Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, May 02, 1895, Image 9

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    Scheidung.
3;ooU von Juliul Ccti.
Ihr Entschluß fland fest: sie ooH.'ta
stA scheiden lasse. Elf Zahle halte bet
Kampf ihrer Ehe gedauert, nun waren sie
zu rot rschkpst, eil In innet, e
lllh. verdiltert. fte e, trugen dies Oua
len nicht länger, tt muh! ein Sude er
den.
Wie hatt dies, eußerft geschahen
lönnen? Hatten sie sich denn nicht lieb
gehabt? Waren st nicht inst tu Illl
licht Paar emeseo, da wi met Vögel,
di sich zum Fluge nach dem Süden zu
sammevgksundko, m l sonnig reven oin
aulgezogen war's Halte e irklich ein
solch RtU 0(010? Sie wußten tt
nicht mehr. Berg von jkllnkunaen und
Bltlerkeiten, von Mißvnflanvniilen und
Tretz thllrmten sich unüberflelgbar mi
schen Einst und Jetzt. Sie mußien nicht
mehr von der Vergangenheit, sie wußten
nur, daß sie Betd, tiefelend worin und
daß sie z Grunde gehen mußten, wenn
si beisammen blieben.
Wer sie vor sich sah, diese beiden stol.
zen schönen Menschen, wollte an ein,
Entziveiung nicht glauben, oder suchte
di U, fachen außer ihnen. Aber kein
Anderer trug die Schuld al sie selbst.
Er war ein untadeliger Mann, Vielen
in Vorbild und in Wahihett ein rruster.
haster Charakter; aber er besaß einen
unbeugsamen Eigenwillen, begründeten
Widerspruch ertrug r schwer, unoegrun
beten gar nicht. Er wußte, daß er diesen
Fehler besah; als er daher nach den ersten
Wochen der Ehe bei feiner grau den
gleichen entdeckte, nur in' Weibliche über,
tragen, ersaßt ihn, wie ine Borahnung
de Kommenden, ein heftiger Schreck;
aber die Liebe flüsterte ihm den Trost ein:
im gegenseitigen Verkehr wurde sich die
Schärfe ihre, Wesen abschleifen, sie
wurde gegen ihn, und er wollt gegen sie
nachsichtig sein, ja, bei Gott, er wollte
, er nahm e sich fest in seinem Gemis
sen vor. Und fte. di freilich nicht die
gleiche, strenge Selbstschau übte, wie er,
erkannt doch nicht weniger, daß e ihr
in große Maß von Selbstüberwindung
kosten würd, seinen starken Eigenwillen
zu schonen; aber sie hatt ihn ja lieben
gelernt, so wie r war, und so wollt sie
ihn auch weiter lieben; wozu war denn
dem Weib Sanftmuth und geduldiger
Sinn verliehen?
Mit solchen Vorsitzen traten sie in die
Ehe. Aber ihre Natur war stärker, al
ihr Vorsätz waren. Sein Selbstgefühl
würd durch ihren Widerspruchsgeist ge
reizt, und ihre Willenssicherheit verwarn
delte sich durch sein unbedingte B h nren
aus der eigenen Meinung in Trotz. Je,
der glaubt, von dem Anderen Nachgie
bigkett fordern zu dürfen, er al der
Einsichtiger und Erfahrener, si al die
Schwächere, al Frau. Allein immer
weniger wurden sie eine solchen Opfer
fähig; war, al ob die Kraft ihre
Willen dmch den ewige Kontakt stetig
wuchs.
So wurde di Gleichartigkeit ihrer
Natur zu einer Quell von Gegensätzlich,
leiten, die bald nicht mehr auszugleichen
waren. Ein einzige Wort war im
Stand, di leidenschaftlichst Szene zu
entfesseln, ein harmlos MeinungSver
schtedenheit führte zu erbittertem Streite,
und mitten im friedlichen GelprLch erhob
sich in Sturm, der all Besonnenheit
egsegt. Si hatten ihn nicht abstcht.
lich heraufbeschworen, im Gegentheil.
Jeder hatte den festen Willen, sich zu be
meistern, aber einmal in ihrer verwund
baren Stell getroffen, vermochten si bei
erregten Blute nicht mehr Herr zu wer,
den. Beid kämpstkn dagegen an, aber
S war umsonst. Oft hielten si mitten
im Streite inne, sie schämten sich vor sich
selbst, und dann siel wohl in versöhnen
de Wort. Aber e wirkte nicht fort,
der nächst Tag bracht neuen Zwist und
neue Qualen, und dann folgten wieder
Wochen voll dumpfen Schweigen und
stummen Nebeneinanderlebens, die fast
noch grausamer waren al offener Kampf.
