Fräulein Dubois, Historische inäliliinn 0011 ffelir LiUa, Zu den lieblichsten und geistreichsten Schönheiten des erste Kaiserreichs ge hörte Fräulein Dubois gerade nicht, als sie im Jahre 180 zu Paris solch' erstaunliches Aufsehen erregte. Bon keiner einzigen hübschen Pariserin wurde sie beneidet u, ihre Reize. Und doch wurde sie allgemein bewundert! Wie kam das? Ihr Aller kannte man nicht genau; man nahm aber an, daß sie noch ziemlich jung sei. Etwa vier Fuß war sie hoch und gekleidet in ein röthlich schimmerndes Fell. Ihr Antlitz hatte gewöhnlich einen etwas melancholischen und zuweilen au ,qmaqienoen aus druck; doch konnten ihre Auge oft auch recht munter und schalkhast blicken. Ihr Teint war blau-graugelblich, ihre Nase platt, ihre Ohren klein, ihr Mund, wenn sie ihn ganz aufriß, ungeheuer breit und voll gesunder Zähne, ihre Sprache ein sanftes melodisches Knurren und Grunzen. Um es kurz zu sagen, Fräulein Dubois war ein weiblicher drang Utang von der röthlichen Sorte, also kein Pongo, wie man die schwarzen nennt. Ihre Heimath war ein schattiger Ta marindenwald an der Nordmestkiiste von Borneo, dort, wo die Maludbai tief in's Land hinein sich erstreckt. Die früheste Jugendzeit verbrachte sie mit allerlei Kletterkunsten, Niisseknacken und ande ren angenehmen Beschäftigungen. Un vorsichtige Naschhaftigkeit sie liebte Delikatessen über alle Matzen veran latzte es, daß sie in Gesangenschaft ge rieth, indem sie nämlich vorwitzig in eine Fallgrube sprang, welche etliche Eingeborene, die ihr nachstellten, für sie mit sinnreicher List eigens hergerichtet hatten. Ach, sie schwärmte so sehr für die köstlichen aromatischen Mangostanen Der Tamarinden war sie allmählig etwas überdrüssig geworden.. In der Gegend aber gab es keine Mangostanen. Von ferne her hatten die schlauen Wil- den solche leckeren Früchte geholt und sie als Lockspeise in die Grube gelegt Fraulein Dubois hatte richtig der Ver lockung nicht widerstehen können; sie war unbesonnen in die Falle gegangen, aus welcher sie sich nicht selbst zu befreien vermochte. Es scheint, daß sie in der Gefangew schaft von den wilden Daiaks gut ve handelt wurde, denn als nach einiger Zeit der unternehmungslustige Kapitän Gaspard Clopinel, ein Marseiller, mit seiner Brigg Camargo" in die Malu dudai hineinsteuerte, um mit den Ein geborenen Tanschhandel zu treiben, sah sie recht wohlgenährt und auch sonst ganz munter aus. Er dachte sich, daß mit ihr vielleicht ein gutes Geschäft zu machen sei. So lauste er denn diese menschenähnliche schone Aefnn nach lan gerem Feilschen für allerlei Tand zum Werthe von fünfzehn Franken und gab ihr den ganz paffenden Namen: via demoiselle Dubois, zu deutsch: Fröu- lein von Walde, Nachdem er an der Maluduküste uud auch noch in anderen Gegenden O nn diens sein Fahrzeug genügend befrachtet hatte, machte er sich auf die Heimfahrt während Fräulein Dubois durch ihr possirliches Wesen ihm viele langweilige Stunden angenehm versüßte. Aeußerst gelehrig war sie, und so lernte sie denn von dem Kapitän und auch von dessen Mannschaft allerlei Künste und HantU rungen. In's Takelmerk kletterte sie und half da oben, sowie auf Deck beim Anziehen der Taue. Unter dem Son nensegel auf dem Hinterdeck half sie den Tisch des Kapitäns decken, und sie ichmaufte dann mit ihm, indem sie Lös' sei, Messer und Gabel gebrauchte, genau so, wie sie es ihm absah. War sie ser tig. so wischte sie sich den Mund ab mit der Serviette und nahm einen Zahn siocher zur Hand, um sich damit die Zähne zu reinigen. Im Trinken leistete fte Hervorragendes. Kaffee