Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, October 17, 1895, Image 21

Below is the OCR text representation for this newspapers page. It is also available as plain text as well as XML.

    wenn der Sturm kommt.
As dem Tchmdischkn von 0. A, P a l rn t.
Zwei junge, schöne Menschen waren
5, welche des Lebens Frllhlingssonne
beschien, von keiner Wolke beschattet;
bisher hatte nur Eines ihnen Sorge ge
macht: Der Zweisel, ob sie einst ein--ander
angehören dürften.
Doch seit jenem Abend, wo ste warm
und mit heftig klopfendem Herzen, ein
gehüllt in helles Pelzwerk vom Kopfe
ins zur Zeh, nach dem Balle in Konsul
Müllers Porflur stand und ihren lücher
lich kleinen Gummischuh feststampfte,
und er, stolz und strahlend, frische
Lebenslust in seinen dunklen Augen,
herantrat und die Boa um ihren Hals
legte mit einem: Noch einmal, gute
Nacht, Fräulein Amalie !" und sie zum
Wagen geleitete und sich tief, tief über
ihre kleine Hand beugte; seitdem war
für Beide ihr Dasein eine jubelnde Lust,
Und weshalb sollte es nicht so sein?
Sie war so jung, nur neunzehn Jahre,
so schön, so kernfrisch, und wuchs in
einem Heime auf, das vielleicht nicht
gerade reich war, wo aber Vaters großes
'Bürgermeister Gehalt ausreichte, eine
angenehme Eleganz zu entfalten, wo
Friede und liebevolles Wohlwollen dem
Verhältniß aller Familienglieder zu ein
ander ihren Stempel aufprägten.
Und stattlich und schön war auch er.
ein junger Kaufmann mit glänzendem
Gefchaft. das zwar noch nicht so fest m
gründet war, aber doch die besten Aus
sichten hatte.
Die Werbung selbst, eine Woche spä
ter, daheim im Salon, die Unterredung
mit Vater, der erklärte, daß Amalie
ein armes Mädchen sei, welches Nichts
von daheim zu erwarten hätte," und
natürlich darauf die Antwort erhielt.
daß sie doch Gustav Hallberg zum
reichsten Mann auf Erden machen
würde;" all das ging wie von selbst.
und so wartete man denn, bis Amalie
ihr zwanzigstes Jahr vollendet, denn
eher wollte Mama sie nicht von sich
lassen, eher würde die Aussteuer nicht
fertig werden und des Großhändler
Hallbergs neues Haus.
Doch während dessen durchlebten sie
in Gedanken ihr Leben, wie es sich im
neuen Hause gestalten sollte. Gustav
würde strebsam arbeiten, selbstverständ
lich. Und sie, sie würde des Hauses
kleiner onnennrayl werden !
Sie würde dafür sorgen, daß die
richtige Sorte Sherry in die Karaffe
gefüllt würde, daß die Pantoffeln le
reit ständen, und die Einladungen für
die Freunde nicht mit einander in Kol
lision geriethcn. Und dann würde sie
Musik machen. Sie konnte ja vier
Walzer und zwei Polka und eine ganze
Sonate wirklich recht gut. Sie würde
schon zu thun bekommen, die Kleine.
Viel weiter durste eine wirklich feine
ffrau ihr Wirksamkeit nicht ausdehnen.
Oh, was man sich lustig machte über
diese Emanzipationsideen von der Selb
ständigkeit der Frau in Stellung und
Erwerb. Oh, wie man über Cousine
Ellen lachte, die nach dem Tode ihrer
Eltern im Hause" war, und beim
Frühstück, zu dem sie immer zu spat
kam, auf höchst unweibliche Art die
Butterbrote hinunterschlang, um noch
zu rechter Zeit zur Buchhaltungsschule
zu kommen, wo sie die Mittel zu gewm
nen hoffte, in Zukunft für sich selbst zu
sorgen und nicht mehr ihrem Onkel zur
Last zu fallen.
