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About Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901 | View Entire Issue (Feb. 27, 1896)
J Aolx- I Eine geheime paffton. Humoreske von Älettiider de Neve, TXr frühere Hotelbesitzer, jetzige Ren tier August Bolle war mit seiner Frau srüh S)!orgens in einem eisrigcn Ge spräch begriffen. Ich sage Dir noch einmal," sprach sie. daß ich solche Heimlichkeiten nicht jtinger dulöcn will." .Und ich sage Dir. daß Du Dich um meine kleinen harmlosen Liebhabereien gar nicht zu kümmern brauchst," So, das nennst Du kleine harmlose Liebhabereien, wenn Du Dich stunden lang in einem Zimmer einschließt und dort herummirthschaftest. Wenn Gutes vorginge, oder auch nur Harmloses, o brauchtest Du nicht so heimlich damit zu sein. Gewiß treibst Du dort Dinge, iie das Licht scheuen." ,Ach was, Licht scheuen! Hat sich was a Licht scheuen! Wenn Du wüßtest, was ich da mache, Du würdest sicher" Aber dann sag' mir doch, was es mit dem geheimen Kabinet für eine Be andtniß hat; dann ist ja alles gut !" Das geht nicht, geht absolut nicht !" Siehst Du wohl, daß ich Recht habe, es muß doch also wohl " Thue mir den einzigen Gefallen und laß uns abbrechen. Verlaß Dich dar auf, daß im Zimmer nichts Böses ge schieht, nicht das geringste, und damit gieb Dich zufrieden." Du hast gut reden. Ich soll mich zufrieden geben, wenn mein eigener Mann ö, es ist abscheulich!" Nun höre aber endlich auf mit Dei mm Lamentiren! Mußt Du denn wegen solcher Kleinigkeiten schon am frühen Morgen Spektakel anfangen?" Ich fange nie Spektakel an, wie Du das nennst. Ueberhaupt ist Spektakel in ganz unpassender Ausdruck, der durchaus nicht in ein nobles Haus ge lort." Bist Du glücklich wieder bei Deinem Thema angekommen? Nobles Haus, Noblesse, das sind Deine Schlagwörter. Damit stehst Du auf, und damit gehst Du Abends zu Bette. Ich pfeife auf die ganze Nobleffe." ' Solche Reden zu führen! Wenn das unsere Licsbeth hörte!" Mag sie's hören! Ich habe den gan zen noblen Krempel satt. Was zu viel ist, ist zu viel." O, dieser Barbar! Liegt Dir so wenig an dem Lebensblück Deines Kin des?" Daran liegt mir eben so viel, wie Dir. Das können wir aber auch mit weniger Nobleffe schon ganz gut zu! Stande bringen." Ich sehe wohl ein, mit Dir ist heute mal wieder nicht zu reden, Du vergißt ganz, daß Du Dich im Salon be findest." Salon hin, Salon her! Ich bin früher ohne Salon glücklicher gewesen, 18 jetzt. Uebrigens bin ich hier in meinem Hause, wo ich denn doch wohl sprechen kann, wie ich's meine und wie mir der Schnabel gewachsen ist." Nein, ich halte es nicht länger aus, meine Nerven ertragen solch ein Beneh wen nicht. Aber Du wirft es schon be reuen, merke Dir das, August !" Räch diesen Worten ging Frau Therefe Bolle in das Nebenzimmer, um ihren Gatten mit seinen Gedanken allein in las en. Er blickte ihr eine Weile nach, dann krach er: Nun hat sie auch schon 9ier, den! Was man sich doch im Lause der Zeit alles angewöhnen kann. Nerven ! Davon hat sie früher nichts gewußt, als ir noch die Hotelwirthschaft hatten. on früh bis spat zugreisen mußten und 'Abends froh waren, wenn wir uns endlich ausruhen konnten. Und jetzt klommt meine Therefe vor Langeweile nd Hochmuth Mlgräne und Nerven. Ich glaube, wenn ich nicht ab und zu meiner kleinen Passion nachgehen könnte, hätte ich mich schon längst auf- gehängt; denn diese Bornehmthuerei meiner Frau ist gar nicht mehr auszu- halten." Er ging darauf einige Male nach' denklich im Zimmer auf