uud Thee aren ihr sehr genehm; sie handhabte ihre Tasse mit der Sorgfalt einer Dame, ohne sie je zu zerbrechen. Auch das Weintrinken lernte sie bald, und von den Matrosen wurde sie leider zum Ziumtrinken und Tabakrauchen enge leitet. Seekrank wurde sie nicht; aber am Kap der guten Hoffnung sing sie an zu frösteln. Clopinel befaß einen alten dickmattirten, blindseidenen chinesischen Schlafrock, welchen er ihr anzog. In diesem Kostüm, welches recht phantastisch aussah, gesiel sich Fräulein Dubois so wohl, daß sie fortan immer so gekleidet sein wollte, auch sogar, als die Brigg, nordwärts steuernd, wieder den Aequa tor passirte. wo die Sonne ihre sengend ften Strahlen niedersandte. Der Ka Pitön und die Mannschaft schwitzten und stöhnten vor Hitze. Fräulein Dubois aber, in ihren bunten Schlafrock gehüllt, suchte die wärmsten Stellen auf, ließ sich von der Sonne bescheinen und grunzte dazu recht vergnüglich. Nach glücklicher Fahrt langte der Ka pitan und Eigenthümer der Eamargo" j mit seinem chine wolloelatlen in Marseille an, w er seine werthvolle La dung vortheilhast verlauste, bis auf Fräulein Dubois und noch einige andere seltene Thiere. Diese brachte er per sönlich nach Pari? und verlauste sie dort an den sogenannten Pflanzenqarten, den Jardin des Plantis". Für den weiblichen Orang-Utan erhielt er MX) Fr. Orang-Utans kamen nämlich da mal nur lrli I,b,nd kiack, ! Europa; sie wurden also, wenn eS doch einmal geschah, mit sehr hohen Preisen I bezahlt. Die Direktoren der zoologischen Abtheilung des Pflanzengartens, zwei ausgezeichnete Gelehrte, nämlich La pede ud vuvier, genethen ins ljoanie Wissenschaftliche Entzücken über Fräulein Dubois. ES war der erste lebende Orang'Utan, welchen sie sahen. Mit einigen ausgestopfte Erempla ren hatten sie sich bis dahin für ihre Studien behelfen müssen. Bunon, ihr berühmter Vorgänger, war allerdings vierzig oder sünfzig Jahre zuvor fo glücklich gewesen, in Paris Gelegenheit zu nnoen, einen tevenoen maniuien Orang-Utan zu beobachten und ihn ge nau zu schildern. Unter Anderem hatte er damals Fol gendes geschrieben: Die Miene dieses großen Affen war ziemlich melancholisch, sein Gang gram tätisch, seine Bewegung abgemessen. Er hatte nicht die Ungeduld des Magot, nicht die Bosheit des Babuins oder gel den Pavians, nicht die Ausgelassenheit anderer Affen. Er war, wird man ein wenden, unterrichtet nnd wohl erzogen. Allein die anderen Affen, die ich mit ihm verglichen habe, hatten gleichfalls Erziehung genoffen. Zeichen und Worte genügten, um unseren Orang-Utan in die gewünschte Thätigkeit zu bringen; bei dem Babuin brauchte nian den Stock und bei den anderen Affen die Peitsche ; nur durch Hiebe erzielte man Gehorsam. Ich sah, wie dieses Thier den Besuchern die Hand reichte, wie es mit Anstand und gleichsam als Gesell schaster mit ihnen auf und ab ging. Ich sah, wie es sich an den Tisch setzte, ernsthast seine Serviette ausbreitete, wie es sich des Löffels und der Gabel bediente, sich Getränke einschenkte und, wenn man es dazu aufforderte, mit dem Glase anstieß. Es stellte Unter und Obertasse zurecht, that bedächtig Zucker hinein, goß Thee dazu und wartete ge duldig, bis dieser Thee zum Trinken nicht mehr zu heiß war. Nichts ging ihm über Bonbons, Jedermann gab ihm solche, und da er ohnehin häusig Husten und eine angegriffene Lunge hatte, so trugen diese vielen Sllßigkei ten ohne Zweifel zur Abkürzung seiner Tage bei. Es lebte nur einen Sommer zu Paris und starb im folgenden Win ter zu London. Fräulein Dubois aber erregte in Paris noch viel mehr Interesse, als