Das Lehrgeld. Humoreske von Arthur Röhl, Einen entgleisten ZSagen wicderauf die Schienen zu bringen, ist ein Stück Arbeit, zn der Energie erforderlich ist, ein Kinderspiel aber ist es gegen die Aufgabe, ein entgleiste Leben wieder in feste Bahnen zu lenken. Der Lieutenant außer Diensten Friß Lehmann wußte ein Lied davon zu sin gen. Was hatte er, seit ihn die Ver hültnisse zwangen, sei blinkendes Schwert an den Nagel zu hangen, nicht alles versucht, um für die durch Schul den und Leichtsinn verlorene Lieute nantsherrlichkeit in irgend einein hur gerlichen Beruf eine neue Zukunft zu finden I Ueberflillt, überfüllt", hieß es, wo immer er sich meldete und Beschäftigung suchte. Er war nahe daran, seiner Vaterstadt, wo kein Brod mehr fiir ihn vrhanden schien, den Rücken zu kehren und sich in Holland sür Atschin oder jn Algier für die Fremdenlegion anwerben zu lassen, als es plötzlich eines Tages den Anschein gewann, daß der Himmel ein Einsehen mit ihn, haben wollte. Er erhielt nämlich auf die schriftliche Meldung, die er auf ein Inserat ge macht, Antwort die erste Antwort auf tausend Briefe, die er geschrieben. Die Zuschrist forderte ihn auf, sich zu einer fiewisjen Zeit in einem Bureau in der Leiwaer wtrake vorzu teilen. Schmunzelnd besah er sein einneh mendes Bild im Spiegel und machte sich auf den Weg. Als er in das Bureau trat, zeigte er die erhaltene Zuschrift vor und ward sofort zum Ehef geführt. Dieser besah ihn eine Sekunde mit dem kalten, nüchternen Blick, mit dem man ein Pferd mustert. Dann bot er ihm rasch mit höflichem Lächeln einen Stuhl an. Ich sehe schon, Sie werden unser Mann sein", begann er. Sie sind ein junger, schneidiger und energischer Herr, und mit Energie und Schneidig keit muß unser Geschäft gemacht wer den. Sie kennen unsere Branche?" schloß er. Der Gefragte verneinte. Aber Sie wissen sicher, was Schul den sind?" Er nickte nur, fühlte er doch, wie er roth wurde. Und was zähe, böswillige Schuldner sind, wissen Sie auch?" Er wurde röther und röther und nickte von Neuem. Nun sehen Sie, meinte der Kauf mann. Aus diese hohlbäuchigen, aus gebeutelten Kerle, die man wie Bälle hin nd her werfen kann, ohne daß ein Siibcrsechser aus ihnen herausfällt, bauen wir unser Geschäst." Hm", machte Herr Lehmann. Der Boden schien ihm dürr genug. Sie begreifen", fuhr der Kauf mann fort, daß diesen widerspenstigen Schuldnern ebenso viele Gläubiger gc- enüberstehen, die darauf erpicht find, ihr Geld einzuholen, und in der Regel gern bereit sind, jede, wenn auch noch so trügerische Hoffnung, aus dem Vcr luft zu gerathen, mit neuem Schaden zu bezahlen." Der Kaufmann breitete einen weißen, engbedruckten Bogen, der wie ein Kon traktformular aussah, auf dem Schreib tisch aus. Unsere Reisenden, die wir in alle Welt senden, besuchen nun dergleichen Gläubiger und bemühen sich, die Unter schriften derselben sür dieses Papier zu erlangen. Wir garantiren Ihnen laut diesem Kontrakt zur Eintreibung ihrer Forderungen unsere Hilfe. Sie erwer den den Anspruch auf unseren SchuK durch einen prännmerando zu zahlenden Einsatz, auf den wir in Anbetracht der Größe unserer Geschastsspesen bestehen müssen. Stoßen wir jedoch wirklich ein mal unter allen den wirthlosen Förde runzen auf eine beitreibbare Schuld, so suchen wir sie natürlich so billig wie möglich zu erwerben. Sie verstehen also un unser Geschäft?" Lehmann nickte. Und Sie sind bereit, den Reiscposten anzunehmen?" Wohlverstanden, Herr, nur probeweise, fürs Erste sür vierzehn Tage, in welcher Zeit Sie uns Beweise für Ihre Fähigkeit beibringen müssen." Der Gefragte nickte. Warum sollte ihm das