Sankt Nikolaus. Von Karolinc . Echcidlein Wenrich, Sankt Nikolaus! Wie diel junge Herzen klopfen schnellcr und höber in freudiger Erwartung all' der schönen Sachen, welche der ehrwürdige Bischos mit dem schneeweißen Bart und sein arimmer Diener Krainvus den artigen Kindern mitbringen ! Und wie viel alte Herzen erwärmen sich noch im Strahl der Erinnerung an jene entschwundene goldene Zeit, da sie den harten, schncc stöbernden Winter mit Wonne und Entzücken begrüßten, weil er Sankt Ni kolaus und die heilige Weihnacht im (ttefolae bat ! Sankt Nikolaus, Weihnacht! Das sind Tage, die man nicht nur in der Gegenwart, sondern auch in der Ver- aanaenbeit durchlebt: mit wehmüthig gem Danke Derer gedenkt, die uns einst jene Tage verschönten, und ,ekt in un seien Kreisen fehlen ; mit Wonne der kleinen Wesen, die den Freuden der trauten Tage ernst entgegengewachscn ! Und so oft des Jahres letzter Monat und der sechste Tag desselben naht, ge. denke ick der folgenden kleinen Geschichte, die ich zwar nicht miterlebt habe, die ich mir aver von meiner lyeucrcn, oayin geschiedenen Vcutter aus dem reichen Schafe ihrer Erinnerungen an jeden, Sankt Nilolausabend erzählen ließ. In einem Torfe, am Fuße der un aarischen Karpathen, saßen an einem Nikolausabend in einem der größeren Häuser eine alte Mutter mit ihrem ein zigen Sohne im warmen Stübchen bei sammen. Auf einer Bank am Ofen lag ein vollständiges Krampuslostiim : Ein zot tiaer Velz. .schwarze Larve mit rother heraushängender Zunge, welches durch eine Pelzmütze und große Ruthe ver- vollstandiat wurde. Ich wollte, Du gingest nicht mit Iones," sprach die alte Frau. Mir wird's immer bana urn's Herz, wenn ich Dich in seiner Gesellschaft sehe. Bleibe zu Hause, mein Kind, und laß' ihn allein gehen !" Ich habe ihm mein Wort gegeben ; Du weint, wie gerne ich zur Frau Wor sterin gehe, und es ist freundlich von ihm, daß er mich m das Haus niitrust, wohin er ganz gut ohne mich gehen kann ; aber er weiß, wie sehr ich Irma liebe, und will mir als wahrer Freund Gelegenheit verschaffen, sie so ost als möglich zu sehen." Er weiß, daß Tu Irma liebst? O dann nimm Dich doppelt vor ihm in Acht ! Glaubst Tu, unerfahrenes Kind, er habe keine Absicht auf die schöne Försterstochter, die, wenn sie ihn nimmt, ihm die Stelle ihres alten Ba ters verschaffen kann? Hältst Du wirk lich den Janos sür großmüthig, Deine Liebe für das Mädchen zu begünstigen? Janos schielt und hüte Dich vor den Gezeichneten", sagt der Spruch." Gute Mutter", sprach Andor löchelltd, ich begreife, daß Tu mit Deinen schönen, frommen Augen, gegen den armen Janos mit dem falschen, schielenden Blick, Mißtrauen hast. Aber wir thun den armen, von der Natur verunstalteten Menschen unrecht, wenn wir ihr Inneres nach ihrem Aeußern beurtheilten." O, dem Janos geschieht kein Un recht. Es ist ein hartherziger, falscher Bursch, der, noch ein Kind, Thiere und und Menschen quälte, wo er konnte; Du liebst Irma, sie sieht Dich gern, ich weiß es. Bleibe zu Hause, mein Kind, thu's Deiner alten Mutter zuliebe!" Arme Mütter, wie oft appellircn sie in dieser Weise an die besten Kinder ver gedlich! Die Muttcrherzen stehen nun einmal in dem Rufe, eitle Befürcht gen und Wahngebilde zu hegen und ihre Warnungen sind daher nur zu oft stimmen in der Wusle!" So war es auch hier. Ein Klopfen an der Thüre und Janos Eintritt festigte Andor's vielleicht schon wanken- den Entschluß, zu gehen. Janos war ein vierschrötiger Bursch, mit einem Gesichte, dessen Häßlichkeit das Mißtrauen der alten Frau entschul digte, so falsch war sein Ausdruck, be sonders wenn er sich bemühte, freund lich zu scheinen, und wer ihn mit dem hochgewachsenen Andor, mit dem offe nen, männlich schönen Antlitz