Sie versuchten e auch mit dem Heil
mitte! der Trennung. Er benutzt seine
Ferienzeiten, um unter den Eindrücken
einer fremden Umgebung da Gleichge
wicht seine Wesen, Ruh und Selbst
beherrschung wieder zu gewinnen; und sie
verweilte häustg al Gast im elterlichen
HaAse. Während ihre ffernseiv schien
8, al ob sie sich wiederfinden würden;
fte tauschten herzliche, ja zärtliche Briese
mit einander und sprachen ihre Freude
am Wiedersehen au. Aber da Wieder
sehen selbst zerstört di neu Hoffnung.
Dann sagt r wohl: .Liebe Kind, wir
wollen nun ein neue Leben beginnen,
laß un nachsichtig gegeneinander sein,
nachsichtig und nachgiebig!" .Bin ich
I denn nicht immer gewesen, Friedrich?',
war ihr Antwort. .Du nachgiebig
oh!" .Di warft Du twa dkrNach
sichtig?' Leise zog da Unwetter her
auf, und bald stürmt und tobte e wi,
zuvor.
ES war Alle vergeben; si sahen e
in; der Uvfried war nicht mehr zu ban
ven. Sie wann immer verletzbarer,
immer unduldsamer, ja immer feind
seliger geworden, und wa da Schlimmste
war, sie hatten Beide an Selbstachtung
eingebüßt; da konnten si inander am
wenigste verzeihen.
Au ihrer Ehe war ein Kind vorhan
den, ein Mädchen von neun Jahren, ein
kränkliche, kleine Wesen, scheu und
unschön, weder Bater noch Mutter Ihn
lich. Nur in de braunen sanften Augen
de Kinde lag etwa, wa zu ihm hin
zog: ein rührende Melancholie, ein
schmerzvolle Ahnen, wi man e bi,
weilen in den Blick, hoffnungsloser
Kranker findet. Wenn e bei den Mahl
zeiten mit den Eltern zusammen sei
durst, sah e oft traurig von Einem zum
Andern, al wüßte e wohl, wa in ihnen
vorging, all verstände e da Leid, da
Der
Jahrgang 15.
sie Beide trugen. Und dann seufze I
schwer auf und tiäumt still vor sich hin.
Die Eltern hatten richt daraus Acht
Sie beschäftigten ch überhaupt nicht viel
mit dem Kind. E war nicht a: an
derlwo t Mittelpunkt de kleinen rei
, in dem sich lie Eltern mit den glei
chen Gefühl der Zärtlichkeit tm Wien
zusammenfinden; und wenn sie vielleicht
gehofft baiten. tag e eifl giteöenetttlter
sein werd, so hatte sie auch diese Hcff
nung getäuscht.
Da arme, klein, Dingl war
nicht verwöhnt durch Liebe, zwischen den
hadernden Eltern wuchs I auf wie eine
Pflanze zwischen schattenden Mauern.
Die Mutter vernachlässigt, nicht an ihm,
sie hatt, e beständig in ihrer Nähe, sie
bedürfte auch seiner in ihrer Verein
amung; aber ihr ganze Her war nicht
bei dem Kinde, S war, a! ob ihrer
Seele di Schwingen gebunden wären.
Ihm war die Kleine nie recht vertraut
geworden, da sie immer du der Mutter
war, ward sie ihm mit der Zeit auch
remd; er war gut zu ihr; aber ein tte
ere Gefühl halte er für sie nicht. Un
ter diesen Umständen bildet da Kind
kein Hindernis bei der Scheidung. Er
hatte von vornherein seine Zustimmung
gegeben, daß die Mutter bei sich be
halten und ergehen durste. Die gleiche
Beretimilligrett zeigte er in allen übrigen
Fragen, die die künftige Regelung ihrer
Verhältnisse betrafen. Sie waren schließ,
lich übereingekommen, daß sie mit dem
Kinde da Hau verlassen und zu ihren
Eltern ziehen solle, inzwischen würde da
gerichtliche Verfahren eingeleitet und zu
Ende geführt werden.
Der Tag ihrer dreist fland bevor.
m letzten Abend, al Alle zur Ruhe
gegangen war, trat er och einmal an da
Bett de Kinde, um Abschied ,u neh
men. Er that e mehr au Pflichtgefühl,
als einem inneren Dränge folgend.
