Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, November 07, 1895, Image 9

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y-
Sie kratzt nimmer !
in Bildchen ai dem Torfs von Pet
Roiegger.
..Komm. Bater. der Livvcrl will wie,
der einmal nicht folgen !" rief die scharfe
Stimme der Mutter aus der Stube
i heraus. Er will die rupfene Pfaid
wieder einmal nicht anlegen. Komm,
Vater I"
' Der Vater, der im Vorhaiise auf der
Haselbank geritten war, um einen Stil
zum Hausbcscn zu schneiden, legte den
SchniKgerhin undstandauf. Erwarei,,
stattlicher, noch fast junger Mann und
hatte ein rundes Gesicht, auf welche,
die gute Stunde zu lesen war trotzdem
er soeben Bcscustil geschnitzt hatte. Er
ging nun langsam in die Stube.
' .So !" sagte er, folgen will er nicht,
der Lipperl !"
Die Mutler that am Kindcrbettlem
um und war vergeblich bemüht, den
twa fünfjährigen Knaben in das neue
Hemd zu bringen, das gestern erst aus
den Handen der Nähterin gekommen
war. Die Nähterin war eine Herzens
gute Frau gewesen, hatte auch gar feine
Hände gehabt, aber die Pfaid, die aus
diesen Handen hervorgegangen ! Wenn
der Lipperl von der eisernen Jung
krau" schon einmal etwas gehört hätte,
so würde sich ihm kein übler Vergleich
ergeben haben zwischen diese, Fräulein
mit den zahllosen Eisenspitzen inwendig
und der rupfcnen Psaid, die ,m l,e
Mutter eben über den Kopf streifen
wollte. Der Rupfen, wer ihn kennt !
Das ist die grobe, ruppige Leinwand,
In der noch die spießigen Augen stecken.
Sonst war es der Brauch, daß die
neuen Rupfen Pfaiden zuerst ein
Dienstbotenlind, ein lcdiges, durch
etliche Tage anlegen und liud walgen
soll, ehe das Hansbiiblein hincinschliipft.
Dem Franz im Hof gefiel dieser Brauch
nicht. Mein Bub muß auch geriffelt
werden," sagte er, hat eh eine Haut
wie Fließpapier. Das Fell muß ae-
gerbt werden und die weiße Haut fo
kratzt bis sie roth ist. Gegerbte Häute
halten länger und rotle sind gesünder
, und auch schöner. Also drum hinaus
mit der rupscncn Pfaid !"
Der Livvcrl zeterte höllisch, als der
Bater eintrat, er wollte jetzt weder gc
sund noch schön sein, noch lange halten
und am wenigsten wollte er in die neue
Pfaid. Die 'Mutter hatte er sich mit
stämmigen Aermlein und strampelnden
Fußlem zur Roth vom Leibe gehalten,
beim Vater gab's keinen Widerstand,
oder die Geschichte wurde noch schürn-
mer. So nahm der Vater auch jetzt
ohne weitere Umstände das wimmernde
nackte ffnäblein aus dem Kissen, streifte
ihm das spröde Hemdchen über Kopf
und Achseln und legte ihm auch das
neue Lodenhöslein. an, welches, so pro
per es sich von außen ansah, inwendig
auch seine Widerlichkeiten hatte. Und
nun stand die kleine Kreatur da, die
Beine auseinandcrspreitcnd, die Arme
halb gesenkt, das Körpcrlem einqe
j- kauert, bewegungslos, weil ja bei jeder
f Bewegung die Hose und die Pfaid jüm-
merlich kratzten, feo taiid er da wie
ein Sträußlein Elend und ächzte und
stöhnte, als sollte er eben geköpft Mer
den. Anstatt dessen sagte der Vater
lachend: Na wart', wir wollen dir die
Wehleidlgkelt schon herausnudeln !"
Nahm ihn, legte ihn auf den Fußboden
sachte um und begann ihn flott hin und
her zu walgen. Die Mutter schlug ihre
Hände zuerst über den Kopf und dann
über den Magen zusammen. Der Lip
perl schrie unter den kräftigen Armen
des Vaters, dann wimmerte er und end
lich hub er bei seiner nudelwalgendcn
Bewegung an zu kichern. Dann sprang
er auf, und das Kratzen war weg, die
Pfaid war weich gewalgt, der Lipperl
lief lachend davon.