vormals der von Buffon so genau be schrieben männliche Orang-Utan, wel chen e in ikglicher Hinsicht weit übev traf, wie manche alte Pariser behaup ten, die Buffon's Ezremplar damals ge sehen hatten. Aber das, was jener gethan, that sie auch und noch viel mehr, und Alles mit viel mehr Grazie. Allerdings wurde ihre Erziehung, wozn Capitän Clopinel und besten Matrosen ettvas seemännisch rauh und derb den Grund gelegt, in Paris be deutend verfeinert. Der außerordenb lich geschickte und sachkundige Oberwär ter Felik, angestellt bei der Menagerie des Jardin des Ptantes, besorgte, n terstützt von seiner Frau, mit schönstem Erfolge die weitere Ausbildung. Die ganze schöne Welt von Paris, besonders aber die neugierigen Damen, pilgerten oder fuhren nach dem Jardin des Plan tes, um die bewundernswürdigen Ta-, lente des rothen Affen anzustaunen. welcher in einer Art von möblirtem Zimmer wohnte, wo sie die Besuche empfing. Ein modisches Kleid trug sie dann, welches man sür sie hatte anfertigen lasten, aber keine Stiefeletten und auch keine Haube, denn davon hatte sie durch- aus nichts wiffen wollen. Wie Fräu- lein Dubois auf einem Sessel an ihrem Tische saß, Thee einschenkte und trank und dazu Kuchen aß, das und noch an dere Wunderdinge mit eigenen Augen zu sehen, wurde für längere Zeit im Frühling und Sommer deS Jahres 1808 ein Hauptvergnugen der vorneh men Pariserinnen. Auch zwei junge Hofdamen der Kai serin Josephine machten sich diesen Spaß, nämlich die Gräfin von Hauffon- ville und die !vcarqulse von Lauriston. Ganz begeistert von der interessanten Bekanntschaft mit Fräulein Dubois. hatten sie nach ihrer Rückkehr in die Tuilerien nichts Eiligeres zu thun, als ihrer Gebieterin die Wunder von der rothen Aesfin zu erzählen, wodurch in Josephinen'S Gemüth der brennende Wunsch erweckt wurde, ebenfalls Fräu lein Dubois kennen zu lernen. Am folgenden Morgen sagte sie zu Napoleon den Ersten, daß sie Luft habe, die Menagerie des Jardin des Plantes zu besuchen. .Weshalb?" fragteer. Um zu sehen, wie Fräulein Dubois Thee trinkt," versetzte lächelnd die Kai- serin. Das könnte leicht zum Skandal An- laß geben!" rief Napoleon unwillig. Ich habe schon von all' dem Unsinn, der da getrieben wird, gehört und gelesen. Ta würden denn alle die Gaffer und Gafferinnen umherftehen, um zu be dachten, wie die Kaiserin von Frank reich sich mit der rothen Aesfin unter hält." Ader das ist doch ein ganz unschul digeS Vergnügen!" Die Oppositionszeilungen würden eS gewiß nicht unterlassen, darüber allerlei Anspielungen und boshafte Witze zu machen." .Tu wünschest e also nicht?" .Rein! Es gliche zu sehr einer öffent liehen Schaustellung, in welcher Tu auch eine Rolle zu spielen hattest .Gut so richte ich eS anders ein!" .Wie denn?" Ich lasse Fräulein Dubois zum Thee in meinen Salon einladen. Hüt test Du vielleicht auch dagegen etwas einzuwenden?" Durchaus nicht, meine Liebe! Nur lade vorsichtshalber auch die gelehrten Direktoren des Jardin des Plantes ein, den Grafen Lacepedc und Baron Eu vier. Dadurch bekäme der Besuch der rothen Aeffin sozusagen einen gesell schaftlichen Anstrich." Sehr wohl, mein Gemahl! Es wird mir gewiß recht erwünscht sein, Einiges von der Affenweisheit der bei den berühmten Naturforscher zu profiti ren bei solcher Gelegenheit. Willst Tu vielleicht auch mit dabei sein?" Wann?" Nun, wenn es Dir recht ist, heute Abend schon." Meinetwegen! Ta ich es so bequem haben kann, so will ich denn auch die Bekanntschaft der Mademoiselle Dubais machen. Doch lade auch Cambecercs ein!" Warum?" Damit ich einen