
sten Walzer versprochen. Kommen Sie,"
Eine Stunde später war ich auf der
Straße. Ich hatte versucht, meine Nie
derlage im Wein zu ertränken und war
zum erstenmale in meinem Leben betrun
kcn. Ich erinnere mich, daß ich, als ich
an einem hellerlcuchteten Hause vorbei
kam, von einem Frenidcn angesprochen
wurde, der mir von dem Berinögen er
zählte, das manche junge Männer sich
am Spieltische machten. Eine mahn
sinnige Idee, daß, wenn ich Bermögen
besäße, Grace ihren Anbeter verlassen
und mein Weib werden würde bemäch
tigte sich meiner. Ich erinnere mich
ferner, in das Haus getreten zu sein,
noch mehr getrunken und mich an irgend
einem Spiele betheiligt zu haben. Ich
weiß, daß ich all mein Geld verlor und
gehen wollte, daß mich aber mein ncuge
backener Freund noch zu bleiben bere
dete. Nach zehn Minuten hatte ich auch
das mir anvertraute Geld verspielt.
Von dem, was später geschah, habe ich
keinen klaren Begriff mehr. Der Mann,
der mich also beraubt hatte, war indes
sen nicht allen Mitleids bar. Ich weiß
mich schwach darauf zu entsinnen, daß
ich ihm sagte, wo ich wohne, und daß ich
den nächsten Morgen nach Hause reisen
wolle; er muß mich in den Bahnhof ge
bracht und ein Billet für mich gelöst
haben, denn als ich mit des Tages An
bruch steif und mit heftigen Kopf
schmerzen erwachte, befand ich mich in
einem Eisenbahncoupe und hörte den
Schaffner St.,,. in meine Ohren
brüllen.
Ich stieg aus, wanderte meinen Weg
und meine ganze schreckliche Lage stand
mir klar vor der Seele. Ich hatte
meine Familie in Schande gebracht,
meine Stellung verscherzt und mich einer
schweren, entehrenden Strafe ausgesetzt.
Unter solchen Umständen zu leben, war
zehnfacher Tod. Als ich eine einsame
Stelle erreicht hatte, riß ich ein leeres
Blatt aus meinem Taschenbuche, schrieb
ein volles Bekenntniß nieiner Schuld
nieder und befestigte das Schreiben an
meinem Rocke. Dann zog ich aus der
Brusttasche eine Pistole alle Diejeni
gen in unserem Handelshause, denen
Geld anvertraut war, mußten eine solche
bei sich tragen und hielt sie gegen
meine Schläfe.
In diesem Augenblicke lenkte ein klei
ner Wagen, den eine Frau kutschirte,
in den Weg ein. Es war keine Zeit zu
verlieren, malch druckte ich av. . . .
Ich erwachte eines Tages nach einem
langen festen Schlafe. Ich richtete mich
im Bette auf und fühlte mich schwach
und schwindlig. Ich wußte nicht, was
mit mir geschehen war mein Kopf war
von einer Binde umgeben. Ich lag in
einem fremden Bette, in einem mir un
bekannten Zimmer. In einem Seffel
unweit des Bettes saß ein junges Mad
chen mit blondem Haar und nähte.
Lottie!" rief ich aus ; doch wie sollte
Lottie dahin gekommen sein? Ja, ja,
das Mädchen stand auf und antwortete
mir. Ha, es war Lottie, und jetzt kam
mir die Erinnerung wieder.
Es war ein schreckliches Erwachen.
Warum ließest Tu mich nicht fter
ben?" sagte ich wild. Ich will nicht
leben. Ich habe beschloßen, nicht länger
zu leben."
Da legte Lottie ihre Hände auf die
meinigen und sprach:
Sei ruhig Eduard. Sage mir,
warum Tu des Lebens müde bist?'
Las denn Niemand, was ich ge
schriebe habe? Es war die Wahrheit.'
Ich las es. Eduard,' versetzte sie,
nur ich allein. Ich fuhr den Weg und
fand Dich: ich ahm das Papier von
Teinem Rocke und verbarg es. Niemand
weiß darum wie ich. iienügt Dir das?"
