Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, March 21, 1895, Image 9

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    Unschuldiz rerurtheilt.
Wo Gras S. . loltioi.
Ja der -Statt Wladimir Mit in ja.
px Äauftrar.n Ramm fitßonoai. Ec
befaß Dmti jtaufUbtn und (in Hiu
Boa Aks,hen war r blond, geleckt und
hübsch, dabei s'hr lustig und ctn Freuub
vo Lredern. Ja jungen Iahten halt
er viel getrunken und, wenn er angeiran
ken wr, Händel gesucht Seit er jedoch
in Weib gtnomm.n, kam ci nur noch
selten bet ihm vor.
Einst fuhr Akhonow im Sommer zum
Jahrmarkt nach Nischnt. IS er von den
Eetnigzn Abschied nahm, sagte seine Frau
zu ihm:
.Iwan Dmitrievitsch, faire diekmol
nicht ! Ich tiLumte, toß Du aii der
Stadt kamst, und U Du die Mühe ab;
nahmst, was sah ich? fein Kepf war
ganz grau geworden.
Akgonom lacht. ,tzi, da bedeutet
ein gut Geschäft, sag, er. .Wenn
ich viel vrdlene, dann blirg' ich JT tr
kostbare Geschenke mit Mit dichn
Worten schied er von den Seinlen und
fuhr davon.
Aus der Halst de, Wege traf er mit
einem ihm besonnten Kaufmann zusam
men, und er blieb mit ihm für die Nacht
in demselben Gasthof. Sie tranken ge
meinschastlich Thee und legten sich in
zwei nebeneinander liegenden Zimmern
zur Rhe. Akßonom erwachte mitten in
der Nacht, weckte feinen Fuhrmann und
befahl ihm, anzuspannen, da e sich in
der Morgenkühl angenehmer fahren
ließe. Alsdann begab er sich in die
SchZnkstube, bezahlte feine Zeche und
fuhr dass.
Nachdem er vierzig Werft zurückgelegt
hatte, recht er wiederum vor einer Her
berge Halt, um diePserde zu füttern und
in dem kühlen Hausflur etwas auSzu
ruhen. Gegen Mittag trat er auf die
Freitrepp hinaus und ließ sich den Sa
mowar aufstellen; dann holte er feine
Guitarre und begann zu spielen. Ptltz
lich kommt eine Iroika mit Schellevge
IZut vorgefahren, und aus dem Wagen
kommt ein Beamter mit zwei Soldaten.
Er tritt auf Akßonow zu und fragt ihn,
wer r fei und woher er käme. Äkßonow
erzLhlte ihm Alles der Wahrheit gemüß
und bittet ihn, ein GlaS THe mit ihm zu
trinken. Der Beamte aber bedringt ihn
mit neuen Fragen: wo er die letzt Nacht
zugebracht hätte, ob er allein oder mit
einem Kaufmann zusammen gewesen sei,
ob er den Kaufmann am Morgen gesehen
hab und eZhalb er den Gafthof so zet
ttg verlassen.
.Wesjhalb fragen Sie mich denn so
aus?" erwiderte Akgonow. .Ich bin
doch kein Dieb oder NLuber. Ich fahre
in meinen Gefchäfien.
Da ries der Beamte die Soldaten und
sagt: .Ich bin der JZpramnik und frage
Dich desyalb, weil der Kaufmann, mit
welchem Du in voriger Nacht übernachtet
hast, ermordet worden ist. Zeig' Deine
Sachen vor, und Ihr da reotdirt ihn!
Sie gingen inti Stub, nahmen sei
nen Koffer und seinen Reisesack und be
gannen, Alles zu durchsuchen. Plötzlich
zog der Jspramnik aus dem Sacke in
Messer und rief rniJ:
.Wem gehört diese Messer?
Äkßono blickte hin und sah: in blu
tigeS Messer hatten sie au seinem Reise,
sack gezogen, und er fuhr zusammen.
,Uad woher rührt da? Blut an dem
Meffer?'
Akßonos wollte antworten, doch ver
mochte er kein Wort hervorzubringen.
.Ich ich weiß nicht.... ich....
da Messer.... ich.... gehört nicht
mir...."
Da sagte der JSprawnik:
.3lrn Morgen hat man den Kaufmann
mit durchschnittener Kehle in feinem Bette
gefunden. Außer Dir kann eS Niemand
gethan haben. Da Zimmer war von
innen verschlossen, und in demselben war
Niemand außer Dir. DaS blutige Mef.
ser da ist in Deinem Reisesack gefunden
uordkn, und auch in Deinem Gesichte
ist' zu sehen. Sag', wie haft Du ihn
ermordet, und wieoiel Geld haft Du ihm
geraubt?