nicht behagen? Was hatte er zu er lieren? Der K ausmann nannte eine auskömmliche Reisevergütung, die wo chenweise im Poraus ausgezahlt werden sollte; das Leben, das ihm bevorstand, hatte also keinen Schrecken für ihn. Und so trat der abgedankte Jüngling M Mars wohlgemuth in den Dienst Merkurs über und zog auf die Reise. Gleich den ersten Tag aber begriff er, daß es kein Spaß war, Gcschäftsbesuche zu machen. Er war, wie schon gesagt, ein Mann von einer noblen Erscheinung, und wenn er, mit den Kontrakten der Firma Se lign und Rosenthau in der Hand, in irgend ein Komtor oder in einen Laden trat, glaubte man nicht anders, als daß ein reicher Kunde kam, der große Ein käufe machen wollte, und Kommis und Ehefs stürzten um die Wette herbei, sich nach seinem Begehr zu erkundigen. Der gute Eindruck, den er machte, erschwerte ihm außerordentlich das Geschäft. Es dünkte ihm, wenn er wie ein Grandseig neur empfangen worden, doppelt er nicdriqend, den Kontrakt von seliger und Rofenthau zu repräfcntiren. Die Leute machten, sowie er den Mund auf tbat. auch meistens kurz ehrt. Sie zuckten verächtlich die Aidieln und ließen ihn, als wäre er ein meiner, nn,f n. So war er bereits den dreizehnten Tag aus der Tour und hatte sür alle seine mitgenommenen Kontraktsbogen noch keine einzige Unterschrift gefunden. Wunderbarer Weise aber stieß er an dem Tage, der der letzte einer Handels laufbahn sein sollte, auf ein sehr srcuno- liches Entgegenkommen. Man hörte ihn so fühlte er ruhiger als sonst an. An ein paar Stellen, wo man eine Unmenge schlecht tcr Konten in den Büchern haben mochte, fand man die Porschläge, die er unterbreitete, gar nicht so übel, der- sprach ihm, sich die Sache zu überlegen, und notirte sich seinen Namen und die Firma seines Geschäftes. Auf dem Hofe eines Weingutes fand er den jovialen Weinbcrgsbcsitzer, den er bei einer Flasche von dem Heurigen in sein Schicksal eingeweiht halte, sogar bereit, mit ihm ein Geschäft aliju. schließen. Spaß bei Seite!" meinte der alte Herr, der mit dem schmucken Jüngling seine lektc vonüaliche Ernte probte. ..Ich habe da so ein paar Wechsel von so einein faulen Bruder, von dem aus landläufigem Weg nichts zu holen ist. in meinem Pult. Sie liegen schon Jahr und Tag bei mir. Ich habe sie einmal von einem Wcinhändler, von dem auch sonst nichts mehr zu haben war, als Zahlung angenommen. Vielleicht, daß Ihre Leute in Berlin etwas damit zu machen verstehen." Er rief seine Tochter, ein junges, an- genehmes, ländlich frisches Mädchen, die ihres Baters Wirthschaft führt, von einer Bank, auf der sie im Garten saß, herbei. Antonie," sagte er zu ihr, indem er ihr sein Schlüsselbund reichte. Geh' mal, sei so gut, Kind, und hol' mir aus meinem Spind Du weißt, gleich in der Ecke rechts liegen sie die Wische, die Wechsel her, die wir vor einigen Jahren aus einer Pleite annahmen. Ich glaube, der Herr," er nickte mit sei nein gemüthlichen, weinfrohen Gesicht auf den Reisenden, ich glaube, der Herr wird noch etwas daraus heraus schlagen können." Das junge Mädchen nahm das Schlüsselbund und eilte davon. Sie wußte in den Büchern und Alten ihres Vaters so gut wie in seiner Wirthschaft Bescheid, und im nächsten Augenblick kam sie mit ein paar länglichen, vergilb ten, bedruckten und beschriebenen Pa- Pieren zurück. Der Weinbergsbesitzer zählte den Bfr trag der Billets zusammen. Alles in allein zweitaufend Mark' sagte er. Die Zeche, die solch ein Windhund von einem Lieutenant im Laufe der Jahre in einer Weinstube machte und unbezahlt gelassen hat." Lehmann beugt sich. Er sühlte getroffen. Ach. üh." stammelte er. Was sagen