Wie kann mir das genügen? Sie
wiffen jetzt Alle aus dem Eomptoir, daß
ich ein Dieb bin."
Eduard," sagte Lottie, Alles, was
Dir in jener Nacht begegnet ist, bleibt
ein Geheimniß zwischen Dir und mir.
Ich ging den nächsten Tag zur Stadt.
Ich sprach Deinen Onkel und Herrn
Hudson, ich erzählte ihnen, daß Du
schiver verletzt und daß Du zu spät zur
Bank gekommen seiest und daß ich ihnen
das Dir anvertraute Geld bringe, und
sie waren sehr betrübt über Deine
Krankheit und haben ost geschickt und
sich nach Dir erkundigen lassen. Sie
werden nie etwas erfahren.
Aber ich verspielte ihr Geld, Lottie,"
wandte ich ein, Wie konntest Tu es
zurückerhalten?"
Ja, siehst Du, ich hatte gerade hun
dert Tollars, welche die Tante mir ein
mal geschenkt hatte," sagte Lottie, die
Tante ist so gut gegen mich und
und ich nahm das Geld und brachte die
Sache in Ordnung, Du kannst es mir
später zurückgeben. Ich that es
Eduard, ich that es ja um Deiner armen
Mutter willen."
Du bist ein Engel, Lottie!" rief ich
aus.
Du mußt zu mir keinen Unsinn
mehr sprechen," sagte Lottie streng.
Wie liebte ich sie in diesem Äugen
blicke! Wie schön, wie gut und lieb sah
sie aus! Und ich hatte mich dieses Müd
chens geschämt!" Lottie, kannst Du
mir jemals verzeihen?"
Sie versuchte mich glauben zu machen,
daß sie es nie werde, aber sie verzieh und
niemals hat ein Mann ein herzigeres
Weib sein eigen genannt als ich meine
Lottie.
Was den feinen Ton anbelangt, so
ist es wahrhast bewunderungswürdig,
wie leicht Frauen denselben annehmen.
Ich hörte Loltie erst gestern Abends die
feinste und stilvollste Dame in der Ge
sellschaft nennen.
Line schlaue Rothlzaut.
ES war ungefähr hundert englische
Meilen von Fort Walsh an einem schö
nen schneeigen Morgen. Eine Schaar
Eree-Jndianer machte beiin Aufwachen
die vornehme Entdeckung, daß etwa ein
Dutzend ihrer auserlesensten Ponies
während der Nacht gestohlen und weg
getrieben worden waren. So schnell
wie möglich wurde die Verfolgung
organisirt, und nach einigen Stunden
fand man im Schnee eine frische Führte.
Dieser folgte man an die dreißig Meilen
weit; alsdann führte sie gerademegs in
einen Fluß hinein und auf dessen Eis
decke weiter nach einer bewaldeten Insel
in der Mitte des Stromes.
Die Umstände ließen keinen Zweifel
zu, daß man auf der richtigen Spur
war. Man sah auch Rauch zwischen
den Bäumen der Insel aussteigen und
bemerkte eine Oeffnung, welche der Ein
gang einer Höhle zu sein schien, deutlich
genüg. Es dauerte nicht lange, so
erschien eine einzelne Rothhaut, ein
Pieqan-Jndianer, vor dieser Oeffnung;
er hatte Kriegsfarbe und Kriegsschmuck
angelegt, und en Hund war dicht an
seiner Seite. Dieser knurrte und bellte.
sobald er die Nähe des Eree's mittels
seines Riechorgans merkte. Jetzt schaute
der Piegan auf, ließ einen Augenblick
die Aeuglein um und um geh'n" und
verschwand dann rasch wieder in der
Höhle. Nach etwa zehn Sekunden sah
man einen anderen Piegan um die Fel-
sen herum kommen; auch dieser ging
rasch in die Höhle hinein. Tann folgte
wieder einer und abermals einer, und
so fort, immer mit Zwischenpausen von
wenigen Sekunden.
