Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, January 17, 1895, Image 9

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    3ch habe feine Zeit".
i:on Ib. 0brnr.
,?i:ie Ella!'
'tr Herr Prcsessor Erich Waiden
Halle zZillich ten Arm um seine jang
otaj gelegt und versuchte, fit an sich zu
ziehen, itt Stunden unb Minuten. In
denen er seinem lieben Weibe ein Wör!
lein sagen tonnt, da nicht für Dritte
bestimmt war, tu artn bei ihm, dem Biel
beschäftigten, so selten, und die Auge,
blicke, in denen er mit ihr allein sein
konnte, kamen nur in großen Zwischen
räumen.
Frau Ella ober schien für die Zäitlich
keil thu Gatten kein Verständniß zu
haben. Sie sah ihn nur kurz an, machte
sich dann rasch au seinem Arme Io8 und
kille zur Thür. .Ich habe keine Zkit'.
tönte ihre Stimme noch, und dann war
Erich Waiden allein.
Allein mit sich und mit den Gedanken,
die er nicht lo werden konnte. Er wais
sich mllde von den Anstrengungen Iti
heutigen Tage in seinen Gesiel und
starrte vor sich hin. .Ich habe keine
Zeit', tönte e wieder in seinem Ohr,
und er, der eben sür Alle und für Jeden,
der ihn spiechen wollt, Zeit haben mußte,
er grübelte darüber nach, wozu denn sein
Weid die kostda't Zeit verwenden mußte,
diewetlen sie niemals auch nur eine Mi.
nute sür ihn hatte.
Er konnte dem RZthsel nicht aus die
Spur kommen. Er dachte an die Tage,
da er noch al gern gesehener Hausfreund
in dem Hause ihrer Eltern verkehrt hatte,
er dachte an die Zeit, da Ella, daS lieb,
reizendste Mädchen, das er je geseh-n,
stundenlang neben ihm fitzen und mit ihm
plaudern konnte, von allen möglichen und
unmöglichen Dingen. Dann war die
glückliche Brautzeit gekommen, und wie
oft halte sie geklagt, daß er gar keine
Zeit für sie hab. Wie oft hatte er ihr
erachlt von seiner Arbeit, von den vielen
Pflichten, die er zu füllen hatte! .Ja.
wenn wir aber einmal Mann und grau
sind hatte st dann gesagt, .dann muß
daS ganz ander werden, denn dann ge
HSlst Du vor allen Dingen mir, und
immer wieder mir.- Er hatte gelächelt
über diesen liebenswürdigen weiblichen
Egoismus und sie getröstet, so gut eS
eben ging.
Dann wurden sie Mann und Frau
und e war in des That ganz anders ge
worden, Erich Waiden, nicht allein durch
seine Stellung in der Lage, sein äußeres
Leben so angenehm wie möglich zu ge
stalten, sondern auch al Vestyer eine
großen Vermögens seinem Weib jeden
Wunsch zu erfüllen, hatte sich während
der ganzen Brautzeit an dem Gedanken
erfreut, seine Ella einmal schaltend und
allend in Hau und Hos zu sehen. Sie
war daheim al Tochter eine seiner
Kollege zur Häuslichkeit und 2lib:it an
gehalten morden, sie war eine treu Stütze
ihrer fleißigen Mutter gewesen, und er
war stolz daraus, einmal nicht nur ein
reizende Weib, sondern auch eine tüchtige
Hauöfrau fein eigen nennen zu können.
Denn Erich Walden war da, was man
inen Hauöhammel nennt, behaglich war
S ihm nur daheim, und da er sich dieses
Daheim so schön und bequem als möglich
eingerichtet hatte, wer wollt eS ihm ver
übeln, wenn er sich die Zukunft seine
häuslichen Leben? so glänzend wie mög
llch dachte. Seine Ella hatte ihn lieb,
recht von Herzen lieb, da wußte er,
was mochte da zu seinem Glück fehlen.
Sie sollte ja thun und lassen dürfen,
was fl wollte, Dienerschaft bekam sie,
so viel sie brauchte, wenn sie nur ihr Auge
über Alle wachte, wenn sie nur ein
klein wenig Egoismus hatte er eben auch
für ihn und seinehüusliche Bkquemlich
keit sorgte.
War er denn unbescheiden in seinen
Wünschen, in seinen Ansprüchen an seine
junge Hausfrau gewesen?