verglich, in dem konnten wohl Zweisel über die Aufrichtigkeit seiner Freundschaft zu diesem erwachen. Er hatte sich mittelst einer papierenen Mitra, eines schwarzen Talars und schneeweißen Bartes in den Bischof Sankt Nikolaus verwandelt. Kommt schnell, Andor,' sprach er, nachdem er die alte Frau begrüßt hatte, sonst gehen die Kinder zu Bett. Ich erwartete. Dich schon vermummt zu fin den." Wie hätte Andor in dem dicken Pelz die Hitze des Zimmers ertragen können? Er hat ohne dies Kopfweh und Ihr thatet bester, ohne ihn zu gehen. Ja j nos.' sagte Frau Erzsebet. Allein gehen." rief Dieser, imbjbern zu tonnen. ,e vertieften sich Irma freut sich schon auf Andor! Nein wenn er nicht geht, bleibe auch ich zu Hause. Das Mädel soll warten; was liegt mir daran!" .Und das soll sie nicht!' sprach An vor. Tann sprach er bittend zu seiner Mutter: La mich geh n. da ich erwar tet meide. Mache Teinem aroßen Kind ,um Sankt Nikolaus-Abend die Freude! i ?ch komme gewiß recht bald zurück, und ! wir bringen den Abend recht vergnügt miteinander zu!" ' ! So geh' in Gottesnamen. ungehor-, sames Kind," sprach die Mutter zärt lich, aber Ihr geht ein Stück im Walde; wenn Euch ein Wolf begegnet?" Ich nehme ein Gewehr mit. Ein schlechter Jäger, der sich vor dem Wolf fürchtet, lachte Janos. Komin, Kram pus, und vergiß den Sack voll Acpscl und Riissk und Deine Beschccrung für das große, schöne Kind nicht, und nun gute Nacht, Frau Erzsebet!" Die beiden jungen Leute verließen das Haus. Im görsterhause herrschte unter dem halben Dutzend Kleinen bange Erwartung. Sie hatte sich durch einige Stunden voll Ungeduld müde gezappelt, der versprochene Niko laus sainittt seinem Bediente war nicht erschienen. Jetzt fingen die kleineren Kinder an, schläfrig zu werden, und die Mäulchen der Größeren zogen sich be denklich weinerlich in die Breite. Schlaft nicht, Kinder," ermähnte Irma, die ältere Schwester, ein schönes, schwarzäugiges Mädchen von sechzehn Jahren, gleich wird der heilige Niko laus niit seinem Bedienten, dem schmar zen Kramvus, erscheinen. Wer ein geschlafen ist, bekommt nichts als die Ruthe!" Draußen heulte und pfiff der kalte Hcrbstwind, bog die Wipfel der kahlen Baume und warf Schneeflocken und Schlossen an die Fensterscheiben. Das Wetter ist z schlecht," meinte die Frau Försterin, der Herr Nikolaus wird heute wohl zu Hause bleiben." Indem wurde heftig an die Thüre gepocht, die Kleinen fuhren, wie von einem elektrischen Schlag berührt, zu sammen und drängten sich furchtsam um ihre Mutter und Schwester. Die Thüre öffnete sich und herein trat der ehrwürdige Bischof, gefolgt von sei neni ungcthiimen Bedienten, der einen schwer beladenen Korb und einen ge füllten Sack trug, der bei jeder seiner Bewegungen rasselte und klapperte. Küßt dem heil. Nikolaus die Hände, Kinder," ermähnte flüsternd Mutter und Schwester. feeid Ihr brav gewesen, Kinder? könnt Ihr schön beten?" fragte dieser mit tiefer, grölzender Stimme. Und nun begann ein Examen, welches von der Prüfungscommission äußerst nachsichtig gehandhabt und am Ende mit einem Hagel von Acpfeln, Pfeffer kuchcn und Nässen belohnt wurde. Auch das größte Kind, Irma, ging nicht leer aus, sondern bekam von dem galanten Krampus ein schönes seidenes Halstuch. Nun wollte sich das Paar entfernen. da trat aber der alte Papa Förster in die Stube und sprach: Nein, so geht dies nicht, der heilige Nikolaus und Krampus werden einen Tropfen Wein zur Erwärmung mit uns trinken Kommt mit mir auf mein Zimmer, Ihr Herren, und Ihr Kinder, marsch in Bett, und die Anya und Irma sorgen für Schinken und febccf." Der gemüthliche Alte führte seine Gäste in ein Nebenzimmer, wo einige Flaschen feurigen Unqarweines und eine Schüssel mit