und ab ; dann blieb er plötzlich stehen und sagte vor sich hin : Aber daran ist blos das diele Geld schuld, das ich zusammen verdient yabe, das ist ihr in den Kops geftie, en " Plötzlich hielt er in seinen Monologen inne und richtete die Augen anhaltend ach einer bestimmten Stelle auf dem Hutzboden. Was hat er dort erblickt? Was ist es. was seinen Blick fesselt? Ein Paar Stiefel find'? ; die seine Auf- mnksamkeit erregt gaben. Aha. da spielt mir ein glücklicher Zufall ja wieder ein Paar in die Hände ! Flink, daß mich meine holde Gattin nicht damit erblickt. Schnell die Stiefel nehmend, eilte er Mit diesen in das Rebengemach. Frau Bolle hatte sich inzwischen zu ihrer Tochter begeben, um derselben iniae Wirthschasts-Tlspofltimen zu er theilen; aber die Tochter mußte wohl a Mutter aus den Augen gelesen ha den, daß sie etwas drücke. AI sie kaum den Salon betreten hatte, begann die Tochter: .Aber, Mama, s sag' mir doch, was Dich quält." .Ach. Kind, wie kann ich ! Gerade Vr nicht," entgegnete Frau Bolle. .Du wirft es mir. Deiner Tochter, 'doch wohl am ersten sagen können, wenn Dich etwa bekümmert." .Ja, solltest Tu denn nicht schon selbst bemerkt haben, daß in den letzten sechs Wochen " .Was denn, Mama?" j Die Frau zögerte etwas, ehe sie Ant wort gab ; endlich sprach sie : Daß in unserem Hause nicht alles so ist, ivie es sein sollte?" Ich weiß nicht, was Du meinst, Mama." ; Nun ist Dir denn au Deinem Papa nichts ausgcsallcn?" Die Tochter schüttelte mit dem Kopse. Aber Kind," fuhr die Mutter fort, denk doch 'mal nach." Licsbeth sann einen Augenblick nach. Ja ja wohl !" sagte sie dann. (r trögt jetzt wieder mehr runde Hüte, während er sonst immer mit dem Cylin der ausging." Du ahnungsloses Kind ! Denk' doch 'mal an das geheiinnißvolle Zimmer !" Ja das ist aber auch wahr !" Nun. siehst Du !" Das ist wirklich sonderbar, daß Papa sich in letzterer Zeit so häufig ein schließt." Ja. es ist fast mehr als sonderbar !" Was macht Papa denn eigentlich da drin?" Weiß ich's?" Da ist ja eben mein Kummer, daß er Heimlichkeiten hat vor mir, vor dem ganzen Hause, daß Nie mand in jenes Zimmer, das früher eine gewöhnliche Rumpelkammer war, hineinkommen darf, ausgenommen die scr abscheuliche Mummel, den ich nie mals leiden konnte, auf den aber Papa große Stücke hält!" Nun, der Papa wird wohl seine Gründe dazu haben, wenn er sich heim lich einschließt. Am Ende giebt's nächstens für uns Alle eine hübsche Ueberraschung, die Papa da drinnen ganz verschwiegen vorbereitet." Liesbeth wandte sich jetzt von dem Gespräche ab, setzte sich an den Tisch auf ein Fauteuil, ergriff die Zeitung und begann darin zu lesen. Das unschuldige Kind!" sagte Frau Bolle leise vor sich hin, als sie die letz ten mit großer Naivetät gesprochenen Worte ihrer Tochter gehört hatte. Es ahnt das Entsetzliche nicht, aber ich ahne es! Der Falsche! Unter unserm eige ncn Dache veranstaltet er Zusammen künste ich mag es gar nicht ausden ken ! O, diese Männer ! Sie hatte auch gar nicht Zeit, aus zudenken, denn eben klingelte es. Sie lief daher hinaus, ehe ihr die Tochter zuvorkommen konnte, welche zu diesem Zwecke aufgesprungen war. Liesbeth setzte ihre Zeitunaslektllrc fort, nach einigen Minuten stutzte sie und sah vom Blatte auf. Was soll ich ansangen vor Angst!" sprach sie. Diese Notiz hier in der Zeitung und dazu das gehcimnißvolle Zimmer und das seltsame scheue Wesen Papa's o ich stürbe, wenn es so wäre ! Wo steht es denn? Hier !" Und sie las : Seit etwa vierzehn Tagen