Zwischen tebcn und Tod. Von C. Hk,r, Dichter Herbstnebel hüllt die Straßen in Dammnung, obgleich schon die neunte Bormittagssiunde geschlagen hat. LJm Zimmer ist es finster, und trotzdem ist da Fenster verhiillt. und statt deö Tageslicht muß eine kleine Nachtlampe Dienst leisten, daß die Geröthschaften auf dem Tisch nicht umgestoßen wer den von einer unsicheren Hand. Das einfach und zweckdienlich eingerichtete Zimmer befindet sich in einem der op nehmsten Krankenhäuser Berlins und gehört der ersten Klasse" an. Nur wohlhabende Patienten werden hier der pflegt und genießen die Beannstigung, ihre Angehörigen Tag und Nacht um ich haben zu dunen. Ein Menschenleben schtvcbt zwischen Thilr und Angel der dunklen Pforte, wo Lust und Leid keine Eingang sin den. ES ist ein junger Mann von etwa bierundzwanzig Jahren, der bewußtlos in den Kissen liegt, und die alte Dame im Lehnftuhl am Bett ist seine Mutter, Eine vornehme, stattliche Erschein ung, obgleich eine Sechzigerin. Seit drei Tagen und drei Nächten weicht sie nicht von seinem Lager, immer hossend, daß er sie noch einmal wenigstens erkcn nen und anreden werde. Drei Jahre lang hat sie sich den Verkehr mit dem Sohne freiwillig versagt, ihn nicht mehr sehen wollen. Jetzt jetzt be mit sie es nicht gerade, weil sie noch im. mer die Ueberzeugung hegt, Recht ge- habt zu haben, aber diese letzten Stun f den solle nur der Vergebung der Liebe geweiht sein. Da wird leise angeklopft. Die fromme Schivester verläßt geräuschlos ihren Platz und geht an die Thüre. Dann tritt sie zu der Frau heran und flüstert: Ein junges Mädchen wartet im Sprechzimmer, Sie bittet, die Stau Baronin auf einen einzigen Augenblick ' sprechen zu dürfen." . Ich verlasse meinen sterbenden Sohn nicht. Ist es eine Dame?" Sie hat ein feines Gesicht und gute Manieren, ist aber sehr bescheiden ge kleidet. Ich glaube nicht, daß sie Jh. rem Bekanntenkreis angehört, Frau Baronin." Vielleicht eine meiner Armen. Fra aen Sie. bitte, was sie von mir will,' sagte die alte Dame und faßte mecha nisch nach ihrem Geldtäschchen. Sie genießt allgemeinden Rus großer Wohl thätigkeit. Ich glaube nicht, daß es eine Bett lerin ist," sagt die Schwester. Dann hat sie kein Recht, mich zu stören erwidert die Dame ungeduldig und wendet ihr Gesicht wieder dem Kranken zu. In diesen drei Tagen hat sie mehr Almosen ausgetheilt als je, und ihr Sohn hat drei Jahre lang Mangel gelitten, schlechte Ernährung und Uebcrarbeitung untergruben seine Kräfte und machten ihn widerstandslos gegen die Krankheit: der Arzt sagte so. T Anlanas hatte die Mutter sich über fein abgezehrtes Gesicht, das einst so blühend auslab. und aanz dem seines Paters alick. aeradeui entsetzt. Die Baronin war zweimal verhei rathet gewesen. Als lebenslustiges junges Mädchen hatte ein alternder Diplomat sie zum Altar geführt; dem schenkte sie zwei Kinder, einen Sohn und eine Tochter. Beide nahmen eine Stellung ein im Staat und in der Ge- I, ,!,(,,,?, t- Cnlin nl ij!sndtsch,lsts Attache in Petersburg, die Tochter als Gemahlin eines hohen Beamten, der - seinen Wohnsitz in Berlin hatte. Aus ihrer zweiten Ehe hatte die Baronin nur dielen Sobn. Bernhard. Es war diesmal eine Liebesheirath gewesen. DaS Glück währte