Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, November 07, 1895, Image 11

Below is the OCR text representation for this newspapers page. It is also available as plain text as well as XML.

    Der Diebstahl. ,
2Iu3 dem Ciiglildjtii von A, Cberljoljee.
Als Helwr Merot sein Bureau er
lies!, war es beinahe MiUcrnacht. Ein
abscheulicher Tnicffefjler hatte Bergan
gene Woche eine seiner Rcdcweildunge
so entstellt, daß sie zur unsinnigen,
lächerlichen Phrase wurde. Seither
hat er sich vorqcnommen. jede Ziacht
den ersten Druck seiner Artikel selbst zu
durchgehen.
Es war anfangs Winter und ein
kühler Wind blies durch die Straßen.
Als er ans seinem Wege nach den Bou
lcvards die Rue Montmartre vurch.
schritt, kam ihn auf einmal die Lust an,
noch etwas zu trinken, bevor er sein ein
sames Junqqcsclleicheim aufsuchte. Er
lieh sich also vor dem nächsten Eafe an
einem Tischchen nieder, liif; sich ein
Glas Punsch geben, und beobachtete die
Vorübergehenden. Als er sein Glas
geleert hatte, legte er eine Silbermunze
auf den Tisch und wandte sich um, um
seinen Stock aufzuheben. Im nämlichen
Augenblick, als sich Hektar erhob, nahm
eine Hand die Münze auf, und der
Dieb verschwand sosort daniit um die
nächste Ecke. Da zog Hektor ein ande
rcs Geldstück aus der Tasche, warf es
auf den Tisch und machte sich an die
Verfolgung des frechen Diebes. Der
selbe ivar augenscheinlich unerfahren
in seinem Handwerk, denn er eilte die
Straßen auf und ad, ohne jedoch mehr
als hundert Meter von seinem Aus
gangspunkte wegzukommen. Hektor war
zu fchr Pariser, als daß er nicht auf
den ersten Blick erkannt hätte, daß der
Mann kein gewöhnlicher Taschendieb
war. Hektor'kannte die Scitengäßchen
und Durchlässe gründlich und rannte
gerade aus einem derselben auf den
Unglückseligen zu. Beide Männer hicl
ten plötzlich im Laufen inne, und Hektor
sagte barsch: Gieb mir mein Geld zu
rück!" Der Dieb stand bewegungslos
da, und der Journalist benierktc beim
Schein der Straßen-Latcrnc das nieder
geschlagenste menschliche Gesicht, das er
e in seinem Leben gesehen hatte. Der
Mann vor ihm mußte noch sehr jung
sein, aber sein Gesicht war blaß und
eingefallen, und das straffe, schwarze
Haar wie auch der Schnurrbart gaben
ihm ein geisterhaftes Aussehen. Er
trug fadenscheinige Kleider und machte
überhaupt den Eindruck eines ertrunkc
nen Mannes", wie sich die Franzosen
ausdrücken.
Beim Anblick solchen Elends bcschlich
Hektor ein Gefühl der Schuld: es war
ihm, als ob er selbst ein Verbrechen be
gangen hätte. Als der Unglückliche sei
nem Ankläger, ohne auch nur ei Wort
der Entschuldigung zu äußern und mit
dem Ausdruck äußerster Verzweiflung in
den tiefliegenden Augen die Münze zu
nickgab, da konnte der Jounnlist kein
Wort mehr finden. Er nahm die
Münze, steckte sie in seinen Geldbeutel
und drückte diesen dem Unglücklichen in
die Hand: und dann machte er sich da
von, als ob er selbst der Ticb gewesen
wäre.
Nach zehnjähriger Arbeit und mühe
vollem Ringen hatte Hektar eine wichtige
Stellung als Journalist und Kunst
kritiker erlangt.
Seine Aufrichtigkeit und sein sicheres
Urtheil hatten ihm die öffentliche Mei
nung gewonnen und sein Urtheil über
alles was Kunst und Literatur betraf,
wurde vom Publikum immer mit epan-
nung erwartet.
Allein trotz seines großartigen Erfcl
ges und Ruhmes hatten die ersten schwer
ren Jahre seines Ringens und Schaf.
scns tiefe Spuren auf ihm hinterlassen;
es blieb ihm immer ein melancholischer
Zug: den er nie vollständig unterdrücken
konnte.
