Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, October 24, 1895, Image 12

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    Die Schätze.
l r ipani'tiv (ididte von Jlirain Ronai,
Als feine eitern starben, blieb Andro
Allein in der großen, weiten Welt. Er
beinfi nichts, teilten Angehörigen, keinen
Freund, seine beide krüstige Arme
verschafften ihn, in redlicher Arbeit das
tägliche Brod und sein weiches Herz
fühlt bitter den Schmerz der einsam
Seit.
Wenn er nach des Tages Mühen
lilde heimkehrte, wehte es ihm so kalt,
-so sremd von den kahlen Wanden seiner
Ctnbe entgegen. nichts zog ihn da
hin, aber auch an anderen Orten war
tete seiner keine Freuden, denn er war
infam, erlassen. Hatte er einmal
besseren Verdienst, es konnte ihm keine
Freude bereiten, er brauchte ja zum 2e
ven so wenig, und mit wem sollte er
seine Uebcrflufj theilen?
Eines Abends saß er aus dem Rande
seines Bette, seinen Stopf hatte er tief
s die Brust gesenkt und es zog ein
heißes Sehnen durch sein Herz. Ach,
hatte ich nur Jemanden," seufzte er,
etwas, das ich mit Herz und Seele lie
den konnte, ein Weib oder ein Pferd,
rnher mrainflrng inen .ftllllb." Taun
sprang er' auf und eilte hinaus, nach
dem nahen Walde, um ,e,ne,n ueve
iirf(..iiiti ftrrn-ll S'llft Macken. (1t
war stundenlang herumgeirrt und wollte
eben den Heimweg antrete, oa ,cyiug
ans einein Gebüsch ein winselnder Ton
an sein Ohr. Es war ein kleines
Hündchen, es hatte sich verlausen, oder
man hatte eö ausgesetzt, einerlei,
1ndro hielt es sür ein Geschenk der Bor
sehung, die wenigstens den geringsten
seiner Wünsche erfüllen wollte.
Was soll das bedeuten?" brummte
die Hausfrau, als Audro, das Hünd
chen sorgsam in den Armen tragend,
seine Stube betrat. TaS fehlte noch!
Ich habe kein Ht!demutier!"
Anderen Tages verliefe Andro das
Hans, wo man seinen Schützling nicht
dulden wollte, und miethete eine andere
Wohnung. Innerhalb einiger Monate
wußte er aber noch etwa zwanzig Mal
tinziehen, ehe er Lente fand, die seinen
kleinen Freund bei sich duldeten. Und
wie liebte er den kleinen Hund ? Sie
feett zusammen, schliefen in einem
Bett, ohne den Huud ging Andro nie
spazieren, und nichts machte ihm
Freude, wenn Don" nicht anch dabei
war.
Seitdem er einen Gefährten hatte,
überkam ihn auch eine andere Lebens-
und Schaffenslust. Sein Streben rich
tete sich nicht nur aus den Erwerb des
täglichen Brodes, er legte jetzt auch schon
einen Spargroschen zurück, denn er
hatte ja nicht nur sür sich allein zu sor
gen. Seine Erfolge erfüllten ihn mit
'Genugthuung, und wenn er froher
Laune war, so nahm er leinen Gefähr
ten in die Arme und sprach mit ihm,
nie man zu einem Menschen spricht,
und der treue Hund that, als verstände
er Alles, und knurrte in freudiger
Uebereinstimmung.
Andro's Verhältnisse besserten sich zu
lehends. Die Spargroschen vermehrten
sich, denn er arbeiteie fleißig und war
darauf bedacht, daß von dem Verdienste
stets etwas zu seinem kleinen Kapital
fließe.
Nach einer SLoel,e der angestrengten
Arbeit machte einmal Andro am Sonn
tag mit seinem Hunde einen Spazier
gang nach der nahen Stadt. Tort gab
eS gerade großes Stiergefecht. Andro
ging auch hinaus zur Arena, um das
seltsame Schauspiel zu genießen. Der
amps hatte noch nicht begonnen und
ta ging et hinunter nach den Ställen,
um die Thiere, die an den Gefechten
teilnehmen sollten, zu besichtigen.
Da standen in einer Abtheilung die
gefältelten Pserde der Pikadores und
indem cr sie betrachtete, erfüllte ihn ein
bitteres, quälendes Gefühl. Die armen
Thiere schienen zu ahnen, was ihrer
wartete. Mit hängenden Köpfen, die
Mähnen über den trüben Augen, ftan
den sie da, mager und abgehärmt, sie
scharrten unruhig mit den Husen und
rissen an den Halftern: der Instinkt
sagte es ihnen, wie nahe ihr Verderben
sei.