Wenn Ellen in Amaliens abgelegten
Schuhen, in einem Mantel, der vor
drei Jahren Mode gewesen, die Ufer
straße hinabeilte, geschah es wohl bis
weilen, daß sie ihr Köpschen mit dem
kurzgeschnittenen braunen Haare, dem
Stumpfnäschen und dem häßlichen
grauen Barett, zu den Fenstern ihres
Heims zurückwendete und ihre braunen,
lebhaften Augen durch die Scheiben
blicken liefe. Richtig, dort im Salon
neben dem Aquarium stand Gustav,
den Arm um Amaliens Taille gelegt;
sie lachten munter, und einmal sah sie
deutlich, daß Amalie dabei auf die
Straße zeigte, aus sie selbst. Da fuhr
ein kleiner, zerschlissener Handschuh
hastig über die braunen Augen, die Füße
beschleunigten ihren Takt, und aufmerk
samer denn je lauschte Ellen nachher den
Worten des alten Buchhalters Holm:
.Sehen Sie. das Wichtigste ist, tß
man sogleich ordentlich die Posten aus
dem Tagebuche in das richtige Konto
des Riskontro einträgt !" Oh, wenn sie
doch bald nicht mehr das Gnadenbrot zu
esjen brauchte !
Doch eigentlich konnte man ihnen ja
gar keinen Vormurf machen, daß sie
über ihre kleine Cousine lachten. Unbe
streitbar sah sie etwas sonderbar aus
mit ihren Schülerinnenmanieren noch
bei jweinndzwanzig Jahren, ihrem kur
zen, gestuften, dunkelbraunen Haar
und ihren eigenthümlichen Toiletten.
Arme Eklen, ihr Vater war nur Lern
deskanzlift mit zweitausend Kronen Ge
halt gewesen, und die Brüder hatten
immer guten Appetit gehabt, so daß zu
Schmuck und Putz nicht viel übrigge
blieben.
Langsam wendete Hallberg seinen
Blick von der Straße ab und heftete ihn
mit liebevollem, bewunderndem Aus
druck auf die herrliche Gestalt seiner
Braut und ihr entzückendes Profil, in
m sich der sein gemeißelte, griechische
Gesichtstqpus mit den blauen Augen
, und dem reichen, hellen Haar so wun
derdar anmulhig vereinte.
Jbr seid einander nicht gerade ahn
lich, Ihr pvunncn.'
htxft Tu nicht?' meinte leicht
spottend die überglückliche Braut. j
Jahrgang 16.
Da kam der Sturm.
Wer ohne Kapital ein Geschäft grün-
den will, muß auf Hilfe und Unter-
stützung freundlicher Menschen der
trauen. Da ist es denn am natürlich
sten, daß man dort um Hilfe bittet, wo
man des Gegendienstes bedarf. So
stützten drei oder vier unternehmende
junge Männer einander. Was sollen
sie thun? Die Reichen, die selbst solcher
Hilfe nicht bedürfen, die sind immer
verhindert.
Mitunter geht es den unternehmen
den jungen Männern gut; sie haben
Glück, sie werden Herren, bekommen
dicke Geldtaschen und harte Herzen, hel-
en Keinein und la en der Welt ihren
Lauf. Und dann ist ja kein Schade
geschehen.
Mitunter geht es allen drei oder vier
betriebsamen jungen Männern, die ein
ander geholfen", schlecht, und dann ist
ja auch kein Unrecht geschehen.
Doch mitunter arbeiten sich auch einer
oder zwei empor, das Glück ist ihnen
hold, sie werden nach und nach solide
und sehen die Zukunft in rosigem Lichte,
während es plötzlich bergab geht mit
den Freunden, die in ihrem Fall uner
bittlich den mit sich ziehen, wenn er
allein stand, der jetzt das Glück an Bord
hatte.
Das ist hart.
So schien es auch Gustav Hallberg.
als er sich eines Tages, beinalie auf
halbem Wege zu den ersten Hundert-
tausend" und drei Monate vor der Hoch-
zeit, dank seinen Freunden, die weniger
Glück gehabt, ruinirt sah.
Wo sollte er Trost suchen, wenn nicht
bei seiner Braut? Und sie betrog ihn
auch nicht in diesem Augenblick der Noth
und Sorge.
Er war arm: wohlan, so wollte sie
die Armuth theilen.
Doch er war vielleicht noch mehr als
arm. Vielleicht wurde Onkel" selbst,
als Bürgermeister, die traurige Pflicht
haben, seinen Konkurs vorzunehmen?
Auch das wollte sie tragen: der
Freunde Achselzucken, Bedauern und
Bemerkungen, sie wollte sie ohne Mur
rcn tragen: sie wußk ja. daß jhrGustav
ein ehrlicher Mann war.