Sie? Osfizierswechscl, Herr?" Ja," sagte der Wcinbergsbefiker, Sehen Sie selbst." Erhielt ihm 'die Papiere quer vor die Augen, daß er das Accept lesen konnte. Ta steht S. Friedrich Lehmann heißt der Patron, Lieutenant Lehmann." Lehmann ward roth wie eine Klatsch rose. Er legte die Augen dicht auf die Accepte. Aeh, üh, stieß er langsam hervor. Die Handschrift des Acceptantcn tanzte vor seinen Augen. Sie war war es die Möglichkeit? seine eigene, lind diese erste und einzige Schuldforderung, die man ihm auf seiner Tour übergeben wollte, eine Forderung auf ihn selbst. Er machte ein so verblüfftes Gesicht, daß der Weinbergbcsitzer stutzig wurde. Sie scheinen von der Forderung wohl auch nicht viel zu halten, sagte er. Jn der That, nein nein", spru delte der Gesragte hervor. Kennen Sie zufällig den Acceptan ten?" Gewiß kenne ich ihn, Herr Puppke. Hat der Mensch doch denselben Namen wie ich. Lehmann ! Fritz Lehmann. Und dieser Lehmann wohnt in Berlin, sogar noch in meiner Straße. Alle Gerichts Vollzieher, die den total abgebrannten Bruder heimsuchen, kommen, ehe sie sich an die richtige Adresse wenden, zu mir. Der Wkindergsbcsitzer schob die Pa picre bei Seite. Prima sind die Appoints aller dings nicht", sagte er. Indeß ich glaubte daß das Inkasso unsicherer Forderungen Ihre Spezialität sei. Hauptsächlich thut es mir um sie leid, lieber Freund, daß sie zu ihrem Namensvetter so geringes Zutrauen be sitzen. Sie erzählten mir vorhin, daß Sie morgen Ihre Stellung los sind, wenn Sie nicht noch heute einen Auf schub zu Stande bringen, und da ich iie beim Plaudern in ver Ictzlen Stunde lieb gewonnen habe, hätte ich , Ihnen gern einen Gefallen gethan. Lehmann danlte Herrn Puppke für fein Wohlwollen, beharrte jedoch da rauf, die Offerte nicht annehmen zu können, da es sich mit seinem kaus männischen Gewiffen nicht vertrage, Jemand zu einem (Wchäste zu verlei ten, von dem er im Poraus wüßte, daß es nur Aerger und Verdruß einbringen konnte. Hatte sich der Fremde Herrn Pupp U'i Sympathie im Fluge gewonnen, so eroberte ihm dieser Beweis biederen Gradsinns vollends sein Herz. Er imponirte ihm so sehr, daß er, als der Reisende fort war. den ganzen Tag über nichts anderes als an ihn den kcn konnte. Antonie!" sagte er paar Mal zu seiner Tochter, der Berliner von heute früh hat mir gefallen, und ich halte zu i gern für ihn etwas gethan. Wüßte ich, was ich thun könnte, seine Aussichten z bessern, ich ginge aus der Stelle jetzt noch nach dem Gnsthof, wo er logirt, und böte es ihm an." Wenn er Dir so an Herz gewachsen ist, geh' hin und biete ihm den Reise Posten an, der im nächsten Quartal bei uns frei wird, weil unser jetziger Ver treter sich sclbstständig macht," so rieth seine Tochter, halb im Spaß, halb im Ernst. Der Weinbcrgsbesitzer aber hörte nur den Ernst in dem Rath und legte bc dächtig die Hand um sein Kinn. Kein übler Gedanke!" meinte er. Von allen den Herren, die sich bisher um die Stelle bewarben, hat mir noch kein einziger gefallen, der Berliner aber hat, als ich vorhin mit ihm probte, eine Zunge bewiesen ich sage Dir, Toni, eine Zunge! Der Mann hat waS weg I" So geh' in die Goldne Gans ', Batcr, und rede mit ihm." Du meinst, Antonie?" Sicher Papa." Die Sympathie des Vaters sür den Reisenden fand offenbar bei der Tochter ihren Widerhall. Fräulein Puppke war, wie gesagt, in dem Geschäft ihres Vaters mit thätig. Sie saß oft stun denlang im Komptor. Kein Wunder, daß ihr ein junger, sympathischer Mit arbeiter lieber war, als ein alter, ver knöchcrtcr Griesgram. Sie holte dem Papa selbst Hut und Stock, daß er zur Goldenen Gans" ging. Lehmann fühlte sich, als