Sacht beugt er sich über da Kind, um
e zu küssen, aber plötzlich fühlte er sich
von zwei schwachen Aermchen umfangen,
und ein leise Weinen drang an sein
Ohr.
.Warum weinst Du, Luclei' fragt er.
.Lieber Papa, bleib bei un,"
chluchzte da Kind.
.Ich werde Dich oft besuchen, mein
li'de Kind, " antwortete er, zärtlich ihr
Haar streichelnd.
.AZ, nein, ich wetsi yZU wir mm.
mehr kommen. Hab' mich doch lieb'
Papa lieber Papal"
Fester und fester umschlang ihn da
Kind, al wollt es nicht mehr von ihm
lassen.
Er fühlte die heißen Trop en aus sei.
vem Gesicht, und e war ihm, al hinter
ließen sie dort brevvendrothe Flecke.
Eine tiefe Reu bemächtigt sich seiner.
Wa war diesem Kinde gewesen, da jetzt
hilflo an feinem Hals hing? E liebte
ihn, der ihm niemals Zärtlichkeit gezeigt
hatte! Warum hatte er nicht früh die
e kleine Wesen in seine rme genom
men, e behütet, S geliebt, wie ein Ba
ter sein Kind liebt? Da Herz schlug
ihm zum Zerspringen, er wollte sich aus
richten, aber da Kind ließ nicht von ihm
ab. So mußte er neben dem Kinde nie,
decknieen, um athmen zu können. Lange
verharrte r so in tiefem chwetgen;
er hörte nicht al da Auskrao-pfen der
kindlichen Brust, tat autnftDuq qiosszer
und schwächer wurde, bi der Schlaf kam
und die arm klein Seele in seine fanf
ten Arme rahm. Leise löst der Knieende
einen al au der liebenden um
strickung, drückt noch einen Kuß auf die
Lippen de Kinde und ging
Er war ti.s erschüttert. Warum hatte
er diesen Schatz erst jetzt entdeckt?
Warum..?
Da tauchte der Gedanke in ihm auf:
ollle sie durch da Kind haben sprechen
wollen? Sollte sie bereuen.... Doch im
nächsten Augenblick wie er ihn von sich.
Die Thränen, die noch auf setner Wange
brennten, zeugten dagegen. 'Arme, g.
ängstigte Kind ! Wie jammerte e ihn!
Und doch, war e nicht besser, e verlor
den Vater, den e doch nie besessen, al
daß der Unfriede der Eltern seine Jugend
rergifteke und sein Gemüth versr Zierte
Ja. e war besser so. E gab kein Zu
ück. Gott schlitze die Schutzlose.
Am frühen Morgen ging die Abreise
von Stalten. Er hörte, wie der Wagen
vorfuhr und die Koffer hinausgetragen
wurden. Dann wurde still in der
Wohnung. Aber horch, leise Schritte
näherten sich seiner Thür, und ein
Sümmchen rief: .Papa I' Vem erz
kramxfte sich zusammen. Er wollte hin
auSeilen und sein Kind an sich pressen.
Dock gewaltsam hielt er sich zurück,
Wo,u die Qual vergrößern? Wozu de?
Kinde Sinn verwirren? E schmieg.
aber mit angespannten Nerven lauschte
er. Und noch einmal ertönte tl: .Papal'
Doch zugleich rief ein laute Stimme:
Lucte I ' . . . . E war oorvel ....
Sech Monkt waren vergangen.
Keine Nachricht drang von einem zum
Andern, al lebten sie in verschiedenen
Welten. Die Stille, die sich um ihn
breitete, that ihm wohl; aber in düsterer
Ernst lagerte erdrückend auf ihm. Er
ühlt sich wie geachtet, wie aukgeuoken
au dem Kreis der Glücklichen. Und er
ris v y v
Beilage zum Nebraska Staats-Anzeiger.
hatte doch eine heiß Sehnsucht nach
Glück, nach einem friedlichen Heim, nach
liebevoller Zärtlichkeit. Bisweilen er
faßt ihn di Bangigkeit nach dem Kinde,
da r in der Stund bei Abschied ge.
monnen hatt, um ei wieder zu verlieren.
Dann verfiel r in eine tief Melavcho
lie, r mußte dann alle Kraft zusammen,
nehmen, um nicht zu vei sinken. Jczmi
schen war die Scheidungsklage vor dem
Gericht verhar.delt wordrn. Diese hatte
sich au den Vortrügen der Anwälte nicht
überzeugen können, daß die gegenseitige
Abneigung der Gatten in so tiefg,
wurielt sei um jede Aussicht auf eine
Versöhnung auszuschließen. E hatte
daher verlangt, daß sie persönlich vor
ihm erschienen. Diesem Befehle mußten
sie gehorchen.