Sie würde lange, lange warten mlls-
Icn, ehe er möglicherweise auf den min
nen seines zerstörten Wohlstandes ihnen
ein neues Heim bauen könnte?
Gedilldia wollte ie des Taaes harren
Lange Umarmung und große Familien,
scene.
Einen Monat später sandte sie ihm
- den Ring zurück. Sie schrieb, daß
sie es thäte mit gebrochenem Herzen
und unter strömenden Thränen," doch
ihre Eltern hätten sie beschworen, nicht
durch grausamen Trotz ihrem Streben
flir ihre Zukunft entgegenzuarbeiten
Sie selbst wüßte ja. daß es ohi.e ihn
für sie keine Zukunft auf Erden gäbe,
kein Glück, keinen Frieden; aber hatte
ie wohl eine Wahl ?"
Gustav Hallberg glaubte anfangs
fast, daß all' dieses zu viel sei sür einen
Mann. Nichts war ibm geblieben, als
der Sturm gekommen; Alles hatte er
ihm geraubt: Vermögen, Zukunft,
Glück und Braut. Wie ein Friedloser
streifte er in den Straßen der Vorstadt
umher, nachdem es dunkel geworden,
und ängstlich wich er allen Freunden
aus. Um der Gerechtigkeit willen muß
man ihnen zuqcflehen. da sie ihm hier
bei auf jede Weise seine Bemühungen
erleichtern. Darum war er auch bei,
nahe erschreckt, als er eines Abends spät
von einer Bank in dem Stadtparke her
begrüßt wurde mit einem eifrigen
wuftav!"
.Wer oh, Ellen verzeih
Fräulein Holst...."
Ach, Gustav, sei doch nicht schlecht
Ich bin so traurig gewesen um leinet
und Amaliens willen, a daZ bin ich.
Ich habe ganz schrecklich geweint.
.und Amal bat fie meinetwegen
Thränen vergossen?"
Furchtbar, Gustav, ganz entsetzlich;
aber die Aermste, was sollte sie thun?
Onkel und Tante waren ganz verlassen.
Sie haben sie geradezu gezwungen."
Und dann strömten die Thränen über
Cousine Ellens Wangen, und kleine,
fadenscheinige Handschuhe mußten eilig
in dem alten Mantel nach dem Taschen
tuche suchen.
Leb wohl, Gustav! Jetzt sehen wir
uns wohl nie wieder, denn ich soll jetzt
fort auf eine Eomptoirftelle, aber ich
werd immer an Dich denken, und ich
bin garnicht darüber böse, daß Tu und
Amalie manchmal über mich lachten.
Gottseg...."
Und dann kam wieder ein Thränen
ström.
Höre. Ellen, wie haltest Tu wohl
gethan, wenn Tu an Amaliens Stelle
gewesen?"
.Ich?"
Ja, gerade Tu!"
Oh, Herr Gott, ich war' gewiß ge
gorben, glaube ick. Ich hatte mich nie
zwingen lassen. Ader Tu darfst nicht ;
Sonntagsgast.
Beilage $um Nebratta StaatS-Anzeiger.
auf Amalie böse sein. Sie ist sy jung
und weich. Ich bin ja bald dreiund
zwanzig Jahr; schon alt, siehst Du, . ."
Du bist eine liebe, kleine Närrin.
Leb wohl, Ellen!"
Leb wohl, Gustav! Oh, wie grüß
lich, daß es so kommen sollte!"
Alle sagten, Gustav Hallberg hätte
einen schönen Konkurs" gemacht. Dies
soll heißen, daß ein Jeder klar sehen
konnte, er habe treu und ehrlich geh
delt und sei ausschließlich durch Bürg
schaftsverpflichtungen gestürzt worden.
Und dann brachte er einen Akkord zu
Stande, bei welchem ihm allerdings
nichts übrig blieb, der ihn aber zum
Wenigsten im Besitz eines ehrlichen Na
mens ließ.
So mußte er denn von vorn anfan
gen, von der allerniedersten Stufe,
draußen in der Vorstadt. Da stand der
frühere elegante Ballkavalier selbst hin
ter dem Tisch, und nach ein paar Iah
ren war er gerade so weit gekommen,
daß er bescheiden und anonym wegen
eines Theilhabers annonciren konnte.