Und es war nicht lange her, diese
Aoffe sahen alle bessere Tage; das eine
zog an der StaatSkarosfe des Ministers,
hö und? tnia einen Heerführer aus
seinem edlen Rücken, ein drittes war
früher in der Manege viel bewundert
und Gegenstand größter Auszeichnung
aber ein Auge erblindete, die Vor
derfüße versagten den Dienst, der
finifrr stellte sici, ein sie wurden aus-
rangirt, verlauft, und nun find sie noch
gut genug, um sich zum Ptatiir eines
vergnügungssüchtigen Publikums den
Hörnern wilder Stiere preizugeden.
Andro überkamen trübe Gedanken
nd er blickte mitleidig aus die armen
Opfer menschlichen Undanks. Ans sei
item Hinbrüten riß ihn die raube
?timrne des Pikador. der gekommen
war, um für den ersten Gang das beste
der Pterde berauszupoten. ?iJ langem
Prüfen entschied er sich für einen noch
immer stattlichen Goldtuchs. cr mag
wohl einst in den Alleen Madrid's her-um,,i-ttt
baden. Andro steht das
Pferd genauer an. er überlegt eine
ic,i(i der Pikador will lcgon tn oen
Sattel, da hatte Andi sich entfchlo'fen
ein kurzer Handel und das Roß war
sein.
.Viel Prügel werden m:Rcn!" meinte
i,4 :n s. lrtrtnn
., .
iit wenig aiter es wäre 't-ao;
um den theuren Hafer!" rief ein ande
rer Spötter.
Aber Andro hörte nicht einmal diese
Bemerkungen, er wartete nicht einmal
das Sticr'gesecht ad, sondern schwang
sich aus den Rücken des Rosses und ritt
nach Hause.
Nun hatte er ja auch ein Pferd. Es
halte zwar seine Launen, wer ist denn
von solchen frei? Das Pferd war noch
jung und wenn es auch auf dem linken
Auge blind war, was thut's er will ja
damit keinen Staat machen.
Und Don? Pserd und Hund waren
bald gute Kameraden, sie fühlten sich
beide ' als Mitglieder einer Familie.
Von dieser Zeit an war Andro der glück
lichste Mensch. Wenn er in einer Staub
wölke gehüllt auf den Straßen dahin
ritt, der Hund nebenher laufend, er
wäre am liebsten mit seinen Gefährten
bis an's Eude der Welt gegangen.
Und wieder verstrich eine Zeit. Andro
war bereits wohlhabend. Er lauste
sich ein Häuschen und baute einen Stall
dazu sür sein Pferd. Don war abmech
selnd bald bei ihm im Hanse, bald im
Stall.
Eines Tages war er ausgeritten und
auf einer Weide stieg er aus dein Dattel
und setzte sich in den Schalten eines
Baumes. Das Pferd graste und der
Hund spielte im Sonnen che,.
Es war ein wunderhübscher Tag, die
Vögelein sangen in den Zweigen, die
Blümchen sandten ihre berauschenden
Düfte in die Luft und die lächelnde
Sonne fand mit ihren Strahlen Andros
Herz nd weckte dort den schlummernden
allen Wunsch,
Wie liebe ich diese beiden Geschöpfe,"
sprach Andro, den Hund streichelnd,
während seine andere Hand dem Pferde
Gräser zuwarf und doch doch
wie sehne ich mich auch nach einer ande
rett Liebe, ach einem Weib."
In diesem Augenblick kam ei Mäd
chen des Weges daher, in ihre Händen
zwei Krüge, die sie an der Quelle füllte.
Andro hatte keinen Durst, und doch
schritt er dem Mädchen entgegen und
erbat sich einen Trank, den sie ihm gern
gewahrte.
Wie heißest Tu?" fragte Andro,
Plaeida," gab das Mädchen znr
Antwort, und bald wußte Andro auch,
sie sei aus dem nahen Dorfe, wohne bei
ihrer alten Mutter, die arm und zurück
gezogen von einer kleinen Pension lebt.
Und als das Mädchen nach einem
freundlichen Gruß ihre Krüge aufnahm
und davoneilte, rief Andro: Ich habe
sie gefunden, Plaeida wird mein Weib."
Einige Atonale spater führte Andro
Plaeida heim. Er hatte nun Alles,
was ihm zum Glücke fehlte, oft rieb
et sich die Augen, um sich zu überzeu
gen, ob er nicht träume, so glücklich, so
unausgesetzt glucklich war der arme
Andro.