An einem schönen Maitagc trat er in
rosiger Stimmung ins Restaurant Lc-
doyen. Es war der Erösfnungtag des
Salons und es entspann sich bald eine
belebte Diskussion unter den Gruppen
von Künstlern und Journalisten über
die Kunsterzcugniffe, die dieses Jahr
ausgestellt worden waren.
Hcktors Ankunft erregte Aussehen und
überall wurde er warm bewillkommt.
Mit den leichten Manieren eines mit der
Gesellschaft vertrauten Mannes erwiderte
er die verschiedenen Begrüßungen und
nahm dann feinen gewöhnlichen Platz
an einem Tischchen ein, an welchem Paul
Nielsserv, der junge LandschastSmaler
und Eharlcs Zirtins, der Aguarcllmaler
ihn erwarteten. Mit diesen zwei Freun
den konnte sich Hektor immer sroblich
unterhalten: er theilte vollkommen nicht
bloß ibre Liebe zur Kunst, sondern auch
ihre Verachtung alles dessen, was gc
mein und knechtisch war.
,Nun. Hektor,' rief Paul aus, Tu
schaust heute geradezu freudestrahlend
aus! Was ist vorgegangen und waS bat
Dich so verändert?"
Run, nichts Besonderes, gerade das.
was Ihr auch gethan habt! Ich habe
Gemälde und Skulpturen angeschaut,
aber ich habe das Objekt hcrausgefiin
den, ein Meisterstück, eine Inspiration,
die mir in der Seele wohlgethan hat."
Hektars Freunde horchten gespannt aus
seine Worte, und an den benachbarten
Zischen hielt man mit der Diskussion
inne, denn es war wohl der Mühe werth,
den Kunstkritiker zu hören.
Es sind dies Jahr allerdings einige
vortreffliche Sachen im Salon ausgc
stellt," shr Hcklor fort, allein meiner
crn.: i, . v . . x m:
X'lf CIUIIU, llllllj Utni'U" UUf VVll Clll
per stück, 'das Alles übertrifft, ein Stück. '
wie wir es nur alle zehn Jahre einmal !
zu Gesichte bckcmmcn. Es ist Jean,
Meunikrs iha". Ein deifelZiz'
Gemurmel erhob sich an den übrigen
Tischen, als Hektar den Namen des jun
gen Bildhauer nannte. Hektor und
seine Freunde setzten ihre Mahlzeit im
besten Humor fort.
Wahrend des Desserts erhob sich
Eharlcs Zirtins und schritt nach einem
entserntcrcn Thcil des Restaurant. Von
dort kchrte er bald von einem schlauern,
hübschen junge Mann begleitet zu sei
nen Freunden zurück; derselbe war gut
gekleidet und trug den unverkennbare
Stempel eines Gentleman; in seinen
Zügen lag der Ausdruck tiefen Ernstes,
der beinahe an Traurigkeit grenzte.
Hektor", sagte Eharles, ich stelle
Dir hier nieinen Freund Jean Meuuier
vor." Der junge Journalist erhob sich
rasch und drückte dem jungen Bildhauer
warni die Hand.
Ich muß Ihnen für den Genuß dan
ken, den Sie mir heute Morgen ver
schafft haben, sagte er. Ihr Wrack"
ist in der That ein wundervolles Kunst
werk, und ich glaube kaum, daß mir je
eine Bildhauerarbeit so viel Vergnügen
verschafft hat." Der Künstler war bei
diesen Worten des Kritikers ganz ent
zückt und ließ sich auf Hcktors Einla
dung hin am Tische nieder, wo eben der
duftende Kaffee scrvirt wurde. Wäh
rend der Konversation betrachtete Hektar
die Züge des jungen Mannes und sann
vergeblich darüber nach, wo und wann
er das feine Gesicht mit dem inelancho
lischen Ausdruck in den dunkeln Augen
gesehen hatte. Er durchging in Gedan
ken die verschiedenen Bekanntschaften,
die er in Klubs, Künstlerakelicrs und
Eascs ge,nacht; aber er konnte nicht her
aussinden, wo er diesen Mann gesehen,
doch versolgte ihn jener melancholische
Blick fortmährend. Schließlich dachte er,
er müffe wohl niit jeinand eine liefern
dcre Achnlichkeit haben und vertiefte sich
wieder ganz in das Gespräch mit den
drei Künstlern. Nach und nach leerten
sich die benachbarten Tische und Hektor
rief den Kellner herbei nnd bezahlte die
Zeche. Er ließ etwas Kleingeld als
Trinkgeld für den Kellner liegen und
da er bemerkte, daß er eine kleine Sil
bermünze unbeachtet ließ, die halb ver
borgen neben einein Teller lag, rief er
ihn zurück und sagte: Nehmen Sie das
auch."