sind größere Mengen gefälschter Banknoten mit un geheurem Raffinement in den Verkehr gebracht worden. Die Nachahmung die ser Scheine ist eine so geschickte, daß nur das geübteste und sachkundigste Auge die Fälschung entdecken kann. Die so- fort angestellten Recherchen lassen mit Sicherheit vermuthen, daß der Sitz der ,fäl cherbande in unlerer Stadt vier m suchen ist. Hoffentlich gelingt cö den eifrigen Bemühungen der Behörde die Zhäter zu ermitteln." Wenn das mit Papa's geheimniß' vollem Zimmer zusammenhinge," mo nologisirte sie dann weiter, wenn er selbst 0, ich kann s gar nicht denken und doch! Wozu sonst diese Heimlich keit in seinem Thun und Treiben? Und ich kann nicht einmal Jemandem davon sagen es ist gräßlich! Wenn die Po lizei Gefängniß. O, mein Kopf, mein Kopf! Es ist zu schrecklich! Schnell jetzt zur Mama, um ihr meinen Verdacht mitzutheilen." Die Zeitung in der Hand verließ sie schnell das Zimmer, um ihren Vorsatz zur Ausführung zu bringen. Sie war kaum heraus, als aus einer der Seiten thüren das Faktotum Volles, Jodokus Mummel, den Kopf hereinsteckte. Niemand hier?" sagte er verwun- dert. Um so bester; dann kann ich ihm diese zwee Paar Stiebet hier ooch wieder mschmuggeln, damit er seine Passion befriedigen kann na, so 'n verrückter Kerl! Ja, jcdcsThierchen hat sein Plai- irchen wayruattig, so its ooch. Aber seine Olle darf uff keenen Fall w, sen, was vor ne Berrücktbcit er da drin treibt. Ob er denn überhaupt noch drin is ins Zimmer? Werd mal nachsehen." Er geht bei diesen Worten an eine Thur und guckt durch chlüffelloch, Während er noch dabei ist seine Neu gierde zu befriedigen, ist unbemerkt die tixaü vom Hause hereingetreten und hat Mummel erblickt. Leise aus ihn zu gehend, ruft sie. dicht vor ihm angd kommen: Mummel, was machen Sie denn da?" Nischt, Madame," erwidert Jener erschreckt, jar nischt, nee jewiß nich, uff 16!' Sie misten, daß Sie mich nicht Ma dame nennen sollen! Wie oft soll ich Ihnen denn das sagen l" Pardon der Mb la ianzveraenen. Madame jnädige Frau, wollt' ick sagen." .Und nun raus mit der Sprache! Was hatten Sie da zu lauschen?" Na. dett kann nett werden," spricht der Adgeiaßte leise vor sich hin, ,nu nimnit die mir hier förmlich in die Beichte!" Wirds nun bald?" fragte letzt in gestrengem Ton Frau Bolle. Was ha den Sie überhaupt hier im Salon zu suchen, noch dazu in solchem Anzüge und mit den Stieseln? Wie?" Ick wollte blos " Wie er verlegen wird!" sprach Frau Bolle leise vor sich hin. Der weiß mehr von den schnöden Geheimnissen meines Mannes." Und laut fügte sie hinzu: Also?" Ick weeß wahrhaftig nischt " ant wortetc Mummel. Machen Sie Ihre Sache nicht noch schlimmer, als sie schon ist. Wissen Sie nicht, wer hier im Haufe zu sagen hat? Na also!" Aber, jnädige Frau " Keine Ausflüchte! Ich weiß ohnehin seit heute Morgen die ganze Geschichte, bin endlich der Sache aus die Spur ge-konimen." Mummel suchte zwar nicht sein Heil in der Flucht, ondern im Still schweigen. Nun?" mahnte die Hausfrau. Ja det hceßt " Sie wissen also doch um das ge, yelmniszvolle Zimmer!' Nu ja im nee!" Was wollen Sie damit sagen! Ich verstehe wie nicht !" Des verstehen Sie nicht, jnädige Frau? Ick spreche doch so klar und deut lich." O ja ich fange an zu begreifen Seh'n Se, dett is nett, denn brauche ick Zhnen die Sache nich weiter auseiu anderzusetzen." In dem Zimmer also der Nichts würdige! da untersteht er sich Na natürlich untersteht er sich da! O, es ist empörend," rief Frau Bolle, erregt im Zimmer