Es verstrichen einige Jahre stillen
Glückes.
Einmal aber schien es Andro, als
hörte er des Nachts Tritte in seinem
Hofe ein andermal glaubte cr sogar
sicher einen Man gesehen zu haben.
Tags daraus nahm er den Knoten-
stock zur Hand.
Wohin gehst Tu?" fragte seine
Frau.
In die ladt."
Warum denn?"
Ich will eine Pistole kaufe, es
scheint mir, als schliche sich in der Nacht
Jemand bei uns herum und es ist doch
betler, wenn man vorgesehen ist.
Plaeida erblaßte. Andro küßte sie.
Fürchte nichts, mein Täubchen, es
geschieht ja nur aus Porsicht, Uebri
gens gehe ich zu Fuß, der Weg ist ja
nicht sehr weit."
Tann ging er noch in den Stall hin
aus und streichelte das Pferd mit den
Worten:
Ruhe Tich nur gut aus, Tu bist
noch müde vom gestrigen Ritt."
Das Pferd, gewohnt, täglich gesattelt
zu werden, wieherte traurig, als ti den
Herrn nicht mehr sah.
Beim Thore sprang ihm Ton ent
gegen. Bleib nur hübsch zu Hause, kleiner
Freund, sonst bekommst Tu es noch mit
den großen Torfhunden zu thun."
Dann entfernte er sich rasch und noch
lange klang ihm das Gebell des Hundes
in den Ohren.
Es dämmerte schon, als Andro aus
der Stadt zurücklehrte. AIs er schon
nahe war, siel es ihm aus, daß der
Hund ihm nicht, wie sonst, entgegen
lies. Er pseist nichts regt sich,
er tritt in den Hos alles ist still.
Was bedeutet dies?" fragt cr sich
beklommen, und als er sich umsah, siel
sein erster Blick auf den Hund, der vor
der Stallthüre in einer Blutlache lag.
Zwischen seinen Zähnen waren noch
einige kleine Fetzen, als Beweis, daß er
sich vertheidigt hatte.
.Don," rief Andro schmerzlich. der
Hund öffnet die Augen, wedelt noch
einmal schwach mit dem Schweife, ein
Zucken Ton war verendet.
Mein Pferd, mein Pferd!" schreit
Andro von dunklen Ahnungen ergriffen
und rennt in das Haus. Er lauft aus
einer Stube in die andere, ruft ver
zweifelnd sein Weid es regt sich nichts
es ist alles wie ausgestorben.
Run ist mir alles klar !" er hat
einen I'iedanlcn gefaßt ja, ja sie
sind gekommen und haben mir Alles gej
raubt, meine Frau und mein Pferd
0. die Verdammten, hatten sie mir lie
der eld und '.IVrmoqen genommen."
Er gebt vor das Thor und findet die
Husfpuren seines Pferdes. Tann be
ginnt er zu rennen, immer den Spnren
nach, ohne Aufenthalt, die Verzweiflung
giebt ihm übermenschliche Kräsle. Alle
Leute, denen ex begegnet, fragte er nach
einem Reiter, der eine Frau iin Sattel
hat, und alle hatten ihn gesehen, und
wiesen nach der Richtung, in der er ge
flohen.
An einem Kreuzwege standen viele
Leute, die etwas anstarrten. Auch bei
diesen erkundigte er sich.
Natürlich sahen wir sie, hier ist ja
das Pserd, es konnte nicht weiter und
ist zusammengestürzt. Es wird wohl
bald verenden,"
Andro tritt näher und erkennt sein
Pferd. Es athmete kaum noch.
Aber sagt doch in des Himmels
Namen, warum habt ihr nicht die un
glückliche Frau befreit?"
Warum?" erwiderte einer aus der
Menge, ich habe ja ihnen gerade mein
Pferd verkauft, damit sie schneller fliich
ten können."
Aber jene Frau wird mit Gewalt
fortgeschleppt "
Die Bauern blicklen ihn lächelnd an.
Mit Gewalt? Sie wollen uns
wohl zum Besten haben, mein Herr.
Gerade die Frau halte es sehr eilig, sie
schrie: schnell, fort aus dieser Gegend,
sonst könnten wir eingeholt werden,"
ist es, Herr, die ging sehr gern."
Andro wankte, er begann zu begrei-
sen eilt Schrei entrang ich einen
Lippen, dann fiel er wie leblos nebe
sein treues Pferd.