der Wein- bergsbesitzcr dort anlangte und ihn rufen ließ, von einem gelinden Schreck ergriffen. Tod und Teufel!" brummte er, Will der Alte mich mit den Wechseln die er von mir in der Hand hat, noch- mals belästigen? Er nahm sich vor, icde weitere Ver- Handlung über den Punkt entschieden abzulehnen. Auf die höfliche Bemer kung des Weinbergbesitzers, daß er hoffentlich mit den Geschästen des letzten Tages zufriedener als mit den früheren wäre, antwortete er kurz : Ich danke, mein Herr, ich bin ein Vertreter des Hauses Seliger und 9co seuthau gewesen. Das Ergebniß meh ner heutigen Geschüftsbesuche war kein anderes als das der vergangenen Tage. Uebereinstimmend mit den Bcdingun gen meines Engagements erhielt ich be rcits telegraphisch meine Entlassung." Um so besser," meinte Herr Puppke. Wieso, um so besser?" Weil Sie so morgen nichts zwingt, wcitcrzureisen, und ich Sie gern noch einmal zu einer Weinprobe einladen möchte." Aber nicht wegen der Wechsel, Herr Puppke; mit diesen Dingen habe ich nichts mehr zu thun." Nein, nein," sagte der Weinbergs bcfitzcr, Sie haben ganz Recht. Wenn dieser Mensch, der Namensvetter von Ihnen, ein so hoffnungslos ansgebeu teltcr Patron ist. wozu sich neue Kosten, neuen Schaden machen? Ich möchte auch nur ein paar frische Fässer Wein, die wir eben kelterten, mit ihnen probiicn. Mir ist, als verstehen Sie etwas davon?" Der frühere Offizier warf sich in die Brust. Ob er etwas vom Wein vcr- stand! Vielleicht nur zu viel. Das Verständniß hatte ihm Rang und tand, sein Geld und, wie die Papiere, die Herr Puppke besaß, zeigten, auch anderen Leuten Geld gekostet. Die theuer genug bezahlte Kenntniß sollte sich ihm jetzt aber nützlich erweisen. Herr Puppke enqaqirte ihn bei der Weinprobe am folgenden Tage vom Fleck weg. ' Und das gereute ihn nie. Herr Lehmann fand sich überraschend schnell und erfolgreich in seine neue Kar riere. Er verstand es, seit er nicht mehr mit den fragwürdigen Kontraktschcimn von Seliger und Rosenthau, sondern mit gronen, wuchtigen Musterkonern auf die Tour ging, sich bei der Kund schaft beliebt zu machen, wie selten ein Reisender vor ihm. Daheim verstand er es aber erst recht, sich im Fluge Ver trauen und Freundschaft zu erwerben. Seinem Chef hatte er sich bald vollkom mm unentbehrlich gemacht, und seit dies ihm auch niit Fräulein Antonie ge lungcn, und die junge Dame vor den Altar geführt, war er Mitbesitzer des Puppke'schen Weinberges und Wringe fchäsics geworden. Er hatte, wenn er an die schweren unsicheren Tage, die er überstanden, zu- rückdachtc, allen Grund, sein Schicksal zu preisen. Er dankte dem Himmel, der seinem Leben, das bereits aussichtslos verfehlt schien, diese glückliche Wendung gegeben, und leise, ganz im Innersten seines Herzens pries er auch die Schul den, die er in seiner Lieutcnantszeit nicht bezahlt hatte. Denn wie man auch darüber denken konnte, sagte er sich, ohne sie wäre er nie und nimmer geworden, was er heute war. Ohne sie wäre er nie sür Seliger und Rosenthau aus Reisen gegangen, ohne sie hätte er nie den Puppke'schen Weinberg betreten, und ohne sie hätte er sich nie in das Vertrauen und in das Herz deS alten Mannes, der jetzt sein Schwiegervater geworden war, schleichen können. Er verhehlte es sich nicht, die vergilbten Schuldscheine, die ungetilgt irgendwo in einem Schubkasten Herrn PuppkeS schlummerten, hatten ihm die Brücke gebaut, auf der er sich aus der i Misere zu Wohlfahrt und Wohlstand! hinüderrettete. Einmal sollten ihm jedoch diese hoch- gepriesenen Papiere in den Becher des ' Glücke, zu dem sie ihn gcsührt, och ein paar Tropfen Wcrmuth