vernünftigen Wen schcn in Deinem Salon habe, mit dem ich sprechen kann. Eine wahre Qual würde es für mich sein, wenn ich mich aus Höflichkeit stundenlang niit den bei den Gelehrten über Affenkunde unter- halten müßte." Es sei ! Ich muß ohnehin noch dem Herrn Erzkanzler von Frankreich gratu- tuen zu keiner neuesten fetandeser höhung. Vor einigen Tagen hast Du ihn ja zum Tilnlarherzog von Parnia gemacht." Ja. Solche kleine Gefälligkeiten kosten kein Geld und erhalten die Freundschaft." Nach diesem intereffanten ehelichen Zwiegespräch trennte das hohe Paar sich orläiisig. Napoleon hatte eine niili tärische Besichtigung auf dem Maisfelde abzuhalten. Die Kaiserin wurde in Anspruch genommen durch eine wichtige Konferenz mit ihren Modistinnen. Doch zuvor ertheilte sie dem Grafen v. Bauffet die nöthigen Weisungen. Dieser dicke Herr, eine wahre Fal staffsfigur, war der beliebteste Präsekt des kaiserlichen Palastes. Die Angele genheit gehörte in sein Amtsbereich; er arrangirte gewöhnlich allerlei Bergnü gungen, wenn solche gewünscht wurden. Uebrigens hatte er noch zwei Kollegen. Der Vorgesetzte dieser drei Palastpräfck ten und somit der höchste Palastbcamte war der Großmarschall Duroc, neuge backener Herzog von Friaul. Gerade zu der Zeit wurden sehr viele neue Her zöge ernannt. Graf Bauffet begab sich alsbald per sönlich zu den Herren Lacepede und Cu vier, welche nicht wenig erstaunten, als sie erfuhren, was von ihnen begehrt wurde. Doch fühlten sie sich sehr ge schmeichelt durch die hohe Ehre. Auch der Oberwärter der Menagerie des Jardin deS Plantes, Herr Felex, wurde von dem, was auf allerhöchsten Befehl geschehen sollte, verständigt, wo rauf er und seine Frau mit fieberhaftem Eifer sich daran machten. Fräulein Dubois auf's Sauberste und Zierlichste auszuputzen. Abends um sieben Uhr rollten zwei Kutschen vom Jardin des Plantes nach dem Tuilerienschlosse. In der ersten saßen die beiden gelehrten Akademiker. in der zweiten Herr Felix und Fräulein Dubois, letztere prangend in einem schönen seidenen phantastischen Ge- wände. Felix half der rothen Aeffin mit so viel würdevollem Ernste beim Ausstei gen, als ob sie eine ostindische Prinzessin gewe en wäre. Beinahe hätten bei ihrem Erscheinen am Portal die erstaunten Schildwachen die Gewehre präscntirt. Aber da rief der wachthabende Gardeosfizier: Laßt das! Es ist ja nur die große rothe Aesnn aus dem Jardin des Plantes!' Die Gardisten lachten und sahen er staunt der merkwürdigen Erscheinung nach. So wurde Fräulein Dubois in's Tuilericnschloß geführt. Tiefe erstaunliche Ehre, die ihr Wider fuhr, hatte sie sich wohl nicht träumen lassen srüher, als sie noch in ihrem Tamarindenwalde auf Borneo Nüsse knackte. Boraus schritten der Palastpräfckt Graf Bauffet und ein Kammerherr, ihnen folgten die beiden Gelehrten, dar aus Herr Felix mit Fräulein Dubois am Arm, sie führend, als ob sie eine richtige Dame wäre. Pagen bildeten Spalier auf der großen Treppe und in der Dianagallcrie, und ein Lakai öffnete gravitätisch die Flügelthüre zum Salon der Kaisirin. Im Salon war eine Gesellschaft von etwa sünfzig Personen versammelt, be stehend aus Mitgliedern der kaiserlichen Familie, Höflingen, hohen Offizieren und vornehmen Damen. Napoleon selbst hatte sich auch schon eingesunden. In einer Fensternische stand er und unterhielt sich mit dem Erzkanzler Eambaceres. Die beiden gelehrten Akademiker wur den angemeldet und eingeführt. Jose phine trat ihnen entgegen mit dem artig ften und liebenswürdigsten Lächeln, in dem sie sagte: .Ich danke Ihnen sür Ihr freundliches Erscheinen! Wir