Als er wieder zu sich kam, war es
spate Nacht, Mühsam schleppte er sich
nach seinem Heim. Gegen Morgen
röthete ein Feuerschein den Horizont,
Andro's Hans brannte lichterloh. Die
Dorfbewohner fanden ihn vor der
Stallthüre liegen mit durchschossener
Brust, in seiner Hand den Schaft der
geborstenen Pistole.
Ein galanter 2luftrag.
Meine Hand darauf, Herr Baron,
was an mir liegt, werde ich thun, um
den Widerstand meiner Tochter zu beste
ge. Ein Mann von Ihrem Stande
von Ihrer Distinktiv kann mir als
Schwiegersohn nur willkommen sein.
Einen bestimmten Erfolg meiner väter
lichen Einwirkung kann ich Ihnen freilich
heut nicht versprechen,"
Und warum nicht, wen ich fragen
darf? 'Schükcn Sie den Einfluß nach
dieser Richtung so gering, Herr Kom-
merzienralhr fragte der Bewerber, der
junge Baron von Adlerfeld, dessen
ohnehin wenig durchgeistigtes Gesicht
bei den letzte Worten d,s alten Herrn
noch länger und rathloser erschien.
Während er dies sagte, fuhr sich der
Baron, der in dem Bescheide offenbar
Haare gefunden, wie znr Entschädigung
hierfür mit der Rechten nervös uttgedul
dig über den Kopf, wo er, wie atif dem
Kteserwald-Areal seiner Besitzungen.
nur noch auf wenig dünn bewachsene
Stellen stieß. Die Rodenwirthschaft,
die der leichtsinnige jnnge Herr seit Iah
ren auch in seiner Lebensweise eingeführt,
war schuld daran, daß auch diese Fläche
) vor der Zeit gelichtet.
Warum? Ja, lieber Baron. Sie
kennen eben nicht den Trotzkopf meiner
Alice! Solange das Kind an ihrer
chmärmeret sur diesen Maler wie
heißt der Kerl doch gleich festhält, so
lange, Herr Baron, ist absolut nichts zu
machen. Sie würde eher ins Wasser
springen, als in die Verbindung mit
einem Ander willige !"
Das wäre, Herr Kommerzienrath!
Sie glauben wirklich, daß Fräulein
Alice mir auf die Dauer einen simplen
Farbentleckler vorziehen könnte !"
Farbenkleckser? Hm, der junge
Mensch soll ein armer, aber talentvoller
Künstler sein. Dennoch halte ich das
Faible meiner Tochter sür diesen wie
heißt der Kerl doch gleich für eine
Eaprice, die wahrscheinlich mit dem
Schluß der diesjährigen Kunstausstel
lung wieder aushören wird. Warten
Sie also ab, eher- Baron, mit Gewalt
läßt sich da nichts ausrichten !"
Bon! So werde ich die Sache am
andern Ende anfaisen. Werde die
sen Maler zwingen, seine Bewerbungen
einzustellen, auf Eavalierparole ! Werde
den Menschen jedenfalls auf Pistolen sor
dern! Adicu.Hetr Kommerzienrath, Sie
sollen bald von mir hören !"
Mit diesen energisch gesprochenen
Worten verließ Baron von Adlerfeld
dröhnenden Schrittes das Haus seines
Schwiegervaters in spe, finstere Pläne
schmiedend, wie es ihm gelänge, recht
bald den heißen Rachedurst gegen den
unbekannten Rioalcn und die vielen auf
seinen Gütern lastenden Hypotheken zu
löschen.
Ter Maler Arnold Becker, das nichts
ahnende Opfer dieser Anschläge, hatte
den ganzen Nachmittag mit zwei befreun
deten Künstlern im Ease Ronacher Skat
gespielt und merkwürdiger weise auch im
Spiel eine Sau entwickelt, diean Ella"
und Elviia", die preisgekrönten Zucht-
tchweine auf der Bertiner Äialtvichaus
ftellunq erinnerte. Becker befand sich
daher in der denkbar rosigsten Stirn
mung. Da als es draußen zu duukeln
begann, stand er plötzlich auf und
ertlärte, nach der Uhr sehend, er müßte
jetzt fort. )
In einer Stunde bin ich wieder hier," i
tröstete er die beiden Andern, die gegen ,
den plötzlichen Abbruch des Spiels j
lebhaft proteftirten. .Eine eine Be-i
soignnq. die sich nicht aufschieden laßt." '
.Kannst Tu denn das nit durch '
einen Tienttmann abmachen lanen?" !
Becker ilbeilegte einen Atigenblick,
dann.schickte er den Kellner nach einem
Dienstmann und setzte sich wieder hin.