Bist aber doch ein rechter!" grollte
die Mutter ihrem Manne zu.
Freilich", sagte er, unser Herrgott
macht's mit uns Großen auch so. Thut
uns ein diffel Kratzen zu weh, so macht
er was Stärkeres."
Du weißt halt alleweil was," ent
gegnete sie. Und derweil du mit dem
Kleinen umthust, vergißt du auf die
Große !"
Ah beileib nicht, Jula, uf dich ver
. gess' ich nicht," sagte er und that schier,
als wollte er sie halsen.
Tschappcrl! Aus das Mädel ver
gißt!" Richtig, auf die Therescl, die jetzt
auch schon bald eine Große ! Man ge
wöhnt sich halt so schwer daran, daß sie
groß werden, die Kinder, die man klei
erweis kriegt hat."
Sie wird schon bald achtzehn," sagte
die Mutter, dieweilcn sie die Bettdecke
des Knaben in die Lust auswirbclte.
Ich hab' dir sagen wollen, Franz,
heut heut' will n kommen . . . . "
.Wer?"
.Der Derlei.'
Der Derlei? Der Sepp? D Tirn
steigt er wieder nach? Das soll er sein
lassen, ich sag' ihm's!" Das Weid stellte
ihre Arbeit ein, schaute ihm rudig in's
Gesicht und sagte: Zu dir, hör' ich.
will er heut' kommen, der Sepp. Ernst
will er machen. Ich bitt' dich. Vater,
sag' nicht nein. Die ganz' Rächt hat
sie heut' geflennt, die Thcresel. vor la
tn Angst, du kunnl'st nein sagen. Ke
glaubt hatt' ich s nicht, daß ein Mädel
so vernarrt kunnt sein in ein Manns
bild. Jetzt drehte er sich balbseitlinq zu ihr,
schaute sie windschief an und sagte
.Bist d' nicht auch gewesen?"
.Sa nicht !" wedrte sie ad, .nein, so
nicht, achgcflennt hab' ich dir nicht !" I
Ver
Jahrgang l.
n , - t j ' 1 1
Weil du mich geschwind ghabt
hast !" rief er aus und klatschte in die
Hände. Dann ernsthaft: Na, ist gut.
das Mädel soll ihn auch haben. Gegen
das Heirathcn hab' ich nichts, der Der-
ler Sepp ist soweit ein braver Mcnlch."
lind ein schöner Mensch !"
Und ein fleißiger Mensch."
Und der große Hof dazu !"
Ist auch nicht zu verachten " setzte
er bei. Dann fuhr er lebhaft in die
Höhe: Aber mein Gott, jetzt soll das
Aiädel schon hcirathsmäßig sein! Und
Hab's erst noch in Winoel herum
getragen, Wann kommt er denn?"
Stund eilf herum, hab' ich gehört."
Der Franz legte seine Hände auf den
Rücken, ging vom Tisch bis zur Thur
und wieder zurück zum Tisch und fragte
dann sein Weib: Du Jula, ich weiß
nicht, was sagt man denn so eigentlich,
wenn einer um die Tochter anhalten
kommt?"
Lapperl, was wird man denn sa
gen, in Gottcsnamen; ja wird man halt
saacn.
'Und ihrn's Dirndl gleich so hinwcr
fcn? Nein, ich denk, man sperrt sich
em bissel.
Kannst dich ja auch ein bissel spcr
ren. Abcr halt nicht zu lang, es kunnt
ihm anders einfallen,"
Fürcht' dich nicht, Jula dem fällt
nichts anderes ein. Ich werd' halt
sagen, wenn er ansragt, daß von
wegen -na Teuxel, was sagt man nur
da'Kcscheidtes?"
Sie zupfte sich einen losen Faden nus
dem Aermel: ..Mein wn, um ein
schicksamcs Wort wird man doch nicht
erst betteln aenen rnu ml wagt man
halt, daß die Sache so viel unerwartet
gekommen ist. Viel zu Mg war ,ie
noch, und das gute Kind, man möcht'
es frei nicht gerathen im Haus."
Narr, das ist ja das helle Nein!"
rief der Franz.