Al er am TerminStag da für die
Parteien bestimmt Zimmer betrat, war
sie schon anwesend. Niemand sonst be
fand sich dort. Sie saß am Fenster und
blickte mit starren Augen in den Hos hin
au. Sie war in Trauer gekleidet, ihr
Gesicht war blaß und schmal. Sie hatt
fein Eintreten nicht bemerkt, und er b
obachtete sie schweigend. Er war mit dem
festen Vorsatz hergekommen, ihr all einer
völlig Fremden entgegenzututev; wa
heute geschehe sollte, war ja nur ine
Formalität, innerlich waren sie längst ge
schieden. Aber al er sie jetzt wiedersah,
so wiedersah, mit den Spuren tiefen
Schmerze auf dem schönen Antlitz, ver,
mochte er nicht an sich zu halten. Sollte
er zu all' den Bitterketen, die er ihr an
gethan, unbewußt, aber durfte er sich'
verhehlen? auch bewußt, sollt er ihr
ine neue Kränkung zufügen? Er näherte
sich ihr und sprach sie grüßend an. AI
sie feine Stimme hörte, erschrak sie hef
kig. Mit großen, angstvollen Augen sah
sie zu ihm auf.
.Wie geht e Dir, Anna?" fragt er.
.Du flehst leidend au. Um wen trauerst
Du?'
.Unser Kind ist gestorben, Friedrich.
Er taumelt zurück.
.Todt!' rief er.
Daraus warb e ganz still. De Kopf
zur Erde gebeugt, al wäre er von einem
Schlag getroffen worden, stand r da ;
di Hände hielt er vor die Brust gepreßt.
In thm schrie eS: Deine Schuld! Deine
Schuld!
Da fühlt r feinen Arm berührt. Sie
stand vor ihm, da Gesicht von Thräne
überschwemmt.
.Friedrich!' schluchz sie. .Ich bin
Schuld an ihrem Tode. Si hat nach
Dir verlangt. Tag um Tag, sie flehte
und bat, ich sollte Dich holen, zu ihr
bringen, und als sie die schreckliche Krank
heit Übersiel, rief sie mit ihrem letzten
Hauch nach Dir. Uad ich ließ sie ver
gehen in ihrer Herzev8angft. Tödte
mich, Friedrich! Tödt mich!'....
Immer verzweifelter, immer wilder
hatte sie gesprochen. Nun brach sie zu
summen und ein krampfhaftes Weinen
erschütterte ihren Körper. Draußen
wurden Stimmen laut, und eilige Schritte
näherten sich der Thür. Schnell trat er
an sie heran, zog ihr den Schleier über
da Gesicht und hals ihr behutsam sich
aufrichten. Dann ergriff er ihren Arm
und führte sie au8 dem Zimmer und Über
zahlreiche Treppen tn'8 Freie. Er that
e ganz mechanisch, ohne sich Rechenschaft
über sei Thun abzulegen. Er dachte
nicht dran, daß man sie auf dem Gericht
vergeblich erwarten würde; er dachte nicht
daran, daß sie,, die leise jammernd an
seinem Arme hing, ach ihrer Beider
Willen nicht mehr seine Gattin war; er
hatte nur den einen Gedanken, die Per,
zweifelnd zu trösten, di Schwankende
zu stützen.
Auf der Straße rief er inen Wagen
heran und fuhr mit ihr in sein Woh
nuvz. Dort überließ er sie dem M2d
chen; denn ein Ohnmacht hatt die an
allen Gliedern Zitternde befallen, als si
die alten Räume wieder betrat, die sie
einst, unglücklich und drch nicht so ganz
glückleS wie heute, verlassen hatte.
Al er sie nach einer geraume Zelt
aufsuchte, fand er sie gefaßter als zuvor.
Er reichte ihr di Hand und sagte:
.Erzähle mir nun von unserem Kinde,
Anna! Nicht Du allein wir Beide
haben un schwer an ihm versündigt.
Laß un gemeinsam die Schuld tragen!'
Sie sah ihn eine Weile ungläubig an,
dann sank sie vor ihm auf die Kniee.