Ah, Sie sind es, Brösel !" rief er,
als der Diettstmatin erschien, erfreut.
Schön, auf Sie kann man sich verlas
sen, das weiß ich. Ich habe einen klei
nen Gang für Sie. Es handelt sich
um dieselbe junge Dame, der Sie schon
östcr in meinem Austrage Briefe und
Bouquets überbrachten. Sie wissen
doch wen ich meine?"
Gewiß, gewiß! Ein reizendes
Wesen!" schmunzelte Brösel verstand
nißinnig. Also rasch meine weiten Mantel
umgehangen ! So, der verdeckt Ihre
Dienstma'nnstnicht vollständig. Nun
noch meinen Kalabreser ausgesetzt !
Famos! Ihre Visage erkennt bei der
Dunkelheit kein Mensch! Nun anfge
paßt ! Sie stellen sich gegenüber von dem
Hause auf wo die Bewußte wohnt.
Gegen acht Uhr wird an einem Fenster
der Bel-Etage eine weibliche Gestalt auf
tauchen. Sie werfen dann für mich
mit kühnem Armschwunge etwa so!
eine ganze Anzahl Kußhände hinauf,
dann verschwinden Sie um die Ecke und
kommen wieder hierher. Verstanden?"
Vollständig, wird gemacht ! Verlas
sen Sie sich, Herr Doktor, ganz ans mich,
ich war sechs Jahre Diener beim Ritt
meister von Windheim ! Wie viel Knß
hände empfehlen der Herr Doktor, daß
ich werfen soll?"
Na, sagen wir sechs,"
Zu dienen ! Macht sechs mündliche
Aufträge bis 5 Minuten Zeitdauer, sind
ti mal 20 Pfg. macht 1 Mk, 21) Pfg, ;
hin und zurück sind zwei Botengänge
von 5 bis I0Miuten je 3 Pfg., macht
00 Pfg., für Kalabreser und Mantel
rechne ich 2 Packejc bis 5 Kilogram a
20 Pfg.. macht 40 Pfg., sind zusam
men 2 Mk. 20 Pfg,"
Hier sind 3 Mark, Aber nur fort !"
Zehn Minuten später stand Brösel
aus seinem Observationsposten und
blickte gespannt nach den ihm bezeichneten
Fenstern empor. Als es acht schlug,
erschien dort richtig eine holde Mädchen
gestalt. Die sechs Kußhände, die Brö
sei mit Aufgebot seiner ganzen panlo
mimischen Kunstbegabung hinauswarf,
wurden von der andern Seite gleich leb
hast erwidert. Mit enier verabschiedenden
Handbewegung, wie er sie von abgehen
den Schauspielern gesehen, wollte sich
Brösel hierauf um die Straßenecke
zurückziehe, als ihm Jemand den Weg
vertrat.
Mein Herr, Sie erlaubten sich
soeben, eine Dante, die ich verehre, durch
unpassende Gestikulationen nach ihrem
Fenster zu kompromotire, Baron von
Adlerfeld ! Mit wem habe ich das höchst
zweifelhafte Vergnügen?"
Wilhelm Brösel." versetzte der
Pfeudo-Maler gelassen, Uebrigens
habe ich mich Ihnen ja nicht als Ver-gnügungs-Kornite
aufgedrängt,"
Ich ersuche Sie, Herr Brösel, mir
einen Augenblick in dies Wein-Restau-
rant zu folgen. Es handelt sich um
eine Unterhandlung von großer Wichtig-
tett. Wenn feie vernünftig sind, läßt
sich die Sache vielleicht in Güte arran
giren." Wenn Sie den Wein bezahlen, Herr
Baron, warum nicht? Schnaps wär' mir
freilich lieber !"
selbstredend bezahle ich den Wein !
Sie trinken wohl gern Schnaps?"
Hin und wieder, Herr Baron.
Mein Berns bringt das ach so !"
Ihr Beruf, wolllen Sie sagen,
bringt das mit sich?"
Freilich, ich male jetzt gerade eine
Wüstenlandschaft. Um nicht die Mala
ria zu kriegen, muß ich dabei alle Augen
blicke ein Nordlicht hinter die Binde
gießen."
Offenbar ein verkommenes Genie,"
refleklirte von Adlerfeld. Und dieses
Subjekt wagt es, die Augen zu Alice zu
erheben! Solche rohen Naturburschen
habe bei der heutigen Damenwelt
auf Taille ! fabelhaftes Glück !"