einträufeln. Den WcinbergSbesitzer fing nämlich, seit er sein Geschäft immer mehr und mehr seinem Schwiegersohn überließ, die Langeweile zu quälen an, und als er eines Tages in alten Papiere kramte, und aus die erblaßten Ossizicrswcchsel stieß, deren Wcrthlosigkcit ihm einst Herr Lehman in dringlichster Weise dargctha hatte, kam cr aus dcn Geda ke, sich eine Zerstreuung zu mache und es doch noch einmal zu versuchen, ob sich aus diese unerledigten Papieren nicht noch einige Thaler herausschlage ließen. Er hatte sich die Firma der Herren Seliger und Rosenthau notirt und sie nicht verge len. Wen der ceptaiit der Papiere och am Leben war, konnte er in den Jahren, die seit der letzten fruchtlosen Psändung bei ihm vergangen waren, wieder emporgckom men sein. Herr Puppkc freute sich wie ein Kind darauf, seinem Schwiegersohn in der Kontobegleichung seines verkrache ten Namensvetters einen Beweis seiner schneldigkeit zu geben. Er wandte sich also ganz im Gehei men, damit man ihn, wenn der Er folg ausblieb, nicht auSlachcn konnte, mit seiner Angelegenheit ach Berlin und schickte den Herren Seliger und Rosenthau seine Accepte zur Begutach tung em Wenige Tage darauf traf von dem Jnkanobureau eine seltsam versau u lirte Antwort ein, aus der sich jedoch das Eine entnehmen ließ: der Accep tant der nach Berlin eingesandten täy sel schien in der That wieder zu etwas gekommen zu sein. Seliger und Ro en thau verlangten jedoch, wenn es ihnen gelänge, die Forderung einzutreiben, eine Provision von fünfzig Prozent vom Odekt. Herr Puppke lachte sich in's Fällst chcn. Besser als nichts!" dachte er und übertrug die Angelegenheit den 5)er linern. Ein paar Wochen darauf wurde ihm fiir seinen Schwiegersohn, gerade als dieser sich auf einer langen Tour befand, ein gerichtlicher Zahlungsbesehl abge geben. Herr Puppke las die Zustellung und gerieth in Wuth. iSchockbomdenelement! rief er. Welch eine dumme Verwechslung Wird mein Sohn von den Schulden seines Namensvetters bis hierher ver folgt!" Er beschloß, seinem Schwiegersohn die gute Laune, die er so nöthig auf der Tour brauchte, nicht zu verderben und ihm von der albernen Verwech clunq. der er zum Opfer gefallen, lieber gar nichts zu sagen. Das Gericht machte er ausmerksam auf den Fehler, den es begangen, und Seliger und Rosen- thau forderte er kategorisch auf, den in der Klage untergclaufenen Irrthum ab- zustellen. Seliger und Ro enthau hallen indeß, sich ihres Rechtes beioußt, seine Zu schrist einfach "sei acta" gelegt, und das Gerichtsverfahren nahm seinen Ver- lauf. Lehmann verlor in Abwesenheit den Prozeß, und eines Tages trat der Kerichtsvollzicher mit der vollstreckbaren Urkunde in Puppke s Bureau Der alte Mann raste. Was!" ries er, ist der Irrthum denn nicht von den Berlinern ausgedeckt morden? Ist der Termin nicht vom Gericht abbestellt worden (" Er protestirte gegen das Urtheil und fluchte und wetterte gegen Seliger und Rosenthau. Indeß, wenn er nicht wollte, daß der Exeki,tor,zum Skandal der Welt Siegel in seinem Hause an legte, so mußte er sür seinen Schwieger- söhn und Compagnon, der sich noch n mer auf Reisen befand, zahlen wenige stens unter Vorbehalt zahle. Und er that dies auch. Er löste die ausgeklagten Wechsel mit ZinseszinS und Gerichtskosten ein und streckte eine Summe vor, die fast die doppelte Höhe des Wechselbetrages ausmachte. Sein Schwiegersohn war, als er nach Hause kam, begreiflicherweise nicht über das, was während seiner Abwesenheit geschehen war, erbaut. Blitz und Hagel!" sagte er er schreckt. Was focht Dich' nur an. Papa, diese alten Wische Mieder an das Tageslicht zu ziehen? Hatte