Ach, wie oft war ihm nun, seitdem sie
Mann und Frau, die oerhängnißvolle
Antwort auf irgend eine Frage geworden:
.Ich habe keine Zeit.' Frau Ella hatte
eine Köchin, sie hatte ein Zimmermädchen,
sie hattt sogar eine Friseurin und Anfiel
derin und hatte doch immer keine Zeit
Und wenn Erich Waiden sie einmal
freundlich darüber zur Rede stellte, wenn
er meinte, da und dort zu bemerken, daß
daS Auge der Hausfrau fehle, wenn er,
der wohl ein Gelehrter aber daneben auch
. ein sehr praktischer Mensch war, den und
jenen Vorschlag machte, dann schmollte
sie entweder oder sie zahlte ihm mit einem
Eiser, der reizend war, all die Pflichten
d! auf ihr ruhten, aus, so baß er am
Ende selbst staunen mußt über die Last
von Sorgen, die auf setner Ella lag, die
ihr für das und jenes, leider gerade im
rner das, was er wünschte und vermißte,
.keine Z:it" ließen.
Konnte er ihr da verübeln, wenn er sie
bei feinem Nachhausekommen entweder
in die Lektüre irgend eine interessanten
RomanS verliest fand, und sie seinen
zärtlichen Gruß kaum beachtete, weil sie
so wenig Zeit zum Lesen hatte, oder wenn
ihm bei seiner Rückkehr vom Hörsaal ge
meldet wurde, dik Frau Professor sei zu
der und jener Freundin gefahren und
werde von da au gleich in' Theater
oder in' Konzert gehen, sie habe über
angestrengte Nerven geklagt und da Be
dürfniß g'fühlt, sich etwa zu erholen.
Erich Waiden hatte da alles stumm
mit angehört und war dann in sein Zim
mr gegangen, um dort in ernster Ge
dankenarbeit zu vergessen, baß er eine
reizende Frau besaß, die nur immer .keine
Zeit- hatte. Und wenn sie dann am
EpStabend heimkam, unb er freute sich
noch nach dcS Tage? Müh und Noth auf
ein trauliches Plauderstündchen beim
Lampenschein dann war Frau Ella
immer so müde und sehnte sich nach Ruhe.
Wie sollte daS erst werden, wenn
Aber daran wollte heute Erich Walden
nicht denken. Er wollte nur darüber nach
sinnen, was, er thun könne, um seiner
deut zurück getreten sei.
Trotz der politischen Krisis
herrscht
Der Somiiagsga,!
Jahrgang 15. Beilage zum Nebraska Ztaats-Llnzelger. No. :
Ella die Zeit zu verschaffen, die sie nicht
halte. Er sad die Lösung dieser Aus
gäbe nicht. Je IZnger er über da und
jeneS nachsann, desto mehr entdeckte if,
Casj seine Iiäume mit der Wirklichkeit so
gar nicht stimmten, daß seine kleine Frau
so manche versäumte, wa sie hälte thun
müssen, und daß da und dort mcht Alle
so war, wie e sein sollte. Aber wenn er
sie jetzt, wie es doch sein Rkcht war,
darüber zur Rede stellte, so wußte er
schon im voraus die Anlos'.t, die er er
halten wird.
Frau Ella wird ihn mit ihren großen
Augen erstaunt ansehen, sie wird th die
weiche Hand, die er gefaßt hat, entziehen
und halb unwillig, halb verwundert
fragen: .Aber lieber Erich, wa sehlt
Dir denn, worüber hast Du denn zu
klagen? Ueber die Köchin? So schicke
ich sie fort. Ueber den Diener? Dann
sehe ich nach einem andern Stört Dich
Jemand in Deiner Arbeit?'
.Ach der .Jemand', von dem er sich
hätte so gern in seiner xb-it stören
lassen, hatte eben .keine Zeit' dazu.'
Er senkt wie ein Sünder fein Haupt
und schweigt.
Und Frau Ella hält ihm sein ganze
große Unrecht vor, sie beginnt mit der
Liebe zu ihm, an die er glaubt, so gerne
glaubt, und endigt mit dem tiefsinnigen
Acksfpruch: .Ich habe keine Seit', an
dessen Wahrheit er eben nicht glauben
kann und richt glauben will.
Dann schilt er sich selbst einen Undank
baren, und mit tausend Schmeicheleien
sucht er die ZorneSfalten zu glätten, die
sich auf der Stirne feines Wetbe? zeigen.
Sie läßt sich seine Liebkosunzen eine
Weile, eine ganz kleine Weile ruhig ge
fallen, aber bann wird er mit dem ernsten
.Nun aber geh! ich habe keine Zeit l ' zur
Thüre hinausgeschoben.
Und eS bleibt Alles bkim Alten!