.Nein, Friedrichs rief sie. .Du
kannst mir nicht verzeihen! Du weißt
nicht, wie grausam ich gewesen bin au
Haß g'gen Dich.... Ich rief Dich
nicht zu dem Kinde, weil ich Dir seine
Liebe nicht gönnte. Du solllest nicht
glücklicher sein al ich, Du solltest elend
werden, elender noch al ich! . . . . "
.Warum hassest Du mich so, Anna?'
fragte er leise zurück. .Habe ich Dich
so tief gekränkt?'
.Ich war unselig, Friedrich. Der
Trotz hatte meine Seele verfinstert.
Mein Trotz ist gebrochen. Ich ill de
mülhig sein, wenn Du mir verzeihst.
Ich will wieder gut machen, wag ich an
Dir gefehlt habe. Nur laß mich bei
Dir bleiben, stoße mich nicht in die Ver
zweiflung hinaus, Friedrich!'
Sie hielt seine Knie umschlungen und
ihre Augen flehten um Erbarmen und
niiffliKiiml
Lieb. Da zog er si fanst zu sich m
por und sagt mit thränenerftickter
Stimme:
.Bergieb auch Dn mir, Anna!'
Der partienjSger im Vade.
Herr von Protzenplttz ergriff dikScheere
und inen Bogen Papier und schnitt den
selben in hundert Stücke; auf jeden Pa
pierfetzen schrieb er den Namen eine
Badeorte; dann legt er die Ausschnitte
in seinen Hut, schloß die Augen und schüt
teile all durcheinander. Hierauf zog
er inen Zettel aus' Geradewohl heraus.
Auf demselben stand: Gleichenberg.
Gleichenberg l Auch nicht Übel! Unter
de dortigen Badegaginnen wird (8 doch
nicht schwer fallen, eine Partie zu finde.
Auf nach Gleichenberg!
Er schnürte sein Ränzel, was nicht viel
Mühe verursachte, denn seine Garderobe
war gering da meiste befand sich im
Leihhause, dessen Habitu Herr von
Protzenplitz war.
Trotz alledem unterließ eS der dankn
haft gekleidete Edelmann von echtem
blauen Blute nicht, sich auf der Prome
ade, im Kurhause, im Tanzsaal,, kurz
überall zu zeigen, wo 8 nur Damen
giebt, und unleugbar siel so mancher
Frauenblick auf die Gestalt unser? hei,
rathSlustigen Stutzers.
Unter allen Partien be Bade gefiel,
nach längerem eifrigen Suchen und Stu
dium, ihm ganz besonder die in, welche
sich durch viele Vorzüge auszeichnete:
Di sehr reiche Mitgift wurde in baarem
Gelde ausgezahlt, ine Schwiegermutter
gab nicht und Überdies war die betref
fende Dam brustkrank, so daß in Theil
der Aerzte ihr da Heirathea verboten
hatte.
Nach längerem Bemühen gelang 8
ihm, sich dem bewußten Fräulein zu nä
Hern, und allmählich verkehrte . er fast
täglich im Hause deS Fräulein Maloine
von Keller.
Allerdings würd eS ihm beim Anblick
MalvinenS ärgst und bange. Sie war
nichts weniger als schön und ihr Lebens
mai war bereits abgeblüht. Nur der
Gedanke an di reiche Mitgift hielt ihn
aufrecht.
Auch tröstete ihn die Hoffnung, baß sie
doch bald da Zeitliche segnen werde
Der Mangel an Vorzügen MalvinenS
siel um so mehr in die Augen, al sie
stet von einem bildhübschen jungen MSd,
chen, Fräulein Martha von Keller, be
gleitet war.
O wi ist doch da Schicksal so ung
recht ! Diese herrliche Geschöpf hat nun
die Vorsehung mit allen Reizen auSge
stattet, sie ist anmuthig und liebreizend
und befindet sich in der Knospenblüthe
ihrer Jugend, aber sie ist arm I Wäh
rend die andere über eine halbe Million
Gulden verfügt!
Da End vom Liede war, daß sich
Herr ron Protzenplitz mit Maloine er
lobt. Der Verlobung folgte bald di
Hochzeit.
FrSulkin Martha von Keller gehört zu
den Brautjungfern. Beim Hochzeit
mahle faß sie dem jungen Paare gegen
über und bemerkte, wie Herr von Protzen
plitz sie oft anblickte und dabei seufzte.
.Ich rrathe Ihre Gedanken,' flüsterte
fte thm leise zu.
.Ei, Fräulein Koustne, und di
wär?'
.E ist zu drollig!' Und dabei lachte
fit spöttisch.