Tebrecziner-Schinken und Speck ihrer warteten. Wenn gleich der Eine von ihnen, Janos, im Dienste des Försters als Jäger stand, so berück sichtigte der joviale Alte an diesem Aus- nahmsadend nur besten Wurde als he liger Nikolaus, welcher seinen Kindern eine Freude bereitet hatte, benahm sich sehr herablassend und schenkte seinen Gästen mehr ein, als sich eigentlich für zwei so ehrwürdige Persönlichkeiten zu trinken schickt. Auch Irma hatte sich ins Feuer ge nippt und ließ ihre kleine Hand länger in der des Krampus ruhen, als noth wendig gewesen, aber es war ja St, Nikolaus-Abend, der nur einmal im Jahre kommt und das goldene Naß, besten Zauberkraft auch die beiden Alten nicht widerstehen konnten, machte diese! nachsichtig oder vielmehr blind für die unschuldigen Licbcsdeweise, welche sich die beiden ungcn Leutchen, beinahne ohne sich denen bcwunt zu sein gaben. Endlich mahnte die erste Stunde nach Mitternacht zum Aufbruch. Andor, der als ehrsamer Gerichts schreiber und der mäßigere der beiden Gäste nach dem genossenen Wein un sicherer auf den Beinen stand, als der an das Trinken gewohnte wilde Jäger, erhob sich zuerst mit allem Anstand, über den er in diesem kritischen Moment noch zu gebieten hatte, dankte für die freund liche Ausnahme und Bcwirthung, em pfähl sich und verlieb mit seinem Ge fährten das Forsthaus. Außen sprach Janos zu seinem Freunde: Mir ist der Schomlauer zu Kopfe gestiegen, Dir auch. Laß uns einen kleinen Umweg durch den Wald machen. damit der genossene Wein in der kalten i Nachtluft verraucht und Tu ferner; Alten keinen Rausch heimbringst." Andor. welchen Irma s Freundlichkeit und der genossene Wein zum Glücklich ften der Sterblichen gemacht hatten. war damit zufrieden und sreute sich. mit dem freund von lein Liebe Plan- also in die Gange des Waldes, der sich vom Thal bis zum Gipfel des Wetter lings erstreckt. Die jungen Männer bemerkten aber nicht, daß, vom Fmfthause aus, bis in den Wald, ihnen die dunkle Gestalt eines Mannes folgte, der vor ,ch hin murmelte: Möchte doch wissen, warum der Janos den Andor in den Wald ! führt ! Nach Mitternacht in den Wald! Ich folge Jbnen: ich will sehen, was er vorbat !" Tie vierte MorzcnNunde, welche die hölzerne Wand:ihr schnarrend vcrkün- dete, weckte Frau Erzsebet aus ihrem unruhigen Schlummer. Sie halte bis Mitternacht vergeblich die versprochene Rückkehr ihres Lohnes erwartet, und da er nicht kam, endlich ihr Lager ge sucht. Nun erhob sie sich und öffnete die Thür seiner Kammer in der sicheren Hoffnung, den so sehnlich Erwarteten ruhig schlummernd aus seinem Lager zu sehen. Allein welch bittere Tän schung: das Lager war leer. Heilige Mutter Gottcö!" rief sie, sich erschrocken bekreuzigend, vier Uhr und noch nicht heimgekehrt ! Er versprach ja doch, bald heimzukommen!" Ta siel ihr ei, was ja auch wirklich geschehen war, der Förster werde die jungen Männer zurückgehalten und be ivirthct haben. Aber so lange bleibt der alte Man nicht ans, dachte sie. Sie suchte ihr Lager und Beruhigung und Schlaf in ihrem Gebetbuche. Aber sie konnte nicht mehr einschlafen und Stunde um Stunde verran, ohne daß der Erwartete heimgekehrt wäre. Um acht Uhr konnte die gcängstigte Mutter ihre Unruhe nicht länger ertra gen. Sie kleidete sich an und ging nach dem Förstcrhause, wo sie sich um den Verbleib ihres Sohnes erkundigte. Ach, wie erschrak sie, als man ihr die Auskunft gab, die jungen Männer seien zwar dort gewesen, hätten aber nach Mitternacht das Haus verlassen, um, wie sie sagten, heimzukehren. Der Jä ger Janos sei am Morgen wie gewöhn lich erschienen und habe erzählt, sie hätten sich am Eingänge des Waldes ge trennt und Andor habe die Absicht aus gesprochen, auf einem Waldwege nach Hanse