Inzwischen lagen die Eree's ganz still
im Buschwerk am User und zählten ihre
Feinde; sie hatten schon 50 Piegans ge
zählt, welche um die Felsen herum ge
kommen und Alle in die Höhle gegangen
waren, und noch immer dauerte dieses
Kommen und Gehen fort. Einige zähl
ten weiter und brachten es bald auf
Siebzig. Tie Sache sah bedenklich für
die Eree's aus. Konnten sie einen
Kampf mit dieser starken Streitmacht
wagen, welche ohne Ausnahme mit
Winchester-Büchsen wohlbewaffnet war?
Es däuchte den Eree's freilich merk
würdig, daß alle diese Piegans einander
so ahnlich zu sein schienen; nicht nur in
Kleidung, Kriegssarbe und Waffen,
fondern sogar in der Gangart wollte
man eine aussallende Aehnlichkeit be
merkt haben, denn jeder von ihnen
schien am linken Fuß ein klein wenig
lahm zusein. Doch dies gab für die
Eree's der Geschichte erst recht emcn un
heimlichen Anstrich, und ihr Aberglaube
erweckte in ihnen eine starke Befürchtung,
daß der Teufel und andere böse Geister
damit zu thun hätten. Mit einem Teu
sclshcere aber anzubinden, davor graute
ihnen erst recht, obwohl sie durchaus
keine Feiglinge waren.
So vollständig wurden sie von diesen
gruseligen Ojednnken beherrscht, daß sie
sogar noch mehrere Stunden spater, als
sie Verstärkungen erhalten hatten, sich,
No. 41.
nicht entschlicßen konnten, die Insel an
zugreisc und endlich verzwciselnd wie
der abzogen, ohne daß auch nur einige
Krieger Lust gehabt hätte, als Beob
achtungsposten an dieser verwünschten
Stätte zurück zu bleiben. Sie hofften,
daß ein anderes Mal die Gelegenheit
günstiger für sie sein würde, den Pie
gan's Eins auszuwischen, die sich doch
nicht auf Schritt und Tritt der teuf
tischen Protektion versichern würden.
In der Nacht darauf aber wagte sich
doch einer der Crecs, welcher etivas we
nigcr abergläubisch als seine Stammes
genoffen war, an diesen Ort zurück und
ging sachte über das gefrorene Wasser
nach der Insel, um eine Untersuchung
anzustellen. Als er an die besagte ver
muthliche Höhlenöffnung herankam, sah
er etwas, das auch er gar nicht erwartet
hatte: eine Höhle war hier überhaupt
nicht vorhanden, sondern die Oeffnung
führte nur einige zehn Fuß in den Fel
sen, machte dort eine Biegung und kam
an der anderen Seite sogleich wieder
heraus! Jetzt bedurste es keines besonde
ren Scharssinnes mehr, den ganzen Zu
sammenbang zu verstehen, zumal im
Hinblick aus den Uebcrrest eines einzigen
kleinen Lagerfeuers: Es hatte thatsäch
lich nur ein einziger Piegan mit den ge
stohlenen Ponies hier gehaust und er
hatte, indem er längere Zeit beständig
durch jene Oeffnung hinein und auf der
anderen Seite wieder heraus ging u. s. w.
seine Feinde schnöde getäuscht und schließ
iich Gelegenheit gefunden, sich und das
geraubte Gut in Sicherheit zu bringen.
Und Cree und Ponies sah man nie
mals wieder."
Ebenso kunstvoll und einsach haben
aber Indianer auch schon manchmal
Blaßgesichter getäuscht, ohne daß sie sich
auf irgend welchen Aberglauben dersel
ben stützen durften.
Kurchtlose Thiere.
Die Welt ist vollkommen überall, wo
der Mensch nicht hinkommt mit seiner
Qual. In welchem merkwürdigenGrade
Vögel, die von Urzeiten ab nichts mit
der Krone der Schöpfung zu thun hat
ten, jeder Furcht bar sind, zeigte sich auf
der unbewohnten Insel St. Paul im
Dezember 1874. Damals wurde näm
lich eine französische wissenschaftliche Ex
pedition entsandt, um das Vorübergehen
des Planeten Venus vor der Sonnen
scheide von dort aus zu beobachten. Es
wurden provisorische Baracken und Ob
servatorien errichtet, und diese unge
wöhnlichcn Erscheinungen erweckten auch
die Neugierde der dort heimischen dop
pelschöpfigen Pinguine (Eudyptes
Aptenodytes chrysocorne) in un
geheurem Maße. Sie kamen zu den
fremden menschlichen Eindringlingen
und bepickten mit ihrem Schnabel die
wissenschaftlichen Geräthe. Gingen die
Mitglieder der Erpedition auf Fuß
Pfaden, die mit Pinguinen besetzt waren,
so mußten sie diese merkwürdigen Vögel
gar oft mit Gewalt aus die Seite schie-
ven, um Platz zu gewinnen.