Akßono betheuerte hoch und heilig,
daß nicht er e gethan habe, daß er den
Kaufmann nicht mehr gesehen habe, feit
sie zusammen Thee getrunken, d.rß er nur
achttausend Rubel eigenen Geldes bei sich
führe, und daß da Messer nicht ihm ge.
HSre. Aker r stockte in seiner Rede,
fein Gesicht war blaß, und er zitterte vor
Angst wie ein Schuldiger.
Der J?prnik rief die Soldaten und
gab ihnen den Befehl, Akßonom zu bin,
den und in die Telega zu bringen. Als
man ihn mit gefesselten Füßen in die Te.
lega gewvrfen hatte, schlug er ein Kreuz
und begann zu weinen. Man nahm ihm
feine Sachen und fein Geld ab und
brachte ihn in die nächste Stadt in Ge
fängniß. Man fragte in Wladimir nach,
was für ein Mensch Akßonow gewesen,
und alle Kaufleute und Einwohner von
Wladimir sagten au, daß Akßonow von
jung auf getrunken und Händel gesucht
habe, daß r aber sonst ein guter Mensch
gewesen. Darauf wurde er des Morde
angeklügt.
Akßonow' Frau härmt sich um ihren
Gatten. Ei begab sich mit ihren Kia.
der in di Stadt, in welcher ihr Mann
gefangen gehalten wurde. Anfang
wollte man sie nicht vorlassen, dann aber
rührte sie den Vo:ft,nd de Gesöügnissk
durch ihre Bitten, und man führte sie zu
ihrem Manne. Als sie ihn in der Ker
kerkleidung. in Ketten und in der Gesell
schaft von Räubern sah, stürzt sie ohn
mächtig zu Boden und konnte lange nicht
zu sich kommen. Dann stellte sie ihve
Kinder ring umher aus, seh! sich neben
ihn. begann ihm von hZuslichen Angtle
tüheitkn zu berichten und ihn n?ch Hern
auufta,';'.,, wcs mit ihm geschchen. Er
rzählte ihr Alles und schloß damit: ,C
Der Soiratagsgaft
Jahrgang 15. Beilage zum Nebraska Ztaats-Anzelger. No. 44.
ist nicht möglich, daß in Unschuldiger ge
straft erde.
S: fuhr ihm mit den Fingern durch
die Haare und sagte:
.Wanza, v.eia Hener.kfreund, Deiner
Frau kannst Du du Wahrheit sagen: bist
Du ti wiiklich nicht gewesen?
Asßonom sagte:
.Auch Du kannst da von mir denken?'
Und indem er sein Augen mit der
Hand bedeckte, begann r zu weinen.
Darauf kam ein Soldat und sagte, duß
d grau und die Kinder fortgehen soll
ten. Da nahm Akjjonom von den Stints
gen Abschied.
Al er sich dessen erinnerte, daß auch
sie ihn gefragt hetie, ob er den Kauf,
mlinu ermordet, da sagte er sich: .Man
steht, daß Niemand außer Gott die Wshr,
hett wissen kann, daß man nur Ihn
bitten und nur von Ihm Gnade erwarten
soll.
Und seit jener Zeit hörte Akßonom aus
zu hoffen und begnügte sich damit, zu
Gott zu beten.
Akßonow wurde zu Peitschenhieben
und zu lebenslänglicher Zwangsarbeit
oerurlheilt. Nachdem er gepeitscht vor
den und die Wunden, welche ihm die
Knut schlug, geheilt waren, wurde er
mit anderen Sträflingen nach Sibirien
gebracht.
In Sibirien lebte Akßono al Sträf.
ling f echSundzwanzig Jahre. Die Haar
auf dem Haupte wurden ihm weiß wie
Schuee, und ein langer, schmaler, grauer
Bart wuchs ihm. Seine einstige Fcöh
lich feit war hin. Sein Rücken krümmte
sich, er schlich leise dahin, sprach wenig,
lachte niemals und betete oft zu Gott.
Im Gefängniß lernt er Stiefel nähen.