nämlich ich und meine Damen er hoffen von Ihrer Güte einige intereffonte Mittheilungen über die Naturgeschichte der rothen Aefnn." Der Kammerherr rief: .Fräulein Dubois!" Ha, da ist sie ja! Wahrhaftig, sie ist beinahe ebenso nett, als die karaai bische Prinzessin, die ich in meiner Jugend auf Martinique einmal gesehen habe!" Allgemeines Erstaune! Die rothe Acfsi trat in den Salon und kiiixte zierlich; denn dies hatte sie auch sehr schön gelernt. Sie war gar nicht sonderlich befan ge; freilich hatte sie sich ja schon ge wohnt an den Umgang mit hohen Herr schastcn. Felix war bescheiden a der Thüre stehe geblieben. Zuweilen schaute seine Pflegebefohlene sich nach ihm um. Dann leitete er sie durch Winke. Bevor wir selbst uns zum Thee nie versetzen, wollen wir zusehen, wie Fräu lein Dubois ihren Thee trinkt," sagte die Kaiserin. Es stand in der Mitte des Salons ein kleiner Thcetisch fertig gedeckt und dabei ein Sessel. Josephine deutete darauf hin, indem sie z Felix sagte: Bitte, mein Herr, lassen Sie Fräulein Dubois dort auf ihre gewöhnliche Art Thee trinken!" Der Wärter stieß einen leisen Pfiff aus. Die rothe Aessin wandte sich um und sah ihn an. Er zeigte ihr den klei neu Theetisch. Sosort begriff sie, was von ihr ver langt wurde. Ernsthaft nahm sie auf dem Sessel Platz, indem sie ein zufriedenes leises Murmeln hören ließ. Die bereit gelegte Serviette erfaßte sie und breitete sie aus einander. Dann that sie mittelst der silbernen Zuckerzange viel Zucker in die Tasse und schenkte sich Thee ein. Da derselbe ihr aber noch zu heiß vorkam, ließ sie ib einstweilen stehen und fing unterdessen an, mit bestem Appetit al lerlei Leckerbissen zu verspeisen. Dabei gebrauchte sie, wen es ihr nöthig er schien, Messer und Gabel oder auch ge lcgentlich einen Löffel. Ganz menschlich benimmt sie sich," sprach die Kaiserin. Wenigstens bei Tische erscheint sie gaaz civilisirt. Es ist doch seltsam! Mir wird beinahe un heimlich dabei zu Muthe." Sie wandte sich an Cuvier. Herr Baron," fragte sie, ist es wahr, daß von einigen asiatischen Völkerschaften geglaubt wird, es sei wirklich etwas Menschliches in dieser sonderbaren Art von Geschöpfen?" Das ist wahr," versetzte der Ge lehrte. Das Wort Orang-Utang be weist es, denn es entstammt der Ma layen - Sprache und bedeutet : Wald mensch." Und was ist Ihre Meinung?" Es ist nichts wahrhaft Menschliches in diesem Thiere, nur Menschenähnli ches. Die Sprache fehlt ihm; es kann nur knurren und grunzen." Aber dies sichere Benehmen am Theetische! Das zeugt doch von Ueber legung." Nein, Majestät. Es ist nur Nach ahmungstrieb, Folge geschickter Dressur, keine wirkliche Intelligenz." Sind Sie dessen ganz sicher ?" '.Ja." Indessen giebt es Wilde, glaube ich, die kaum auf einer höheren Stufe der Kultur stehen." Das könnte man glauben bei flüch tiger Untersuchung. Geht man aber giindlich zn Werke, so gelangt man zu anderen Resultaten. Zwischen den höchst entwickelten und menschenähnlichen Affen und den denkbar niedrigst stehenden Wilden Südafrikas oder Nordaustra- liens bleibt noch immer eine breite Kluft." Cuvier setzte ihr dann weitläufiger seine Meinung über die Sache auseiw ander ln einem kleinen unterhaltenden und geistreichen Vmtrag, und Lacepedc betheiligte sich zustimmend hin und wie der eifrig daran. Alle lauschten aufmerksam der intev essanten Belehrung, bis auf Fräulein Dubois, welche sich gar nicht darum be- kümmerte, obgleich der Vortrag sie per sönlich betraf. Sie hatte gerade Ande res zu thun. Der Thee, den sie sich eingeichenlt, war nämlich genügend ab