Nachher," fuhr sie fort, kannst
bald fragen, ob er denn mit dem
Dirndel schon auf gleich wär'? Gern
haben, das wär' die Hauptfach'. Wen
die Therescl gern hat und 's ist ihr
heiliges Fürnehmen und er veriprichk,
daß er sie glücklich machen will, so kunnl
man nicht Nein sagen "
Du Jula, jetzt, das geht wieder zu
schnell," sagte der Franz, was wär's
denn mit einer Bedenkzeit ?"
Ich bitt' dich, Bedenkzeit! Das ist
allemal gefährlich bei verliebten Leuten.
Gcheirathct ist's ja so nicht auf der
Stell' und versprechen können sie sich
heut' so gut als morgen. Sagst halt,
wen er sich's wirklich mit allem Fleiß
überlegt hätt'. Und der heilige Ehe
stand wär keine Kleinigkeit, anfangen
thut er freilich ganz lustig, aber nachher
kommen die Kreuz und Leiden "
Jetzt hatte der Jran Bedenken und
sagte: Du, wenn nian einem so vor
redet, da kann er erst noch aussprin
gen -"
Gut, so laß Kreuz und Leiden weg."
Ich wcrd's lieber weglassen," ver
setzte er und somit war's besprochen.
Später stand die Mutter in der
Milchkanimer beim Dirndel. Das war
ein kleines, rundliches Ding, aber die
Lebenslust schaute ihm bei den vergiß
meinnichtblauen Augen heraus.
Ich hab' schon geredet mit dem Va
ter," flüsterte die Mutter der Therescl
Was dar er denn ge agt?" hauchte
.. ,
diese zurück und hielt vor Erwartung
den Athem ein.
Er wird schier nicht umsonst kam-
men, der Sepp !"
Da machte das Dirndel einen solchen
Freudensprung, daß die Dielen knarr
ten und die Milch schmurdelte in den
Töpfen.
Jetzt muß ich dir aber auch was
sagen," fuhr die Mutter fort. .Dieses
Jöppel mit dem zerrissenen Unterflitter
behältst mir nicht am Leib, wenn er
kommt !"
Das schwarze Sammtjackerl leg' ich
an," meinte das Tirndel.
.Na, versteht sich! Am hellen Werk-
tag das Oftcrtaggewand, daß er kunnt
meinen, du gingest immer nur so im
Feiertag herum und hättest keinen Lös
sei zum Arbeiten ! Das Blaudruckröckcl
legst an und das weiß' Schürze! dazu.
Schön sauber wasche im Gesicht und 's
Haar sein glatt machen! Ader keine
chmeatrrpfen drauf, immer einer
riecht nicht gern. Und die Ohrgehänq
sein thust weg. Vor nicht schreckt sich
ein heirathendeS Mannsbild so arg als
vor Putz, weil er gleich denkt. Herr
Jesel, was wird das eld kosten !
Zuerst wird er mit dem Vater allein
redeir. Nachher wirft gerufen werden.
Und bleib ja nicht vor ihm stehen wie
ein Stock, mach' dir gleich in der Stube
zu schaffen und wenn du Red angelas
sen wirft, so stell dich zuerst, abs hättest
keine Zeit zum Schmatzen. Und muß
ich dir noch was sagen." fuhr die Mut
ter in ihrem Unterrichte fort. .Sein
Vater, der alte Derlei, soll aberglciu-
Sonntagsgast.
Beilage zum Nebraska Staats-Anzeiger.
bisch sein und einmal gesagt haben, bei
jungen Mädeln müsse man schauen, wie
sie die Uhr aufziehen."
Was? Wie sie die Uhr aufzichcn?"
lachte die Therescl drein. Das kann ich
gar nicht."
Wie eine die Hängeuhr aufzieht,
soll er gesagt haben, daran erkennt man
gleich, ob sie anschickiam ist oder nicht
Zieht eine bei der Schnur an, ohne daß
sie beim Eewicht-Klachcl nachhebt, so
ist's nichts mit ihr, sie ist ungeschickt
und verdirbt alles, was sie angreitt.
Ich bitt' dich, Thcresel, nimm dich zn
sainmen ! Wenn ich nachher auch in die
Stube komm', so werd' ich sagen:
Schau, heut ist die Uhr noch nicht auf,
gezogen !" Drauf eilst du gschwind hin,
steigst auf den Schemel, ziehst schön
langsam au bei der Schnur und hebst
mit der anderen Hand den Klachel nach,
daß nichts bricht. So und jetzt schau,
daß du mit dem Abrahmen fertig wirft,
Stund eilf herum ist er da."