zehn Jahre, dann 'wurde sie abermals Wittwe und lebte knrtnn nur ihren Erinnerungen und det Erziehung des jüngsten Knaben, kkiden anderen Kinder waren zu iener Seit schon versorgt. Bernhard besaß mütterlicherseits gar kein Ver mögen, also war er nur darauf ange wiesen, eine glänzende Karriere zu mnArn. An Intelligenz und Talenten fehlte es ihm keineswegs, aber wenn er überhaupt Ehrgeiz hatte, so schlug dieser ganz andere Bahnen ein, als es den Ueberlieferungen der Familie ent,prach. Weder zur Diplomatie, noch zur mili tärischcn Lausbahn empfand er Nei gung. Er wurde nach Bonn auf die Universität geschickt, wo er in ein vor nehme Korps eintrat. und da, da ging er verloren. Schon in seinen Knabenjahren hatte Hang zu schlechter esellschast ge. habt - da heißt schlechter tefeflfatt im Sinne der Mutter. Nicht jene Sorte von schlechter Gcsell,cha,t. die man bisweilen auch in vornehmen rei. sen trifft, schlechte Gescllschast mit seinen Kleidern und eleganten Manieren. Nein, n ging mit Leuten um. die außerhalb seiner Kaste standen: mit Künstlern und Handwerkern sogar. Als n einundzwanzig Jahre alt war. oberrascht. die Mutter durch d.e , Mittheilung, daß er nicht langer Jura udiren, sondern Techniker werden wolle. Natürlich wurden ihm die Mit tel ,u diesem Zwecke versagt. Er flu dirte weiter, wenigsten blieb er in Bonn w, n die Kollegien schwänzte, fich in Wirthshäusern umhertned. wahrscheinlich, um die Familie zu , Mg, daß sie snm Wun füllte. . Dann ab machte n da, Maaß voll, tatern n seiner Mutter Einwilligung pt Heirat!) mit ein Ladenmamsell ttfbfli t i . Die Verwandten ließe ihn fallen. M Somtagögast. Jahrgang 16. Vor der Welt denn insgeheim be hielten sie ihn und sein Bestes im Auge: sie wußten es zu verhindern, daß er irgendwo eine Anstellung oder Beschäf tigung erhielt. Wen er hungern mußte, fand er wohl ganz von selbst den Weg zu den Fleischtöpfen daheim zurück und fügte sich in die auferlegten Bedingungen. Er hatte cs nicht gethan. Als An fertiger von allerhand schriftlichen Ar beiten fristete er sein Leben, anfangs außerhalb, zuletzt aber gar in Berlin, wo Bekannte ihm in seiner abgerissenen Kleidung auf den Straßen begegnen konnten. In einer Dachkammer wohnte er zur Schmach der angesehenen Familie, deren Namen er trug. Dieser Name verrieth ihn schließlich, als er, vom Typhus befallen, in die Krankenanstalt eingeliefert wurde. Man benachrich- tiate die Mutter. Sie eilte sofort hin, um sür seine Unterbringung in der ersten Klasse" zu sorgen. Nun fehlte es ihm an nichts mehr als an der Lebenskraft, ohne welche die beste Pflege wirkungslos meint Wieder klopfte es an die Thür. Excellenz kommt orgefahren. Er celleuz will sich persönlich nach dem Pa- tienten erkundigen. Diesmal erhebt sich die alte Dame und läßt die Schwester allein am Kran kenbett zurück. Sie eilt mit elastischerem Tritt, als er dem Alter und Gram sonst eigen ist. ins Sprechzimmer zu der Tochter. Wenn Mathildens Interesse für ihren Bruder sie bewog, zu dieser außerordentlich frühen Stunde schon Toilette zu machen und ihren Wagen zu beordern, darf man sie nicht warten lassen. Toilette hat sie sogar in ausgiebigster Weise gemacht. Sie sieht sehr schön as, mit ihrer stattlichen Figur