Für da Geld, welche er damit verdient,
taufte er sich das .Legeiidenduch von den
heiligen Märtyrern' und las darin, wenn
Licht war; an Feiertagen aber ging er in
die Gefängnißklrche, las di poftelge.
schichte und saug auf dem Chor, denn
seine Stimm war noch immer gut. Dit
Vorgesetzten liebten Akßonom um seiner
Demuth willen, und di Kerkergenossen
achteten ihn und nannten ihn .Groß
Väterchen' und .Mann Gottes. Wenn
sie in Bitt vorzutragen hatten, so ent
sandten sie jedesmal Akßonom, daß er
dieselbe bet den Vorgesetzten, vorbringe,
und wenn zwischen den Gefangenen Slrei
tigkeitea entstanden, so kamen sie immer
zu Akßono, daß er ihren Zwist ent,
scheide.
Von Haus erhielt er keine Nachricht,
und er wußte nicht, ob seine Frau und
seine Kinder noch lebten.
Eine Tage wurden neue Sträflinge
iu'2 Gefängniß gebracht. Am Abend
versammelten sich all alten Gefangenen
um die neuen Gefährten und begannen
sie auszufragen, aaS welcher Stadt oder
au welchem Dorfe ein jeder wäre und
wofür r verurteilt wordkn. Auch
Akßonos hatt sich aus seine Pritsche
niedergesetzt und hörte zu, wa erzählt
wurde, Einer von den neuen Striflin
gen war ein hoher, alter, kräftiger Mann
von sechzig Jahren mit grauem, kurzge
schorenem Barte. Er erzählte, wofür er
bestraft worden. Er sagte:
.Um nicht und wieder nichts, Ihr
Brüder, bin ich hierher gekommen.
Eimm Fuhrmann hatte ich das Pferd
vom Schlitten losgebunden. Sie faßten
mich dabei ab und sagten: .Du hast ge
stöhlen. Ich aber sagte: .Ich wollte
nur schneller vorwärts kommen und das
Pferd dann laufen lassen. Auch ist der
Fuhrmann mein Freund. Stimmt das
nicht? sagt' ich. .Nein, sagten sie,
.Du heft gestohlen Wo ich aber
wirklich gestohlen, daö wissen sie nicht.
Längst hätten sie mich hierher schicken
müssen, doch konnten sie mich nicht über
führen, und nun schicken sie mich unschul,
big hierher.
.Und auS welcher Gegend bist Du
denn? fragte ihn iner der Gefangenen.
.Au der Stadt Wladimir sin wir,
Böiger diese OrteS. und Makar heißen
wir mit Namen, und mit Vatersnamen
Semjonom.
Akßovow hob den Kopf und fragte:
.Und haft Du nicht, Semjonom, in
der Stadt Wladimir von den Akßovows,
den Kaufleuten, gehört? Sind sie noch am
Liben?"
.Freilich habe ich von ihnen gehört,
reiche Kaufleute sind eS, schade nur, daß
ihr Vater tn Sibirkn fitzt. Muß wohl
in Sünder fein, wie wir Andern. Und
Du selbst Großväterchen, weßhalb büßest
Du hier?"
Akßonom liebte eS nicht, von feinem
Unglück zu sprechen, er seufzte nur und
sagte:
.Um miiner Sünden willen bin ich
hier."
Markar Semjonomitsch sagt:
.Und was für Sünden warn den
tss?"
Akßonom sagte, r woll nicht weiter
sprechen. Aber die übrigen Gefangenen
erzählten dem Ankömmling, wie Akßonom
nach Sibirien gekommen.
Al Makar Semjonomitsch dieS hörte,
blickte er auf Akßonom, schlug sich mit
den Händen auf die Kniee und sagte:
Wunder über Wunder I Bist recht
clt gehörten, Großväterchen."
Man fragte ihn, w:ßhalb er sich so
wundere, und ms er Akßono gesehen;
aber Makar Semjon?witsch antwortete
nicht, sondern sigte nur:
.Ein Wunder, Kinder, ein Wunder,
wie man sich iedersehen muß !"
Diese Worte tünchten Akßonow auf
den Gedanken, ob der Sträflmg nicht
vielleicht wüßte, wer d:n Kaufmann er
schlaqen.
.Vielleicht b.sl Du gehört, wer den
Kaufmann erschlagen? fragte Akßonom,
Makar Semjanom lachte und sagte:
.Ei, der hat ihn doch wohl erschlagen,
bei dem man da? Messer im Sacke gefun
den hat. Wenn Dir aber jemand da
Messer zugesteckt hat und nicht gefangen
wurde, so ist er doch kein Dieb. Und
wie hätte er Dir denn da Messer in den
Sack stecken sollen? Lag doch der Sack
neben Deinem Kopse, Du hättest ihn
sicherlich hören müssen."