hin- und h gehend. Versteht sich! Det sind' ick ooch! und leise fügt er hinzu: Habe keene Ahnung, wat die meent." Und Sie sind der Mitschuldige, Sie mumen von Ansang an um sein ver brecherisches Thun, haben ihn wohl gar dazu angestiftet !" Nee, im Jeringsten jar nich. Nee, die Jeschichte seiner Liebhaberei, oder ooch Passion genannt, stammt noch au seine frühere Verjangenheit, als er noch in Grand Hotel Ganz einerlei Sie sind sein böser Engel ! Mir aus den Augen!" Mummel, froh aus dem Bereich die ser Frau zu kommen, beeilt sich, dieser Aufforderung nachzukommen. Kaum Und diese Worte der Frau Bolle mi schlüpft, so ist das Faktotum verschwuw den Einen Augenblick steht die Frau de. Hauses sinnend da; dann rafft sie sich zu ammen und spricht: Wie konnte ich nur so mit Blindheit geschlagen sem! Unter einem Dache mit mir Uiiterhält er seine Liebschaften! O, wenn ich ihn jetzt hier hätte, in diesen! Augenblick ich wüßte nicht, was ich thäte. Aber das Zimmer soll mir an icht. Aufbrechen lasse ich es vom Schloffer, heute noch." Sie wird in ihrer Rede durch den Schall der Hausglocke unterbrochen Wer mag da kommen? Ach am Ende der Dr. Kleiber, werd einmal nach sehen. Mummel hatte nicht lange die Freude, sich den ezquisatorischen Fragen entzogen zu sehen, denn soeben erscheint av! einem Nebenzimmer die Tochter des Hauses, das unglückselige Faktotum hinter sich herziehend mit den Worten Hier kommen Sie herein, Mum- mel !" Aber die Frau Mama?" fällt er ihr ms Wort. Die ist nicht hier, wie Sie sehen, Und jetzo wünsche ich die ganze Geschichte zu erfahren, Welche denn? Die von Rothkäppchen oder vom Däumling, oder ' Schweigen Sie still mit Ihren Dummheiten und antworten Sie auf meine Fragen. Denn Sie sind in mancher Hinsicht der der Vertraute meines Vaters, Ja, det is richtig ich schmeichle mir, die e Ehre zu imießen. Wiffen Sie auch, daß Sie mit mei- nem Bater unter einer Tecke spielen. und daß man Ihrem verbrecherischen Treiben auf der Spur ist?" ?canu, wie meinen Se' det, Frau, lein Liesbeth?" Schon in den nächsten Tagen steht die Entdeckung der ganzen wache bevor, und Sie wis en doch, was dann ge- chicht?" Ja, dann muß ick meine schöne Stellung hier einbüßen, und ick sehe in eine recht betrübte JMunst. izt is wirklich jammerschade!" Wie?" Na. et is doch 'ne jute Stelle hier und so an die Lust jcsetzt werden würde Ihnen denn vas anienehm sind? O, mein armer, unglücklicher Ba ter," rief jetzt da? junge Mädchen, da, bei in Thräuen ausbrechend. Aber so trösten Sie sich doch, Frä lein," beschwichtigte sie Mummel. et jeht am Ende allens vorüber!" Und dabei können Sie noch so ruhig sein? Sie sind doch der Mitschuldige!" S jroß is nu meine Schuld am Ende nich, ick mußte doch thun, was mein Herr von mir verlangte, un det ändert die Sache schon. Un wat is och schließlich Schlimmes dabei?" Das frage Sie noch? Et iS ja richtig, ick habe ihm die Dinger zugetragen, un nachher wenn fe fertig waren, denn hab ick fe och heim lich wieder rausjeholt un über Seite je bracht, der " Also Sie gestehen doch damit offen Ihr schmutziges Handwerk ein?" Bor mir war et so schmutzig jrade nich. im Jejenthcil, denn wenn der Herr sich die Finger schwarz dabei machte, so brauchte ick et natürlich nich mehr zu thun, ll dct können Sie mir jlauben, Fräulein, der Herr versieht sich uff den Rummel, dct jeht wie der Dci bei. Aber nu werd' ick mal sch'n, was der jnädige Herr macht, ict jlaube, er rust mir sojar." Letzteres war nun zwar nicht der Fall, doch sollte