Plötzlich schaute Jean Meunier auf
mcrksam auf das Geldstück und dann
auf Hektor. Sein bleiches Gesicht wurde
noch bleicher, ein Schauder überlief seine
Gestalt und in Hektor erwachte plötzlich
wieder die Erinnerung an jenes traurige
Gesicht, das er vor zehn Jahren an je
nein Nooembcrabend beim Schein der
Straßenlaterne gesehen hatte. Er reichte
dem jungen Bildhauer theilnchmcnd die
Hand, der sie mit warmer Dankbarkeit
ergriff.
Hektor und Jean schloffen an diesem
Tage einen engen Freundschaftsbund.
Der junge Künstler erzählte seinem
Freunde die lange Geschichte von Armuth
und Elend, in welcher er zur Zeit sich
befunden, als Heitors theilnehmendc
Hülfe ihn und seine junge Schwester
vom Tode errettete. Letztere war jetzt
zwanzig Jahre alt, schön, glücklich und
der Sonnenschein ihres berühmten Bru
ders. Hektor wurde ein fleißiger Besucher
im Atelier des jungen Künstlers und
war auch ein häufiger Gast an seinem
Mittagstische. Eines Morgens erschien
folgende Nachricht in der Zeitung: In
nächster Zeit wird die Hcirath unseres
hervorragenden Künstlers Hektar Mcrot
mit Fräulein Helene Meunier, der
Schivestcr von Jean Meunier, dem
wohlbekannten Bildhauer und Schöpfer
des Wrack", slattsmden.".
Ein Alordbrnder für die Bande,
Bon Marimilian stramier.
Ohne die Vermittelung eines Theater
Agenten oder eines einflußreichen Kriti
kers war der Schauspieler Pachutzki zu
der Gesellschaft des Direktors Schirde-
wahn gekommen. Eines Vormittags,
als gerade eine Probe zu Don Earlos"
stattfand, trat Pachutzki ohne jede An
Meldung und Förmlichkeit vor den wür
digen Direktor. Auf den fragenden
Blick des Hauptmanns antwortete er
nach dem klassischen Vorbild des Pa
tcrs" aus den Räubern: Ein Wort an
Dich," hierbei sah er den Direktor an,
und zwei an die Bande!" wandte er
sich an die Mitglieder.
Schirdewahn nickte mit jener majc
statischen Herablassung, die ihm als
König Philipp eigen war.
Engagement?"
.Nein!"
.Macht Kollekte!" forderte Pachutzki
die versammelten Kollegen auf.
Diese chlagfertigteit erregte so all-
gemeinen Beifall, daß selbst der Höchst
iommandirende von der heiteren Stirn
mung mit fortgerissen wurde.
Meinetwegen bleibt hier ! cnt-
schied cr.
Ein neuer Mordbruder sür die
Bande!" stellte sich Pachutzki den Mit
gliedern vor. Wir wollen sein ein
einig Voll von Brüdern."
Auch diese Improvisation des citaten-
nicken Mimcn erweckte laute Heiterkeit,
selbst der sonst so gcftrenge Herr Tirck
tor lächclte.
Ach, wenn der wackere Schirdewahn
geahnt hatte, welche Ruthe er sich gc
bunden, als er den neuen Mordbruder
in sein Personal aufnahm! Wenn
gleich er sich auch als drauchbarcs Mit
glied crwics, so fehlte ihm doch der
nothige künstlerische Ernst, den der
Direktor selbst von dem ßieringstcn
icinrr Leute verlangte. Er steckte stets.
voll toller Streiche nnd hatte außerdem
noch' die üble Angewohnheit, auf ein
Recht Anspruch zu inachen, das sollst
nur den ersten Fächern zusteht, nämlich
Vorschuß zu verlangen! Selbst als
Pachutzki seine ursprüngliche Forderung
auf einen Thaler ermäßigte, war
Schirdewahn noch entrüstet.
Nicht einen Pfennig!" schrie er.
Hinaus mit Euch, Vampyr!"
. Schnell fertig ist die Jugend mit
dem Wort!" niurmelte Pachutzki, als er
teuflisch grinsend den Häuptling verließ.
Aieinst Du, dieser Thaler sei Dir ge
schenkt?"