Kaum halte Akßonom diese Worte ge
hört, al er aus den Gedanken kam, daß
dieser Mensch den Kaufmann selbst er
schlagen habe. Er stand aus und ent
fernte sich. Die ganz Nacht hindurch
konnte r nicht schlafen. E ward ihm
gar traurig um Herz, und die Bilder
einer vergangenen Zeit traten ihm vor
die Seele. Er sah seine grau, so wie sie
damals war, al sie ihn bei der letzten
Reise zum Jahrmarkt da Geleit gab.
Dann sah er fein Kinder, so wie sie da
mal gewesen klein, da eine im Pelz,
chen, da ander an der Brust der Mut
ter. Auch sein eigenes Bild aus jener
Zeit sah r, da er noch jung war und
luftig. Auch des Richtsatzes gedachte er,
wo er gepeitscht worden, und de Henkers
und des Volkes ringsum und der Ketten
und Fessel und deS ganzen sechSund
zwanzigjährigen KerkerlebevS und seiner
alten Jahre. Und so bang und trübe
wurde ihm umS Herz, daß r wohl am
liebste Hand an sich gelegt hätt.
.Und an Allem ist der Bösemicht
schuld! dachte Akßonom.
Und er fühlte einen solchen Haß gegen
Makar Semjonom, daß er sich an ihm
zu rächen wünschte, und ginge er selbst
dabei zu Grunde. Die ganze Nacht
betet er, doch war er nicht im Stand,
sich zu beruhigen. Am Tage vermied er
Makar Scmjonow und hielt ihn auch
nicht eines Blicke werth.
So vergingen zwei Wochen. In der
Nacht konnte Akßonom nicht schlafen,
und solche Traurigkeit befnl ihn, daß er
nicht wußte, wa er beginnen sollte.
Einstmals ging er zur Nachtzeit iv den
Gefängnißfaal und sah, daß unter iner
der Pritschen Erd heroorgeworfen wurde.
Er blieb stehen und blickte genauer hin.
Plötzlich sprang Makar Semjonom unter
der Pritsche hervor und blickte mit er
schrockenem Gesichte auf Akßonow. Die.
fr wollt vorübergehen, um Mal nicht
zusehen, aber Makar nahm ihn beider
Hand und theilt ihm mit, daß r inen
Durchgang unter der Mauer gegraben
habe, und daß er die auSgegrabene Erde
täglich tn den Stiefelschasten heraus
trage, wenn sie zur Arbeit geführt wer
den.
.Schweige nur, Alter, sagte r, .ich
werde auch Dich hinausführen. Wenn
Du es verräthst, wird man mich halb zu
Tode peitsche; aber auch Du sollst dann
nicht freigehen ich erschlag' Dich.
Als Akgonom feinen Widersacher vor
sich stehen sah, konnte er sich vor Zorn
nicht halten, sondern streckte die Hand
aus und sagte:
.Ich mag nicht heraus, und todt
schlagen brauchst Du mich nicht mehr,
denn Du haft mich schon längst todtge,
schlager. Ob ich Dich arze g oter nicht,
daS wird mir Gott in' Herz lzn.
AIS am folgenden Tag die Sträf
linge zur Arbeit geführt wurden, bemerk,
ten die Soldaten, daß von einem der
Gefangenen Erde ausgeschüttet worden
war. Sie begannen nun, im Gesänge
viß nachzuforschen, und entdeckten die
ausgegradene Oeffnung. Der Inspektor
kam in' Gefängniß und begann räch
dem Schuldigen zu fraee, doch sagten
Alle, daß sie unschuldig wären. Die
jenize, welche um die Sache wnßken,
verriethen Makar nicht. Da wandte sich
der Inspektor an Akßonow.
.Du sprichst die Wahrheit, Alter
sage Du mir vor Gott, er eS gethan
hal.
Makar Semjonom stand da. als ob
nichts geschehen wäre, und blickte den
Inspektor an, Akßonom aber wagte er
nicht anzuschauen. Diesem bebten die
Hände und Lippen, und er konnte lange
Zeit kein Wort hervorbringen. Erdachte:
.Soll ich ihn verbergen helfen, da er
mich doch in' Verderben gestürzt hat?
Mag er büßen für das, was ich gelitten.
Aber wird mir darum leichter werden
um's Herz? und er blickte auf Makar
Semjonom und sagte:
Ich habe nicht gesehen und weiß
nicht.