Jetzt gings der Therescl schlecht. Ihr
erster Gedanke war: Aufputzen! Die
Fingerlcin krümmten sich schon nach der
silbernen Halskette, nach den vhrge,
hangen, nd just das sollte sie nicht.
Daß die A!annsbildcr gar so wunder,
lich sein mögen ! Hat sie ihn nur erst,
nachher wird's ihm wohl auch gefallen,
nachher kauft er ihr gewiß noch was
dazu.
Da siel es dem Dirndel jäh ein:
Wenn er die Ohrgehänge thäte tragen!
Oder gar eine Halskette! Na, da wollt'
sie ihn schön auslachen. Er ist gerade
so am schönsten, wie er ist. Nicht eiw
mal die Tabakspfeife braucht er in den
Mund zu stecken. Indessen, wenn er
so ein biffcl vom Tabak riecht beim
Mund, so ein klein bissel, das macht
einen ganz schwindelig vor lauter Ge
schmackiakeit. Aber kratzen muß man,
um heil davonzukommen, diesen kecken
Menschen in die Hand kratzen. Gott,
ist das ein schöner Mensch!
' Stund' eilf herum war die Stube
mit aller Sorgfalt aufgeräumt, auf
dem Schrank halle die Jula neuen Lrn
nenzeuq offen liegen lassen, schneeblü'
melweißen Linnenzeug! Der Franz stand
am Tisch und schnitt vom Laibe Brot
spalten in eine hölzerne Schüssel für die
Mittagssuppe. Er schnilt immer hin-
ein uud die Schussel war schon voll und
es ereignete sich nichts. Endlich hub
draußen im Hofe der weiße Pintschcr an
zu keifen. Der dicke Schmakelbauer
stieg langsam heran und hinter ihm der
Derler-Sepp. Der schlanke, lunqe,
lcbfrische Sepp. Beide im Sonntags-
gewand, der Schmad,Ibauer mit einem
feierlichen Stocke, der Bursche die eine
Hand in der Rocktasche, die andere mit
dem Daumen am Hosenträger. Unter
dem weißen Hemokraaen ein kir chroth
seidenes Halstuch, aber am Hut keine
Feder und keinen Strauß. Ob er mot-
gen derlei tragen wird, das kommt aus's
Glück an, das sie jetzt suchen gehen. Der
Pintscher wollte den Burschen in die
grünen Strümpfe schnappe, allein der
Sepp beugte sich niede,, klatschte mit
der Hand auf die Lederne und machte
dem Hündlein was Versöhnliches vor,
gleichsam, als müffe er jedes Wesen für
sich gewinnen in diesem Hause.
Die Jula war eilends in die Küche
hinausgeschlüpit: das qicnqe noch ab,
daß es aussähe, sie hätten schon darauf
gewartet ! Die beiden Manner traten in
die Stube. Nach dem Grüß Gott
und auch so viel" sagte der Franz, es
märe brav, sie lömmen gerade recht zum
Mittagessen. Taraus die artige Ent
geqnung vom Schmadeldauer, de
Elftns wegen wären sie wohl nicht her
gegangen, aber wenn sie nicht ungelegen
kämen, ein par Wörtel reden möchten
sie mit dem gränz.
.Was denn lauter!" rief der Brot
aufschneidet, .seid 'leicht um die There
scl da?" Wenn man einen Mund so
megschlagen könnte, wie eine Nase, der
Franz hätte sich etzt den seinen wegge
schlagen aus innerem Zorn über die
vorlaute Red'. Aber sie war heraus
und der Schmadelbauer wackelte mit
glühendem Gesicht auf ihn zu, hielt ihm
beide Hände hin: .Ja, Nachbar! Um
deine Therescl sind wir da. Ist's wahr,
Sepp?"
Ter Angeredete blieb hinten beim
Linnenschranke stehen, nickte lebhaft mit
dem Kopf und wurde roth wie eine
Nelke. Allerliebst schauen sie aus. die
jungen Burschen, wenn sie roth werden.
Ler Franz schrie es in die Küche bin-
aus: .Mutter, komm' geschwind herein!