zu gehen. Das war ein Donnerschlaq sür das geängstete Muttcrherz! Was ist ihm im Walde begegne!? Warum ist er nicht heimgekehrt? Sie eilte nachdem Walde. Was mußte sie dort erfahren! Mehrere Jäger, an ihrer Spitze der Forstmeister, kamen ihr entgegen. Auf einem Leiter wagen ward ein riesiger Wolf dahergc führt, welcher sich in einer im Walde errichteten Grube gefangen und den man darin erschossen hatte. Aber ach, in derselben Grube war auch der in Stücke gerissene Pelz gefunden worden. den ihr armer Sohn als Krampus ge tragen hatte. Bon seinen übrigen Klei der und seinem Körper fand sich zwar keine Spur; da er aber verschwunden und verschollen blieb, so wurde dennoch angenommen, er sei ein Raub des Un- gethüins geworden. Die unglückliche Mutrer war einige Tagelang dem Wahnsinn nale; dann zum Erstaunen ihrer Nachbarn 'ard sie ruhig und bekundete ihren Schmerz und Kummer nur dadurch, daß sie alle Tage den Wald besuchte, um, wie sie sagte, für ihren verlorenen Sohn zu beten und vielleicht eine Spur von ihm zu entdecken. Und was that und sagte die schöne Irma, als ne das traurige Geschick des jungen Mannes erfuhr, den sie seit Jahren geliebt, und von dessen inniger Gegenliede sie überzeugt war ? Sie be trauerte ihn tief und aufrichtig, und ein unerklärliches, unüberwindliches Grauen empfand sie vor seinem Gefahr- tcn icner !ttncht, dem schielenden Janos der seit dem Verschwinden Andor's ich in ircqer Miie an ie orungie, nno im Eifer seiner Bewerbung ganz z ver gesscn schien, daß sie die Tochter feines Brotherrn war. So vergingen einige traurige Wochen und das Weihnachtsfest nahte. Recht still, beinahe traurig ward es im Forst Hanse begangen, da Irma, trotz ihrer Liebe zu den kleinen Geschwistern, denen sie einen Weihnachtsbanm schmückte, sich dem Banne einer tiefen Traurigkeit nicht entwinden konnte, was auf die armen Kleinen, deren belebende Secke und beseligendes Leben die gute ältere I Schwester war, einen niederdrückenden, beengenden Eindruck übte. So ward den im Försterhause viel weniger ge jubelt und weit früher zu Bett gcgan gen, als an früheren Weihnachlöaben den. Desto lustiger ging es im Gastzimmer der Torfschänkc zu, worin einige Bur schcn Weihnacht anf eine des Festes un würdige Art, mit Trinken, Kartenspiel und wildem Lärm, feierten. Unter den Tollen aber der Tollste war Janos. der seit Andor's Abgang von einem Ertrem in's andere gefallen, und bald Karthauscr, bald Bacchant gewesen war. Heute war er nur Bacchant und trank, schrie und lärmte, daß allen An wesenden unheimlich zu Muthe ward. und der Wirth, der sonst eben kein Ascet war, sich berusen fühlte, ihn an die Weihe des Abends zu erinnern. Aber der runienvoid lachte, an die Feter scheiben klirrten und rief: Weihnacht! Weihnacht! was kümmert mich Weih nacht i Ich feiere nur die Sankt Niko lauSnacht, in der ich einen Meisterftrcich ausgeführt und ein hungriges Wolfs decst mit einem mageren Schreiberlein gefüttert habe." Alle Zuhörer erbleichten ob dieser schauerlichen Worte, und selbst der, wel cher sie ausgesprochen, hatte sie im näch sten Augenblicke lieber mit der Znnge verschluckt. Aber es blieb ihm keine Zeit, zu bereuen: denn es ward an das Fenster der Wirthsstube geklopft, und I als Janos, um seine Verlegenheit und Verwirrung zu verbergen, an das Fen- ftcr trat und hinausschaute, stieß er ei I nen gellenden Lchrei aus, der allen Hö-j rern durch Mark und Bein ging, nd j sank halb ohnmächtig auf einen enel, j inkk'm krink fMfcüitcn. scbielknden ?l,i.ikn , so weit aus ihren Höhlen traten, als ob j sie heraii-'allen wollten. In diesem, Augenblicke önncte nch die Tbüre des Zimmers, und herein trat bleich und schattenhaft der todtgeglanbte Andor und ging auf