dieser Ausspruch dazu Veranlassung bieten, daß er sich entfer nen könne. Und ehe es sich Fräulein Licsbeth versah, war Mummel zur Thür hinaus gcschliipst, sie mit ihren Gedan ken und Betrachtungen über das hier vorliegende Geheimniß allein lastend. Verzmeiflungövoll hatte sie soeben ausgerufen: Es ist keine Rettung mehr, keine o, mein armer, rettungslos verlorener Vater!" als Frau Bolle mit dem Dr. Kleiber eintrat. Aber nicht wahr, bester Herr Doktor, ich rechne auf Ihre strengste Verschwie genheit!" Natürlich, natürlich," sprach dieser, versteht sich ganz von selbst. Ah, sieh' da, da ist das junge Fräulein ja auch! Morgen, Morgen!" Guten Morgen, Herr Doktor," ent gegnete Liesbeth mit erzwungener Freundlichkeit. Wie geht's, was machen die Augen? Die Entzündung ganz vorüber? Lassen Sie mich 'mal sehen Hm! noch etwas geröthct hat aber nichts mehr zu sagen doch noch etwas schonen die Augen nicht mehr im Dämmerlichte so ange strengt lesen oder sticken hm, apropos. ein merkwürdiger Fall, was mir Mama da erzählt von Herrn Bolle heimliches Zimmer einschließen Niemanden ein lassen das sitzt im Kopfe sixe Idee Bertolgungswadn inn. Thut mir selir leid um den Mann trauriger Fall sehr trauriger Fall will sehen, was sich da machen lernt." Im selben Augenblick öffnet sich die Thür des geheimnißvollen Zimmers und hereintritt Herr Bolle, in jeder Hand ein Paar Stiefel haltend. Sobald er die Anwesenden erblickt aif bleibt er erschrocken stehen. Mein Mann!" laßt sich zunächst die Frau des Hauses vornehmen. Der Papa!' fügt pflichtschuldigst die Tochter hinzu. Herrn Bolle ist dieses Zusammentref sen höchst unangenehm, und er kleidet diese Empfindung in die leise vor sich ingesprochenen Worte : Na, das fehlte gerade noch, daß ich der ganzen Gesellschaft so in den Wurf komme." Dabei suchtcr die Stiefel hinter seinen Rücken zu verbergen. Wie verstört er aussteht, wie scheu! Die Sache ist richtig: Verfolgungs Wahnsinn!" denkt der Doktor bei sich und setzt laut hinzu: Guten Morgen. Herr Bolle." Der Arzt bietet ihm die Hand dar zum Willkommen. Guten Morgen. Herr Doktor!" ant wartet zwar mechanisch der Hausherr, doch befindet er sich in sichtlicher Verle genheit, denn er weiß nicht, wenn er auf die dargebotene Rechte des Arztes einschlagen will, wo er mit seinen t:u borgen gehaltenen Stiefeln bleiben soll, Er benimmt sich letzt undcholsen und seine Gattin kann nicht umhin zu ihm zu sagen: Aber, lieber August " Nun, Herr Bolle." spricht der Dos, tor, was machen Sie denn? Ich un terhielt mich soeben mit Ihrer Frau, und das Thema bildeten Sie." Nicht möglich! Na, das freut mich Ihr Befinden macht uns Sorge fährt der Doktor fort nach der üblichen Einleitung. Wieso denn? Ich befinde mich i ganz ausgezeichnet , und leise hinzu fügend, spricht er: Abgesehen von dir sen heillosen Stieseln." Seien Sie offen gegen mich, sagen Sie mir Alles!" Ich begreife Sie nicht, Herr Tok tor." Ich meine, Sie sollten 'mal zu mir reden, wie zu Ihrem besten Freunde, sollen mir Ihr ganzes Herz ausschütten und sur den Augenblick vergessen, ich Ihr Arzt bin." Ja, Herr Doktor, ich verstehe Sie ganz und gar nicht: was wollen Sie denn eigentlich von mir." Es ist nichts aus ihm herauszuho len!" Mit diesen leise gesprochenen Worten wendet sich der Arzt an Frau Bolle und in demselben Flüstertöne pricht die geängstlgte Hausfrau zurück: Aber bedenken Sie doch auch in Gegenwart des KindeS " Arzt und Frau Bolle sprechen leise weiter. Ter Hausherr benutzt diese sich ihm darbie