Der Eharakter unserer Unterre-
düng," begann der Baron, als die Bei-
den bei einer Flasche Ober-Ungar in einer
stillen Ecke Platz genommen, erfordert
es, daß ich zunächst eine Frage an Sie
richte, die unter gewöhnlichen Umständen
vielleicht indiskret erscheinen dürfte.
Sie haben bereits gewählt?"
Sie schweigen gut, so will ich
es Ihnen sagen : Ihre Wahl, Herr Brö
sei, ist auf Alice Schaller, des Kommer
zienraths Töchterlein gefallen, eine
Dame, die auch ich liebe."
Stimmt, Herr Baron. Prost!
Atiee soll leben !"
Sie werden Ihre Absichten auf Alice
ausgeben, Herr Brösel, oder Sie müssen
sich als Eavalier mit mir schießen !"
Oho muß ich das? Ter Fall steht
nicht im Tarif !"
Was meinen Sie damit?"
Ich meinte nur so. Wenn der
Herr Baron aber durchaus schießen
wollen, dann schießen Sie mir vielleicht so
etwas vor.
Unter Umstanden wäre ich bereit,
diesen Wunsch zu erfüllen, wenn Sie
nämlich gutwillig aus Alice verzichten
wollten. Sind Ihnen 2 Mark
genug ?"
Hm. das will ich mir überlegen.
Mm Mark saaten Sie. Nein, für
30 Mark verzichte ich nicht !"
Tann werden Sie sich mit mir schie- i
ßen, Herr ! Tret Gange, iüuf Scbritt
Distanee !" ;
Tret '!ange au! die geringe Entfer-'
nung sind :i mal 2 P'g. macht i!0
Pfennig. Hm, da will ich difh lieber '
die ;'mhi Mark annehmen."
2iör ! Hier in eine Aüwe'!i7" au
3000 Mark, Sie sind Ihr Eigenthum,
wenn Sie diesen Revers unterschreiben :
Ich verzichte hiermit ausdrücklich aus
jede weitere Annäherung au Fräulein
Alice Schaller und erkläre meine Be
ziehungen zu dieser Tarne sür gelöst,
da ich durch soeben von Herr Baron
von Adlcrfcld empfangene 3000 Mark
ein für alle Mal abgefunden bin,"
Sind sie bereit, den Revers zu nter
schreiben?" Mit Vergnügen, Herr Baron !"
So Berlin, Datum. Unter
schrift : Wilhelm Brösel. Ich danke
Ihnen vereintester Herr Brösel !"
Trinmphirend schob der Baron das
wichtige Dokument in die Tasche und
entfernte sich, um dem Kommerzienrath
unter Ueberseiidung des Reverses sofort
von der Thatsache des Verzichtes Kennt
niß zu gebe und den Nebenbnhler in
den Augen Alice's moralisch zu vernich
ten. Nicht minder vergnügt trat Brösel
mit seiner Anweisung ans 3000 Mark
den Heimweg nach dem Eafe Ronacher
an, um dem voll Ungeduld seiner har
reuden Maler seinen Bericht zu erstatten,
der bei den drei Künstlern begreiflicher
weise ungeheure Heiterkeit erregte.
Wilhelm Brösel? Wer in aller Welt
ist denn dieser Wilhelm Brösel?" rief
der Kommerzienrath, als er am folgen
den Tage den Brief des Barons erhielt.
Alice, Kind, weißt Tu, wer Wilhelm
Brösel ist?"
Keine Ahnung. Papa. Einen
Herrn dieses Namens kenne ich nicht,"
Der Herr verzichtet aber hier in die
sein Schriftstück ausdrücklich ans Deine
Hand, und zwar auf Anregung Deines
Verehrers, Baron von Adlerfeld, Was
ist's mit diesem Brösel, sprich?"
Aber ich versichere Dir, lieber Papa,
ich kenne diesen Wilhelm Br,ösel nicht !"
Hm, das ist ja eine ganz merkwiir
dige Geschichte, Ich will doch sosort
ermitteln, wer dieser Herr ist."
Nach wenigen Stunden kehrte der
Kommerzienrath mit kirschrothem Ge
ficht nach Hause zurück.
Das ist ja eine Infamie sonder
Gleichen " rief er vor Wuth am ganzen
Leibe zitternd. Dieser Brösel ist ein
Dienstmann, ein ganz gewöhnlicher
Dienstnian! Es giebt in der ganzen
Stadt nur einen Wilhelm Brösel, der
Dienstmann ist. Aus dem Einwohner
Meldeamt erhielt ich dieselbe Auskunft.