Am Nachmittag desselben Tages nahm
Schirdeivahn, wie es scine Gewohnheit
war, ein warmes Bad. Das war dem
alten Recken ein lieber Zeitvertreib, zu
waschen und zu strecken den narben
vollen Leib" da klopfte es an die
Thür des Badezimmers.
Wer da?"
Ich bin es, Pachutzki!" ertönte es
mit dumpscr Grabesstimme.
Unverschämter Kerl!" schrie Schirde
mahn wüthend, was habt Ihr hier zu
suchen?"
Nichts als den Tod! Da Ihr mir
den Vorschuß verweigert und damit
auch die Mittel zum Lebensunterhalt
entzogen habt, so bleibt mir nichts
übrig, als zu sterben! Ich habe den
Hungertod gewählt hier vor Eurer
Thür will ich liegen, bis ich verhungert
bin!"
Na, wartet damit wenigstens, bis
ich herauskomme, ich werde Euch den
Standpunkt schon klar machen!"
Nur über meine Leiche geht der
Weg!" ertönte es wieder im Ton der
tiefsten Resignation.
Der Direktor wurde etwas unruhig.
Am Ende macht der Kerl Ernst ver
rückt genug ist er dazu! Nach drei 3
gen steht in allen Zeitungen, ich lasse
meine Mitglieder Hungers sterben und
mäste mich vom Schweiß der armen
Theatersklaven!
Draußen vor der Thür ließ sich ein
verdächtiges Stöhnen hören.
Um Himmclswillen, Pachutzki!" rief
er in höchster Angst, was machen Sie!
Redest Du von Einem, der da lebt?"
seufzte er zurück. Sein oder Nichtsein,
das ist hier die Frage!"
Pachutzki, macht keine Dummheiten!
Ich hab's ja nicht so gemeint; wie viel
liab't Ihr dcnn hcut' Morgen ver-
langt?"
Zwei Thaler!"
Wenn ich mich recht besinne, haben
wir uns doch aus einen geeinigt!
Zivei Seelen wohnen, ach, in mei'
ncr Brust!"
Gut, Ihr sollt den Vorschuß haben!
Laßt mich nur erst einmal aus dem
Wasser steigen und mich ankleiden!
Schirdewahn entstieg seufzend der
Wanne, er sah ein, daß der wilde
Dränger nicht nachgeben würde. Er
sröstelte am ganzen Leibe, dann tastete
er sich durch den dunklen Raum nach
dem totupl, auf welchem seine Klei
dungsstücke lagen.
Hannibal ante portas" schien unge
duldig zu werden.
Ich komme ja schon, lieber Freund,"
beruhigte ihn Schirdewahn und klim
perte mit den zwei Thalcrftücken, die er
mit Mühe und Noth seinem Portemon
naie entnommen hatte. In den Ohren
des Belagerers klang es wie himmlische
Musik.
Ihr werdet niir aber die Sache doch
nicht etwa nachtragen, werther Freund?"
ließ sich Pachutzki vernehmen. Zwi-
schcn uns fei Wahrheit !"
Nein, es sollen Euch daraus keiner
lci Unannehmlichkeiten erwachsen !"
Schön! An einem Kaiserwort soll
man nicht dreh'n und deuteln !"
Der Direktor öffnete die Thür so
weit, daß ein kleiner Spalt entstand,
durch den er seine Hand schieben tonnte,
In demselben Moment, wo die silber
gewassncte Faust erschien, stemmte
Pachutzki mit aller Gewalt seinen Fuß
gegen die Thür, so daß das Handgelenk
Schirdewahn s eingeklemmt wurde.
Mit einem lauten Aufschrei ließ der
Aermste die Geldstücke fallen.
Herzlichen Tank, edler Wohlthäter!"
rief der Bösewicht, indem er ihm die
Hand schüttelte. Wer besitzt, der lerne
verlieren !"
Laßt mich los!" schrie Schilde
wahn. Wozu der Lärm, was steht dem
Herrn zu Diensten?"
Loszulassen! Ich will ja Alles thun,
was Ihr wollt !"
.Tu sprichst ein großes Wort gelas
sen aus! Gewohnlich glaubt der
Mensch, wenn er nur Worte hört !
Ich gehöre nicht zu diesen Menschen,
wollt Ihr mir Urfehd' schwören, gebt
mir die ritterliche Hand als Pfand !"
.Bei den Gebeinen meines Vaters,
ja! Ihr habt sie ja schon !"
So schwort bei Eurem -chwcrt!
Auch kündige werdet Ihr mir nicht?"
,,cd chwöik es !" lammcrte der
Direktor.