Die entsetzlichen Frauenemancipa
tionsideen, die unter Kaufleuten immer
so lästig sind, hatten so fürchterliche
Fortschritte gemacht, daß Dreiviertel der
Antworten von weiblichen Personen ka
men; Mädchen mit Locken und ohne
Locken, mit Zöpfen und kurzhaarig, elc
gante Damen aus der Hauptstadt und
sehr einfache Mädchen, die vielleicht einen
Monat in einer Dorfhandlung geholfen
hatten.
Doch Gustav Hallberg schob den gan
zen Hausen von Briefen, Zeugnissen
und Portraits zur Seite, um nur auf
eine kleine Stumpsnase und ein Paar
warme, kindliche Augen z starren, die
ihm treuherzig beim Scheine der Comp
toirlampe entgegenblicktcn. Er dachte
daran, wie oft jene Augen voll Weh-
muth und stillen Vorwurss geblickt.
wenn er und Amalie über Cousine El-
len sich lustig gemacht, und wie innig
eine kleine Hand vor zwei Jahren die
seine zum Abschied gedrückt. Um die
schönen Zeugnisse, die dabei lagen, küm
werte er sich gar nicht ; er schien mehr
wie genug an der Photographie zu ha
den, und am folgenden Sonntag fuhr
er zu der Nachbarftadt, wo Cousine
Ellen" in Merkurs Diensten arbeitete.
Noch hat die Firma G. Hallberg sich
leinen Gehilfen im Laden und aus dem
Comptoin angeschafft, trotzdem wieder
ein paar Jahre verstrichen sino und auch
die Gefchaste so allmählich vorwärts ge
hen.
Doch das ist nicht nöthig, denn die
junge Frau versteht es, im Geschäft zu
helfen, und nach einem besseren Verkäu
fer kann man suchen, einen besseren
Kompagnon hätte die Firma Hallberg
nie bekommen können. Mitunter, wenn
die beiden Theilhaber der Firma dabei
sind, in den Fächern zu ordnen, geht
die immer noch junge und schöne Cou
sine Amalie vorüber, doch sieht sie im
mer nach der anderen Seite. Da ge
schieht es wohl, daß Gustav, ebenso ent
zückt, wie einstmals im Salon des BUr
germeisters, ausbucht :
Ihr seid einander doch sehr unahn
lich, Ihr Cousinen!
Und Ellen, die wohl versteht, wie
Gustav es jetzt meint, sieht ganz un
schuldig und einfältig auf und flüstert :
Gewiß, die Amalie ist ja so entzückend
süß und schön."
Noch haben die Einkünfte es ihnen
nicht erlaubt, mehr wie ein Mädchen zu
halten, und da dieses Verschiedenes mit
dem kleinen Junior der Firma zu thun
hat, so kommt es whl vor, daß es in
den drei kleinen Zimmern über dem
Geschäft nicht gerade gemüthlich ist,
wenn am Abend Herr und Frau beide
vom Laden und Comptoir heraufkam
men.
Doch Ellen thut in Eile, was sie
kann, um dem kleinen Heim ein freund-
licheres Aussehen zu geben, und wenn
dann die Lampe und das Feuer ange
zündet sind, und der Theekessel auf dem
Tische brodelt, kriecht sie in das Sofa
hinauf, schmiegt ihr kleines Kraus
köpschen in Gustavs Joppe und meint
wohl:
.Ach. liebes Männchen, dies hier ist
ein anderes Leben, wie Tu eS Tir einst
geträumt. Teine arme Frau hat j
nicht Zeit, das Heim so nett und fein iu
halten, wie sie möchte, und wie es sein
louie.
Ta umschlingt er sie mit zwei starken. '
kräftigen Armen und jubelt, den Mund
noch voll Butterbrot:
Toch ich weiß, daß sie fest steht und
die Prob ausbält. wenn der Sturm
kommt."
Axt sin ?esirung.
Prinzipal: .Tavidche. Tu haft heut'
ausgelernt und bist wohlbeftalller Com
mi.-aw.ich.be.mir:.
Ztzr erster Ball.
Von E. Rita.
Gott sei Dank, der Tisch ist gedeckt !