gekühlt und sie schlürfte nun das von ihr so geliebte Getränk mit ihrem ge- wohnlichen Anstünde. Es war aber auch wirkl ch Thee von der allerbesten Sorte. Unterdessen war Napoleon näher ge treten, zuletzt ganz nahe z der sitzenden Aeffin. Er sprach kein Wort. Höchst aufmerksam schaute er mit seinem durch- dringenden Blick Fräulein Dubois an. Taun begann er mit seiner rechten Hand ihre Kopf zu streicheln und zu tät cheln. Gewiß, etwas so Sonderbares und Groteskes hatte man noch niemals im Tuilerien-Schloffe gesehen: Der mäch- tigfte Herrscher des Erdballs streichelte eine große rothe, geputzte Aefnn! Ein Augenzeuge schrieb darüber am nächsten Tage folgende Betrachtung nie der: Es war ein merkwürdiger Anblick, wie der größte Feldherr der neueren Zeit, der mächtige Kaiser von Frankreich und Tiltator von Europa, einen Au genblick die Regierungs-Sorgen vergaß, um eine große rothe Aesfin zu beobach ten und sie mit seiner Hand zu ftrei cheln, welche so viele Königreiche und Fürftenthrone zu erschüttern gewohnt war. Die arme Aesfin, so klug sie aussah, konnte doch die hohe Ehre nicht begreijen, w.'Iche Napoleon der Große ihr erwies!" Ganz richtig! Fräulein Dubois konnte das allerdings nicht begreifen. wie sich sogleich offenbaren sollte zum allgemeinen Entsetzen der vornehmen Gesellschaft. j Tenn nachdem er ihr den Kopf ge streichelt, erfaßte er das linke Ohr der Acssin uud sing an, daran zu zupsen und zu zerre. Er that das nicht auf die zarteste Art. Wie man weiß, fiel Napoleon Gala terie dem schöne Geschlecht gegenüber, ost ei wenig in's Brutale. Fräulein Dubois knurrte und grunzte unwillig. Solche eine Scherze ließ sie neu iruher wohl vom Kapitän lM0inel und spater von, Wärter Felix gefallen; aber der kleine Man im grüne Rocke, der sich jetzt Solches z thu erlaubte, war ihr och eine gar zu neue Bekannt ,con,l. Napoleon zupfte und zerrte vor sichtigerwcise och stärker. Knurrend und fauchend bezeigte die große Acssin ihre steigernde Entrüstung daruver. Ihren ibtt hatte sie antun ten. Behutsam setzte sie die leere Tasse auf den Tisch. Dann ei zorniges Grunzen sie holte mit der rechten yanb ans und versetzte blitz chnell dem Kaiser eine so kräftige Ohrfeige, daß er zurücktauinelte und beinahe auf den per fischen Teppich gefallen Ivärc. Allgemeine Bestürzung. Eine Augenblick herrschte Todten stille. Dann schrie Napoleon mit heisc rcr, wüthender Stimme: Schafft das verwünschte UngethUm hinaus! Ich will die Bestie nicht mehr sehen!" Und nachdem er dies hervorgespru delt hatte, rannte er selbst zornig aus dem walon und in ein anstoßendes Ge mach. Herr Felix, bringen Sie den Affen weg," sagte die Kaiserin. Der Gras v. Bauffet wird Ihnen süns Napo leonsd'or sür Ihre Mühe auszahlen." Eilends entfernte sich der Thierwärtcr mit seiner Pflegebefohlenen. Halblaut sagte im scherzenden Tone der Erzkanzler zu den beiden gelehrten Akademikern Cuvier und Lacepede. Wahrlich, nieine Herren, sür Fräulein Dubois ist's ein Glück, daß Sie vorhin miffenschaftlich bewiesen haben, sie ge höre zu den Thieren und nicht zu deni Menschengeschlecht. Denn wäre Letzte res der Fall, so hätte sie ein todeswür- diges Verbrechen begangen, indem sie sich thätlich vergriff an der Person unseres Staatsoberhauptes. Solchen falls müßte sie nach Paragraph 7 un seres Strafgesetzbuches über Majestäts bcleidigung vor Gericht gestellt und zum Tode verurtheilt werden. Auf dcm Grevcplatz würde man sie enthaupten. Da sie aber nachgewiesenermaßen zum Thicrreich gehört, kann ihr wegen ihrer Missethat nichts Schlimmes widersah ren." Recht hatte