tende günstige Gelegenheit, um seiner seits in Jammertöne halblaut hervor, zubringen: O, diese verwünschten tiesel! Liesbetb. die Tochter des au, ses, tief ergriffen von der Lage der -ache seufzt: Ach, der unglückliche Papa!" Da tritt plötzlich Mummel, gleichsam wie der Sturm nach der Ruhe, chnell ein m die Worte ausdrechend: Herr Bolle, hier iS noch Nanu wird jut, so mußte et kommen." Diele letztere vernsergekunq ent lockte ihm der Anblick der Anwesenden. Schafskopf, kann Tu denn nicht sehen?" flüstert ihm Herr Bolle zu! Doch die Frau des Hauses ya, mi. rgusaugen ihren Gatten und denen vermeintlichen Mitschuldigen beobachtet. Sie wendet sich sogleich an Mummel. indem sie fragt: .Was giebt'S denn? WaS sollen wieder die Stiesel hier. Mummel?" Nun iebt'S los!" denkt dieser und läßt, sei eS aus Angst der Ungeschick- iescl mit Gcpolter Die Haussrau hat mit Erstaune in zwischen die Gehcimnibthuerei ihres Kat teu bemerkt. Und was ist den das? Was verbirgst Du da noch. August?" Herrn Bolle ist diese Frage höchst sa tal, und er will durchaus nicht mit der Sprache heraus! Hat er etwa ein böseö Gewissen? Was ich da habe?" fragt er gedehnt und läßt wiederum eine Pause eintre ten, chc sich seine Lippen zu einer Ant wort öffnen. Da fällt, komisch betrübt, das Fakto tum ein: Ach, wenn Sie wüßten, Herr Bolle, wat mir diese Geschichte heute schon bei Ihre Frau un das Fräu lein da vor Unjelegenheite und Schere reicn und Verhöre injebrockt hat, Sie würden Mitleid mit mir haben. Und det allens wegen die lumpigen Stie dein. Sagen Sie et doch der jnädigen Frau Madame, damit das endlich ein Ende hat." Wie? Die Stiefel?" fragte erstaunt Frau Bolle. Hm! Merkwürdige Geschichte! Wirk lich sehr merkwürdige Geschichte!" läßt sich jetzt halblaut der Arzt vernehmen. Na. wenn's denn nicht anders ist." spricht Herr Bolle da! Die ganze Ge schichte." Er wirft dabei das andere Paar Stie fel vor sich auf den Fußboden. Der Herr Doktor," fährt er jetzt fort, hat ja immer als Freund zu uns gehalten, der wird's auch nicht weiter in der Welt herumtragen." Aber was denn?" werfen Mutter und Tochter neu- und wißbegierig eiu. Was denn? Nun, daß ich als Ab wechselung in der Langeweile dieses elenden noblen Leben zu meinem Ver gnügen Stiefelwichse! Du weißt, Therefe, als wir uns kennen lernten, da war ich Hausknecht im Grand Hotel, und diese Beschäftigung na. ÄZu ver teuft mich wogt Der Doktor machte ein erstauntes und enttäuschtes Gesicht, denn mit dem Ver folgungswahnsinn war es diesmal glücklicherweise nichts. Er schüttelte nur mit dem Kopfe, als er Herrn Volles Erklärung vernommen hatte. Und das triebst Du dort in dem heimlichen Kabinet!" meinte Frau Bolle. Natürlich!" erwiderte der Gatte. Also Du hast keine Banknoten dann gemacht?" fragte die Tochter. Aber, riesbetli, wie kommst Tu aus solchen Unsinn?" sagte der Baler. Und auch keine heimlichen Liebschaf- ten darin unterhalten?" fügte Frau Bolle leise hinzu. Sag mal, Therese, sehe ich mit meinen fünfundfünszig Jahren noch so nach heimlichen Liebschaften aus?" sprach fast beleidigt der Hausherr. m, Gott tob!" Und nun, Therese, was sagst Tu nun?" Komm' in meine Arme und verzeihe mir den chmahlichen Verdacht!" Ach ja. Papa, mir auch!" fiel die Tochter ein. Es fanden nun zwei Umarmungen statt, die den häuslichen Frieden und die Ruhe des Hauses wieder herstellten. Kopfschüttelnd entfernte sich der Dok tor, und alle, vor allem aber Mummel, waren froh, daß der Schleier des Ge heimnisseS in so zufriedenstellender