Wie er glänzt und glitzert mit seiner
Fülle von Silber und geschliffenem
Glas, schneeigem Damast und goldgelb
s?idenen Läufer. Purpurn sunkelt der
Wein in den Karaffen, die Prismen der
venetianischen Leuchter sende farbige
Lichter, leise zitternd, umher, aus grü
nen Blätter lugen neugierig rothman
gige Pfirsiche, sich mit gelben Melonen
und saftigen Trauben zu Verführer!
schem Stillleben vereinigend. Wie die
Marcchal-Niel-Rosen dusten und sich in
ihrer üppigen Schönheit überall dazmi
schen drängen ! Aus zwei Füllhörnern,
die silberne Engel halten, quillen sie
hervor, fallen über den Rand hinaus,
verbreiten - sich über den ganzen Tisch.
Sie schauen aus Servietten hervor, ver
bergen sich in goldgelben Seidensalten,
füllen unzählige kleine Vasen. Arme
Rosen, wie werdet ihr morgen aus
schen ! Geschädigte Dienstboten laufen
die Teppich belegten Treppen auf und
ab, hier eine Pflanze zurechtrückend,
dort einen Shawl vortheilhaster drapi
rend; fertig ist alles, es fehlt nur noch
die letzte Hand,
Im ersten Stock, nach hinten hinaus,
ist es ganz still. Die gnädige Frau hat
sich in ihr Allerheiligstcs zurückgezogen,
um sich durch ein paar Stunden Schlaf
auf die kommenden Strapazen borzube
reiten, und da können wir ungestört
einen Blick in das Ankleidezimmer wer
fen. Da liegt, vorsichtig auf der Chaise
longue ausgebreitet, das Ergebniß
wochcnlanger Unruhe, schlafloser Nächte,
unzähliger Anproben, an dem sich so
viele Augen müde gesehen, so viele
Hände matt genäht haben.
Wie ein Märchen schimmert es uns
entgegen Wellen von mcergrüner
Seide, Wolken von Crepe de Chine".
überrieselt von Silbersäden und Brüss
ler Spitzen. Auf Tischchen und Stühlen
ringsumher stehen und liegen hundert
unentbehrliche Kleinigkeiten, von dem
weißen Straußfächer, dem kostbarsten
Spitzentaschentuch bis zu den zierlichen
Schuhen aus meergrünem Leder. Doch
horch, da nahen Schritte; die Thür
öffnet sich und herein schaut zuerst ein
Stumpfnäschen, dann ein Lockenköpf
chen, bis zunächst das ganze vierjährige
Dämchen mit weit aufgeriffenen Augen
und ebensolchem Mäiilchm vor den
Wundern, die hier ausgebreitet sind,
fieht. um fchon ist das Alles, wie
wunderschön! Sie kann sich nicht satt
sehen und hat gar keine Eile, in die
Kinderstube zurückzugehen. Sie hat sich
heule o gelangweilt, in ihrem ganzen
Leben hat sie sich noch nicht so gelang
weilt wie heute. Das Kindermädchen
ist vor zwei Stunde hinuiitergegan
gen. es giebt heute so viel zu thun, da
will ste doch ein wenig mithelfen und
nebenbei die zwei flotten jungen Lohn
diener, die heute unten ihr geschäftiges
Wesen treiben, kennen lernen. Und
Gretchen hat zuerst ganz geduldig mit
ihren Puppe gespielt, dann Bilder
bllchcr gesehen und Häuser gebaut, aber
jetzt sängt es an, dämmerig zu werden,
und da ist es gar zu einsam, so allein
im Kinderzimmer. Sie steht und schaut
Uno Ilyauk, alyemlos vor Bewunderung.
Allmählich wird sie kühner und sährt
mit der nicht allzureinen Patschhand
über die schimmernde Seide. Jetzt hat
sie die Schuhe entdeckt, die kleinen grü
nen Schuhe. Sie sehen genau so aus,
wie jene, auf die Tante Äolly immer
Blumen malt. Das ist ein Gedanke!