Janos zu. Alle Anwesenden blieben starr aus Entsetzen und Schrecke. Janos aber schrie, daß es gellte: Zurück, Gespenst, i den Rachen des Wolfes, der Hölle, die Dich auSgcspicen! Rühre mich nicht an mit Deiner kalten Todtenhand !" Und zn den Umstehenden gewendet : Haltet das Gespenst aus der Wolfs grube, daß es mich nicht anrühre, mich nicht verfolge!" ' Und mit einem Sprung war er an der Thür, und rannte, wie von Euine nidcn gejagt, ohne Hut und Gewehr, mit fliegendem Haar, ohne daß ihn Jemand anfznhaltcn vermochte, zum Hause hinaus, in die Nacht und dem Walde zu. Andor aber, dem ein Waldhüter, der alte Jsivan, gefolgt war, ließ sich auf einen Stuhl nieder und sprach mit trau rigcm Lächeln : Hallet auch Ihr Ande ren mich sür ei dem Grab etslicgecs Gespenst, und will der Wirth mir und meinem alte Freunde nicht einen wär inenden Trnnk reichen?" Nun schien es den entsetzten Gästen erst klar zu werden, daß sie es mit dem lebenden und nicht mit dem todten An dor zu thun hatte. Sie drängten sich Alle um ihn und überhäuften ihn mit Fragen; aber der alte Waldhüter Ist van nahm das Wort und sprach: Unser Freund ist kaum von schwerer Krankheit erstanden, ich will ihm des wegen das Reden ersparen, und sein Abcntener, welches ohne den Schutz der heiligsten Jungfrau traurig ausgefal len wäre, erzählen, so weit ich kann." Alles drängte sich um den Alte. Er- zähle, erzähle, erscholl es von allen Sei- teil, und feuchte Deine Kehle mit dem besten Wein aus des Wirthes Keller an. Wir halten Dich frei, alter Jstvan Nun, so hört!" sprach der Alte, ick mochte den schielenden Bursche, der bald Duckmäuser, bald Eisensreffer war, nie leiden und bedauerte immer, daß der gute Andor, der einem Wurm ans dem Wege ging, um ihn nicht zu zer treten, sich mit dem Burschen einließ und beinahe Frcnndschaft mit ihm schloß. An jenem Rikolaus-Abende hatte ich mich im Hanse des Herrn För sters ausgehalten und ihm die Nachricht gebracht, ein Wolf, den die Jäger lange vergebens nachgespürt, habe sich in einer Wolfsgrube gefangen. Da es schon dunkelte nd das Ungethiinr unmöglich aus der tiefen Grube entkommen konnte. ordnete der Herr Förster an, es über Nacht darin zu lassen und erst am näch sten Morgen zu erschießen. Ich aber durste mit den Dlenstleuten zu Nacht essen, und da die zwei lunqen Lente Andor und Janos, bei der Herrschaft bewirthet wurde, blieb auch das Dienst Volk beisammen, bis nach Mitternacht der Nikolans sammt seinem Begleiter, dein Krampus, ziemlich unsicheren Schritte die Treppen heradkamcn. Sie verließen, ohne mich zu vermerken, dm Hans iind schlugen den Weg ach dem Walde ein, und Neugier oder besser ein Gcsuhl der Be orqnin sur den arglosen Andor, trieb mich an, ihnen zu folgen, was mir in der Dunkelheit gelang, ohne von ihnen bemerkt zu werden. Ich hörte, wie untermcgs der falsche Bursche seinen !efährten über dessen Gefühle für ein Mädchen ausforschte, zu welchem auch er es gewagt hatte, seine falschen, schielenden Angcn zu erheben, und hörte zn meinem Mißsallcn, daß der Arglose dem Spion nicht nur seine Liebe zu jenem Mädchen, sondern auch die Nci- gung, welche sie ihm entgegenbrachte, anvertraute. So ging's fort immer tiescr in den Wald, ich den Beiden nach. Ta kommt mir vor (denn sehen ließ die unlclveit nur wenig , als ob ,!anos seinen Begleiter von rückwärts packt nd vorwärts stößt; ein Schrei ertönt, dem ei dumpfes, kurzes Geheul, das ans dein Schooß der Erde zn kommen scheint, antivortet und statt zwei Gestalten sehe ich nur Eine: Andor scheint in die Erde versunken zn sein. Im nächsten Augenblick war es mir klar, Janos hatte seinen Frennd zur Wolfsgrube gelockt und hincingemorscn. Der Bösewicht wartete den Erfolg seiner That nicht ab, sondern