Da schau! Ter will unser Mädel hei-
ratben!"
Tie Mutter war anfangs bestrebt.
den all, raschen Lauf der Ereignisse zu
hemmen. War auch schon die kleine
runde Theresel da und wollte die Uhr
auiziehr.
.Mädel!" rief der Vater, faßte sie an
der Hand, stellte sie dem Tepp gegen
öder und sagte: .Was sagst denn'däzu?
Magst ihn?"
Wendete sich das Dirndel langsam
um, ging hinaus in die Vorlauben und
weinte in ihre Schürze hinein.
Die Mutter that bestürzt, hielt sich
beide Hände vor's Gesicht und mur
melte: Mein Gott, zwingen kaun man
niemanden zum Heirathcn. Wenn sie
halt nicht will!"
Jetzt trat der Sepp vor und sprach
ganz kühnlich: Wöllcn thut sie, das
weiß ich."
Ist's wahr?" rief der Vater zur
offcncn Thür hinaus. Sie weinte noch
immer in ihre Schürze hinein, nickte
abcr nicht unmerklich mit dem Köpflein.
Der Scpp ging schnell zu ihr hinaus
und nahm sie mit beide Händen beim
Köpfe!.
Sie kratzt nimmer! Sie kratzt nim-
mer!" nt diesem heileren oppcliairei
waberte der Lipperl zur Thür herein.
Der Schmadelbauer lugte etwas schief
hin. Hat sie denn gekratzt?
So sag's auch, wer nimmer kratzt,
vertrackter Bub!" schrie die Mutter,
deine rupfene Pfaid kratzt nimmer!"
Und die auch nimmer!" sagte der
Scpp, nachdem er dem Dirndel einen
Schmatz gegeben hatte, pickfest mitten
aus den Mund hin.
Line kzeimthsannonce.
Humoreske von Boronin v, Klokom.
Unter der Ueberschrift : Reiche Hei-
rath" las man eines Tages in einer der
verbreitetsten Zeitungen der Residenz
folgende anziehende Annonce :
Ein elternloses Mädchen! Der
Vormund eines schönen und vornehmen
jungen Mädchens mit einem Vermögen
von' 300,000 Mark wünscht sein MUn
del niit einem distinguirtcn Herrn zwi-
schcn 25 30 Jahren zu verhnrathcn.
Aus Vermögen wird nicht gc eycn
Vcrmittlung verbeten. Briefe bczcich-
net mit li 87 in der Expedition d. Bl.
abzugeben."
Es dürfte kaum zu erzählen nöthig
sein, daß es am nächsten Tage Briefe
niit dein Bemerk B 87 förmlich regnete
In wenigen Stunden war die Anzahl
'aus über 00 Billets anaewach en
Einige Tage später erhielt Graf Rosen-
st,ehl, einer der dreihundert, folgende
Antwort :
Sehr geehrter Herr Graf !
Die Nachrichten, die Sie mir über
Ihre sociale Stellung und Ihren Ge-
chmack u. s. w. zu machen beliebt haven
befriedigen mich vollkommen. Was
mein Mündel betrifft, so halte ich es für
meine Pflicht, Ihnen zu sagen, daß sie,
die reich genug sür sich selbst und ihren
zukünftigen Gatten ist, Werth darauf
legt, einen Wunsch zu befriedigen, der
leider in unserer Zeit so selten ist, näin-
lich eine Ehe aus 'Neigung einzugehen,
Es erübrigt nunmehr noch, zu erfahren,
ob S ie ihrem Geschmack entsprechen wer-
den.
Uebriqens will ich es nicht verhehlen,
daß Ihre Photographie keinen absolut
ungünstigen Eindruck gemacht hat, eher
ist das Entgegengesetzte der Fall.
Dies ist gerade, was mich bestimmt
eine Zusammenkunft zwischen ihr und
Ihnen zustande zu bringen. Wollen Sie
so freundlich sein, sich am 5. d. Monats,
im Circustheatcr einzusinken?
Mein Viündel und ich lverden unseren
Platz in der Loge Nr. 10 nehmen und
es wird uns ein Vergnügen sein, Sie
in unserer Loge zu empfangen.
Hochachtend B 87.