Erich Waiden, der Gelehrte, ist man.
chem schweren Problem auf die Spur ge
kommen, manche wissenschaftliche Fraqe,
sür die ein Anderer keine Lösung wußte,
hat r beontwortet; di Frage, wozu
seine Ella ihr Zeit verwendet, weiß sich
Erich Waiden, der Gatte, nicht zu be
antworten. Sie ist doch früh auf er
muß wenigsten glauben; sie schlum
wert noch, wenn er früh morgens nach
der Universität geht sie verwendet doch
nicht zu viel Zeit auf Toilette wenn
er nach Hause kommt, ist sie ja längst
fertig damit sie lieft nicht zu viel
wenn er si bei einem Luche trifft, hat sie
eben erst angefangen zu lesen. .. .ihre
Besuche hallen sich nicht zu lange bei ihr
aus, ihr Freundin Amalie, nie er bei
seiner Frau im eifrigen Gespräch trifft,
ist .eben erst angekommen' und will
gleich wieder gehen.... DaS sinde ein
Anderer denkt Herr Erich Waiden
und bemüht sich, seine Gedanken aus die
Arbeit zu lenken. Aber eS will nicht
gehen. Sein Kopf ist heute so müde, er
jühlt sich nicht wohl. Eine Weile thut
er sich Zwang an, dann legt er die Feder
weg. Er ist noch nie krank gewesen
sollte er eS nun werden? Wer Zollte ihn
dann pflegen feine Frau hätt ja
wahrfchklnirch .kein Zeit' dazu. Er
erhob sich mühsam und ging nach dem
Zimmer seiner Frau. Er wollte sie
nicht stören, meinte er, da er sie gerade
bet der Toilette für da, Theater fand
aber....
Ella hatte sich rasch umgesehen und ihn
halb erschrocken angeblickt. .Bist Du
nicht wohl, Erich?' hatte sie gefragt;
.etwa Schwindel und Kopfweh? Du
hast zu viel gearbeitet! Bitte, laß Dir
von dem Diener eine Flasche Wein au
dem Keller holen ich hake jetzt keine
Zeit....'
Als Frau Ella Walden au dem
Theater heimkam, fand sie die Diener
schaft in großer Bestürzung. Der Herr
Professor seien sehr krank, meldete ihr
der alte Jean! Sie weinte einen Augen
blick, ihr Herz stand still sie mußte um
Athem ringen. Dann eilte sie nach dem
Zimmer ihres Manne. Er, der sich
tn wildem Fieber in den Kissen hin und
her warf, fah sie inen Augenblick mit
großen Augen an als sie sich über ihn
beugte: .Ella,' flüsterte er leise und
faßte nach ihrer Hand dann kamen
wieder die Fieberxhantasien. .Sie ha!
keine Zeit,' murmelte der Kranke unun
terbrochen und ihr, die neben ihm
saß und in tödtlicher Angst de Arzte
harrte, gingen dies Wort wi Dolch
ftiche in' Herz.
Al der Morgen graute, saß Ella noch
immer am Bette ihre Manne, der nun
in einen unruhigen Schlummer verfallen
war. Der Arzt hatte bedenklich den
Kopf geschüttelt und sorgfältige Pflege
anbefohlen.
Jean hatte sich erboten, bei dem Herrn
zu wachen, aber Ella hatt ihn beinahe
rau abgewiesen. Und wie si nun so
dasaß im Dunkel der Nacht und ängstlich
lauschte auf den Athemzug de Kranken,
da war eS ihr, al müßte sie nun in die
fer bangen Still sich und dem Kranken
Rechenschaft geben über Alle, was sie
gethan, und unterlassen. Da rang ihr
Stolz mit dem Bewußtsein lässiger
Pflichterfüllung, da sah sie, daß sie tm
Wohlleben und Reichthum vergessen
hatte, daß die Liebe vor Allem werklhälig
mit dem Rufe: Nieder mit der
tion".
Rk
und fröhlich im Arbeiten ist, und
schwerer und schwerer legt sich aus ihr
Herz die Erinnerung an alle? das, oa
sie versäumt.
Manchmal war ihr, ol5 riefe der
kranke hren Namen
Und die Stunden kamen rnd gingen.
Ella' Blicke richten ras dem Manne, der
nun sür da büßen sollte, wa si gefehlt.
Und r hatt ihr nie inen Vorwurf ge
macht, sie nie getadelt, ruhig hatte er sie
gkliedt da sie nicht an da dachte, na
ihm gebührte, sondern nur an da, wa
sie gefehlt wenn er von ihr ging und
ihr nicht liesse als die Reue? Dos
konnte, da rollt sie nicht denken. Er
wird gesund werden und sie wird ihn
pflegen, sie wird ihn hüten und sie wird
nur di eine Pflicht kennen, ihn zu
lieben.