lief wie von Teufeln gejagt, weiter; ich aber blieb stehen, sammelte mit der größten Vor ficht, denn ich fürchtete in die Grube zu fallen, dnrrcs Reisig, zündete es a, und erst als ich beim Scheine der Flamme die Richtung der Grube er kannte, rief ich dem Andor zn: Lebst Tu noch? Ich bin es, der alte Jstvan und will Dich retten!" Ich lebe noch." rief er, aber wie lange mir die Bestie, deren Gast ich wider Willen geworden bin, es erlauben wird, weiß ich nicht." Tcr armt SZiirMi kannte nncki ichmen ! So viel Muth kann unser edler Wein den Herzen verleihen! Ich suchte nun nen langen starken Ast, an den ich, weil er mir noch zu kurz schien, mit einem Strick, den ich zufällig oder vielmehr durch Gottes Fügung bei mir hatte, einen zweiten langen Ast band. Nun hielt ich den Ast in die Grube, um zu sehen, ob er lang genug sei. und bis aus den Grund der Höhle reiche, damit Andor, der ein geschickter Kletterer war, daran empor steigen könne. Gottlob, er war lang und stark genug. Ich gab dem Feuer frische Nahrung, damit auch ein Schein in die Ticse dränge, und gebot Andor: Hänge meinen Pelz um und steige so ichncll als mn il:rf) an dem Ait heraus. Warum aber neidest Tu ihm. den j Pelz zu nchmen," riefen die Zuhö r wie aus einem Munde, der j machte ihn ja geschickt und vcnnchrtc die Last, welche der Ast zu trage hatte." Ein guter Rath war es," rief An dor, der mich rettete: denn als die Bestie, welche über meinen Fall anfangs erschrocken war, und sich bis dahin scheu in eine Ecke geduckt hielt, aus der ihre fürchterliche Augen wie glühende Koh len hcransleuchtetcteii als, die Bestie, welche mich nur von Zeit zu Zeit mit einem heiseren mordlustigen Geheul unterhalte hatte sah, das; ihre Beute ihr entwischen wollte, stürzte sie rplötz lich mit einem Satze hinter mir her, Packte mit den Zähnen meinen Pelz, den ich ihr natürlich preisgab, und ans den sie sich wüthend stürzte, sich darin ver beißend. Als sie gewahrte, daß der Pelz leer sei, war ich schon cmporgcklet tcrt, und, Dank meinem guten Jstvan, gerettet." Das war ich Deiner guten Mutter schuldig," sprach der Waldhüter, die mich armen, alten Mann, als ich in meiner Hülte allein nd todtkrank lag. durch ihre liebevolle, sorgsame Pflege dem Tode entrissen hat." Jstvan fuhr fort: Ich nahn, den guten Andor über Nacht zn mir, da wir zu weit entfernt von feinern Hause waren, aber schon am folgenden Morgen bekam er einen Ficberanfall, der ihn so gut hätte ms Leben bringen können, wie das Uiigethüni. Ich hielt seine Rct tnilg und Anwesenheit in meinem Hanse geheim, um zu erfahren, was Janos über sei Verschwinden sagen würde. Hatte er seinen Freund nicht absichtlich den Zähnen der Bestie preisgegeben, so mußte er sogleich um Hilfe für ihn eilen ; allein das that er nicht. Im Gc qcntheile, erzählte am anderen Morgen, sie hätten sich beim Förstcrhause ge trennt und Andor sei aus unbekannten Gründen trotz seiner Warnung allein in den Wald gegangen," Uebrigcns hätte es dieses Beweises seiner Schuld nicht bedurft, rief Andor, da er mich im Walde plötzlich an den Schultern faßte und vorwärts stieß, worauf der künstliche Fußboden, be stehend ans einer Lage von Reisig und Acsten unter meinen Füßen zusammen brach und ich in den Abgrund stürzte. Im Fallen hörte ich noch seine höhnt sehen Worte: Stirb, glücklicher Lieb- Haber, unter den Küssen und Zähnen der Wolisbe tie !" Alle Anwesenden schauderten, Jstvan fuhr fort: Um Andor s arme !v!utter, meine Wohlthäterin, über das Schicksal ihres Sohnes nicht in Verzweiflung zn laffen, benachrichtigte ich sie von seiner Rettung und Kranlhcit, lud sie ein, sich zu seiner Pflege in meine Hütte einzu quartiren und bat auch Sie, aus den angeführten Gründen, die