.Gott hört den Schwur und wird
den Frevel röchen !"
,So laxt mich drch los! Au, thut
das weh !"
Gekeilt in qualvoll fürchterlicher
Enge !" deklamirte Pachutzki, während
er den Fuß zurückzog und den Schlüi'el
blitzschnell umdrehte.
Tadn bod er die zwei Thaler aus.
entfernte sich und schnell war feine Spur
verloren, denn er traute dem Tirector
trotz des an Eidesftctt gegebenen Hand
schlag? nicht.
Schirdewahn
der endlich nach drei i
Stunden aus feiner unfreiwilligen Zu
ruSgezozeTiheit befreit arte, trar tl2g I
genug, Niemand ein Wort über den
kompromittirenden Vorgang zu verra-
theil. Nur einem alten Freunde und
Kollegen, erzählte er nach Jahren das
Drama aus der Badestube. Das gc
schah, als derselbe sich über seine Mit
glicdcr beklagte, die ihn durch erhöhte
Gagcfordcrungcn in eine arge Klemme
gebracht hätten.
Lieber Freund," tröstete ihn Schirdc
mahn, eine Klemme, die durch Geld
zu beseitigen ist, scheint mir nicht so
schlimm. Mich hat aber einmal ein
Mitglied in eine Klemme gebracht es
schaudert mir noch heut', wenn ich daran
denke! Das war ein Mordbriidcr für
die Bande !"
Zum alten deutschen Postclc,,.
Erinnerungen an das alte Postclcnd
veröffentlicht Joseph Kolb in der D.
Verkehrs -Zeitung". Wir entnehmen
seiner Schilderung der Thurn- und
Taxis'schen Posteinrichtungcn Folgen
des: Die Thurn und Taris'schen Post
beamten hatten keine Dienstanweisung;
aus Grund mündlicher Ueberlieferung
von einem Beaniten auf den anderen,
wurde die riesige Verkchrmaschine im
Gange gehalten; Hilfsmittel im Dienste
waren die Portotarifc und einige Vcr
füguiigen der General - Postdirektion,
Zirkularicn" genannt. War ein
Beamter bei dem Obcrpostamte in
Frankfurt (Main) eingetreten, dann
wurde er zu einem im Dienst eingear
betteten Beamten in die Lehre gegeben,
wie in kaufmännischen Geschäften; hatte
er einen abgeschlossenen Theil des Dil
stcs erlernt, zum Beispiel einen Kurs"
auf dcr Bricfpostcrpcdition, dann bcar
bcitete er diesen, bis die Personal
hültnisse seine Fortbildung gestatteten,
und unter ungünstigen Umstünden
konnte es Jahre lang dauern, bis er
nur die acht Kurse in diesem Dienst
zweige kennen gelernt hatte. Diese acht
Kurse waren: Der Nassauer, dcr nieder-
ländliche, der Pariser, dcr Kasseler, der
wurttemvergl cy - chwc,zcrlsche. dcr ba
dische, der sächsische und dcr bayerisch
österreichische Kurs. Durch dic klüglichc
Viclstaatcrci in Deutschland und dic
zahlrcichcn selbständigen Postverwaltun
gen waren die Tax- und Lcitvcrhältnissc
sehr verwickelt und schmierig. Nicht wie
jetzt konnte die Mehrzahl der Briefpost
gegcnstände Bahnposten überwiesen
werden, -sondern sie gelangten in dirck-
ten artcnfchliislen nach Wirn, Paris
Mailand, Zürich, Bcrn, Augsburg
München, Rcgcnsburg und hundert an
deren Orten zur Versendung, wobei dic
Porto- und Frankobeträqc nach den ver
schiedencn Antheilen der betheiligten
Postvcrwaltungcn gctrcnnt werden muß-
ten. ferne große Erschwerung für dcn
Abfertigungsdienst Waren die zahlreichen
Portofreithiimer, Welche in jedem der
von Taxis'schen Posten belebten Straßen
erschiedcn lvarcn. Findige Beamte
der Bricspost hatten sie, zum Zweck
occren Einpaurens, in Knmclverse
gebracht, welche während des Nachtdien
stes nach bekannten Melodien abgesungen
wurden, z. B. :
Md.: Wir winden Dir .
Dcr Fürst von Sigmaringen thut
Nur den Transit bezahlen,
Dem Hechinger darfst D voll Wuth
Darauf das P'otto malen!
Löthig, löthig, löthig ist dcr Tranfit!"
Ttt CcheJ bitt ich.