Und in den Schlummer hinüber, in
den sie sank, spannen sich die Gedanken
der Wachenden.
Erich war sehr krank. Wochenlang
schwebte er zwischen Tod und Leben. Ella
aber wußt und wollte nicht wissen vsn
Erholung und Ablösung durch Andere
im Dienste de Kranken. Keinen Besuch
enpsing sie; wa sie sich gelobt in jener
verhängnisvollen Nacht, mit der Kraft
der Liebe hielt sie daran fest und eS
gelang ihr, sich selbst zu besiegen. Lang
sam nur gena Erich aber dik Pflege
seiner Frau that Wunder.
Der Arzt hatte frische Landluft ver
ordnet, sobald Erich reisen könne. Es
war ein stilleS abgelegenes, Plätzchen,
wohin sie zogen. Am Abhang einer
waldbewachsenen Höhe, vor sich daS
grün Thal. Erich'S Blick wurde nicht
müde, die Schönheit, die ihn umgab zu
bewundern. N;ch wenige Tage, und er
sollt wieder mit seiner Ella nach der
Stadt zurück.
Auf dem Balkon der Villa stand er mit
ihr. Wie ganz anders lag nun das
Leben vor ihm: wie oft hatte er in stillen
Stunden der Zukunft gedacht, die nun so
ganz werden solle, wie er sich' gewünscht
und gehofft. Wohl war ihm manchmal
bange, ob sein Weib auch dem treu blei
den werde, wa sie sich und ihm in einer
Stunde gelobt, da sie ihn um Vergebung
gebeten sür Alles, was sie an ihm vti
säumt. -
Er wandte sich jetzt zu ihr : .Und Du
wirst nie vermissen, was Du meinetwegen
dahtngiebst?' fragte er sie.
Da sah sie ihn mit frohem Lächeln an:
.Ich habe keine Zeit dazu,' sagte sie, sich
fest an ihn schmiegend.
Echtes Gold.
Novelletle von Paul B l i jj.
Erst um acht Uhr war daS Diner be
endet. Der Wirth lud un in den Gar
ien, wo Kaffee, Likör und Cigarren her
umgereicht wurden. Dann blieben wir
noch ein halbe Stündchen plaudernd zu
sammen, und gkgrn halb neun Uhr gin
gen wir von einander.
Der Gerichtsrath und ich hatten den
selbe Weg nach Halensee, und da der
Abend prochtooll war und uns Bewegung
gut that, nahmen wir keine Fahrgelegen
tzeit, sondern gingen di nicht große
Strecke.
Als wir am Kurfürstendamm waren,
stand der alte Herr still, nahm sein:n
Hut ab, sah in die finkende Sonne,
holt tief Athem und sagte üblich mit
leicht zitternder Stimme: .Sehen Sie
nur, wie schön, wie einzig schön dieS
Bilo ist, dieser gluthrothe Feuerball
da, wie r langsam hinabsinkt, wie
daS alle? flimmert und zittert in den löst
lichen Farben, ist das nicht überwälti
gend schön?
.JedluTaz kann ich daS iedersehk,'
sprach er mit Begeisterung weiter, .und
immer finde ich neu Schönheiten daran,
ja, eS wirkt auf mich geradezu erjün
gend, reinigend, alle Gut in mir
wacht aus, und Hoffnungen und Wünsche,
die längst ausgegeben sind, werden wieder
neu belebt.'
Schweigend stand ich neben ihm, und
etwa wie Neid kam über mich; dieser
alterute Mann sprach mit jagendlicher
Kraft, au seinen Augen leuchtete da
Feuer der Begeisterung, und all die vielen
Jahr voll dittkrer Lebenserfahrungen,
die dS Mannes Haar gebleicht hatten,
waren nicht im Stand gewesen, die Hoff
nungen und den Glauben an da Gute
in der Welt zu rfticken ich be
neidet ihn darum.
,Wi freu' ich mich, daß wir zu Fuß
gegangen sind,' lächelt .r, .das thut
doppelt wohl nach einer so langen
Sitzung und gerade die heutige
o! ol'
.Also haben Sie sich gklangweilt?'
fragt ich."
.Bewahr, nicht im geringsten. Der
Wirth war ja so zuvorkommend und takt,
voll und daS ganze Arrangement so muster,
haft, nein, S wär ungkrecht, da
verkennen zu wollkn, aber geärgert
habe ich mich doch, schwer geärgert
sogar!'
Fragend sah ich ihn an.
.Ja, Si oerflehenmich nicht, junger
Freund, daS können sie auch nicht, denn
ich bin alt und Sie sind jung, und ge
anderen versSlschnng.