ich Dir denn nicht klipp und klar gesagt, daß sie werthloS wie dünnes Bohnenstroh sind?" Das sind sie aber nicht mehr," meinte Puppke, die Firma Seliger & Rosenthal, für die Tu früher reistest, gab mir die Auskunft, daß die Wechsel feiner geworden sind." Lehmann kraute sich hinter den Oh ren. Wetter noch eins! Und nun gabst Tu den Leuten Vollmacht und die Zu sicherung einer Provision!" Von fünfzig Prozent!" Der Schwiegersohn verdrehte die Augen und ließ die Finger knacken. Tas heißt" meinte er. Das Urtheil lautet auf Zins und Zinses zins. saft aus das Doppelte des Wech selbktragks, und die Leute haben die Hülste davon von Tir zu verlangen!" I Puppik nickte. Teponiren mußte ich die ganze Summe, die aus dem Erkenntniß steht. Verloren ist jedoch nichts. Tas Gelb muß uns wieder ausgefolgt werden. Lehmann starrte eine Weile sprach IoS in's Leere, dann schien er mit einer Grimmasse. wie wenn er eine allig bit-! Kre Pille verschluckle. einen Entschluß i zu sassen. Er trat auf seinen Schwiegerpapa zu. Vater," sagte er zu ihm, hat i Dich die Sympathie je gereut, die Tu mir an dem ersten Tage, an dem ich aus diesen Hof kam. zeigtest?" Mein Sohn!" stieß der WciubkrgS besitzer, über die seltsame Zivischensragc erstaunt, hervor. Wohlan den, Vater! Nimm ei Gestäiidiiiß von mir entgegen! Der arme verkrachte Aceeptant der Wechsel und Dein Schwiegersohn sind ein und dieselbe Person." Ja," snhrer fort, und driickle Herr Puppke, der mit glotzenden Augen hoch auf sprang, wieder aus seinen Stuhl. Ja, Vater, der Windhund von einem Lieutenant, der Wei trank und Andere zahlen ließ, war ich. Ich halte noch mehr Schulden als diese. Seit ich bei Dir bin. habe ich aber Alles bezahlt. Als ich Dein Schwiegersohn und Kom pagnon wurde, hatte kein Mensch mehr in der Welt einen Heller von mir zu verlange. Nr die Papiere i Dei cm Portefeuille waren unbeglichen ge blieben. Ich hätte so gern auch sie aus der Welt geschafft. Indeß. Du wirst meine Scheu begreifen, Geschichten auf zurührcn, die mir nicht zur Ehre ge reichen. Laß schlummern, was schlum niert, sagte ich mir, da ich natürlich nicht annehmen konnte, daß die unseli gen Papiere noch einmal an das Tages licht gezogen werden könnten." Der Weinbergsbesitzer saß zusammen gesunken auf feinem Stuhl. Seine Arme hingen zu beiden Seiten über die Lehne, und er glotzte und keuchte. Mensch!" rief er, als er alles ge hört und begriffen. Die Kerle Seliger und Rosenthau in Berlin sind demnach in ihrem Recht, und ich habe meine eigenen Papiere mit vollem Betrag an diese Menschen zu zahlen!" Wenn nur weiter nichts ist," sagte sein Schwiegersohn. Wenn nur die unglücklichen Papiere nicht Deine Liebe und Dein Vertrauen zu mir erschüttern. Alles andere ist nicht von Belang. Die Forderung von Seliger und Rosenthau werde ich begleichen. Mein ist die Schuld." Nein," sagte Herr Puppke gerührt, die Schuld, daß Seliger und Rosen- thau das Geld schnappen, ist meine, sür diese Eselei verdiene ich Strafe. Ich iverde zahlen." Und ich werde nimmer zugeben, daß mein Schwiegervater an mir einen rothen Heller verliert." Sie stritten noch eine Weile erqcbniß- los hin und her. Endlich meinte der alte Weinbergsbesitzer! Wohlan denn, behalten wir beide unser Geld. Las en wir das Geschäst für uns zahlen. Das Geschäst kann es mich. Das Geschäft hat den Nutzen von Deinen Schulden gehabt." Lehmann sah seinen Schwiegervater fragend an. Komm mit," fuhr Herr Puppke, der seinen Blick verstand, fort. Komm mit in's Komtor und sieh zu, wie ich den Posten an Seliger und Rosenthau verbuchen werde." Der Schwiegersohn folgte ihm. An seinem Pult stellte er sich