Gleich nachEmpsang dicscs Schreibens
eilte Graf Rosenstiehl nach dem Eirus:
Ein Billet, erstes Parquet !" verlangte
er, als er ganz athemlos am Billetschal-
tcr stand.
.Zur heutigen Vorstellung?" fragt
der Kassirer.
Nein, bis zum 5. d. Monats."
Thut mir leid, schon alles ausver
kauft."
Was sagen Sie?"
Ich besitze zu der Vorstellung kein
einziges Billet mehr."
Dem Grafen war zu Muthe, als ob
man ihin einen Eimer Waffer über den
K opf gcgoffcn hätte. Er erbot sich einen
höheren Preis zu zahlen, aber vergebens.
Alle Billets waren ausverkauft, sogar
die obersten Range. Ter Kassirer schlug
ihm unbarmherzig den Schalter vor der
Nase zu.
Der Graf entscrnte sich ganz niedcrge
schlagen. Außerhalb des Circus kam
ihm ein Mann mit niedrigem Hut ent
gegen. Ein Billet zum ersten Parquet ge
fallig. mein Herr?"
..Ziehen Sie zum Kukuk!" rief örger
lich der Graf.
Nickt sür heute Abend, sondern zur
Vorstellung am 5."
Was sagen Sie?
Der Billcthandlcr lächelte mephifto
phelisch und ging in eine in der Nahe
besindliche lebbierhalle.
Gras Rosenstiehl. de: einen kleinen
Schimmer von Hoffnung blinken sah, j
folgte ihm in die Kneipe. '
N. 25.
Das ist wirklich ein guter Platz,
mein Herr, erster Reihe Num
mer." Ich nehme es "
Das Billet kostet 2 Mark."
Das ist aber sehr theuer."
Schon möglich, aber ich gebe es nicht
billiger ab !" erklärte der Händler kalt
bliitig, indem er das Billet wieder in
die Tasche steckte.
Der Graf verzog verdrießlich das Gc
ficht, aber er bezahlte schließlich de ge
forderte Preis, nahm sein Billet und
brummte in den Bart: Es war doch
noch ein Glück, daß ich den Kerl traf !"
Die Vorstcllnng am 5. ist in den
Annalen des Circus als merkwürdig
bczcichnet.
Mit kleinen Zwischeiiräumen saßen
die Leute eng zusammengepfropft.
Ucberall sah man elegant gekleidete
Herren mit einem kleinen Blumenstrauß
im Knopfloch überall, wohin man
sah, schwarze Röcke.
Nur eine einzige Loge war leer, es
war die Loge Nr. 10, ach welcher alle
schwarzgekleideten Hcrrcn fast fortwäh
rend ihre Operngläser richteten.
Im ersten Zmischenact zerstreuten sich
die Schwarzgekleideten in den Gängen.
Um die Loge herum wimmelte es wie in
einem Ameisenhaufen der zweite
Act begann. Aber die Loge 10 blieb
unverändert geschlossen leer.
Nach der Vorstellung befand sich eine
heitere Schaar in einem neben dem Cir
eus gelegenen Restaurant, wobei ein
Seidel Echtes nach dem anderen getrun
ken und ganze Schüffeln vorzüglicher
Speisen verschlungen wurden. Chri
stian Schmidt, der August des Circus,
zu dessen Benefiz die Vorstellung gegeben
wurde, Präsidirtc mit väterlicher Würde
bei diesem ungewohnten Schmause.
Greift nur zu Kinder !" rief er, cßt
Euch satt ! Steckt auch etwas ein
ich bezahle !" Ja bezahlen kannst Du
schon," antworteten die Kollegen.
Das Benefiz hilft Deinen Finanzen
auf!" Der Kerl hat immer Glück."
In diesem Augenblicke kam die kleine
Sugenne, eine Voltigeuse, um an dem
Mahle theilziiiichnien.
Kinder," begann sie, das war heute
ein merkwürdiges Publikum im Theater
im Parquet keine einzige Dame,
lauter elegante Herren !"
Ja," bemerkte ein Kollege, das ist
wahr ! Und wie sie da saßen ! Alle mit
grimmigen Gesichtern, als wollten sie
auf einander losschlagen ! Kein Mensch
weiß weshalb."- Daß weiß ich aber,"
sagte der August ruhiz. Das ist wegen
der Loge 10." Aber es war Niemand
in der Loge," entgcgnete die Kleine ver
wundert. Gerade deshalb !" sagte der räukevolle
Clown, indem er mit den Wimpern
zuckend hinzufügte: Die leere Loge 10
das ist ein Trick von mir, damit ich sicher
sein konnte, ein volles Haus zu haben."
bin Blick in's La der blaue
Edelsteine.