.Ich merke schon, wa Sie sagen
wollen. Sie meine, ich habe Malvine
nur deS Geldes wegen gehetrathet.
.O nein!'
.Aber Ihr Auge besagt e.'
.Nun, haben Sie schon mit dem On
kel, dem Vater MalvinenS, gesprochen?
.Welche Frage! Ich werde doch mit
meinem Schwiegervater ge'prechen
haben!'
Hier wurden sie unterbrochen und di
Unterhaltung hörte auf.
AI Herr von Protzerxlitz mit feiner
jungen grau sich aus die Hochzeitsreise
anschickte, wunderte er sich sehr, daß sein
Schwiegervater ihm keine Reisespesen in
di Hand drückte, noch mehr aber wun
derte er sich, als er nach Haus zurück
kehrend, all skine Gläubiger bei sich ver
sarrmelt sah, ohne daß der Herr Schmie
gerpapa Miene macht von der retchen
Mitgift MalvinenS ihm auch nur einen
Pfennig zu verabfolgen. Er konnte nicht
umhin, dem Allen gelinde Borürfe zu
machen.
.Ja, ich bedaure Dich, lieber Schau
gersohn! Wie eS scheint, haft Du ge,
glaubt, Ich sei reich und könnte meiner
Tochter eine griße Mitgift in die Ehe
geben'
.Oh, an so etwas Haie ich nie gedacht.
Meine Lie! ist rein und selbstlos!'
.Darüber freue ich mich sehr, sonst
wär ja da Mißverftändniß überaus
peinlich. Meine liebe Maloine war be,
reit wiederholt derartigen MißverftSnd
vissen ausgesetzt.'
.Wieso?' frug mit beängstigender
Ahnung ter Gatte.
.Sie Sache ist sehr einfach, lieber!
Schwiegersohn. Schon so manche Pir
tierjäger haben sich meiner Tochter in der
y
No. r0.
Voraussetzung genähert, daß st ine
große Mitgift hab. Durch di eh,
lichkeit der Namen ist ja ein Mißver
stävdniß leicht erklärlich.'
.Wieso? Wieso?' stottert ter liebende
Gatte.
.Ja, durch di NamenSähnlichkeit.
Ich heiß Mathia von Keller .und
meine Tochter Maloine. Ich armer
Teufel lebe nur von meiner Pension al
Kastellan. Mein Bruder jedoch, Mar
von eller. ist ein Millionär. Seine
Tochter Martha ist die steinreiche
Partie."
Herr von Protzenplitz stand sprachig
da er war vernichtet!
Dabei blühte Maloine vo Tag zu
Tag immer mehr auf, sie wurde von
ihrer Brustkrankheit vollständig geheilt
ohn freilich dadurch a Schönheit
irgendwie zu gewinnen !
Ziomanöoss.
E war im Juni de Jahre 1841,
als eine englische Familie, Mr. Dubb
nebst Frau und Tochter Jdilia, den Rhein
bereisten und auch an die AuSmündung
der Lahn gelangten, wo die romantischen
Burgen Lahvftein und Lahneck in' Thal
herabschauen. Die herrliche Gegend ver,
avlaßte die Engländer, hier einige Zeit
zu verweilen, zumal di Tochter, welche
eine bedkutevdk Fertigkeit im Zeichnen
besaß, ine Reihe landschaftlicher Skizzen
aufzunehmen gedachte. Zu diesem Zwecke
unternahm Jdilia öfter allein mit ihrem
Skizzenbuch klein Ausflüge in die male
risch Umgkbung, aber eine Tage kehrte
sie nicht zurück. Die Nacht brach herein
und von dem jungen Mädchen war noch
immer nicht zu bemerken, die besorgten
Eltern machten sich aus den Weg, die
Vermißt zu suchen, in der Meinung,
dieselbe habe sich verirrt, umsonst,
kein Spur war von ihr zu entdecken.
Die Landleut der Umgegend wurden
aufgeboten und von dem Vater eine große
Belohnung für das Wiederfinden des
Mädchen ausgesetzt, Alle vergeben, sie
war und blieb verschwunden. ES blieb
nur die einzige Annahme übrig, daß di
Verschollene im Strom verunglückt und
ihr Leichnam von den Welle abwärts
getragen fei könnte. Nach einigen Wo
chen reifte Mr. Dubb mit seiner Gattin
endlich tief bekümmert ab; die erträumte
Vergnügungsreise war zu einer erschüt
terndeu Trauerfahrt geworden, denn auch
alle Aufrufe und Bekanntmachungen in
den öffentlichen Blättern blieben ohne
jeden Erfolg.