und den regelmäßigen Gesichtszllgeii gleicht sie der Mutter. Guten Morgen, Mama! Ich sahre zum Wohlthätigkeit? - Bazar, habe da eine Verkaufsbude übernommen, Par fünierie und künstliche Blumen, da wollt' ich doch auf dem Wege mal nach frage, wie es um Bernhard steht." .Schlecht. Er wird sterben," sagt die alte Dame herb und kurz, denn sie will nicht weinen. Die Mittheilung kommt Mathilden keineswegs unerwartet, sie hat den Be scheid schon, ehe die Mutter kam, von der Oberin erhalten. Daher zeigt sich kein Schreck, nur ein Ausdruck von schmerzvoller Sympathie auf ihrem Ge ficht. Ueberanstrenge Dich nicht, Mama!" Wenn's nur etwas nutzen könnte!" stöhnt die alte Frau. Ich gäbe gern mein Leben für seins." Man darf den Muth nicht verlieren. Vielleicht bessert sich sein Zustand. Sollte aber das Schlimmste eintreten, so müssen wir uns schon mit dem Ge danken trösten, daß ein verfehltes Leben so seinen Abschluß findet, und daß aus dem armen Bernhard doch nie mehr was Rechtes hatte werden können. Tu kommst dann zu uns, Mama, es hat keinen Zweck, weiter so vereinsamt zu wohnen." Die Baronin schüttelt wehmüthig den Kopf. Sie widerstand bisher immer dem Drängen der Tochter, die eigene Wohnung aufzugeben, weil sie hoffte, da noch einmal dem verlorenen Sohn" ein Heim zu bereiten. Ich muß sort. es ist die höchste Zeit !" ruft Mathilde mit einem Blick aus das Zifferblatt ihrer kostbaren klei nen Uhr. Adieu. Mama." Sie rauscht hinaus: Die Pflicht rust, und dieser glänzende Bazar ist vielleicht ihr letzte Erscheinen in der Gesellschaft vor der voraussichtlichen Fa milientrauer. Die Baronin wendet sich wieder zum Gehen. Da halt eine Hand sie am Kleide fest. Ein junges Mädchen oder eine sehr junge Frau ist es. die unde merkt in einem Winkel des Zimmers gesessen hatte. Vergebung, Frau Baronin! Schon vorhin bat ich. Sie einen Augenblick sprechen zu dürfen. Ich möchte mochte den ranken gern noch einmal sehen selbst wenn er bewustlos ist und Niemanden erkennt." Meinen Sohn? Wer sind Sie denn?" Ich mein Name ich bin die Veronika." Die Putzmacherin, Bernhards Ge liebte! Die Baronin zieht unianft ihr Kleid au des Mädchens Hand, und eine Welt von sittlicher Entrüstung liegt in ihrem Blick. Da ist nicht Jbre Wodnung. gna dige Frau. Das ist ein Krankenhau, wo nur der Herr über Leben und Tod zu gebieten hat.' sagt Veronika in jetzt viel ftftenm aone. Es wäre leicht, diele teyr ensecylvare Bebauvtuna lurückzuroeisen, aber die Geistesgegenwart der alten tarnt laßt Beilage zum Nebraska Staats-Anzeiger. sie im Stich. Sie kann sich in diesem schmerzlichen Moment nicht einer ge wissen Neugier erwehren gegenüber dem jungen Frauenzimmer, das ihr des Sohnes Herz entfremdet hat. Nichts von dem kokett aufgeputzten unfeinen Dämchen mit Fcderbarctt und Glockeiiarmeln, wie sie sich die Veto. nika" immer vorstellte. Groß, schlank gewachsen, braunäugig und braunhaa- rig, mit sanftem Geficht, das sonst wohl blühende Farbe mag gehabt haben, jetzt aber blaß ist wie eine Lilie. Ein schö nes Mädchen, dies Kind aus dem Volk. Schöner als die meisten vornehmen Fräulein ihres Umgangs, schöner als ihre eigene Tochter Mathilde in diesem Alter war. Sind Sie gekommen, um irgend welche Rechte in Bezug