Ich will mir doch den Man mal in der
Nähe besehen !"
Eine Stunde später stand Brösel vor
dem Kommerzienrath,
Wie können Sie sich erlauben,"
schnaubte ihn dieser an, auf die Hand
meiner Tochter zu verzichten? !"
Verzeihen Sie gütigst, Herr Kom
merzienrath, wenn ich in meiner Beschei
denheit vielleicht zu weit gegangen bin.
Ich glaubte eben, weil ich nur ei ein-
acher Dienstmann bin und weil es der
Herr Baron von mir erlangte, es wäre
so das Beste. Wenn Sie aber durchaus
wollen, heirathe ich Ihr Fräulein Toch-
ter ganz gern !
Diese llnverichamtheit ist wirklich
gottvoll ! Also der Baron hat Sie
veranlaßt, diesen schriftlichen Verzicht zu
schreibend
Jawohl er wollte mich sonst todtschie-
ßen. Also Ihr Schwiegersohn soll ich
nicht werden? Tann darf ich wohl
wenigstens für den Gang nd Zeitver-
tust I Mark liquidiren. Tanke sehr,
lieber Schivie wollte sagen, Herr
Kommerzienrath. Adieu !
Dieser Baron von Adlerfeld kommt
mir nie wieder über die Schwelle !" tobte
der Kommerzienrath weiter. Enlwe
der ist der Herr verrückt oder er treibt
nur seinen Schabernack mit mir. Mei
nem Kinde, meine Alice, Beziehungen
zu einem Tienstmann nein, es grenzt
an Gehirnerweichung !"
Tie so plötzlich zu seinen Ungnnsten
veränderte Stimmung hatte zur Folge,
daß Baron von Adlerfeld bei feinem nach
sten Besuche das sonst so gastliche Haus
deS Kommerzienraths unter thatkröfti
ger Assistenz der Tienerschast bald wie
der verließ.
Da die Neigung seiner Tochter Alice
für den jungen Maler auch nach Schluß
der Kunstausstellung noch vorhielt,
willigte der Kommerzienrath, beiseit Ber
langen nach einem noblen Schmierger
söhn plötzlich verschwunden war, schließ
lich in die Verbindung.
Brösel aber, der mit Hilfe der so leicht
verdienten 3, ,00 Mark Troschkier erster
Klasse wurde, besorgt auch in dieser
..fl..A 4, (...4
.uiiitmi ui'vy iiiu uiuuMuiu iuiuuit
Aufträge mit Handkuß.",
Tic chinesischen Barbiere.
Während in Ehina im Allgemeinen
außer in den unmittelbar beteiligten
Gegenden nur seh. wenige Menschen
Interesse an dem letzten Kriege nahmen,
gab es, wie der Fr. Ztg." aus Shang
Hai geschrieben wird, einen Stand,
deffen Mitgliedern es bei den Erfolgen
der Japaner überall etwas angstlich zu
Muthe wurde, und das waren die Bar
bicre. Sie sind in Ehina besonders
zahlreich, weil hier, außer dem Zopf,
der ganze Kopf banfig rasirt werden
mnß. Wenn nun die Japaner Ehina
erobern, sagten die Barbiere, dann
schaffen sie. weil sie .langhaarige Bar
baren" sind, den Zops ab und dann ist
es mit einem großen Theil unseres Ge
schattes vorbei. Beim Friedensschluß
werden ne daker vermuthlich autgeath
met haben. Tie Barbiere nehmen ubri
gens eine Stellung ein, die zu den
vielen wideripruebsvollen in bina an
zutreffenden Tingen Wahrend
es riirnlii einer'eil:- teil ln'.er ;eit
strenge Regel gewesen ist, zu den Staats
Prüfungen teilte Kinder und Kiudeökiu
der von Verbrechern, Henkern, Prosti
tnirten, Schauspielern, Hausdienern
und Barbieren znznlnssen, haben doch
gerade die Barbiere zu der Zeit, als die
jetzt regierende MandschuDpnastie an's
Staatsruder kam, eine Art ossizielle
Stellung eingenommen. Denn mit der
neuen Dynastie wurde im Jahre lt44 ;
Letjt der Zopf im himmlischen Reiche ein.
(iriuiju, uiiiie ven iuii un uic v.guitrn
jetzt gar nicht mehr recht denken könne
und den sie jetzt selbst sehr ungern ent
kehren würden. Damals wollten jedoch
viele Menschen nichts davon wisse.