So blieb e verborgen, wer di Oess
nung gegraben.
In der folgenden Nacht, al Akßonom
auf skir.er Pri-sch lag und ebm halb
einzeschlurnvrert war, hört er, wie
Jemand herbeikam und 'sich zu feinen
Füßen niedersetzte. Er schaut hin und
erblickte im Haibdunkel Makar. Akßonom
sagte:
,Wa willst Du? Geh' fort, sonst ruf
ich den Soldaten."
Makar Semjonom beugte sich nahe zu
Akßonom heran und flüstert:
.Iwan Dmitriewilfch. verzeihe mir l"
Akßonom sagte: Wa soll ich Dir
verzeihen?"
.Ich habe den Kaufmann erschlagen,
ich hab Dir auch da Messer zugesteckt.
Ich wollte auch Dich erschlagen, doch
hörte ich Lärm im Hose; so steckte ich da
Messer in Deinen Sack und kroch durch
da Fenster hinaus."
Akßonom schwieg und wußt nicht, val
er sag? sollte. Makar Semjonom glitt
von der Pritsche hinab, kniete nieder und
sagte:
.Ivan Dmitriemiisch, verzeihe mir,
verzeih um GottkSwillen I Ich werd
anzeigen, daß ich den Kaufmenn rschla
gen habe man wird Dich freilassen.
Du wirft nach Hause zurückkehren !"
Akßonom sagte: Du haft leicht reden,
wa aber mußte ich erdulden! Wohin
werde Ich jetzt gehen?. ... Meine Frau
ist qeftorben, die Kinder haben mich ver
zessin; wohin soll ich mich wenden? . . . . "
Makar Semjonom stand nicht auf, son
dern schlug sein Haupt gegen den Boden
und sagte:
,,Jvan Dmitriemiisch, verzeihe! Wenn
sie mich gepeitscht hätten, e wäre mir
leichter gewesen, al jetzt auf Dich zu
schauen. Du konntest noch Mitleid mit
mir habe, haft mich nicht angezeigt.
Verzeihe mir, dem Verfluchten, dem
Bösewicht!" Und er begann zu weinen.
Als Akßonom da hörte, begann er
selbst zu weinen und sagte:
Gott mird Dir verzeihen, vielleicht
bin ich schlechter als Du!"
Und plötzlich ward ihm leicht um
Herz! Er hatte keine Sehnsucht mehr
nach den Seinigen und wollte nicht mehr
fort au dem Gefängniß, sondern dachte
nur an sein letzte Stunde.
Makar Semjonom ober hörte nicht auf
AkßonowS Worte, sondern bekannte sich
vor den Richtern schuldig. Und als
Akßonom von ihnen freigesprochen wurde
da war er todt. j
Paragraph 285.
Eine ReisehumoreSke von OSkar Klaußmann.
Unser Freund AlovS Neumann war
von Beruf Mathematiker und Astronom.
Das war aber auch das einzige Nachthet,
lige. wa man von ihm aussagen konnt.
Sonst war r in harmloser, jugendfrie
scher, herzensguter Bursche von neunund
zwanzig Jahr, dr sich zeitlebens mehr
um die Wissenschaft als um die Praxis
deö DafeinS gekümmert hatte. Er war
von Ueberanstrengung in so hochgradige
Nervosität verfallen, daß ihm Ferien ver
ordnet wurden.
Wir Freunde stellten Neuman ein
Rundreisebillet nach Budapest und ein
paar BalkanftZdlen zusammen, und er
fuhr in einem Coupe für N ichtrau,
cher ab.
In den ersten Viertelstunden der Fahrt
war der liebe Alovs noch recht grieSgrä
mig, je weiter r aber in das Land hin
insuhr, desto mehr begann er sich für
die Waldlandfchaft, durch die der Zug
ging, und für den früh hereinbrechenden
Spälherbstadend mit feinen wunderschö
neu bunten Himmelssärbungen zu in
teresfire. AIS er endlich zum ersten
Male in Frankfurt (a. O.) mit dem
Zuge hielt, war er schon mehr Mensch
al Astronom. Allerdings ergab er sich
seinem Metier, nämlich der Stei ngucknei,
sofort wieder, al eine junge Dame mit
einem allerliebsten vielleicht sechsjährigen
Mädchen in da Coupee kam. Die
Sternguckerei aber trieb AlovS an den
Augen der Dame, die ein paar herrliche
braune Augensterne befaß, die wahr
scheinlich auch für NichtAftronomen
Interesse gehabt hätten. Die Dame
war kaum fünfundzwanzig Jahre alt und
anscheinend die schön Makler des schönen
KindeS.