40 Jahr lana a ianvard.
rade über die jungen Leute, die mit un
geladen waren, hab ich mich heute ge
ärgert.'
Ich w:i.te nicht, zu fragen, denn in
feinem Gesicht lag etwas HoheilSool'
13, Ernste, da mich zum Schmiigen
brachte.
.Glauben Sie nur ja nicht, daß ich
verbittert bin, oder gar unsere Jugend
Haffe,' fuhr er fort, .im Gegentheil, ich
liebe sie! und darum gerade ärgere ich
mich so oft über sie; zum Bei
spiel, die sech jungen Leute, die da zu
sammensaßen, heut' Abend bei Tisch,
ich glaube, sie find alle Künstler, und
auch wohl kaum über die fünfundzwanzig
hinau, ist das Jugend? Diese Bla
strichelt, dies scheinbare Weltmüdigkeit
und diese Apathie, die mit Allem fertig
ist, der e nicht Neues, Jmponirende
unter der Sonne mehr giebt, ist da
Jugend? Und dann dies negirende An
schauung über die Menschen im Allgemei
neu und Ober daS weibliche Geschlecht im
Bksor.deien, ist daS nicht einfach absurd?
Wa wissen diese Kerlchen denn von dem
Weib überhaupt? Au den paar galan
t'n Abenteuern, die sie in ihr Tage
buchn: notiren, wollen sie die Erfahrung
gemacht haben, daß alleS schlecht und
alle g'mein fei, o, eS schmerzt mich
lies, immer wieder dasselbe zu finden,
und ich habe nur den einen Trost: der zu
versichtliche Glaube, daß eS nicht so viel
den kann, daß wieder gesunde Menschen
kommen erden, die di alten Werthe
wieder zu neuen Ehren bringen werden.'
.Die alten Werthe?' fragte ich er
staunt.
.Jawohl,' antwortete r ernst, die
alten Ideale! und die Liebe, die wahre
golben L ebe! denn an die glauben sie
doch alle nicht mehr, die klugen jungen
Herren.'
Wieder stand er still vud sah in die
onne. In s einen Augen peilten große
Thränen und über sein Gesicht husch!
ein Z'ig leiser Wihmuth. Ec strich mit
der Haud über daS weiß Haar, nickte
ein paar Mal, wie in Erinnerung an
etwa; dann ging er langsam weiter.
Echveigend ging ich neben ihm. Die
Sonn war gesunken und im lichten
Violet strahlte der Horizont. Ein lauer
Windhauch weht den würzig süßen Ge
luch von frisch gemähtem Heu zu uns
heran. Auf d:r rechten Wegfeue war
tin Kartoffelfeld und dahinter standen
Sonnenblumen, mannshoch, und neigten
die sruchtschweren Häupter hin und her
im Windhauch. Und weit und breit auf
den Feldern keine Menschenseele. Lang
sam mit milder Wohlthat kam die Nacht
hernieder.
.Ich will Ihnen mal etwas erzählen,
junger Mann,' begann der alte Herr
wieder, .eine ganze einfache und ganz
kurze Geschichte, aber sie wird Ihnen doch
nachzudenken geben, denn e ist eine
wahre Geschichte und ich selbst bin da,
durch ein Anderer geworden, ich selbst, ja
wohl, denn ich habe sie erlebt.'
Er schwieg und schien nachzudenken,
wie er beginnen solle. Unb endlich sprach
er, aber mit einer anderen Stimme als
bisher, mit leichter Rührung oft. oft aber
auch mit schmerzdurchztltertcn Tönen, die
sich mir in dte Seele drängten, und die
ich roch heute h?re.
A3 ich jung war, o, da war ich ein
toller Kerl, ewig verliebt und immer auf
der Suche nach neuem LiebeZglück. Aber
ich hatte nie sonderlich Glück, und wenn
ich mal einen Bund geschlossen, dann
war'S nur für kurze Zeit. Ich war zu
unbeholfen und linkisch, war zu viel bet
meinen Büchern und zu wenig unter den
Menschen gewesen; ich wußte nicht, wie
man eS anstelle, um di Mädchen zu ge
winnen. So kam es, daß ich oft ver
lacht und noch öfter zum Besten gehalten
wurde. Den Mädchen galt ich als ein
komische Figur, die man als Mann nicht
rnst nehmen wollte. All das merkte ich
bald, aber S machte mein LiebeStollheit
nur noch rasender. Zu derselben Zeit
machte ich die Bekanntschaft eines AllerS
genossen. Ein lustiger guter Kerl, sehr
bkgabt, aber entsetzlich faul, dafür aber
um so eisriger, wo eS galt, ein Liebes
adenteuer zu bestehen. Wir wurden bald
eng befreundet. Ich machte ihm seine
Arbeiten für daS Examen und er lehrte
mich, wie man die Herzen der Mädchen
gewinnt. Wir prosiltrten gegenseitig, so
daß wir bald in Amt und Wurden waren.