an seine Seite. Er lugte, als er das Kassenbuch auf- chlug, über seine. Schulter. Herr Puppke buchte- An Seliger und Rosenthau. Als nachträgliches Lehrgeld für Herrn Friedrich Lehmann." Dieser unterbrach ihn. Wie das?" meinte er. Lehrgeld sur mich" Gewiß," sagte Herr Puppke. Haft Du Tir nicht sür das Geld, das heute Seliger und Rosenthau bekommen, die Weinzunge, die Tu besitzest, angeschafft? Wem aber in der BJelt ist diese Zunge mehr zu statten gekommen, als unserem Geschäft? Nicht mehr als Recht also, daß es Dein Lehrgeld bezahlt." lind noch Eins, sagte er, als er seine Buchung beendet. Behalten wir die Lehrqeldgeschichte für uns; auch Antonie braucht davon nichts zu er- fahren. Frauen haben für derlei Dinge manchmal nicht das geringste Verständniß. Und Acrqcr soll mau sich ersparen, wo man es kann." (Hiic auserstandene antike Stadt. Die Aufdeckung einer merkwürdig wohlcrhaltencn antiken tadt in Alge- ricn. welche eine französische Gcsellschast unternommen hat, verdient die volle Aufmerksamkeit der gebildeten Welt. Einem kürzlich veröffentlichten Bericht Leiters der Ausgrabungen entneh- men wir folgendes: ngad. im Alter, thum Tamuqadi genannt, liegt im Te- partement Eoiistaiitine, nicht weit von dem alten Lamdcsja. und war das tandquartier der berühmten dritten Legion. Kräftiger militärifchcr Schutz war hier eine Nothwendigkeit, denn es galt, die unruhigen Berberstämme im säumt zu halten, die stets bereit waren. das römische Joch abzuwerfen und plün dcrnd,und zerstörend in die reichen Ebe nen de Küstengebietes einzufallen. Tie von Trajan im Jahre- 100 erbaute Stadt halte eine Bluthezeit von 4 j Jahr hunderten durchlebt, als Belisar Nord- srika eroberte. Tie Siege des bnian- tinischen Feldkerrn führten zu Thaten, die an das Versahren der Riiffcn im Zahre 1812 erinnern, denn die einge borene maurische Bevölkerung verwüstete die Felder und zerstörte die Städte, da mit die Eroberer sich nicht im Lande scsts'tzkN könnten. Ta ist auch Zbamu gadi zu Grunde gegangen und hat dann. unter dem schlämm, den die Siegen güffe von den Bergen derabfpullcn, unter dem Sande, den der Siroklo der- beitrug, länger als 12 Jabrdunderle verbor.zcn gelegen Tie wichtigsten der , nun wieder an da Licht getretenen Bauten seien hier kurz erwähnt. Ein Triumphbogen mit drei Thore, der mit Säulen und Statuen geschmückt ist, steht och fast ganz aiifrecht. In, Tchiiße von schönen Säulenhalle sind schöne Kauslädcn aneinander gereiht, d sehr gut eingerichtete öffentliche Ab orte zeigen, daß auch diese Errungen schast der Neuzeit schon im Alterthum bestanden hat. Aus dem Forum steht eine große Basilika, die (der ursprüng liche Bestimmung aller Basiliken ent sprechend) das Gebäude des Handels gerichts war. Außerdem sieht mu ans dem Forum Magazine, Hallen sür gc fettige Zwecke, ein Gefängnis!, eine Kurie, wo der Kemeiiideralh tagte, einen Tempel des Sieges und eine sehr große Zahl Picdcstale, woraus die Bildsäulen der Kaiser und berühmter Männer gc standen haben. Das an einem Hügel angelehnte Theater konnte viertausend Personen ausnkhinen. Auf dem Kapi tol steht ein kolossaler Tempel des In piter, aber seine II Meter hohen Sün len sind umgestürzt nd bedecken mit ihren Trommeln den Boden. I den prächtigen Thermen sind die verschiede mn Badcräumlichkcitcn vollkommen wohlerhaltkn, und auf einem sehr merk würdigen Markt, von dem ein Theil überdeckt war, stehen noch die steinernen Tische, auf denen die Waaren zur Schau ausgelkgt wurden. Alle Straßen sind sehr gut gepflastert und zeigen, wie in Pompeji, die Rad spuren der antiken Wagen. Die Kloa len, die so tief sind, daß