auf meinen Sohn geltend zu machen?" Keins als höchstens das, welches seine Liebe mir gab. Ich stand ihm doch am nächsten auf der Welt seine Mutter natürlich ausgenommen." Seine Familie!" entgegnet die Ba ronin scharf. Sie merkt, daß Veronika die Naturrechte im Gegensatz zu Gesetz und Gesellschaft betonen will. Mein Sohn hatte hatte vorbereitende Schritte zu einer Heirath mit Ihnen ge than. Sind Sie ihm augetraut? Wei ter will ich nichts wissen?" Nein, gnädige Frau." Dann " Die Baronin machte eine Bewegung auf die Thür zu. Laffen Sie mich ihn noch einmal sehen!" Unentschlossen wendet die Mutter sich um zu ihr. Haben Sie bis zuletzt in Verbin dung mit ihm gestanden? Er lebte hier doch allein?" Er schrieb mir nach meiner Heimath hin. Ganz kurz vor seiner Krankheit erhielt ich seinen letzten Brief. Ich trage ihn bei mir." Wie gern möchte die Mutter diesen Brief sehen! Aber welche Beschämung, dieser Person darum bitten zu müffen, der ihres Sohnes letzte Gedanken galten! ;yre eyninaji, aus oie geiieoie Pano sehnst zu blicken, siegt über ihren Stolz. Wollen Sie mir den Brief einmal zeigen ?" Veronika zögert. Tann erfüllt sie den Wunsch der alten Dame und reicht ihr das Blatt. Die Schrift ist stellen weise von Thränenspuren verwischt. Rühren sie von dem Schreiber her oder Veronika? Theure, einzige Geliebte! Verzeih', daß ich erst heute Deine lieben Zeilen beantworte. Aber ich habe Tag und Nacht gearbeitet, und der Kopf sihwin delt mir vor Erschöpfung. Tu sprichst von Opfern, die ich Dir gebracht haben soll! Ahnst Du nicht, wie tief mich das beschämen muß? Du, bist der einzige Sonnenstrahl in meinem Leben während dieser drei Jahre gewesen und ich bitte Dir das Leid ab, welches Dir etwa durch mich zugefügt worden ist! Das Einzige, was ich Dir sür Deine unendliche Liebe bieten konnte, war mein Name, den Tu ohne Zustimmung meiner Mutter nicht annehmen wolltest. Das schmerzte mich ansangs, aber nun denk ich anders darüber. In Deiner Welt, mein süßes Lieb, denkt man weniger grausam als in der, z welcher ich durch meine Her kunft gehöre. Die Familie bedeutet bei uns nicht ein Band, welches Herzen an einander knüpft, sondern eine eiserne, aus konventionellen Rücksichten geschmie dete Kette: der ererbte Name gilt mehr als die Person. Eine nützliche Thätig keit durfte ich nicht ergreifen, weil ein unsähiger Beamter auf einer höheren Staffel steht als der tüchtigste Techniker! Wärst Tu meine Frau, so würden mein Name und Titel Dir nicht Eingan verschafft haben in unsere Kreise, und ' den Deinigen hätten sie Dich entfremdet. Eine Baronin kann sich ihr Brod nicht durch ihrer Hände Arbeit erwerben. Ich mache an mir selbst die schmerzliche Erfahrung, daß man dem aus der Kaste Gefallenen überall Mißtrauen entgegen bringt. Um Deinetwillen, Geliebte, hab' ich bisher den Muth gehabt, alles zu ertra ! gen. und selb entlernt von Dir halt mich der Gedanke an eine Wiederverei nigung aufrecht. Ich möchte nicht ftcr den. weil es Tich vereinsamt ließe in der Welt. Aber käme von mir unqe rufen der Tod, so möge da Bewußt. sein Tich trösten, daß ich durch Deine treue Liede, trotz allen Elends, bi zu- ictzi glücklich war. ceit einigen Tagen ist mir londerdar zu Muthe, ich fürchte, krank