Jetzt galt e, un Frauen zu finden.
Wir hielten tapser Umschau, konnten aber
nicht finden, was un auf die Dauer
fesselte. Ich dacht über die Ehe sehr
ernst; nicht nur ein Hausfrau wollte ich,
nein, ich suchte in Wesen, mit der ich
auch in seelischer Gemeinschaft leben
konnte. Mein Freund dagegen nahm die
Sache ganz leicht, er wollte vor allem
eine Repräsentantin für sein Hau, und
wenn er im Eheleben dann keine Befrie
digung fand, so hatte er außerhalb der
Ehe ja Bekanntschaften genug. Ueber
seine lare Moral hielt ich ihm oft genug
lange Reden, er aber lachte nur dazu und
sagte: .Jeder möge nach seiner Facon
selig werden.' Da ineS TageS kam
Besuch in daS HauS meiner Eltern. Eine
entfernte Verwandte, Marie heißt sie,
war verwaist, war jung, schön, h57z!g,
lieb und nebenbei auch noch reich. Am
null) Hl ll ?,,. ciuuau nium in.
dcn, sind die feinsten und bringen
$4.82 daS Tausend.
J5.
dritten Tag schon wußte ich, daß ich sie
liebte. Jeden freien Augenblick brachte
ich bei ihr zu. Täglich waren wir zu
sammen. Ich erschöpfte mich in Busmerk
samkeiien. Jeden Tag brachte ich kleine
Geschenke, und mit duftenden Blumen
umgab ich sie Tag für Tag. Ich war
rasend verliebt, wirklich bitter ernst,
aber ich sprach nicht zu ihr davon; ich
verschob eS von einem Tag zum andern,
wartete immer auf den geeigneten Mo
ment, aber fand ihn nicht. Da kam
mein Freund in 4 Hau. Er sah si und
liebte si (so weit da bei seiner glatter
hastigkeit möglich war); er aber spielt
nicht den schüchternen Liedhader, fondern
ging tapfer auf sein Ziel lo. Nach
wenig Tagen bemerkt ich, daß meine
Aussichten hoffnungslos waren, denn die
Beiden liebten sich. Noch einigen Wochen
schon waren sie Mann und Weib,'
Der alte Herr schwieg, holte tief
Athem, nickte ein paar Mal, und sprach
dann langsam weiter.
.Aber man erträgt alle, anfangs
freilich, o, ich war dem Wahnsinn nahe
vor Eifersucht und Haß und Rache,
aber man erträgt alles. Die Zeit ist ein
gutes Heilmittel und die Arbeit euch,
so f.no ich Linderung und wurde wieder
ruhig in dem Trost, daß .sie' ja glücklich
geworden ist.
Da aber machte ich ineS TageS die
Entdeckung, daß dte Ehe nicht glücklich
war. Der Mann betrog seine Freu.
Ich forschte weiter und fand, daß dte
Beiden einander innerlich fremd warn.
Er erklärt mir ganz offen, daß r todt
unglücklich sei. weil er bei der Frau nicht
da geringste Verständniß fand; und sie
wieder verkümmerte einsam, da ihr Mann
sie vernachlässigte. Er suchte und fand
Trost in einem tollen Genußleben. Sie
aber liebte ihren Mann mit ovsermutht
ger Treue und ertrug alle die Bitternisse,
die er ihr bereitete, allerdings wußte sie
nicht, was alle Welt wußte, daß er sie
betrog.... O, was ich damals gelitten
habe! Ich liebte sie nur noch mehr jetzt
und sann Tag und Nacht, wie ih ihr bei
stehen könne.
Zuerst hatte ich mit dem Freund eine
erregte Scene. Ich machte ihm die bit
terften Vorwürfe, denn er stand vor dem
Ruin. Umsonst. Er höite mich nicht
an. Und dann, als ich mir nicht ander
helfen konnte und als der finanzielle
Ruin wirklich da war, ging ich zu der
grau, erzählte ihr alles, wa ich mußt,
und bot ihr meinen Beistand in dieser
schweren Lage an.