Sache geheim zn halten, denn ich wollte den Eindruck sehen, den Andor's unerwartete Er scheinung nach so vielen Tagen der Ver schollcnheit aus den Böscwicht machen würde. Nun haben wir Alle sein eige nes Gestäudniß gehört, welches ihm das Entsetzen über das vermeintliche Ge spenst entriß und können ihn der ver dienten Strafe überliefern." Ich vergebe ihm von ganzem Herzen und bitte Euch, meine Freunde Alle, seine vielleicht nur im Taumel der Trunkenheit verübte That zu vergessen," sprach Andor. Nur mit Muhe erhielt der edle Für- spreche? von den Anwesenden die Zu- sage, Alles, was sie gehört und gesehen hatten, zu vergessen. Ader die Großinuth des innqen Man- nes konnte die rächende Nemesis nicht zurückhalten, welche noch in derselben Nacht ihres Amtes waltete und den elenden Benüthcr demselben Tode weihte, den er seinem arglos vertrauen den Freunde zugedacht hatte: Man sand am folgenden Tage seine blutigen, zer fetzten Ucbcrrestc, die Füße in den Jägersticfcln, nd den abgenagten zer fleischten Schädel im Walde, wo er anf seiner wahnsinnige Flucht einem Rudel Wölfe zur Beute geworden war. Andor vermählte sich nach einem Jahre mit seiner rma. Sein Lebens rctter, der alte Jstvan, aber blieb bei ihm, und schaukelte nach wenigen Iah- ren die blühende Kinder seines junge Freundes aus den Armen, und als sie älter wurden, erzählt er den Hochauf horchenden Kleinen die Geschichte vom: Sankt Nikolaus. ?ic egclpartic. Ueber eine der merkwürdigsten Kegel paktiern, welche jemals in Europa ge spielt worden sind, haben Berliner Blätter zu berichten. Wir würden schreibt ein dortiges Blatt sie für eine müßige Erfindung, für das phan tastischc Bild eines Märchenmalers hal- tcn, wenn wir nicht Augenzeuge der seiden gewesen wären, wenn wir nicht mit eigenem Operngucker gesehen Hütten, was Elcphantcnrussel machen können. Es sind drei Riesenelephanten, welche jetzt sich allabendlich auf einer Kegel bahn im Wintergarten zusammenfinden, um mit einem Spielchen eine Viertel stunde das Publikum zu unterhalten. Man kann nichts Erstaunlicheres sehen, besonders wenn man bedenkt, daß die Spiele aus einem Lande stammen, in welchem vielleicht affcrn Familien lochen und sich in anderer Weise die Zeit vertreiben, wo aber ganz gewiß das Kegelspiel unbekannt t. Es mag ja sein, daß dies in Teiitfchafrika all- mäliq Mode wird, aber den drei koloüa-' len Dickhäutern, welche ,ctzt auf der Kegelbahn im Wintergarten tcgclspie- - lend erlcdcinen, ist es ganz cewifi nicht an der Wieg? vorgesungen werden, daß sie einst in dieicr Weise angestaunt wer- den wiiide. Ja, angestaunt, wie wir etwa die Liliputaner anstaune würden, wenn sie plötzlich als Gladiatoren vor uns aufträten nd mit Kaiioncnkugeln Erognet oder Boccia spiellcn. Den das clephantischc Kegelspiel wird dadurch so rührend merkwürdig, daß nur die gchenrc Kraft hier mit einem Spiel zeug sich vergnügen sehen, wie einen Sturmwind, der mit einem Blatt Pa pier sei Wesen treibt. Daß die Elc phauten gelernt haben, die Kugeln zu werfe und die Kegel aufzustellen, be wundern wir weniger, denn die Elc phaiilc find intelligente Vvrsiind fluthcr, nd die des Herrn Ephraim Thompson im Wintergarten zeigen uns, bevor sie die Kegelbahn beschreib, noch Merkwürdigeres, was sie anf den, Ge biet der Musik, des Tanzes und des Uni gangs mit Menschen, bekanntlich der größten Kirnst, zu leisten im Stande sind. Das Publikum wird sich hiervon ja mit Geiiugthnung überzeuge, wir aber möchte es versuchen, der Kegel Partie besondere Aufnicrlsainlcit z schenke. Man kann von den Elcphn ten lernen. In welcher Eintracht spie len sie! Kein Streit, keine Meinuiigs Verschiedenheit stört das Spiel, kein überflüssiges Schwatze, kein unpassen der