Jahr vergingen, und da traurig
Borkommniß war fast vergessen, das
räthfelhaft Verschwinden der jungen
Engländerin aber noch immer unaufge
klärt. Da macht sich di Abtrügung
eineS äußerst baufällig gewordenen Thür
meS der Ruin Lahneck nothwendig, und
als man auf Leiter und Gerüste die
Zinne des Thurmes erstiegen hatte, fand
man oben das Skelett der Vermißten.
Die Zeichenmappe, Uhr, Geld, Schmuck
fachen und Reste von Kleidungsstücken
ließen keinen Zweifel darüber, daß man
8 hier mit der so lange vergeblich Ge
suchten zu thun halte, und die letzten
Blätter ihrer Mappe enthielten ein
schauerliches Tagebuch über ihr grauen,
volles Ende.
Das kühne Mädchen hatt um der
prachtvollen AuSstcht willen auf der halb
verfaulten Holzfttege die Spitz de
Thurme erklommen, die Treppe aber
war hinter ihr zusammengebrochen, und
der Rückweg auf diese Weise obgeschnit
ten. Vergeben hatte sie sich heiser ge,
schrien., vergeben mit Tüchern den vor
überfahrenden Rheindampsern zugewinkt
Niemand hatte sie bemerkt. ,E ist
Alle umsonst, ich muß hier elend zu
Grund gehe,' lauteten die letzten mit
zitternder Hand geschriebenen Worte de
Tagebuchs, .möge der liebe Gott meine
armen Eltern trösten! O wi ist der
Hungertod doch schrecklich!'
Auf dem Friedhose unten Im Thal
kennzeichnet in Denkstein die Grabstätte
des unglücklichen jungen Mädchen, deren
trauriges Schicksal eine so unerwartete
Aufklärung gefunden hatte.
?i angenehmste Irage.
Man schreibt un8 aus Baris : Vor
einigen Tagen wurde die bekannte Schau
spielen des Gymnasetheater, Mlle.
DekclauzaS, als Zeugin in einem
gegen ihren Schwager eingeleiteten Pro,
zesse wegen Bigami vernommen. Der
Vorsitzende richtete die gebräuchlichen
Fragen nach Namen. Stellung und Alter
an die Dame. Bei der letzteren machte
dieselbe in bitterböse Geftcht. Der
Präsident wiederholte streng: .Ihr Alter,
mein Fräulein?' Mlle. DekclauzaS er
widerte: .Mein Alter, Herr Präsident,
mein Alter? Aber da Alter einer Dame
theilt man der Oeffentlichkeit nicht mit,
besonder trenn diese Dame dem Theater
angehört." Schließlich, indem tt di.
Stimme etwa dämpfte, sügte sie hinzu:
Nun wohl, ich hade fiebenund zig
Jahre." Hiernach macht sie ruhig ihre
Aussage, die übrigen sür den Prozeß
von keiner Wichtigkeit war. Dieser
Zwischensall erinnert an die sehr humo.
ristische, aber nicht galant Art r.d
Weise, wie ein tozwljchen ersten denn
Vorsitzender einer Kammer de hiesig
Zuchkxelizeigerichte di weibliche Zen
Jen zu verhören pflegte. Wenn e?
)am vor die Schranken trat, um au
zusagen, beeilt sich der Präsident fit
iuerft nach ihrem Alter zu frage. Roch
em er di Antwort hierauf erhallen,
fügt er lächelnd hinzu: Jetzt mein
Dame, schwöre Si di Wahihert zu
spreche. Wi heiße Sie? Welche ist
Ihr Beruf? Nur überaus selten b
merkte die Zeuginnen dieses uogalavl
.J'ht'.
AtxrZrlgwing i grii.
Der berühmte P.chsee bei La 8m es
Trinidad athält aller Wahrscheinlichkeit
nach di bedeutendste ASxhaltablagerung
der Welt. Sie liegt im Kratn eine
alte Schlammvulkan, bedeckt in
Fläch von über 100 Acre und ist
einigen durch Bohrung erschlossenen
Stelle über 60 rn mächtig. Mit Au,
ahme vo zwei Stellen, wo noch ständig
weiche Erdpech begleitet vo Schwefel
wesserftoffga aufwellt, kann man aus
der Oberfläche de Pechs umhergehen.