Daß solche Geschöpfe sich nur dort er
halten können, wo sie der Mensch nicht
verfolgt, ist von selbst verständlich.
Bon den bewohnten Ufern müssen sie
unerbittlich und noch dazu rapid ver
schwinden, ebenso wie im Norden der
Riesenalk verschwunden ist. Wenn auch
nicht so rasch, geht es den großen, vor-
zuglich geflügelten Herrschern der Luft
auf gleiche Weife. Vor kurzer Zeit las
man über Schritte, die die einst häuft
gen, etzt sehr selten gewordenen Geier,
die übrigens nicht schädlich sind, in Bos
nien vor dem Untergänge retten sollen,
Seit dem Eindringen der abendländi
schen Kultur daselbst scheinen diese im
posanten Vögel auch dort eifrig für die
Naturaliensammlungen erjagt zu wer-
den, vielleicht auch, um lebend in Thier
gärten und Menagerien Verwendung zu
finden.
Tonhöhe der Stimme.
Ueber die Grenien der 5nnliflfi iw
menschlichen Stimme hat Le Eonte
Stevens sehr interessante Untersuchun
gen inder Physical Rcviem" (New Z)ork)
vubliiirt. Der tiefste 3nn nwlA- h
der menschlichen Stimme bisher bekannt
ist, ist das fllnfgestrichene F mit 43
Schwingungen, welcher einem deutschen
Baß. Fischer, im 1. Jahrhundert, zu
geschrieben wird. In der heutigen
Oper findet man selten einen Baß. wel
cher tieser singt, als das drcigestrichene
E (54 Toppelschwinqunaen.) Der Ge
lehrte meint, daß diese Tiefe nur unter
abnormen Bedingungen üdertroffen
wird: es gelang ihm selbst, als seine
Stimmbänder durch einen Influenza
Unfall geschwollen waren, noch das zwei
Töne tiesere A 53 Schwingungen) in
schwachem und sehr unmusikalischem
Schwung zu erreichen. Ein gewöhnlicher
Sopran reicht bis E mit 1024 Schwin
gungen und die mittleren Grenzen der
mcnsckilichen Stimme dürften 1H) für
den Baß und Vm für den Sopran
sein. Adelina Patti erreicht noch G mit
l.VHi Schwingungen mit gutem Klänge.
Mozart bezeugte 1790, daß Lcrezia
Ajugari in Parma noch auf dem drei
gestrichene D trillern konnte. Ganz
außerordentliche Höhen beobachtete Ste
vcns iin Schrei spielender Kinder, wel
(iW n,5 Inii'hi'rhnlti-n '."w'nitsllilllilrll-
zwischen 2500 und 3000 Toppelschwin
gungen vannen tonnte.
Ueber ein Boje aus Reise
berichtet die ff. V. Z.': Bei der Insel
Vlieland am Eingang des für Schiffe
sehr gefährlichen Echnitengat liegt die
sogenannte Belboie (Läuteboje). Es
ist dies eine riesige Tonne von länglicher
Form, aus welcher eine große Glocke
mit einigen Klöppeln befestigt ist. Der
geringste Wellenschlag wiegt die Tonne
auf und nieder und setzt auch die Klöp
pel in Bewegung, wodurch bei stillem
Wetter die Fisch und Schiffer auch zur
Nachtzeit durch leises Klingen auf die
drohende Gefahr durch Sandbänke auf
nierksam gemacht werden. Selbst den
müthcndsten Stiirm übertönt der Schall
der durch die Wellen mißhandelten
Glocke. Diese Läuteboje schlug wäh
rcnd des jüngsten Sturmes von Anker
und unternahm einen musikalischen
Strcifzug über die Zuidersce, wo bald
unter den Schiffern die Sage von un
tcrgegangcnen Dörfern, deren Kirchen
glockcil man bei stiller Nacht vernehmen
könne, wieder lebendig wurde. End
lich strandete die Boje im Norden Fries
lands bei St. Jakobi-Parochie. Dort
vermochte Niemand das klingende Räth
sei zu lösen. Tag und Nacht läutete
die unsichtbare Glocke. Da fanden
spielende Knaben das räthselhafte See
ungeheuer und brachten es in das Dors.