Kein Land zieht den Forschungsrei
senden so umviderstehlich an, stellt aber
auch in dessen Ausdauer größere For
dcrungcn, als das geheimnißvolle Reich
jenseits des Himalaya. Wie eine un-
bezwingbare Hochveste steht es da im
Herzen Eentralasiens, rings von gewal
tigen Riesen mit schneeweißem Haare
gegen fremde Neu gier vertheidigt, .m
Norden bietet die wafferlose Gobi-WUste
und das Kuenluen-Gebirge jedem Bor-
dringen Trotz, im Westen und uden
hütet es dcr Vater der Berge", wäh
rend im Osten dic Aniic-Kamsamgri-Gebirgskette
Wacht hält. Und doch'ge
lingt es manchmal, einen Blick in das
gelobte Land moderner Forschungsrei
senden zu werfen, aber meist muß man
sich mit diesem karglichen Erfolge be
gnügen, da die allgewaltigen Lamas
dem in Thibet eindringenden Fremd
linge ein energisches Halt entgegen
rufen. Wer sich Thibet von Indien aus
nähert, dcr muß unwillkürlich des Rit-
ters gedenken, welcher das verwunschene
Schlo aussucht. Tag für Tag steigt
er langsam empor in sast undurchdring-
lrchcm Waide, vorüber aus schmalem
-aumpsade an schwindelnden Abqrün-
den, an rauschenden Bcrgströmen und
zischenden Wasiersallcn. ein sreund
llcher Sonnenstrahl lächelt ihm, der
Himmel ist fast immer bedeckt, Waffcr
trieft von den Baumriescn herab und
manchmal verengt sich der Pfad so sehr, j
daß man wie zwischen zwei gewaltigen, !
senkrecht aufsteigenden Mauern, dic den
verwegenen Fremdling jeden Augenblick
erdrücken zu wollen scheinen, hinwan-i
deit. Immer hoher und hoher qcht es
hinan, hier und da donnert eine La-!
wine, wie ein ernster Mahnruf mit
drauiendem Getose vorüber, und doch,
unerreichbar über dem Haupte des Rei-
senden, schauen die mit ewigem Schnee
bedeckten Hiinalpaspitzen in feierlicher
nie gestörter Ruhe hervor. Weiter und
weiter geht es, kein Laut unterbricht
mehr dic Stille, die Lust wird reiner
und durchsichtiger, aber auch bedeutend
kälter, weiße Zacke bilden in Bart nd
Haupthaar wundersame Formen, es ist,
als habe der Hauch des Batcrs der
Berge Gestalt angenommen. Endlich
ist der Gipfel des letzten Passes er
reicht nd vor ,is liegt das ersehnte
Land.
Wie mit einem Zauberschlage sind
alle Mühen vcrgestcn, denn der Anblick,
der sich hier bietet, ist ivniidcrbar. Weit,
unabsehbar dehnt sich das Land vor uns
aus, das Auge wandert ungehindert
über lingcheure Flüchen, die sich wie
eine Wüste ausdchncn. Hier nd da
unterbricht ei See, dcr wie ci tiefes,
blaues Auge zu us emporblickt, die
schier endlose Einsörmigkcit. In der
Ferne zeigen sich braune Bcrggruppcn
und dahinter wicdcr schnecbcdecktc Gip
fcl. ES stiebt wenig Anblicke, die so
sehr dc Eindruck dcr Vcrlasscnhcit, der
Ocdc und Mclancholic hcrvorriifcn. Da
ist kein Baum, kein grünes Fleckchen,
nur wüstes, stciiiigcS Land von zerrisse
ncn Felsen unterbrochen. Man kann
sich eines Schauders nicht erwehren, so
trostlos, so trailrig ödc starrt uns das
vcrwiinschcne Land cntgcgcn.