Weise gelüftet worden war. Stiefel hat von nun ab Herr Bolle weder im geheimen Kabinet noch sonst wo geputzt, er wurde aber dasür ein eifriger Skatspieler, was er aber nicht geheim hielt, denn er hatte genug von der Geheimthuerei. us ,,Ci Bicky's" junge Tage. Ueber die Jugendzeit der Königin Victoria von England veröffentlicht die Zeitschrist "Woman at Home" eine Reihe von sehr interessanten Artikeln: Die Fürstin, die heute unter den Mo narchen Europa's den Altersvorrang hat, flößte, als sie noch ledig war, grausam peinigende Leidenschaften ein. und ihre Unterthanen nannten sie die lunqfräuliche Königin". In England wurde eine ganze Anzahl junger Leute aus Liede zu ihr deiruckt, andere beqin- gen Selbstmord, da sie für ihre Leiden schast ein anderes Heilmittel nicht fan den. Der Besitzer eines nach Millionen zahlenden Vermögens verliebte sich so ra end m die Königin, daß er den qan zen Tag in der Nähe des königlichen Palastes herumstrolchte , in der Hoff nung, vie Hkingeiievie an irgend einem Fenster zu scheu; wenn die Königin aussuhr, fuhr er im offenen Wagen voraus und begleitete sie überall hin; er machte sich schließlich so lästig, daß die Behörden ihm drohen mußten, man werde ihn in's Irrenhaus stecken, wenn er nicht aufhöre, die Königin zu verfol gen. Auch Charles Dickens war vom Liebessieber ergnssen, und eine Zeit lang war die onigin mm und Be, Herrscherin all' seiner Gedanken und sei, ner zarten Gefühle; zum Glück für die Literatur wurde kr rasch gesund, und die Erinnerung an die Irrungen und Wirrungen seines Herzens wußte ihn nicht wenig ergötzen an dem Tage, an welchem ihn. der bereits auf der Höhe feines Ruhmes stand, die Königin ein lud, mit ihr im Schlosst zu Windfor zu speisen. Beim Nachtisch überreichte ihm die Königin ein Eremplar der von ihr verfaßten Hochlandreike" mit der eigen händig geschriebenen Widmung: Die unbedeutendste Schriilftcllerin dem her vorragendslen Schriftsteller Englands." lichkeit ein Paar zur Erde sollen. Si Die Popularität der junasräi'.'icken Königin" war so groß, daß h'osl die Frauen fiir sie schwärmten; sie lleideleu und frisirten sich ganz so wie ' bevor , ziigte die Lieblingssnrbcn bei,;.itajn( rasa ud himmelblau, und ghiftut) '1 schätzten sich die Mädchen, die von kleiner Statur waren, blondes Haar und blaue ! Augen hatten, während die grösjk und die schwarzhaarigen tief nglIich waren. Unter dem Adel war die Be liebtheit der Königin noch größer als , beim Volke. Sie förderte ihre Pop, ' lnrität, indem sie fast täglich intime Diners veranstaltete, Bälle und Aus fliige orgauisirte und kleine Eonzerte ansagte, wobei sie nicht selten selbst ls Sängerin austrat. Fast alle Tage rilt sie zwei oder drei Stunden lang spa zieren, begleitet von. einer fröhlichen Schaar adelioer Damen. Der heute so steife und langweilige englische Hos war damals der Saininelpunlt heiterer In gend, und gerade die ungezwungene Lebensführung machte die jngfrä, liche Königin" bei ihren Unterthanen so sehr beliebt. Vom Krönungstage erzählen die Ar tikcl vou 'Woman atHomo" mehrere tragikomische Zwischensälle. Man hatte zwar eine Krone anfertigen lassen, die für den Kinderkopf der Königin paßte, aber Niemand hatte daran gedacht, die Größe deS goldenen Reichsapfels zu ver ringern, den sie vier geschlagene Etun den lang so lange dauerte die Krö nungsfcier in ihrer winzigen Hand halten sollte. Als die Königin die große schwere Kugel erblickte, erbleichte sie. Was soll ich denn damit?" fragte