man sie ganz durchwandern kann, nehmen wieder das Regenwaffcr auf, welches sich in den nun freigelegten Straßen ansammelt, und die alten Brunnen, welche die Stadt versorgten, sind wieder zur Aus ahme des Trinkwassers bereit, das die bevorstehende Erneuerung der römischen Leitung von Neuem in jene steiuerucn Behälter fließen lassen wird. Die Pri- vatbauten nehmen unser Interesse nicht weniger als die Monumentalbauten in Anspruch. Dasselbe gilt von den mili- tärischen Anlagen sowie von Aquäduk ten, Stadtthoren, Friedhösen und Vor städten. Alles in Allem ist dies der erste und einzige Fall, daß die römische Kunst der Kaiserzeit sich uns in so ge radezu wunderbarer Vollständigkeit vor Augen stellt. Natürlich haben' örtliche afrikanische Einflüsse auf diese Werke eingewirkt, aber das hindert nicht, daß wir hier über jene so wichtige Kunst epoche Ausschlüsse erhalten, die uns das einer älteren Zeit angchörige und mehr griechisch geartete Pompeji nicht hat geben können. So hat der an archäo logischen Schützen so reiche Boden des antiken Numidiens ei Studienmaterial hergegeben, aus den! die Kuiistmissen schast noch großen Nutzen ziehen wird. tausendjähriges Jubiläum der Blutwurst. Interessant ist die Geschichte dieser leckeren Speise insofern, als sie Anfangs ein strenges Verbot hervorrief, das je doch nicht vermochte, der Blutwurst den eroberten Platz streitig zu machen. Es war der morgenländische Kaiser Leo der Vierte (88(5 bis !11), der im Jahre 8! folgende Verordnung gegen die Blut wurst erließ! Wir haben in Erfahrung gebracht, daß die Menschen so toll ge worden sind, theils des Gewinnes, theils der Leckerei willen, Blut in eßbare Speise zu verwandeln! Es ist uns zu Ohren gekommen, daß man Blut in Eingeweide wie in Säcke kinpackt und so als gewöhnliches Gericht dem Magen zuschickt. Wir können das nicht länger dulden und nicht zugeben, daß die Ehre unseres Staates durch eine so fi cvclhäste Eifindung blos aus Schlemmerei freß lustiger Menschen geschändet werde. Wcr Blut zur Speise umschafft, er mag nun dergleichen kaufen oder verkaufen, werde hart gegeißelt und zum Zeichen der Ehr losigkcit bis auf die Haut geschoren. Auch die Obrigkeit der Städte sind wir nicht gesonnen, frei ausgehen zu lassen, denn hätten sie ihr Amt mit mehr Wach samkeit gesllhrt, so märe eine solche Un that nicht begangen worden. Sie sollen ihre Nachlässigkeit mit lv Pfund Goldes büßen." Tas wäre also eine amtliche Nachricht, nach der wir in diesem Jahre das taufendiährige Jubiläum der Blut wurst begehen könnten. Toch gab es im alten Rom ähnliche Gerichte: die von römischen Wursthändlern hergestellte Würste waren jedoch mit Gallium" (Knoblauch) gewürzt. Heute hält aller ding? wohl Niemand mehr die Staats ehre durch die Blutwurst gefährdet, und wenn der bekannte Stuhl mit der weißen Schürze vor dem Schlachterladen hängt, zum Zeichen, daß cS frische Blutwurst giebt, so legt die Waffe der sich einfin dendcn Käufer genügend Zeugniß für die Beliebtheit der Blutwurst ab. fatale ewohndeit. Jmmanuel Kant hatte im Alter dir Gewohnheit angenommen, zeitweise laut zu denken. Eines Abends befand er sich in einer Gesellschaft, in der es sehr steif und gezwungen zuging, und der große (Mehrte, der schon feit längerer Zeit in tiefes Rachdenlen versunken war. brach plötzlich in die Worte aus: Herrgott, ist das hier eine lang weilige Bande!" Ein lautes I'ieläebter erscholl, aber wenigstens war der Ziveck erreicht, denn die Unterhaltung nahm von nun an einen regeren Fortgang. Endlich. l'ommeizienrath lder soeben Adklspaleiit kidaltem: .Endlich. fein end lich stamme Ich auch ad!"