DaS letztere war, wie Kinder solche
Aller, sehr lebhaft und suchte die Be.
kanntschaft deS fremden Herrn. Allmä
lig kam dann auch ein Gespräch zwischen
der Mama Lonvs und dem .fremden
Herrn tn Gang.
Lony erzählte, daß ihr Papa todt und
im Himmel sei, und die Dame bestätigte
errSihend, daß sie Wittwe sei. Sie fuhr
nach Breklau.
.Saganl Vier Minuten! riefe
die Schaffner.
.Vier Minuten l' sagte die Dame,
.dann will ich doch rasch eine Depesche
ausgeben! Bleib hier, Lonr), Mama ist
gleich wieder da.
Die Dame eilte in da Station'
gebäude, und Neuman sah ihr, nicht
ohne Sorge, nach, denn er fürchtete, die
Dame könnte die Abfahrt teS Zuges ver
passen.
Du solltest Recht behalten, Du
ahnungsvoller A!vo Da!
Der Zug fuhr ab, c)u baß die Dame
wiederkam.
Lony wußte noch qx nicht, daß sie
oorlZufta als Waise tn die Welt hinein
fuhr. Nach einer haibea Stunde fragte
sie aber nach Mama, und AlovS hztte
sofort die geistreiche Antwort zur Hand :
.Mama kommt gleich !'
Diese Redensart verfing oder nicht
mehr bei Lon. selbst nachdem sie ein
halbe Dutzend mal wiederholt worden
war. Alcrj beschloß nunmehr .inst''
ver Weisheit, in BreSlau mit dem
Kinde anzusteigen, um da Eintreffen
der Mama der nächste Zug kam zwei
Stunden später aus dem Bahnhofe zu
erwarten.
Dai Kind wurde allerdings wieder
sehr unruhig, und Neumann erzählte ihm
von allerlei märchenhaften Geschenken,
die er ihm gebe wolle und trieb allerlei
Allotria.
In BreSlau jedoch wurde Lonv sehr
ungemüthlich.. Sie weinte und schrie,
und Neumann forderte sie mit etwas
energischen Worten auf, ruhig zu fein,
denn im Wartesaal wurde man auf das
weinende Kind bereits aufmerksam. Lonv
weinte darauf still vor sich hin und er
klärte auf Fragen, sie fei so sehr müde.
Dai Kind, da gewiß gewohnt war,
sehr zeitig schlafen zu gehen, that Neu.
mann sehr leid, und schließlich hatte er
folgende geniale (?) Idee: Er wußte,
daß sich gegenüber vom Bahnhof da
große Eisenbahn'Hotel befand. Er mußte
so wie so in BreSlau übernachten, er be
schloß also, nach dem Hotel zu gehen und
sich dort ein Zimmer geben zu lassen.
Gedacht, gethan! Al er aber Lonv zu
Bett bringen wollte, siel e ihm erst ein,,
daß er von dieser Manipulation gar keine
Ahnung habe. Er hätte nicht einmal
gewußt, wie er der Kleinen die Kleider
auszuziehen habe. Er klingelte ach dem
Stubenmädchen und sagt diesem: .Brin
gen Si die Kleine zu Bett! Ich muß
noch einmal fort und komm nach elf Uhr
wieder.
Da Stubenmädchen sah ihn etwa er
staunt an, Neumann aber beachtete diese
nicht, sondern ging nach dem Bahnhose
zurück.
Auf dem Ckntralbahnhof trank Neu
mann im Warlesaal noch eine Flasche
Wein, und wartete dann ungeduldig aus
das Eintreffen der schönen Frau. End
lich fuhr der Zug ein, aber die Erwartete
brachte er nicht. Sehr mißgestimmt und
im Unklaren, was er nun thun solle,
ging Neumann ach dem Hotel.
AIS er sich vom Portier den Zimmer
schlösse! geben lassen wollte, bat ihn der
Mann, in das Büreau treten zu ollen.
Hier sah Aloy plötzlich einen Polizei,
lieutenant und einen Wachtmeister vor
sich. Auch der Hotelmirth war anwe
send.
.Mit wem habe ich die Ehre? sagte
der Polizeiossizier.
.Mein Name ist Neumann!