der scharfsinnige Jurist und kluge Staatsmann. Schon nach wenigen Minuten kehrte Napoleon lä chelnd und heiter in den Salon zurück. Sein Zorn war rasch verraucht. Er scherzte und lachte nun selbst über den Vorfall. Im Uebrigen verlief dieser Thee abend bei der liebenswürdigen Kaiserin Josephine ebenso angenehm und ge müthlich wie so manche andere. Fräulein Dubois erlebte leider den Winter nicht. Im Herbst brach die Grippe oder Influenza in Paris aus, welcher sie zum Opser fiel, weil bei ihr eine Lungenentzündung hinzutrat. Von einem geschickten Präparator wurde sie sehr schön ausgestopst. Und in solchem ausgestopften Zustande kann ma die Heldin unserer Geschichte och heutigen Tages in der naturhislorischen San- lung l Jardin des Plantes bewundern Unvermutet. Humoreske von Fr. Zi, Sie warteten aus den dritten Mann, Alle Augenblicke öffnele sich die Thür des eleganten Restaurants, aber der Er sehnte kam nicht. Ta wurde einem der Wartenden, dcm schon recht kahlhäuptigen Legalions rath von Winninger, ein Brief gebracht. Er las ihn dem anderen Herrn vor: Bedauere heute nicht zu unserem Scat erscheinen zu können. Meine Damen wünschen, daß ich sie zu der Reuter Vorlesung Junkermann'S im Curhause begleite." Also der gute Präsident kommt nicht!" sagte der Major von Ebersburg ärgerlich. Was liest denn der Junker mann heute so Schönes?" Herr von Winninqer ergriff das ne ben ihm liegende Badcblatt: Woans ick tau 'ne Fru kaam!" So, so, , das ist freilich für die Frauen das schönste Thema von der Welt," brummte der Maior. Erlaubcu Sie, eS ist auch nicht nn- interessant," meinte der Legationsrath, .Sie, als Junggeselle, kennen das frei lich nicht, aber ich weiß zu sagen, wie sonderbar eS dabei oft zugehen kann. Wenn e wollen, ever (freund, er zähle ich Ihnen heute etwas davon." .Schon thun feie das!" .Also, Sie wissen, daß ich gleich nach meiner Beravicyicoung hierher zog. Schon damals ein wenig mit .Mond- chein" behastn. etwas Gourmand, be- quem und durchaus nicht hcirathsluftig, war ich das Abbild eines richtigen HaussreundeS. Ich verkehrte damals viel im Hause deS Fabrikbesitzers Treu mann. Mit der Zeit siel eS mir aus, daß die Frau Treumann mich st gedankenvoll betrachtete, und mehr wie je darnach ftrebte, mich an ihr Hau? zu fesseln, ihr Wesen wurde unruhig und ungleich.! Ost erzählte sie mir. daß ihr Gatte, den i ich im Warzen seilen und nur aus Mi nuten sah, kränkele und daß sie sich das, Schicksal einer alleinstehenden Wittwe schrecklich dachte. Mir kamen allerlei sonderbare Jdccn. Sollte mich Fra Trcumaun jetzt schon zum Nachfolger ihres Mannes aSer sehe haben? Das wäre allerdings stark gewesen ! Ich blieb mehrere Tage ihrem Salon., fern, mir war es heimlich geworden. Ei Briefchcn vo ihr: Wo stecken Sie, lieber Freund? Wir erwarten Sie heute bestimmt" veranlaßte mich, dann doch wieder hinzligehen. Als ich eintrat, fand ich den Salon leer. Dann erschien Anna., das älteste Kind des Paares: Die Mama läßt sich entschuldigen, sie wird gleich kommen." Ei, Aennchen," sage ich. ich habe Dich Sie ja so lange nicht gesehen. Sie sind aber recht groß geworden!" Ich plauderte also mil dem ziemlich dünne, eckigen und schüchternen Back sischchcn. Als sie mich ansieht, bemerke ich, daß sie ganz die blauen Augen der Mutter hat. Ich lege scherzend meinen Arm um ihre Taille, indem ich dies und ähnliche harnilose Dinge ihr sage. .Meine theuren Kinder, laßt mich die Erste sei, die Euren Buud segnet!" Ich fühle eine weiche Hand auf meinem kahlen Schädel, der sich soeben z Aenn chen niedergebeugt hat. Ich fahre