Malen kann Gretchen auch, und wie
wird Mama sich freuen! Geschwind
huscht sie in die Kinderstube zurück, ganz
leise, damit Mama richt aufwacht, holt
ihren Tuschkasten und beginnt das
Werk. Bald ist der Schuh voll schöner
rother, blauer, gelber und arüner
Kieze; s' natürlich kommen ihr die
Blumen nicht vor. aber das wird sckon
kommen, wenn sie noch einmal über
gemalt werden, so macht Tante Moll
es auch. Die Klere vermehren sich,
nicht nur auf dem Schuh, sondern auch
aus ikio. caurx, Gefiqt und Han
den der kleinen Künstlerin. Dann und
wann führt sie den Pinsel in den
Mund und wischt ihn aus dem Teppich
ad, aus dem sie kauert; mit hochrothen
Bäckchcn und glänzenden Augen malt sie
weiter, und als endlich die Thür aus
geht, bat sie aar keine 'At. von ihm
I Arbeit auszusehen; und rust nur: Es
ist noch nicht fertig. Mama, aber gleich,
bitte, sieh' nicht her, es ist eine Ueber,
raichung.' Mama ist sprachlos! In
ihrem weißen Pudermantel und auige
löftem Goldhaar sieht sie aus wie ein
Engel, aber wie ein sehr erzürnter En
gel. Nicht allzu sanit schiebt sie ret
den bei Seite und Thränen, wirlliche
Zhrankll des Acrgcrs füllen die schonen
j viuunni ,!grn. i'irciajcn Miro jll 11
aeidiicki. ant t,tr ?trllr nh hnttnf..
jikachttuß' ü.u, T'!nd ick. e.M. f
No. SS.
weiß keinen Rath, selbst dir Köchin
nicht, die eigens herausgeklingelt wird,
weil sie sonst immer für alles Hülfe sin
det. Die Schuhe sind hoffnungslos,
unrettbar verloren, und es ist die höchste
Zeit, mit der Toilette zu beginnen.
Man dringt ein Paar Goldkäferschnhe
herbei; wie geschmacklos sie zu den Sil
berfäden aussehen! Zuletzt entschließt
man sich seufzend zu einem Paar
schwarzer Lackschuhe. Ach, sie sind all
täglich und gewöhnlich, so ganz anders
als die duffen, meergriimn Lederpan-
töffelchen! Aber es hilft nichts!
Oben liegt Gretchen im Bett und
schluchzt. Warum war Mama nur so
böse? Sie hat ihr doch nur eine Freude
machen wollen! Es ist ganz dunkel.
Sie lauscht auf das Rollen der vor
fahrenden Equipagen, das Gewirr der
Stimmen, die Klänge der Polonaise.
Gretchen schluchzt lauter, sie kann gar
nicht einschlafen! Und Mama hat ihr
keinen Kuß gegeben, ach, hätte sie nur
gesagt: Ich will es nicht wieder thun,"
da wäre ihr sicher verziehen worden!
Doch nun ist es zu spät, und es ist zu
traurig!
Unten nimmt der Ball seinen glan
zenden Verlauf. Man tanzt, kokettirt
und amüsirt sich. Die Bewirthung ist
vorzüglich, der Cotillon großartig, alle
Welt ist entzückt. Die Wirthin scheint
etwas erschöpft zu sein von ihren auf
reibenden Pflichten, sie zieht sich in einen
kleinen Salon zurück, der augenblicklich
leer ist. Vorsichtig blickt sie nach allen
Seiten, und als sie sich unbemerkt weife,
zieht sie aus einem der Cotillonsträufe
chen ein zusammengefaltetes Stück Pa
pier. Soll sie die Botschaft lesen?
Einen Augenblick schließt sie die Augen.
Wen schädigt sie, wenn sie dem Dränge
ihres Herzens folgt? Ihren Gatten
doch nicht, den ernsten, stillen Gelehrten,
der nur seiner Wissenschast lebt und für
sie schon lange kein warmes Empfinden
mehr hat. So hatte sie sich die Ehe
nicht gedacht, als er vor einigen Jahren
so treu und warm um sie warb. Wie
schnell war seine Liebe erkaltet! Erkal
tet? Wenn sie doch den Blick sehen
würde, mit dem er immer wieder von
der Arbeit zu dem lebensgroßen Bilde
über seinem Schreibtisch aufsieht, dem
Bilde seiner schönen, angebeteten Frau.
Aber wenn er dann Abends nach Hause
kommt, müde und abgespannt, mit
seinen Gedanken noch halb bei der Ar
beit, da hält sie seine Ruhe für Kälte,
seine Erschöpfung für Gleichgültigkeit.
Sie fährt mit der Hand über die bren
nende Stirn. Könnte sie doch zu einem
Entschluß kommen! Sie kann die all
tägliche Einförmigkeit dieses liebelosen
Daseins nicht mehr ertragen. Umsonst
suchte sie Zerstreuung in dem ewigen
Einerlei der Bälle und Gesellschaften,
die Gedanken wollen sich nicht betäuben
lassen, die heißen, sündigen Gedanken.