sie. Das muß Ew. Maie tät mer Hand halten," erwiderte ernst W würdevoll Lord Thynne. Aber W ist ja entsetzlich schwer!" antwortete die Königin und brach in Thränen aus. Doch die Thränen nützten nicht mehr und die Königin mußte sich fügen. Der Krönungsring war für den kleinen Fin ger hergestellt worden; aber in letzter Stunde erklärte derErzbischos, daß nach dem Zeremoniell der Ring aus dem Zeigefinger getragen werden müsse. Das Ende vom Liede war, daß man den Ring mit aller Gewalt aufbringen mußte, daß der Zeigefinger der Königin anschwoll, daß sie während der Feier schreckliche Schmerzen aushielt und daß sie dann die Hand in eiskaltes Wasser netten mußte, um den Ring wieder vom Finger ziehen zu können. Vi wahrer Edelmann. TOit kiirlnn hn. Qn nnn sm,H MW III.VLUIUIlJ Wll UU,VVU JJIUIH starb kürzlich in Berlin der Hauptmanni. a. Hans Friedrich August Freiherr V. Mark. Er starb einsam und halb vergessen, drei Kindern einer Nichte des Hauptmannes fallt das Vermögen zu. Wie der Hauptmann, der arm wie Hiob war, zu diesem Vermögen gekom men, erzählt ein früherer Kamerad von ihm folgendermaßen: Es war ,m Jahre 18t7, als die Wogen wegen der Luxemburger Ange- ; legenheit ziemlich hoch ainaen: ha trat : Freiherr Hans eines Mittags mit eiMn fremden patenten Zivilisten in die Wein kneipe von Boland zu Mainz, wo wir wie gewöhnlich unseren Schoppen trän ken. Ter sremde Herr war Ober Inspektor einer Lebensversicherungsge sellschaft in Leipzig und erzählte uns in gewandter Weise, daß seine Gesellschaft ganz neuerdings, als erste in der Welt, Versicherungen abschließe, die auch für den Kriegsfall ihre Willigkeit behielten; vom Tage der Mobilmachung an müsse nur für deren Dauer der dreifache Be trag der Jahrcsprämie gezahlt werden. Selbstverständlich wurde der Antrag uns zu versichern, da sauer bekanntlich lustig macht und wir tranken ja Su rius", mit ungeheurer Begeisterung aufgenommen und die Vkrsicherungen von je 3000 Mark derartig abgeschlossen, daß nach dem bevorstehenden oder dem nächsten Kriege überhaupt die Ueber lebenden das Kapital erheben sollten, um damit ihre Schulden zu bezahlen"; so lautete unsere, damals mit Wort und ' Handschlag getroffene und schließlich mit der Gesellschaft fest abgeschlossene Ab- machung. Die Policen wurden bei einem Notar in Mainz niedergelegt und die Prämienzahlung auf die Kleider lasse" sicher gestellt. ! ES war ein eigenthümliches Verhäng- i niß, das über jener Stunde ruhte. Aus der Luxemburger Affaire" wurde kv f kanntlich nichts und auS dem franzöfi fchen Kriege kamen von den e l f damals die Versicherung beantragenden jungen Offizieren nur zwei ledendig wieder; ich, der Schreiber dieser Zeilen, und der Freiherr Hans, der Einzige von uns allen, der überhaupt keine Schulden hatte und auch niemals einen Pfennig Schulden gemacht hat! , Freiherr Hans hob damals nach dem ' Feldzuge die nicht unbedeutende Summe ab, legte sie sicher an. und zahlte all mählich von den Zinsen die hintcrlane- nen Andenken d. h. die Schulden) der gesaiienen draven Kameraden ad. Er selbst war krumm geschossen und lebte einfach, aber anständig von seiner Pension, die unter Zuschlag der sog. VkiftümmelungSzulage er hatte einen fteisen Arm und ein steifes Bein etwas mehr als 3 Mk. betrug. Von den 30.00 Mark hat er nie einen Pfennig angerührt. Grob. AeltereS FrZulein : .Nicht wahr. Herr Professor, ich werde so langsam eine alle Jungserk" roikiior: .anqtam, mern itu lein, aber sicher!" . A 5 fragie 1 f X TCli i ' r T .J3