Der Wenzel und der Na, wollen
spät Abends noch von einem größeren
Ausflug in die Stadt zurück, der letzte
Zug ist aber schon längst dahin abge
dampft und vergebens haben sie ihre
Spazierhölzer und Athmunaswerluae
angestrengt, um denselben noch zu er
reichen. Rathlos stehen sie auf der
Station sie muffen unbedingt nach
Haus, um am anderen Morgen wieder
rccylzcilig aus ihren Posten zu sein
eine Fahrgelegenheit um Geld und gute
Worte ist nicht auszutreibcn und den
über drei Stunden betragenden Weg zu
Fuß zurückzulegen, ist für die Beiden
bei ihrer Korpulenz und bei dem in
Folge dcr aus dem Ausflüge durchgc-
machten Strapazen bereits übermäßig
ermatteten und erschlafften Körperzuftand
ein Ding der Unmöglichkeit. Sie
wandten sich deßhalb mit der dringenden
Bitte an dcn Stationsvorftand, er möge
ihnen doch die Möglichkcit verschaffen,
mit dem in zwei Stunden ankommenden
Gütcrzug fahren zu dürfen, obwohl jede
Personenbeförderung mit diesem Zug
strengstens ausgeschlossen war. Nach!
längeren Ausemanderfetzungen erklärte
ihnen der Stationsvorstand, daß eine
Möglichkeit zu ihrer Weiterbeförderung
nur in der Weise geboten sei, wenn sie
dic Taxe eines Biehwaacns bezahlen
würden, womit auch beide einverstanden
waren. Die Gebühren wurden bezahlt,
der eine Reisende wurde als Ochs" in
den Besörderiingsschein eingetragen, der
andere erhielt als Begleiter des Ochsen"
eine ivayrtarle, und der Viehwagen
ward mit seinen Jnsaffcn in den Aua
eingestellt. AIS nun dcr Schaffncr des
Güterzugs bei der Wagencontrolle den
angeblichen Viehbcgleiter" fragte, wo
denn der Ochse fei, ertönte aus der hin
tcrften Wagenecke mit dröhnender Baß
stimme der ingrimmige Ruf : der
Ochs bin ich!"
Tit namenlosen ? rüder.
Auf einer t'iefell'chaft. mlche dcr
Feldmarschall von Mrllkc eines Abend
veranstaltete, befanden sich zwei Brüder,
welche beide zum t'icneralstad geborten.
Ter Aar'chall trat auf eine Gruvpe !
von Herren zu. bei denen sich auch der
eint der Srüder be'a-.d. beteiligte sich!
an der Unterhaltung und fragte den
letzteren: Sagen Sie mir doch, wer ist
der große Ofsizier dort am Ösen, ich
habe scincn Namen crgesscn " Das
ist mcin Bruder, Excellenz", lautete dic
Antwort. Ei Lächeln stahl sich über
Moltkc's Gesicht, einige Minuten später
ging er zu der andere Giuppe, in wel
cher sich dcr Ofsizier befand, nach dcsscii
Namen er gefragt hatte, und kurze Zeit
darauf sahcn die andern, wie dasselbe
Lächeln über sein Gesicht huschte. Als
nian nachher den jungen Mann fragte,
was denn der Vkarschnll von ihm gc
wollt habc, crwidcrtc cr: Er sragtc
mich, wer dcr Offizier dort driibcn sei. "
Und was sagten Sie?" Ich antwor
tcte ihm, es wäre mein Bruder."
Moltke gab es auf, an diesem Abend
den Rainen dcr beiden Brüder z er
fahren. riegshumor vor 25 Jahren.
Ueber einen in Frankfurt intcrnirte
dunkelbraunen Turko" wurdc folgende
lustige Anctdote erzählt: Derselbe wurdc
von einem Herrn französisch angeredet,
gab aber sofort in dem reinste schwäbi
schen Dialekt zur Antwort: O, i bin
froh, dasch tausch dcr Sauerei fort bi."
Ein ctwas ängstlicher Hcrr crzähltc
einem Haufen Bauern des Westcrwal
dcs, daß die Zuaven und Turkos reine
Teiisel und Satanasse seien." Darauf
erwiderte ein Bauer: Sie mögen Recht
haben, aber wenn unsere Burschen los
gelassen werden, dann sind sie auch keine
Engel !"