Ja, sündig, seitdem er in ihr Leben
eingetreten, er, so jung, so schön, so
ganz hingebende Bewunderung. Für
ihn bedeutet ein Blick von ihr Seligkeit;
er ist glücklich, wenn er in einem Winkel
stehen und sie anschauen darf. Ja, sie
will ihm folgen, dem schönen, jungen
Geliebten, wohin er will, selbst in Noth
und Elend.
Alles will sie ihm opfern, Glanz und
Wohlleben, gesellschaftliche Stellung und
guten Namen. Mag die Welt sie ver
urtheilen, mag alles von ihr zurückmei
chen. sie will ihn lieben und glücklich
machen und in seiner Liebe glücklich sein!
Mit zitternden Händen beginnt sie den
Zeltet zu entfalten, da bewegt sich die
Portiere! Sie sährt zusammen. Ist es
ihr Gatte? Oder schon er, der gekom
men, sich seine Antwort zu holen? Sie
lauscht athemlos! Da trippeln zwei
rosige Füßchen über den Tcppich, zwei
weiche Aermchcn schlingen sich um ihren
Hals, ein thräncnnaffes Gesichtchcn
schmiegt sich an ihre Wanae. und ein
süßer, süner Mund flüstert: Ich will
es nicht wieder thun, liebe Mama,
Gretchen hat Dich so lieb, und kann gar
nicht einschlafen". Sie reißt das Kind
an sich, bedeckt ,s mit Kuffcn und mit
einem Schlage wird ihr das entsetzliche
unrecyl nar, va ie foeben dem ahnungs
losen Geschöpschcn hat anthun wollen.
Ihr Liebling, ihr süßes, kleines Mäd
chen, die Tochter einer Abenteuerin,
einer davongelaufenen, geschiedenen
Frau! Welche Zukunst, welche zerstörte
Jugend! Fast betäubt von der Wucht
der auf sie einstürmenden Gcdanten
blickt sie aus, da steht er vor ihr.
Ungeduldig begehren seine Augen die
Autwort auf seine Zeilen. Sie rafft
sich aus, zieht ihr Kind an sich und giebt
ihm das uneröffncte Billet zurück. 3u
erst begreift er nicht, dann suhlt er, wie
sich etwas kalt und schwer aus's Herz
legt. Er hat verstanden. Ein Blick
auf ihr chönes bleiche Aiitlik ieiat
ivm. oan n,cr!s mci,r für ibn
n rnnii ,ur inn JU i
honen giebt, da sein erster Licdcslraum
uuiiuuium Kl
; ; ..,. ........
iwtiwn it an
Paare. Gretchen möchte auch tanzen,
bitte Onkel, nur einmal!" Und er froh,
dem bedrückenden Schweigen ein End
zu machen, nimmt das kleine Barsüß.
chen in den Arm, und hinein geht'S
mitten in die Reihen der tanzenden
Paare! Wie sie jubelnd heruinhüpft in
ihrem weißen Nachthemdchcn, und als
ihr Tänzer sie niedersetzt, drängen sich
ganze Schaaren schwarzbefrackter Ritter
um sie her, die alle mit der Tochter des
Hauses tanzen wollen. Lange dauert
die Freude zwar nicht, denn bald kommt
Papa und macht dem Unfug ein Ende,
wie er sagt. Er selbst trägt sie hinauf
in ihr weißes Bettchen, und schon nach
wenigen Minuten liegt sie in süßem
Schlummer und ruht aus von ihrem
ersten Ball.
Unten tanzt man noch lange fort.
Aber endlich ist der letzte Gast gegangen,
die letzte Kerze gelöscht, und alles liegt
in tiefer Ruhe. Nur oben, im Kinder
zimmer, leuchtet noch ein matter Schein.
Dort stehen die Gatten Hand in Hand
und schauin in Liebe auf ihren kleinen
Schutzengel. Sie hat ihm Alles gesagt,
und als er ihr dann in's Auge geblickt,
so tieftraurig und doch voll verzeihender
Güte, da wußte sie, daß die alte Liebe
nicht todt sei, und in ihr hat Schutz ge
funden vor sich selbst.