Ruhig und gefaßt hörte sie mich an,
al ich aber von der Untreue ihre
Manne sprach, brach sie weinend zusam
men. Da hielt ich nicht mehr an mich,
ich trat zu ihr, richtete sie auf, und al
sie in meinen Armen lag, vergaß ich alles
um mich her, ich preßte sie an mich und
küßte sie voll wilder Leidenschaft, und ich
sagte ihr, daß ich sie noch immer lieb, so
heiß, so wahnsinnig, wie hemalö, und
ich bat sie mit zitternden Worten, daß sie
stch von ihrem Mann trennen und mein
Weib werden möge, wußte nicht, wag
ich that, aber ich wußte, daß ich nicht an
das handeln konnte.
Sie aber stieß mich zurück; hoch auf
gerichtet stand sie vor mir und sah mich
mit stolzem Blick an. .Ich kenne meine
Pflicht!' rief sie mir zu. Dann wies
sie mir die Thür. Und ich ging,
tastend, taumelnd, bewußtlos; stunden
lang habe ich dann zu Haufe so gelegen;
alle war mir gleichgültig.... Was
dann geschah? Das Wunderbare! Sie
gab Alle, ihr Letztes hin, um die Ehr
ihres Mannes zu rettten. Und ihr
Mann, beschämt durch ihre schlichte
Größe, lernte einsehen, wa sür ein
Juwel er an ihr hatte; er bat sie um
Vtrzethung für all das Bös, das rr ihr
zugefügt hattt. und tr lernte sie lieben
unv hochschätzen, und so wurden st
glücklich.'
Er war zu Ende. Er stand still, fah
mich mit unendlich gütigem Blick an,
klopft mir dann aus die Schulter und
sagte: .Das war die Liebe eine Weibe,
junger Mann, lernen Sie daraus,
echlis Gold wird klar im Feuer.' Dann
trennten wir unö.
Als er dann meinen Blicken entfchwun
den und ich allein war, stand ich still und
sah empor nach dem sternenbesäeten Him.
mei, und noch immer hörte ich eine
Stimme, aber nicht die meine alten
grkundes war es, nein S waren Töne,
dte aus wett Ferne zu mir klangen, aus
einer Zeit, die weit hinter mir liegt, der
Zei: der Jugendschmärmerei, in dte man
stch so gern zmückoersetzt, wenn man dte
unstillbar große Sehnsucht tu der Brust
brennen fühlt. . . .
ßi treuer Kriegsljund.
Der österreichische Kadett. Offizier,
flelloertreler Karl Lukicic deS bosnisch,
herzegosinischen Infanterie , Regiment
öio. 3 wollte bei einem Jagdausftuge bei
Deroent den Geschoßsang der dortigen
Schicßflätke passtren unv stürzte beim
dliiege in den rückwärtigen Graben,
wobei beide Gewehrläuse sich tutluden
und ihn lebenSgejährlich verwundeten.
Auf dte Hilferuf deS Verunglückien er
schien alsbald ein Bauer, elcher den
na un, wagen -' I
U 7Z , l'rtil .i.i 1iM , itl I rli.ii t rt Wrtf I
fivkivi cuht"LHU)ii-v i niuju( it ii uui i
Schwerveiketzten in die Ziegelhütt trug
und dann in die Käsern eilt, um Hilfe
zu bringen. Indessen war der Krieg.
Hund .Spion', welchen der Kadett mit
genommen hatte, schon in di Kaserne
voraulgeeilt und bemühte sich durch
Bellen, Ein und Anlaufen beim Thor,
die Aufmerksamkeit aus sich zu lenken.
A! die unbeachtet blieb, lies er zur
Wohnung de Verunglückten und tt
suchte unter Winseln und Bellen dieselbe
mit den Pfoten zu öffnen.
l nun bald darauf zwei Offiziere
und einige Mann mit einer Tragbahre
erschienen, lief .Spion', bellend cn
Weg weisend, voran bt zur Schießstätte;
dann im schnellsten Lause zurZielnhütt,
wo man ihn von neuem den Verunglück
ten, dessen blutende Wunden leckend, fand.
Hierauf begleitet da treu Thier knapp
an der Bahre schreitend den trauri
gen Transport und winselt di zum
Eintreffen in der Wohnung de Kadkt.
osfizier-Stelloertreter. Dort verkroch
er ftch untkr da Bett de Schaerverletz
ten, und al dieser in ein andere Zim
mer übertragen wurde und dem braon
Hunde der Eingang verwehrt werden
mußte, blieb .Spion' über Nacht vor
der Zimmerthür liegen und benützt g
gen Morgen, al ein Wärter da Zim
mer betrat, die Gelegenheit, um stch mit
hineinzuschleichen, legte sich neben dem
Verwundeten und leckte wedelnd dessen
Hände. AI endlich Kadet Lukicic zur
Ueberführung in da Spital nach Sara,
jevo in den Waggon gebracht wurde,
wollte dr Hund mit aller Gewalt mit
und mußt von einem Manne gehalten
erden, da r sonst dem Zuge nachgelau
fen wäre. Dr KadetofkizierSStelloer
treter Karl Lukecic selbst soll schon außer
Lebensgefahr fein.
ein schöner ßyarakterzug.