Der Widerstand war so stark, daß den
Barbieren die Befugnis! gegeben wurde,
Alle, die sich weigerten, sich den Kopf
rasiren zu lassen, dem Henker zu über
antworten. Entweder Ihr laßt Euch
die Haare schneiden oder wir schneiden
Euch den ganzen Kops ab," sagten die
Gewalthaber. Noch jetzt erinnern kleine
Psosten, die der wandernde Barbier bei
seinen aus der Straße ausgestelllen Uten
silien errichtet, uud die genau den vor
den Amtshäusern von Mandarinen
stehenden Psosten nachgebildet sind, an
diese Zeit.
I,,ner KeschZftsmann.
Frau: Der Arzt sagte mir, ich
würde sicher zwanzig Psuiid im Bade
abnehmen und nun sind es sogar
einundzwanzig!"
Mann: Siehst Du, da hast Tu noch
ei Pfund Rabatt bekommen!"
mni. 'iuinyuuy.
Studiosus langeheitert): Sag"mn,
i..i,oZ ,,si,.' fflli. Mirll
neues uounnajcn, loniine icy sjit nict)
heute ganz besonders, so ganz b e s o n
fl r a f r i f ,4i tinv'"
liebes IZoustnchen, toniine ich Dir Nicht X
,,,,,,,,,-,,, ,,Iv,,-. t .,.,. !,.. v
Eonsinchen: Ja, so frisch vom
Fasse!"
lirtnaekig,
Hansireri Alte Kleider, Herr Tok
tor!?" Hausherr: Meine abgelegten Klei
der trägt mein Sohn, und der ist auch
schon verheirnthet!"
Hausirer: Vielleicht de Eitkelcher
zu sprechen?"
21ns der Treibjagd.
Bauer (zu seinem NachbarschiitzenZ:
Hatt ttes, Tu host mich 'nanfg'schosse!"
Hannes: O Du dumm's Oos!
Manst Te, ich loß' wege Dene krumme
Been' den Hos laafe?"
verschiedener Stadpunkt.
Onkel: Es ist doch entsetzlich,
daß die jetzigen junge Leute gar so
viele Schulden machen!"
Nichte: Ich halte es für ein wahres
Glück sonst dächteschließlich
Keiner an's Heirathen!"
Aiuionc,
Perfekte Köchin sucht Engagement.
Gebildete Herrschast bevorzugt.
Verschwendung,
Opernsänger (zu feiner Frau, dieV
ihren Sprößling mit einer Arie aus ' '
Wilhelm Tell" in den Schlaf singt):
Aber Anastisa, wer wird denn gleich
eine classische Melodie benutzen, um
das Kind einznschläfern ein Volk S
lieb thät's doch auch!"
Zarte Andeutanz.
Bürgermeister feine kleinen itrtdi
chens, in welchem sechs weißgekleidete
Jungfrauen den Landesherrn empfan
gen sollen): ....Und dann, meine
Zerren, bitte ick Sie. hnfiir in (nr,im
daß die Tarnen recht weiß gekleidet
ericyeinen!"
Z der Verlegenheit.
Kaussrau: Was will denn der P.aU
dat in der Küche?"
Dienstmädchen: Kochen lernen!"
Äasernenhofbliithe.
Feldwebel: Rekrut Müller, wenn ich
Ihre Bärenhände sehe, denke ich immer
gleich an Göthe's Faust!"
Mißverstanden. 5
Tarne: Bei wem lmben Sie denn
vorher gedient?"
Zofe: Bei dem Grafen und der ':
Gräfin Kieselstein."
Dame: Und waren sie zufrieden?"
Zose: ,za, ich kann ihnen nur das
beste Zeugniß ausstellen!" - v
vielversprechend.
Vater (zum Bewerber seiner Tochter,
welcher ein schwächlicher Herr): Nun,
ich habe gegen die Verbindung nichts
einzuwenden: nehmen Sie sie hin: aber
daß Tu mir ihn gut behandelst,
Wally!"
Lildnnzsmiltel.
.Ihr Kutscher macht ja einen ordent
lich gebildeten Eindruck,"
Kein Wunder, er bolt mich jeden
Abend vorn Theater ab."
Unter tmfteriungen.
Tu. de Meestern saat, sie hatte uns
Wurscht uff't Brot jelegt: haft Du schon
nachjesehen?"
Nee ick will mir de Oogen ich
verderben!"
l!klerlaurt !
.Lina, kennst Tu den reichen Baron,
welcher gestern liier im Bade angekom.
men ist ?"
Nein er soll aber nverhe
rat bet fein! Uederhaupt bai
i.i- nur Gutes vo:i ,bm aMr:!" - s
V