Ein Neugieriger, welcher bci Moltkc
bckannt war, dcqeqcte diesem im Juli
1870 in Berlin auf der Straße und
fragte: Excellenz, wie stchts"
im Allgemeine recht gut ! Wenn auch
mein Roggen gerade nicht o gut steht,
so versprechen doch meine Kartoffeln eine
um so prächtigere Ernte !" cr Mu-
gierige schlich mit einem bezahlbar
verblüfften Gesicht von bannen.
Der thaten- und sangcsreiche Füsilier
Kut chke hat in 1870 als poetisches Pro
duft auch ein Räthsel vom Stapcl gc-
lascn, welches folgendermaßen lautet:
Die Erst', von Feind und Freund be-
geh,
Acht Groschcn ist nach preuß chcm
Werth.
Die Zweite liefert Fleisch und Brüh';
Bald fehlet den Parisern sie.
Des Schneiders Nadel hat die Tritt';
Die Zündnadel nur braucht sie nit.
Tas Ganze kraucht im Busch herum,
Ist dennoch nicht Napolium.
Die Auflösung ist Franctireur (Franc
Tier Oehr.
Jugendliche Offiziere.
Daß noch zn Ansang unscrcs Jahr,
Hunderts Knaben als Offiziere in die
Regimenter eingestellt wurden, darüber
liegt uns ein interessanter Nachweis aus
Leipzig vom Jahre 18(18 vor. Bei dem
sächsischen Ehevauzlegcrs Regiment?
Prinz Clemens", dessen Stab und 2.
EScadron in Grimma, die I. in Gei-
thain, die 3. in Rochlitz und die 4. in
Laufigk garnisonirtcn, diente dcr Licutc
nant August Gotthold Nitzsche, dcr am
24. August 1800 sein Offizicrpatcnt
erhielt. Er wurde am 1. Mai 1808
am Ranstädter Thore todt aus der
Pleiße gezogen, alt 20 Jahre. Somit
war er, als er Reiterlicutenant wurdc,
12 Jahre alt.
Zrcch.
Präsident; Wie lange haben Sie
gebraucht, in dcn Tiebstahl auszufüh
rcn?" Einbrecher: Nicht den hundertsten
Theil der Zeit, wie Sie, um ihn her
auszubringen!"
D,c Zwillinge.
Eine amerikanische Familieninutter
übergab einem Bahnschaffner für ihre
beiden Sprößlinge zwei Kinderbillets.
Nachdem der Mann jene etwas miß
iranisch angesehen hatte, fragte er:
Wie alt sind die Kinder denn ?"
O, erst sechs Jahre, es sind Zwil
lingc." .'.Ah so!"
Nach kurzem Schweigen fragte der
Schaffner weiter: Wo wurden sie denn
geboren?"
Ter eine in Paris und der andere
in New Zjork!" beantwortete die vnbe
dachte Mutter.
llairt Auslegung.
Fräulein (vom Lande): Sagcn Sie,
Herr Baron, was ist denn eigentlich ein
Stammbaum?"
Baron: Ja, mein gnädiges Frau
lein, ein Ttammbaum ist nämlich ein
großer Baum, an dessen Aesten unsere
Ahnen hangen."
Fräulein: Mein Gott, also ein Gal
gen?"
Naseweis.
Papa: Na wart'. Junge, ich will
Dir schon abgewöhnen, bei Tische wähle
lisch zu fein: Tu weißt ja gar nicht,
wie gut Tu es haft. Als ich so 'n Hei
ner Junge war, wie Tu. da mußte ich
froh fein, wenn ich trockenes Brot zu
essen hatte."
Fritzchen: Run bist Tu wohl aber
froh, daß Tu bei uns lebst; da geht es
Tir doch deiier?"
läfjt tief Muten.
.Wie sollt Tir Tein neuer Bräu
tigam l" '
Be"er als alle früheren!" i
:itori,ät.
Frau Schulze: Ich sag' Ihnen,
Frau Müller, mei Mann gehorcht
mir aufs Wort, nd was ich ihm sage,
ist ihm heilig. Neulich nannte ich ihn
,EscI', und was glauben Sie, gleich ist
cr als Escl auf 'n Maskcnball gc
gangen!"
Twst.
Neuer Arrcstiinusniifsehcr (zum Gc
faiigcncn): Wic lang' haben Sie
dcnn?"
Gesängen: Fünfzehn Jahre!"
Arresthliiisausseher: Wann sind Sie
vcrurthcilt worden?"
Gefangener: Vorgestern!"
Arresthausaufsehcr: Ra, sehe Sie
'mal, da habcn Sie ja schon zwei Tage
abgerissen!"
kcidcnsgcfährtc.