Den Dichter Scribe hatte sin Pro
buktivität zum Millionär gemacht. Die
fer Krösus war aber durchaus kein Geiz
hals. Großmuth und Wohlthätigkeit,
sinn waren neben seinem Talent seine
achtenswerthesten Eigenschaften. Einer
setner Biographen erzählt folgenden schö
nen Zug: Ein Mitarbeiter Scribe',
mit dem'der Letztere zusammen ein Stück
geschrieben, welche nicht gefiel und schnell
wieder vergessen wurde, starb und hinter
ließ eine Wittwe tn den dürftigsten Um
ständen. E galt, dieser Unglückliche
beizustehen, doch nicht aus gewöhnlichem
Wege, denn die Dame besaß den Stolz
der Armuth und würde stch nimmer dazu
verstanden haben, von einem Fremden
Geld anzunehmen. Scribe half hier aus
da Geistreichste. Er wandte sich an
einen Agenten der Tantieme.Verwaltuvg
und ließ durch ihn der hinterlassenen
Frau seines Mitarbeiter fortgesetzt er
hebliche Summe. zustellen, unter dem
Vorgeben, daß da Stück ihre Manne
noch immer und oft auf den Theatern in
der Provinz gegeben würde, wenn e
auch von denen in Pari verschwunden
sei. Die so edel und schön Unterstützte
hat nie erfahren, woher eigentlich die
Gelder kamen, die sie noch immer ihrem
verstorbenen Manne verdanken zu könne
ähnte, und vermachte dte Ansprüche aus
ihre vermeintlichen Autorrechte noch testa
mentarisch.
?er einssuli der Köyenkage der Ar
oeitsgesse auf die menschliche
Äröcilsleillung.
Bei Gelegenheit der jüngst begonnene
Eifenbahnbauten in Peru sind von wissen
schaftlicher Seite interessante Veobachlun
gen über die menschliche Arbeitsleistung
in Gegenden von bedeutend verschiedener
Höhenlage gemacht worden. Bekanntlich
liegt die genannte südamerikanische Rk
publik durchschnittlich 4200 Meter über
dem Meeresspiegel und ist u. A. wegen
ihrer großartig angelegten Eisenbahnen
berühmt, die verschiedentlich Pässe von
4000 Meter Sechöhe überschreiten. Die
Schienenstränge der kürzlich dort in Bau
genommenen Eisenbahnlinie berühren die
jetzt über.35 Jahre bestehende Residenz,
stadt Lima in einer Höhe von mehr al
15,600 Fuß resp. 5000 Metern über dem
Meeresspiegel. Man hat nun durch Be
obachtungen an den Eisenbahnarbeitern
festgestellt, daß der Mensch, wenn er
allmälig von einem Arbeitsplatz an einen
andkrn, vkrschiedene Hunderte von Metern
höher gelegenen versetzt wird, in der Re
gion zwischen dem Meeresspiegel und
3000 Meter darüber wesentlich die gleiche
Arbeit zu leisten vermag. An Orten,
die über diese Höhe hinausliegen, macht
sich eine schnelle Kräfteabnahme und
damit verbundene Verringerung der
menschlichen Arbeitsleistung bemerkbar,
di in einer Gegend von S000 Meter
Höhe sich sogar um die Hälfte der Nor
malardeitSfähigkeit vermindert.
Seügsamkeit.
Der Großherzog Friedrich Franz I.
von Mecklenburg war ein dem gemeine
Manne gegenüber leutseliger Herr.
EineS TageS traf er einen Tagelöhner
hinter'm Pfluge und fing mit ihm ein
Gespräch an, im Verlauf dessen er ihn
fragte, welchen Lohn er für sein Arbeit
erhalte. Der Tagelöhner antwortete:
.Eten un Drinken, Hüsung un TKg',
und IS der Großherzog fragte: .Wetter
nichts?' entgegnet der Mann: .Hett
hei mihr?'
Durch die Blume.
Fritzchen: .Papa, bist Du gut aufge.
legt?'
Vater: .Ja!'
Frihchen: .Papa, willst Du auch gut
aufgelegt bleiben?'
Bater: .Ja, warum?'
Fritzlben: .Dann zeig' ich Dir m'tn
Schulzeugniß ein andereSmal I'
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