zu werden. Deine Sendung, liebes Mädchen, nehme ich an. wenn mir auch die Schamröthe dabei in's Gesicht steigt, es minien ja wieder des sere Zeiten kommen, wo ich da Brod verdienen kann für mich und für Tich." Die aronin batte den Brief längst zu Ende gelesen und sah trotzdem noch immer narr aus da Papier. Wa be ' deuten die letzt Zeilen 1 Etwa, daß! Bernhard, ihr Sohn, in seiner Noth Geld angenommen hatte von dem jnn. gen Mädchen hier, das sich von ihrer Hände Arbeit ernährte? Bernhard hatte doch sonst Ehrgefühl besessen. Auch Stolz. So viel Stolz, daß er sich nicht an den Schwager, sogar nicht an die eigene Mutter um Unterstützung wen dete. Die Seinigen freilich verleugne ten ihn, während dies Mädchen alles mit ihm theilte; Glück und Leid, zuletzt selbst ihr tägliches Brod. In diesem Augenblick überkam die Baronin etwas wie eine Hallucination: sie sah Math,! den in ihrem Sammetkleid, lächelnd, liebenswürdig plaudernd, umringt von Herren und Damen, die unter Kompli meiiten und Scherzen Parfümerien und künstliche Blumen einhandelten von der vornehmen Verkäuferin, die zu ihrem Vergnügen Ladenmamsell spielte. Und Mathilde hatte keinen Gedanken sür den sterbenden Bruder als höchstens den, ob er wohl noch so lange leben wurde, sie der nächsten Hofgesellschaft beiwohnen tonne, . Stillschweigend gab die Baronin den Brief an Veronika zurück. Nach einer kurzen Pause sagte sie in mildem Ton: Kommen Sie mit mir." Die Schwester erhob sich bei dem Ein tritt der Beiden und machte der alten Dame Platz am Bett des Sohnes, Auf ihren fragenden Blick antwortete sie achselzuckend: Unverändert." Veronika brach nicht in ' lautes Schluchzen aus. wie die Mutter erwartet hatte. Mit einer gewissen feierlichen Ruhe trat sie heran, ohne den Kranken zu berühren. Nur die Augen sprachen in ihrem blassen Gesicht. Die Baronin deutete auf einen Stuhl an dem Kopfende. Setzen Sie sich, mein Kind." Wieder war alles still. Die Frauen warteten ergeben auf die Verände rung", die der Arzt als bevorstehend verkündet hatte. Diese Zeit über durste Veronika hier bleiben, die Spanne Zeit zwischen Leben und Tod. . Die alte Dame hatte sich durch Nacht- wachen erschöpsi. Die Natur ermies sich stärker als ihr Wille und stärker selbst als ihr Schmerz. Allmählig sank ihr Haupt gegen die Lehne des Sessels, sie schlummerte ein. Im unruhigen Halbschlaf kommen Träume. Auch die Mutter träumte. Sie wohnte im Traum dem Begräbniß Bernhards bei. Es war nicht einfach und schlicht, wie es zu seinem elenden Leben in den letzten Jahren gepaßt hatte, sondern Prunk hast, standesgemäß". Alle Freunde der Familie hatten seinen Sarg mit kostbaren Kränzen überladen. Da stand Bernhards Schwager, der trug sogar alle seine Orden! Und Mathilde, in einem sehr eleganten Trauerkleid, drückte ihr Spitzentaschentuch vor die Augen, die ganz trocken waren. Ihre drei klei nen Töchter, hübsche Kinder von zwölf, neun und acht Jahren, hatte sie auch mitgebracht. Sie machten der Mama alles allerliebst nach. Und wieder hörte die Baronin, wie Mathilde zu ihr sagte: Tu kommst nun zu uns, es hat keinen Zweck, weiter so einsam zu le- den." Und dann sah sie sich in das Haus der Excellenz versetzt. Es ging etwas geräuschlos da