Allein allmählig fühlt man, wie auch
diese so ödc Landschaft ihren geheimen
Reiz hat. Es ist ein einziges Farben
spiel, welches sich dem Auge darbietet
und bei längercin Anschauen einen im
mer größeren Eindruck macht. Das
dunkle Braun der Ebene sticht von den
fast purpurfarbenen Bergen und den
hier und da verstreuten blauen Seen
wunderbar ab. Dahinter wirken wie
verheißende Fraucnhandc die weißen
Spitzen der schneebedeckten Berge, die
sich aus dem ticsblaucn Himmel schars
abzeichnen. Die Lust ist dazu so rein
und durchsichtig, daß Alles in scharsen
Umrissen hervortritt.
Allein so weit das Auge reicht, läßt
sich kein Zeichen menschlichen Lebens
entdecken. Dies erhöht nur den ge
heinlnißvollen Reiz, innn fühlt sich
allein, einem einzig großartigen Natur
schauspiele gegenüber. Uni so über
.raschendcr ist daher dic Entdeckung, daß
in dieser Wildniß tauscnde und aber
taufende von Thiercn leben. Die zier
lichcn Antilopen springen von Klippe
zu Klippe, an den sanftnbstcigenden
Bcrghöhen findcn sich große, lang
haarige Bergschase in ganzen Rudeln,
wilde Esel ziehen in Schaaren über die
braune Ebene nd stolz schreitet inmit
tcn seiner Unterthanen der König der
thibctanischcn Thiermclt, der wilde BUf
fcl, einher. Große Züge wilder Vögel
zeigen sich am Horizonte und auch auf
den Seen kann man Wasscrvögcl aller
Art entdecken.
Je mehr man schaut, um so wnder
batet, unbegreiflicher gestaltet sich Alles,
bis wir zuletzt kaum mehr nferen
Augen trauen. Es ist ein wahrhaft
unvergeßlicher Anblick, welcher sich uns
von den Höhen dcs Himalaya bietet, ein
Anblick, der tausendfach alle Mühen
Und Anstrengungen aufmicgt, ein phan
tastischcs Räthsel, wie das unbekannte
Land dcr blauen Edelsteine selbst.
Sachsen nd Preußen.
In einem Eisenbahncoupce sitzen ein
Sachse und ein Preuße. Plötzlich fliegt
von einer Wiese ein Storch ans.
Ei hcrrjccscs," sagt der Sachse, da
flicgd ja Ihr Landsmann."
Wieso?" fragt verwundert der
Preuße.
Na, schnse, der Schdorch is schwarz
weiß un hab ä großen Schnabel."
Der ärgerlich gewordene Preuße sinnt
auf Rache. 'Den eben aufgehenden
Mond betrachtend, sagt er spöttisch zu
dem Sachsen: Nu ist Ihr Landsmann
auch endlich da."
Sie schbaffen, mci Lieber!" meint
dcr Sachse.
Durchaus nicht. Der Mond ist
wirklich Ihr Landsmann, denn er wird
alle vier Wochen einmal helle."
Lein Schönheikgefühl.
Geisbube (zu einer Dirn): Sakra.
Tcandl, müaffest aber Tu schö' sei',
wannst Ti' amol wasch'n tha'st!"
Bedenkliche Ausrede.
Herr: Sie haben mir ja wohl die
sen Spazierftock verkauft?"
Stockhändlcr: Ja!"
Herr: Und Sie sagten, der Griff
sei echtes Elfenbein, er ist aber nur
Imitation."
Stockhändlcr: .Das thut mir leid,
mein Hcrr. Ich beziehe mein Elfenbein
direkt aus Ceylon, und die einzige Er
Ilärunq, die ich Ihnen geben kann, ist.
daß die Elephanten jetzt auch schon falsche
Zahne tragen.
Die nette Wirtinn.
Wirthin: Ich mache Sie aber dar
auf aufmerksam, daß ich im Geldpunkte
sehr energisch bin; Ihr Vorgänger blieb
mir drei Monate die Miethe schuldig,
und als er dann auch noch nicht zahlen
konnte, habe ich ihn einfach hinausqe
worfcn." Student: Unter diesen Bedingungen
nehme ich die Wohnung auch!"
Kritif.
.Nun. wie fanden Sie die Stimme
der Primadonna?"
.Je nun: früher hatte sie eine Herr
liche Alt-Stimme. jetzt abcr hat sie eine
alte Hcrr'n-Stimme!"