Au dem ZeemannelcbkN zu Lande,
wird von der Kieler Föhrde geschrieben:
Ein Schiffs-Kapitän hatte nach jahre
langen glücklichen Reisen sich endlich zur
Ruhe gesetzt, sich nach eigenem Concept
eine Behausung bauen lassen, die er
stolz Villa Seemannsruhe" benannte,
und wollte dort mit Muttern" in Frie
den seinen Lebens-Abend genießen. Nun
gings aber ihm, der auf den Planken
eines alten Dreimasters so ruhig und
sicher sich bewegte, wenn er am Land
sich fortbewegen sollte, wie einer lah
men Ente", und wenn er 'mal, nach
seinem eigenen Ausdruck, alle Leim
wand aufzog und dahinsegelte", blies
seine Lunge bald wie ein Taifun."
Deshalb hatte die Frau Kapitän, die es
gern dem reichen Gutsnachbarn gleich
that, auch leichtes Spiel, als sie den Vor
schlag machte, Pferd und Wagen anzu
schaffen. Ein netter Wagen war bald
besorgt und der Ankauf eines Pferdes
gelang dei Gelegenheit des Kieler Mark
tes anscheinend noch IVfscr; denn der er
standen Gaul sah prächtig aus und war
billig. Den Grund der Billigkeit sollte
der Käufer bald erfahren; der Gaul war
nicht blos, wie der Roßtäuscher versichert
hatte, ein Schnellläuser, fondern ein
Durchbrenner. Die Frau hatte denn
auch nach der ersten Ausfahrt, die trotz
Verlustes einiger Gcschirrstücke durch das
Eingreifen eines herzhaften Bauern
knechtes noch glimpflich ablief, genug
am Spazierenfahren. Der Kapitän aber
klagte einem befreundeten Schiffer beim
Glase Grog seine Noth und der wußte
Rath. Junge", damit schob er seinen
Priemen in die andere Backe, wir ma
chen die nächste Ausfahrt zusammen,
aber wir nehmen einen Anker mit.
So geschah's. Ein Schiffsanker wurde
mit einem starken Tau an dem Hinter
theil des Wagens befestigt und in den
Wagen gelegt. Anfangs liefe sich die
Fahrt unserer beiden Freunde gut an,
als aber eine Kette Hühner mit großem
Geräusch vom Grabenrande aufflat
terte, nahm der Gaul den Zaum zwi
schen die Zähne und sauste davon, so
daß es mit der Herrschaft des Rosselea
kers aus war. Doch mit kraftiger
Stimme kommandirteer: Ankerraus!"
Einige Schritte weit schleifte der Anker
nach, dann faß er fest. Ein BumS !
ein Krach! mit dem Vordertheil des
Gefährtes raste der Gaul davon ; und
ein Knäuel sich im Staube bewegender.
Arme und Beine, sowie ein kräftiges
Fluchen gab Kunde von dem Dasein
und Lebendigsein der erfinderischen See
leute. Ein paar Tage darauf aber lag
nian in der Zeitung : Pferd billig zu
verkaufen ."
Lindern, und.
Gouvernante: Sieb', mein Kind.
die Antipoden sind unsere Gegenfüfeler
oenn oie genen icvesmal erst schlafen,
wenn wir schon aufstehen!"
Die kleine Emma: Nicht wahr,
Fräulein, da ist mein Bruder Fritz, der
Student, auch ein Gegenfüfelcr?"
Ter kleine Karl (in Gesellschaft):
Siebst Tu, Papa, es ist ja gar nicht
ivayr:
Pater: Was denn, mein Engel?'
Karl: Tu sagtest gestern, der Herr
Braun (auf diesen deutend). Hütte ein
Brett vor'm Kops."
Die kleine Elsa (auf den Zopf eines
Japanesen deutend) Mama, klingelt
es, wenn man da dran zieht?"
Söhnchen: Ach, Papa, hilf mir bei
meinen Rechenaufgaben."
Papa: Nein, das kann ich nicht
versteh ich auch nicht."
Söhnchen: .So. Pava. nun h.
komme ich morgen Schläge, weil Tu
nicht rechnen kannst."
Ein guter tsund.
Ich saa' Jbnen. mein, 9atn
ist ein kluger Hund! Schieß' ich da neu.
lich auf unserem Bach zwei Enten, die
auf dem drüdcrn Ufer liege dlieden.
YaDrr tiin' rfi nri
Was
macht meine Lad? Beide kann
W ' r . , ?? ' ?N. Dringen
rpT Ä.?', ?5