Witz, ' keine alte Anekdote trübt den beliebten Zeitvertreib. Mit welcher Ruhe benetzt der Spieler, bevor er zur Kugel greift, die Rüffclspitze, mit welcher Sicherheit notirt er den Wurf auf der Tafel und wie präcise richtet der Kegcljnngc, ein Elephant von ge radczu verblüffendem Umfang, die ge fallenen Kegel auf und rollt die Kugel dem Spieler wieder zu! Das Schau spiel, welches hier von dem dickhäutigen Dreibund dem Publikum geboten wird, ist einzig in seiner Art, und wenn ihm rauschender Beifall folgt, so gilt dieser nicht nur der Kunst des Abrichtens, sondern den Elephanten selbst, die nicht nur sich abrichten ließen, sondern sich als Künstler ersten Ranges produzircn. Und er gilt auch ihrer Herzensgute und angeborenen Bildung. Was geschähe wohl, wenn sie anders wären und sich erinnerten, daß sie die stärksten Thiere der Erde sind! Wenn sie Lust hätten, allein sein zu wollen! In etwa zehn Minuten wäre der Wintergarten leer und die Bühne ein Schutthansen. Wir verließe den Saal bewundernd und dankerfüllt zugleich. Um auch eine Kleinigkeit auszusetzen, fragen wir Herrn Thompson: Warum geht nicht auch eine der Kugeln fehl? Es wäre doch interessant, einen Elephanten eine Ratze werfen zu schcn. Wie ci japanischer Prinz schreiben lernt, schildert ein in Pari lebender Japaner in der Vie Eoniemporaine": Tcr junge Taimo ist von einem ganzen Stäbe schöner Dienerinnen umgeben, die fortwährend kommen und gehen, um Schüler nd Lehrer mit allem Möglichen 3'ir Hand zu sei. Tie eine löst die chinesische Tsche in einem kostbaren Tintenfaß ans; die andere glättet das Papier, das eine dritte in schone hellfar bigen Rollen hcrbeigctragen hat ; eine vierte spitzt mit ihren zarten Fingern die Tuschpinseln u. s. w. Man sollte meinen, alle Musen wären herabgestie gen, um dem jungen Prinzen in der Stunde der Arbeit alle Schwierigkeiten hinwegzuräumen und, ihm das Lernen so leicht und angenehm wie möglich zu machen. Endlich erscheint der Prosessor pünktlich zu der ihm bestimmten Stunde; stillschweigend, geschmeidig nähert er sich dem Taimo, indem er leise und respclt voll anf weißen Matten gleitet. Kci nerlci Gcränfch kündet sein Erscheinen an: seine Mund bedeckt eine weiße Serviette, welche es verhindern soll, daß der Athem des Mannes das Antlitz des Prinzen berühre. Man ist in dieser Beziehung sehr delikat in der japanischen Gesellschaft. Nachdem sich der Schreibe mcister in wortlosen Begrüßungen er schöpft, läßt er sich nieder und beginnt Striche auf das Papier mit einer Zieh feder aus Elfenbein zu ziehen. Wenn sein Schüler die Striche nachgezeichnet hat, ist es Psticht des Professors darüber eine tiefe Bewunderung und große Freude zu bezeugen, er muß außeror deutlich bewegt sein über die schönen An lagen des Kindes, aber er Oarf Alles nur durch Gesten zeigen, er darf den Prinzen nicht anreden; vielmehr nimmt er tipe der ältesten Dienerinnen bei Seite und beaustragl sie, sein Erstaunen und seine Begeisterung für das kalligra phische Talent seines Schülers diesem zu dolmetschen. Bittere Ironie. Als im Jahre 1811 unter der fran zöfifchcn Regierung, die aus den armen Bürgern hcrauspreßte. was sie nur konnte, die Ttiaßenbeleuchtnng in Er fürt eingeführt war, fand man eines Morgens an einem Laternenpfahl fol genden Vers angeheftet : .Als Erfurt noch im Wohlstand war. Ta war es sinstcr immerdar : Jetzt zündet man Laternen an. Tamil der arme Bürgersmann Tes Nachts zum Betteln sehen kann." ?Iich was. Bräutigam: Hat Papa Dir gegen über noch niemals von Teimr Mitaist gesprochen ?" Braut:,. i,aS wird nicht viel fein. ckiatz; aber seit einigen Jahren nehme lym kden Tag eine t'igarre fort, ka dene ich Tir drei bis vier K,ftd-n mit in die Ehe bringen zu können." l