em por! Meine Freundin steht thränenden Auges vor mir: Mein geliebter Schwie gersohn!" Donner und Doria, das ging schnell !" schaltete hier der Major ein. Ja, m der That! Anna stand auf das Höchste verlegen uud überrascht vor mir und jetzt kam auch Treunlnun, der mit der Gattin zugleich eingetreten war, auf mich zu: Ich hörte zu meiner Freude, welche Absicht Ihren gütigen Besuchen zu Grunde gelegn hat. Unsere Anna ist freilich noch sehr jung" Ja. sehr!" fuhr eS mir heraus. Ich war wirklich im ersten Moment ganz confuse. Also dies war der in's Werk gesetzte Augenblick, der Alles umgcstal ten sollte! Dann aber überlegte ich im Stillen, daß mir dadurch eigentlich nur Vortheile blühen würden. Die Schwie germutter würde noch besser sür mich sorgen, wie die Freundin und die Kleine konnte ich mir ganz als gehorsame Ehe frau ziehen ; ich sage Ihnen, es ist mir auch herrlich gelungen! So, nun wissen Sie, lieber Major, woans ick tau 'ne Fru kaam." Und ich kann nur jedem Freunde wünschen, daß es ihnen nicht schlechter geht, als mir ich habe ganz vermuthet einen Haupttreffer in der Ehelotterie gezogen. Schalljahre. Die an einem 29. Februar Gebore nen haben alle Ursache, ihren Geburt tag in diesem Jahre mit besonderem Glanz zu feiern, denn der nächste 29. Februar tritt nicht in vier Jahren, so dern erst wieder in acht Jahren, also 1904, ein. und angesichts dieses seltenen (nirtltifs(a IwrlnTint ?3 firh ht Wtnpti "'N"'II" . .,... v ,,, v.v v.ttv... thümlichkkit der Schaltjahre in Erinne rung zu rufen. Genau genommen, braucht die Erde zu ihrer Bewegung um die Sonne bekanntlich 305 Tage, 5 Stunden, 48 Minuten und 46 Se künden, und so lange mußte somit jedes Jahr sein, doch wäre es weniger prak tisch, wenn nicht jedes Jahr mit An fang des Tages begönne. Man be gnügt sich deshalb gewöhnlich mit 305 Tage und macht, da die überschießen den 5 Stunden, 48 Minuten und 46 Sekunden im Laufe von vier Jahren fast einen Tag ausmachen, jedes vierte Jahr zu einem Schaltjahre mit 366 Tagen. Dann kommt man indessen wieder in der Zeitrechnung etwas zu weit, denn in jedem Schaltjahre sind 44 Minuten und SO Sekunden oder fast dreiviertel Stunde zuviel. So gering fllgig dieser Zeitüberschuß nun auch ist, so beträgt er doch im Verlaufe von 40g Jahren 74 Stunden, 53 Minuten und 29 Sekunden, oder über drei Tage. Diese drei Tage müssen also wieder uutei gebracht werden, bevor 40 Jahre verflossen sind, und dies geschieht da durch, daß man einige Jahre, die sonst chaltiahre sein mußten, dieser Eigen schast entkleidet. Diejenigen Jahre. deren Ziffern mit zwei Nullen schließen. lind dayer keine kchaltiahre. sosern nicht die Zahlen vor den Nullen durch vier theilbar sind. Die Jahre 1900, 21. 2200, 2300 u. f. w. sind dem nach keine Schaltjahre, dagegen Jahre wie 200 und 24,). Es ist also ein höchst ungewöhnliches Ereigniß, daß zwischen zwei aufeinander folgenden Schaltjahren ein Zeitraum von acht Jakren liegt. Wir werden dies nicht wieder erleben, und etliche nachfolgende Generationen erleben es überhaupt nicht, denn der nächste gleiche Fall tritt erst wieder in 2 Jahren ein, nämlich zwischen 2090 und 2104. Naiv. Bettlerin: .Bitte, schenken Sie mir was, meine armen Kinder haben sonst morgen nichts zu essen!" Junge Haussrau: .Wie, eS ist doch erst Freitag und Sie sind schon mit Ihrem Haushaltungsgeld fertig?" Verhinderung. Freund: .Tu solltest Dich aber dock. besser krisiren. Tu schauft ia aus mit ein Wilder!" Junger Ehemann: .Tu haft gut re den, einen S Siegel haben wir nur und von dem geht meine Frau den ganzen Tag nicht weg!" 4