zu. Bälle und Gesell schasten zu geben erforderte die Stellung des Schmiegersohnes. Tie Baronin saß auf ihrem Zimmer, hörte von ihrem Lehnsessel au die Tanzmusik. Mit unter wurde sie von den Dienern, die so viel zu tbun hatten, vergessen und ging ohne Abendmahlzeit zu Bett. Am Morgen kamen regelmäßig die kleinen Äiadchen, erlundigten sich, wie Groß, mama geschlafen habe, und küßten ihr die Hand. Das war alles, was sie mit ihr zu thun hatten, spazieren gingen sie mit der Erzieherin, und zum Spielen kamen Kameradinnen, die genau so modern erzogen wurden wie sie selbst , . . Tie Baronin seufzte im Schlaf, wandte den Kopf auf die Seite, und dabei erwachte sie. Veronika saß mit gesalteten Handen am Bett, in derselben Stellung wie vorhin. Ihre Augen ruhten aus dem Gesicht des Geliebten, mit einem Aus druck, den die Baronin ähnlich aus einem altitalienischen Muttergottes bilde gesehen hatte. Bernhard athmete schwer. Seine Züge scheinen der Ba ronin jetzt weniger fremd und starr als vor einer Stunde, er sah wie ein ruhig Schlummernder, nicht wie ein Sterben- der aus. Die Thur ging auf, der Arzt trat ein. Sein Blick streifte überrascht das schöne junge Mädchen. Eine Verwandte." sagte die alte Tame. welche gekommen ist, mir zur Seite zu stehen." Ter Arzt verneigte sich. Tann wid mete er seine ganze Aufmerksamkeit dem Patienten, dessen Puls und Herzschlaa er lange prüfte. .Es ist eine öberraschende Wendung No. 3. zum Besseren eingetreten," sagte er auf. sehend. Die Gefahr einer Herzlüh munq besteht nicht mehr. Wenn die Kräste sich als ausreichend erweisen habe ich Hoffnung." Aus Veronika's Augen stürzten jetzt Thränen. Da sühlt sie sich plötzlich von den Armen der alten Dame um schliingen, welche sie an ihre Brust zieht und ihr zuflüstert: Wenn mein Sohn am Leben bleibt sollst Du meine Tochter sein." Eifersucht. Bon War Hi r s ch sei 6. Vor einem Jahre hatten sie gehei. rathet, der Droschkenkutscher Heinrick und die Köchin Marie. Sie hatte eine hübsche Summe Ersparuiß mitgebracht, davon wiiiöe eine Droschke und ein Gaul gekaust, allerdings beides sür alt". Das hatte aber nichts zu sage Heinrich sllhlte sich als Fuhrherr" recht glücklich. Weniger glücklich war Marie. Denn als sie Heinrich heirathete, hatte sie eine Nebenbuhlerin aus dem Felde geschla gen, die Nähterin Bertha, und eine gütige Nachbarin batte ihr versichert, daß Heinrich der einstmaligen Flamme auch etzt noch Besuche abstatte. Von der Wahrheit oder Unwahrheit dieser Behauptung wollte sie sich nun persön- lich überzeugen. In später Abendstunde nahte sie dicht verschleiert dem Droschkenstand ihres Mannes, welcher gerade das Pferd fütterte, und ging auf Heinrich's Ge- fährt los. Wohin werden Sie denn fahren, Fräulein?" Dir in die Augen, Du Spitzbub'," murmelte sie. Wohin denn? Ich hab' nicht ver- standen." Zwirnqasse 10," sagte Marie leise. aber verständlich. Zwirnqasse 10? Das trim sich gut, da habe ich auch gerade zu thun." Das weiß ich, Du Halluiik ." Was sagen Sie, Nummer dreißig?" Nein, Nummer zehn." Heinrich kletterte kopfschüttelnd auf den Bock und fuhr davon. Das Ziel war bald erreicht. Marie stieg aus und drückte ihrem Manne einen Thaler in die Hand. Haben Sie nichts Kleineres?" Sie branchen