Diese nasse Wittcriiug taugt nichts;
meine Frau ist scit vierzehn Tagen
krank!"
Die meine auch sie will unbe
dingt einen neuen Regenmantel haben!"
(SröRcrc eistiirni.
Führer (mit einem Studenten auf
der Bergspitzc angclangtj: Tas hat
Schweißtropfen gekostet, he?"
Student: Allerdings: aber, wenn
ich nach einem Kommers die scchs Trep
pen zu meiner Wohnung hcrausgcklct-
tert bi, das ist doch cinc ganz an
dcrc Leistung!"
3lnj dem Standesamt.
Zeuge (zum andern): Alle Wetter,
ist das hier ein Durcheinander; da
hcißt's aufpassen, daß wir nicht in
thümlich auch irgendwo angetraut wer
den!"
Gtcichmiithig.
51.: Also Ttt willst morgen um
Deine Braut anhalte; hast Du Dir
dcn Schritt auch wohl überlegt?"
B.: Was ist da viel zu überlege
der Alte schmeißt mich entweder
hinaus, oder nicht!"
Verschwendung.
Hausfrau (im Atelier vor einem an
gefangenen Kolossalgcmäldc): So eine
Bcrschwendung, ei Dutzend Manns
hcmdcn Hütte man aus dcr Lcincwand
machen können!"
Niacht dcr Gemohnkcit,
Radsahrer (dcr auf dem Ball mit
seiner Tänzerin stolpert und hinfällt):
Hcrrjcscs, da licgeu wir schon wicder
im lhausscegrabcn!"
Z?csm,derc Hcniizeirocn.
Ein Torsschulzc crhült von dcr Bc
hörde die Aufforderung, von einem ihm
Bekannten besondere Kennzeichen sür
eine Steckbrief anzugeben. Der Schulze
schrieb a die Behörde: Franz X. sieht
seinem Vater sehr ähnlich, schlaft ohne
Strümpfe, es träumt ihm selten, und
cr spielt leidenschaftlich Scat!"
Darum.
Ein schon mehrfach bestrafter Dieb
hat bci seinem Vertheidiger, der ihm
schon öfter gläiizcnd hcrausgchaucn hat,
gestohlen. Bci der Verhandlung meint
der betreffende Vertheidiger zum Ticb:
Aber, sagen Sie mir, ich habe Ihnen
doch schon so oft geholfen, wie konnte es
Ihnen nur einfallen, bei mir zu steh
lcn?"
Aber, ich bitt' Sie," antwortete der
Ticb, Sie würden ja sonst glauben
ich bin wirklich so schuldig, als Sie
mich immer geschildert habcn!"
Vom Aascrucnhosc.
Unteroffizier (zum Rekruten, der
Straßenkehrer gewesen): Sei nicht so
hochnäsig, Lümmel, jetzt bist Tu beim
Militär: die Herrlichkeit als Straßen
reinigcr hat nun ein Ende!"
z?oshaft.
Ticiistmädchen: Sie möchten rasch
essen kommen, Herr Toktor!"
Hnushcrr: Ist's so eilig?"
Dienstmädchen: Gewiß sonst
läßt Ihre Frau auch dic Zuppe noch
andrcnncn!"
Schrecklich.
Sie: Ach. Alfred, es ist zu schrecklich,
wir gehen heute zum Professor auf die
Soircc Tas Atlaskleid kann ich
nicht anzichcn, das rosa Scidenkleid
auch nicht, das creme Spitzenileid ist
mir ein wenig zu eng ich habe doch
rcin nichts anzuzichen!"
INaliliös.
A.: Zu dem Barbier nebenan gebe
ich auch nicht mehr; heute hat er mich
eine ganze Stunde warten lassen!"
B.: Vielleicht wollte er Teinem
Bart Zeit lassen, noch etwas zu wach
sen!"
patent.
Herr: Mir ist meine Tiamantbuscn-,
nadel gestohlen worden."
Polizeiwachtmeifter: Können Sie
mir den Gegenstand naher beschreiben ("
Herr: Jawohl, es war eine Sicher
hcitskctle daran angebracht."
Nicht ncH zu machen.
Jungcr Ehemann (Mittags): TaZ
Gemüse ist beute wieder nicht recht gar,
und das Flci'ch angebrannt!"
Fron: Wer'8 Tir auch recht mclxz
will: wenn das Fleisch uii gar nv.rc,
und das Mernfe agebrennt. wu-.ft
Tu a::ch In::rren!"