von wo aus es nun wieder an den alten
Ankerplatz gebracht wurde.
Kinderl, jetzt hilft Dir nichts!"
Aus Wien berichtet das Etrablatt":
Das zu Gunsten des Vereins Nikolai"
unter Leitung von Siegfried Wagner
veranstaltete Konzert der Philharmoniker
hat einen Reinertrag von 30U0 Gulden
geliefert. Nach der Veranstaltung der
sammeln sich die Musiker um den Diri
genten und einer hielt eine Ansprache.
Herr Wagner stand hochgerötheten Ant
litzes da und die Künstlerschaar harrte
der Antwort. Jung-Siegfried konnte
jedoch in seiner Erregung die Worte
nicht finden. Endlich nahte sich der
Hofkapellmeister Richter und klopfte dem
Sohne Wagners vertraulich auf die
Schulter: Kinderl, jetzt hilft Dir
nichts, Tu mußt sprechen!" rief der
große Hans und über Siegfrieds Lippen
floß langsam die Rede.
Telephon in der Wüste Tahr.
Der Ingenieur Bayolle, der an der
Spitze der aus 100 Personen bestehen
den telegraphischen Mission von Biskra
nach Tuggurt reist, hat aus seinem 18
Kilometer entfernten Lager zum ersten
Male nach Biskra telephonirt. Er ge
dachte täglich uin fünf bis zehn Kilome
ter vorwärts zu kommen und Tuggurt
Mitte Dezember zu erreichen. Doch hat
sich eine ganz besondere Schwierigkeit
herausgestellt. Die Kameele, die die
Telegraphenstangen tragen, sind an s
lange Lasten nicht gewöhnt, weigern sich
ost. mit denselben vorwärts zu gehen
und legen sich mitten im Marsch damit
auf den Boden.
Lewensregeln.
Die Been boll warm.
Din Kopp wes kold;
An arten ,una.
An Jnsicht old
Soll to den Mund
Un up dat Ohr;
De Kähl holl sucht.
Trög den Humor!
Bi jere Arbeit fix to Been
So plattdütsch Mann, so mag 'k Di
sehn.
in ominöser Ruf.
Jedesmal, wenn ich meinem Diener
.Johann' zurufe, erschrecken Sie!"
Ja, wissen Sie, ich bin Handlung?
reisender."
kzsperbel.
Ter Herr Baron ist wohl ein eisri
ger Jäger?"
N, und ob! Der hat schon zwei Un
fallversicherungs-Gksellschasten danke
rott geschossen!"
Modern.
Dame ,'zum Freier, der eben um ihre
Hand angehalten): .Momentan kann
ich Ihnen leider keine ,,sn n.w
weil ich noch keinerlei Neigung
siir feie ver,pure, . . . aber kommen
Sie nach einer Stunde Mieder!"
Doch was,
ßrftVr Qrhrhnn' Tn ..1
t. il i-ii 7 -"
bald bitt denn trnhe mm ihtif.- in
Lehre jkjangcn?"
Zweiter: Ack, mt fc t
die Stullen wenigstens immer durch'n
,-ci,tuBtiuiig3jui9 anilklen.
Bas Gegengift.
.All'o Jbr Mann sinn w B,,i,A
absolut nicht lassen! Na, was machen
Tie denn dagegen?"
Ich versuche ikn hnrrfi CAmmMk
turnen, ich tauche einfach auch."
3Ni!
Na, gebt? gut als neuer Advokat?"
Ausgcikichnet. obaleick, ick Ki.K,,
blos einen Klienten bade."
.Ist er reich?"
Nein, aber er w a r reich.'
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