Dieselbe senkt sich aber, wen viel
xhalt gesördert wird. Der Erport von
ASphalt au dem Pechsee hat sich vo
000 Ton im Jahr 1870 auf 100,
000 Tonnen im Jahr 1893 gehoben.
Die Regierung nhölt al Regel 6 Echit,
livg 8 Penc für die Tonne, mehr denn
hinreichend, um die Zinsen der Staat
schuld der Kolonie Trinidad zu decken.
Hauptsächlich wird Trtnidad'Alphalt zur
östraßendeseftigung, und zwar dlihn
nur in Amerika benutzt. In Europa
kommt bi jetzt zumeist der natürlich mit
Asphalt imprSgntrt Kalkstein, der g
wohnlich unter 10 Proz. Bitumen evt
hält, wi er in Sevssel in Frankreich, in
Bai de Traoer bet Neuchätel, in Sici.
lie und Ltmmer in Deutschland gewon
nen wird, für Straßenbau iu Betracht.
Was i Käse verzehr Kann.
Ein schlesischer Jagdinhaber hat seit
etwa Jahresfrist einen Hafen, der durch
Zufall in Gefangenschaft gerieth, in
seinem Gehost. Freund Lampe hat da
durch zu einer interessanten Statistik zu
verlässige Material gegeben. Der Ge
sangen verzehrt taglich 9 Kilogramm
Heu, 750 Gramm Runkelrübe und eine
glasche Milch. 1000 Stück Hasen wür.
den demnach innerhalb in Jahr taa
100 Wagenladungen Futterstoff beon
spruchen, die einen Werth vo uvgesShr
50,000 M. repräsentiren. Auch eine
Illustration zu dem Kapitel .Wildscha
den'!
Deutlich.
Alexander Girardi, der bekannte Wi,
er Komiker, war einmal bei einem der
ersten Kleiderkünftler Wiens zu Mittag
ingeladen und nach Tisch setzte man sich
och zu ein kleinen Spielchen nieder.
Vielleicht um seinen Gast zu ehren,
summte der Hausherr beständig die Me
lobte in Eouplet vor sich hl, da
Girardi allabendlich zu singen haltte.
Der Künstler hört sich den igenartigen
Kunstgenuß eine Weil an, dann ab
brach r in bi Wort au: .I bitt schön.
Freunder!, hör' auf; i näh' Dir ja a ir
vor, wann ich mit Dir spiel'!'
Besonderer Fall.
Fritz: .Vater, dr Lehrer hat gesagt,
man dürfe nicht lügen!'
Vater (Förster): ,Na weißt Du. da
brauchst D u nicht so wörtlich zu nehmen
Du wirft ja doch auch 'mal Förster!'
Größte Sicherheit.
Kassier (zu seinem Freunde): ...Da
Geld hätte ich! Aber wohin, um nicht er
wischt zu werden?'
Freund: .Natürlich auf di nu Se
cuvdärbahn; auf einer S c u n
däriahn sucht heutzutage Niemand
einen flüchtigen Kasstrerl'
Vorstellung.
Eomponifi: .Mein Nam ift Meier.
Ich componirel'
Lieutenant: .Mein Nam ift Schulz.
Ich impouir!'
Boshaft.
Wirth (Morgen zum Fremden):
.Meine Betten find gut, nicht wahr?'
.Hm, wenigsten gut bevölkert!'
Ein findiger Aopf.
Polizei'CommissSr: .Ich habe gehö.t,
Hkrr Dector, daß Ihnen gestern we 6t.
garrendose gestohlen worden sein soll!'
Docwr: .Nein. Glücklicher Weise ift
e nicht wahr!'
Polizei, Kommissär: .Schade-icb bin
dem Thäter schon auf der Spur gerne
sen I
Bedenklich.
Braut: Wirft Du mir aber auch
wirklich Alle an den Augen ablesen, j e
dn Wunsch?'
Er: .Ach Duhaftso großeAu.
ge nl'
Variante.
Dam (im Ballsaal): ,Ooh.
Sie
haben mich aus den Fuß getreten!'
Herr: .Bedaure, Gnädige aber ins,
einem Gedränge muß mau schon ein Hüh,
verauge zudrücken!'
ö) die Frauen!
Arzt: .Ich rathe Ihnen, gnädige Frau,
einiae Bäder iu nihmm mr
t o ... vi
Luft zu gehen und sich leichter zu kleide!'
(Zu Hause.)
Mann: .Nun. wa bat dn- sww
gtsagt?'
Frau: Ich muß in ein Bed, dann, inen
Luftkurort aufsuchen und mir sofort neu,
leichte Kleider anschaffen!'