nichts herauszugeben," flüsterte Marie. Aber es kostet nur eine Mark." Das klebrige ist Trinkgeld." Donnerwetter, wie nobel!" sagte Heinrich und bedankte sich vielmals. Marie ging in's Haus, kletterte vier Treppen in die Höhe, lehnte sich dann Uber's Geländer und blickte in's dritte Stockwerk hinunter. Nicht lange brauchte sie zu warten, da ging es tapp, tapp, tapp! sie kannte den Tritt ihres Mannes. Und richtig, da klopfte er an und verschwand in der Wohnung der Nähterin Bertha. Sollte sie eintreten und das saubere Pärchen überraschen? Nein, das war ihr zu peinlich. Sie wußte ja genug. Leise huschte sie hinunter und eilte nach Hause. Als Heinrich spät Abends heimkehrte, empfing ihn eine Gardinenpredigt, wie er sie sich nie hätte träumen lassen. Und morgen gehen wir aufs Stan desamt und lassen uns scheiden," war der höchst erbauliche Schluß. Aber, -maxie, ich bin j ganz un- chuldiq. Warst Tu heute bei der Nähterin oder nicht?" Ja, ich war aber" Halt, wir sind noch nicht zu Ende! Zeig einmal Dein Portcmcnnaie!" Er reichte es ihr hin, sie zahlte rasch das Beld durch. Wieder weniger. In den letzten vier Wochen hast Tu immer sehr wenig Geld nach Hause gebracht." Ja. das Geschäft war schlechter " Lügner! Hast Tu nicht vor ein paar Stunden einen harten Thaler eilige nommen? Wo ist der geblieben?" Ha! Jetzt geht mir ein Licht auf. Tu warst die, elche ich nach der Zwirn- gaffe fuhr?" Ja, das war ich! Leugnest Tu noch?" Nein, nein, es ist alles wahr." .Ihr, ihr hast Tu das Geld hinge tragen?" Ja, das muß ich zugeben." Und das am Vorabend meines Ge burtstages?" Weinend legte sie sich schlafen. Als sie am anderen Morgen erwachte, sah sie ihren Mann in seinem Sonntazs anzuq am Fenster sitze. Bist Tu heute nicht ausgefahren?" Nein! Heute wollen wir uns doch scheiden laffen." Tn Geburtstag sing gut an. Schnell legte Marie ihre Kleidung an und trat in die .gute Stube". Da erjtaunte sie j aber. Die ganze Stube war mit Grün und Blumen geschmückt, und aus dem Sopha lag ein schwarzes Seidenkleid, so, wie sie es sich immer gewünscht hatte. Darf ich Dir jetzt gratnliren?" fragte Heinrich. Ach, das alles kann mir doch keine Freude machen." Nicht? Macht es Dir keine Freude, daß ich seit vier Wochen das Geld ge spart habe, um Dir das Kleid machen z lassen? Der Thaler, den Du mir gabst, war der Letzte, den ich zu Bertha trug, die das Kleid nähte." Aber, weshalb gerade z Bertha?" S!)cil das die einzige Nähterin war, die ich kannte, und dann ist ihr Bräu tignm auch ein alter Freund von mir, der war immer zugegen, wenn ich kam." Aber, Heinrich, warum hast Du mir das alles nicht schon gestern Abend gesagt?" Weil ich Dich für Deine Eifersucht ein Bischen bestrafen wollte." Und nun begann das Gratnliren. Pin Kriegsgericht im 17. Zahr niiiiocn. Tie Schlacht bei Leipzig im Jahre 1042 zwischen den Schweden und Oester reichern fiel für die Armee der Letzteren unglücklich aus. Die Schweden machten viertausendfünfhundert Gefangene, er oberten 60 Standarten, 121 Fahnen, 16 metallene Kanonen, deren Verlust der empfindlichste war; der Herzog von Oesterreich verlor seine ganze Baggage. sein Silbergeschirr und eine ganze Kauz lei. Die Oesterreicher zogen sich in der größten Unordnung