Der Name Neumann ist nun an und
für sich nicht Verbrecherisches, wenn
aber auf eine polizeiliche Frage Jemand
sagt, er heiße so, so ist daS, gelinde ge
sagt, verdächtig.
.Wohin reisen Sie?
Neumann zeigte fein Rundreisebillet.
.h, nach den Balkanländern. Ich
verhafte Sie!
Wenige Minuten später schritt der
sprachlose zwischen den beiden Polizei,
beamte der Wache zu.
Neumann wurde sofort einem Verhör
unterworfen.
Er war kaum im Stande, seiue Perso
naiicn anzugeben und zu fragen: ,Wek,
halb bin ich verhaftet?
.Wegen Vergehen gegen Paragraph
285 des ReichestrafgesetzbucheS.
Als AlohS darauf erklärte, baß ihm
dieser Paragraph unbekannt sei, las ihm
der Polizeilieutenant vor: .Wer eine
minderjährige Person durch List, Droh
ung oder Gewalt ihren Eltern oder ihrem
Vormunde entzieht, wird mit Gefängniß
und, wenn die Handlung in der Absicht
geschieht, die Person zum Betteln oder
zu gewinnsüchtigen oder unsittlichen
Zwecken zu gebrauchen, mit Zuchthaus
diS zu zehn Jahren bestraft.
AlS AlovS vo zehnjährigem Zucht,
hauS hörte, begann er mit den Zähnen zu
klappern.
Der Polizeibeamte erzählte nun dem
armen Neumann, wie Lonv tn ihrer Angst
vor dem fremden Manne und in ihrer
Bangigkeit nach der Mutter das Stuben
mädchen um Hilfe gebeten und dieser an
vertraut habe, der Herr sei nicht ihr
Vater, sondern habe sie ihrer Mutter
fortgenommen.
Hoiel. Stubenmädchen haben stet eine
sehr lebhafte Phantasie. Auch diese
Hotel'Maid witterte sofort einen Fall
von .Kindesraub, sie benachrichtigte den
Wirth, dieser die Polizei. Vor Allem
verdächtigte sodann da Rundreisebillet
nach den Balkanftaaten den Inhaber.
Dort ist nämlich der Ort de schändlichsten
Kinder und Mädchenhandel
AloyS Neumann erklärte, er fei un
schuldig wie ein neugeborene Kalb, er
erzählte, wie er mit dem Kinde in dem
Wagen allein geblieben sei und die Ad
ficht gehabt hdt, Lonv wieder ihrer
Muticr auszuliefern, wie diese aber nicht
angtkcmmen fei. E half ihm nicht, er
wurde abgeführt nnd hatte nun in seiner
JZilirzelle Gelegenheit an zwei braune
Augensterne zu denken.. . .
Da kommt davon, wenn men voxrak
tisch ist!....
Die Mama Lorvk hieß Frau Werner
und hatt in Eagan sich beim Telegra
phiren verspätet. Si kam aus den Per
roa, al der Zug gerate zum Abfahren
pfiff. Sie stieg aus Geralhewohl i in
Coupe zweiter Klasse, und erst all der
Schaffner ihr Billet abforderte, entdeckt
st, daß sie nicht in dem Brellauer, so
der ia dem Kotlbuser 3g sah. St
konnt nach Eagan erst um Mittercht
urück und rft am Morgen de rächst
Tage in BreSlau sein. Sie sagte sich,
der freundliche Reisegefährte werd s,
verständig sein, da Kind in Lrellau der
Station zu übergebe, telegraphirt als
an ihre Verwandten, sie sollte da Kind
au dem Stationkbureau de Central
bahnhose abholen, da sie erst Morgen
ankäme. Am nächsten Morgen kam Frau
Werner in Breölau an, fand ihr Ber
wandten aus dem Bahnhof und erfuhr die
Schreckensnachricht, deß Lon? nicht da
fei. Nun wurde die Polizei requirirt,
und nach vielem Tlerophiren und Hin
und Herfahren in BreSlau waren um
Mittag Frau Werner, Lonv und der au
dem Gefängniß, entlassene .Kinde
räuber AlovS Neumann wieder vereint.
Wir Berliner Freund Neumann
hatten acht Tag später inen mordiösnr
Doppklschreck. Alov meldet un: ersten,
daß er och nicht weiter al bi BreSlau
gekommen sei, zweiten, daß er sich mit
einer un gänzlich unbekannten Frau
Werner verlobt habe.
So sind die Astronomen!
Kein ?atossertZrt.
Bürgermeister Thoma v. Wickcd, der
im Namen seiner Vaterstadt Lübeck auch
mit den Holsteinischen Herzöge und
Grafen vielfach zu verhandeln hatte, war
ein hochbegabter Mann, ein gerechter
Stadtregent, ein ausgezeichneter Redner,
ein tüchtiger Diplomat und vor alle
Dinge kein Pantoffelheld. Als er
im Jahr 1ö0S in de Rath gewählt
wurde, hatte ma in der Hansastadt be
die Kleiderordnung eingeführt, derzufolge
den Frauen nur eine bestimmte Anzahl
Schmucksachen zu tragen erlaubt war.
Nun gehört Wickede eigene Gattin trotz
der Einfachheit und Gerechtigkeit ihr,
Eheliebsten leider zu denjenigen ihre
Geschlecht, welche den Werth ine
Weibe nach der Eleganz der Kleidung
und der Zahl feiner Brillanten zu lu
messen pflegen; und, sich damit tröstend,
daß Gesetz nur gegeben würden, vm
übertreten zu werben, behängte sich Frau
Wickede nach wie vor von oben bis unten
mit Edelmetallen und kostbaren Steinen.
Meister Thoma, dem die hoffärtige
Gebahren mißfiel, ermähnte fein Frau
mit zwar freundlichen, aber ernsten Wor,
ten zu gesetzmäßger Einfachheit, widri
genfallS rhr gelegentlich derselbe Schimpf
angethan werden könnte, wie anderen g,
ringen Weibern. Aber d! Gattin
lacht höhnisch aus und meinte stolz, den
olle sie erst kennen lernen, der dem Ehe
gemahl deS ersten Bürgermeister öffevt
lich Schanden anzuthun wagte. Indessen
sie kannt ihrn Hrrn und Gmahl
schlecht. AIS si eine Tage zur Kin
dertauf geladen war und, mit Geschmeide
belade, den Weg am Rathhaus vorüber
nehme mußte, wurde sie dort aus der
Straße öffentlich von den streng inftruir
ten Rathsdienern angehalten. Dieselbe
ließen S zwar der hohe Frau gegenüber
an ber schuldige Reverenz nicht fehlen,
wollten sich aber von der Widerstrebenden
durchaus nicht bewegen lassen, von ihrem
Vorhaben abzustehen, sondern sich mit
dem Befehl ihres obersten Bürgermeister
entschuldigend, nahmen sie dessen vor
Scham und Zorn blutrothen Gattin an
geflchlS des schnell zusammenlaufenden
PöbelS, sämmtliche Geschmeide ab tru
gen auf'S Rathhau, und die Frau Bür.
germeisterin hat nie auch nur da geringste
Stückchen daoon wiedergesehen.
teirathsRegel.
Steigt Dir die Liebe je zu Schädel:
Eh' Du Dich ewig giebst perdu,
Besuch' da engelholde Mädel
Ein Paar mal vermuthet früh.
Schasst sie am Herd bei Topf und Tiegel,
So freu' in Deinem Glücke Dich,
Doch triffst Du öfter sie vorm Spiegel,
Noch ist eS Zeit !-dann drücke Dich!
Abgeblitzt.
Sie : .Aber Karl, Du sagtest immer.
Du wolltest mir die Ehe zum Himmel
machen und jetzt weigerst Du Dich, mir
das seidene Kleid zu kaufen I'
Er: .Aber, mein Engel, im H i m
m e l kannst Du doch kein seidenes Kleid
brauchen !
Kleines Mißverständniß.
Gast (der einen Toast auf die Damen
ausbringt): ...Ja, meine Herren, di
Frau allein ist es, die ein Heim schaffen
kann!
Herr (zu feinem schwerhörigen
Nachbarn): .Nur die Frau wär' e, die
Einen heim schassen könnt'!'
Mißverstanden.
Reisender: .Also alle Betten find
voll?
Kellner: .Jawohl, morgen kriegen wir
erst wieder srtscheS Insektenpulver.
Zweifel.
Student (der, noch halb im Schlaf die
Kirchlhurmuhr schlagen hört): .Ein
zwei .... drei auch eine pri
mitive Einrichtung; jetzt weiß ich nicht.
ist'S Morgen oder Mittag.
kange Liebe.
.Ich bitte Dich, lkbe Emrnu. w!
kannst D.! nur den langen Lieutenant
lieben!'
.Ach schweig'. Heißt'S doch: ,O lkb,
c lang' Du lieben kannst'