zurück; der Rückzug. wurde zur Flucht, es rettete sich, wer konnte, Die Ursachen eines so herben Verlustes konnten nicht ohne Unter suchung und Strafe bleiben. Die Schuld wurde den Ungarn und Kroaten beigemessen. Sobald die flüchtige Ar mee in Prag angekommen, wurde Kriegsrath gehalten, und des Obersten Madclon Regiment, welches zuerst die Flucht ergriffen, auf das Härteste be straft. Die Fahnen des Regiments wurden vom Henker verbrannt, die De gen der Offiziere zerbrochen; die Offi ziere und der Zehnte von den Soldaten, welchen das Loos traf, wurden ge henkt, und die klebrigen für Schnrken erklärt. Auch sine ritik. Hier ist auch eine neue Geschichte über Edwin Booth, den vorzüglichen, der dramatischen Kunst dieses Landes, leider zu früh entrissenen Menschendarsteller. Bei einer zu Gunsten seines Bruders stattfindenden Benefiz-Vorstelluna stand er hinter den Emilissen, als ein Schau spielet, der verschiedene Kunstler imi tirte, einem Encore Folge leisten wollte Wen wollen Sie letzt imitiren?" fragte Booth. Ich wollte gerade Sie als Hamlet" in dem Monolog Sein oder Nichtsein" personisiciren. Doch, wenn Sie mir zu schauen, befürchte ich, nur eine Earrika tur hervorzubringen." Wie wäre es, wenn ich mich selbst imitirte?" fragte Booth. Gesagt, gethan. Schnell die Perrücke des anderen Schauspielers auf den Kopf werfend und den Rock zuknöpfend, eilte er auf die Bühne und trug mit der gewohnten Äieisterschast den bekannten Aionolog vor. Am anderen Morgen war in der Kri tik eines sehr verbreiteten Blattes zu le sen, daß die Imitationen die Vorstellung verdorben hätten, namentlich sei die von Edwin Booth so schlecht gewesen, daß dieser berühmte Schauspieler, wenn er sie ge ehen, vor Schrecken aus der Haut gefahren wäre. Sisprechcnexaariknvogel, und zwar einer, der plattdütsch snacken" sollte, wurde jüngst in Hamburg dem schaulustigen Publikum empfohlen. Die ,juchauer" wurden nur einzeln vorae- lassen und es wußte daher Jedermann von vornherein, daß es sich da um einen Ulk handelte. Da aber der Eintritts preis mäßig war, zahlten Viele und Jeder kam lachend aus der Bude" her aus, die den sprechenden Kanarjnvogel beherbergte. Trat ein Schaulustiger ein, so wurde er von dem glücklichen Besitzer des klu gen Thieres vor letzteres geführt und diesem wurde eine Eigarre und eine Thonpfeife mit der Frage vorgehalten : Wal foll der Herr smöien, ene Zihgarr oder ene Piep ?" , Piep", antwortete jedesmal der Vo gel, woraus dessen Besitzer den Zuschauer mit einer Verbeugung entließ. Handlich. Niemals sind die Linien der Hand bei verschiedenen Menschen einander ganz , gleich. Wenn ein Ehinese einen Reise paß verlangt, so wird sein Handteller mit seinem Cel schwach eingerieben und davon auf dünnem Papier ein Abdruck ' genommen. Diese mit behördlichem Stempel versehene und unbedingt nicht zu fälschende Papier dient ihm dann als Legitimation. Aufopfernd. Hausfrau: Tu, Karl, die Unter hallung stockt jeden Augenblick unsere Gaste langweilen sich schreck lich ! Was sollen wir nun thun, sie zu amüsiren?" Gatte: Da hilft nur Eines: Wir müssen da Zimmer auf einige Zeit er lassen, damit sie über n klat fd)e llnnen! , ,T . 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