Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, October 25, 1894, Image 9

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    $sü im Aügluck.
.0 gräm' Dich nicht, mein theure Weib
und stell Dem Wkineg In,
Wenn auch de Schicksal rauhe Hzn
Uni nietersheile in den Sans,
Fug' Dich mit mir darin.
Die Jahre, die wir froh rcriebt,
DtnV nur an sie zurück;
Ist auch verlöre Geld und Wut,
Siilhlt die Erinnerung den Muth,
Zu trotzen dem Geschick.
Man lernt da Gluck st recht verftehn,
Pocht Unglück an die Thür,
E wirkt rer Herde Tbtänenschmerz
Besruchtend auf da Menschenherz.
Drum tröste Dich mit mir !"
Vertrauer,Iogll blickt sie nun auf,
Mit zuonfichtigem Blick,
Ein Zeichen, daß sie ihn verstand;
Wo wird, wenn Herz zu Herz sich fand,
Da Unglück oft zum Glück.
verkehrte Welt.
Novellelle von ft. v. aPsj.Esiknther.
.Ich will nicht!' sagte die junge Dame
mit dem Tone eineg eigensinnigen Kinde
und klappte da? Notenbett zu.
.Gut ttie wolle nicht. Fräulein l
erwiderte der junge Mann, der neben ihr
an dem ganz modernen, eleganten Pia
nino sah. und leqtc da Heft fort.
Sie blickte nach feiner gelassenen
Miene und errölhete. Er mußte ihren
Blick fühlen, denn auch er reifarbie sich
leicht, aber dennoch erwiderte er ih:en
Blick nicht.
Er mochte lwa dreißig Jahre zählen,
hatte ein bleiche, hagere, ernste kvt
ficht, da nicht eben schön war, da aber,
durch die sehr edle, von reichem, dunklem
Haar umrahmte kirn, durch die au
druckSoollen, dunkelblaue,, Auaen be
deutend und anziehend wurde. Nur der
dunkle Schatten eine Schnurrbarte lag
auf feiner Oberlippe, und da machte
seinen Kopf noch eigenthümlicher. Seine
altuna, feme Miene waren ernst, ge
messen, selbstbewußt. Der schwarze
Rock, den er trug, war nicht mchr neu, er
war so stark getragen, aber dos hinderte
nicht, da der Marin vornehm aus ay.
Da reizende junge Mädchen neben
ihm schien eine AlmofpbSre von Jugend,
Sorglosigkeit, Luru auszuströmen,
war in kleine Modefee in einem leichter.
Neglige, wie eS in der letzten Nummer
de Bojar" aestanden bat ein
pfirstch.frische Geflchlchen von eigen
willigem, sie! wechselndem Ausdruck mit
afchttaudem Haar, das einen feinen Duft
aust,Smte, welcher den ganzen Raum zu
füllen schien.
Dieser Raum war ein xrSchtize, aber
etwa unordentlich aussehendes Mavchen
boudoir. Unter den eleganten Möbeln,
Tapisserien und LurukgegenftSnden war
ein einzige unmoverne, urqemvares
Wesen zu sehen eine alte Dame von
franzSstsch schmelzerischem TypuS mit
einem kleinen Schnurrbart aus der Lippe;
ihre knochige Gestalt war in ein schlecht
sitzende, glatte Moaatrlleio gehallt.
Sie stickte an einer Geldbörse und sah
nicht ein einzige Mal nach dem Klavier
hinüber, auch jetzt nicht, da da Spiel
ganz verstummt war. sinn Wvrr nu,
da die Beiden an dem offenen Klaoier
auaenschetnlich nur mit den Blicken
sprachen.
Da junge Mädchen sah noch immer
mit funkelnden Blicken, mit bevendev
Lippen nach dem iachdar. Jetzt er
widerte er ihren Blick, kalt, finster, Itl
nahe haßerfüllt.
Hätte die Duenna die Beiden beob
achtet, so würde sie sich gesagt baden:
,Er knirscht förmlich, baß er um drei
Mark sür die Stunde die Launen diese
verzogenen Kinde ertragen muß."
.Wa wollen Sie etzentlich spielen,
Fräulein?- fragte er jetzt mit seiner
ernsten Gelassenheit.
.Ich weiß nicht rief sie glühend.
.E gefällt mir nicht!' Und e klang,
al wären die Thränen nicht fern.
Er erhob sich. .Sie habe keine
Neigung für die Mustr, Fräulein, und-'
Er hielt inne, vielleicht bemerkte er, daß
fl erschrocken zusammenzuckte.
.Ich keine Neigung sür Musik?' rief
sie erzürnt. .Sie haben ein kurze Ge
dächtniß, Herr Kalo!, sonst wären Sie
vom Gegentheil überzeugt.'
.Damal, Fräulein, als Sie mir die
Ehre ermiesen.' sagte er förmlich, .mich
zu Ihrem Lehrer zu wählen, setzte ich
allerdina die schönsten Hoffnungen auf
Sie. Sie waren begabt und begeistert,
seither aber, Fräulein Adelma, hat sich
da leider sehr geändert.'
.Warum bringen Sie mir auch diese
Etüden von Hense'.t!'
.Fräulein Adelma,' sagte er ;nl und
nachdrücklich, .die Etüden sind unschuldig
Ihr üble Laune ist die einzige Ur,
ache, daß Sie kein Fortschritt machen, '
Sie verzog schmollend da hübsche Ge
sichtchen. .Sie sprechen so sörmlich, so
pedantisch, wie ein alter Professor.'
Er richtete sich auf. .Mein Fräulein
ich darf hier nichts thun, nicht reden,
al wa meine Pflicht erhe'scht.'
Thränen traten in ihr Augen, sie
stampft leicht mit dem Fuße auf.
.Aber weil Sie Ihre Pflicht' wie
verächtlich sie da Wort hinanSschleu
derlei .so kalt, so gl?ichgiltig er,
fällen, deshalb habe ich die Freud am
Klaoier verloren.'
Eine leichte Rölhe überflog fein Ge
sicht. .Wenn meine Person die einzige
Ursache Ihrer Unlust ist,' sag! r. .so
bleibt mir nicht übrig, als zu gehen,
FrSnlein Adelma.'
Er nahm seinen Hut, vei beugte sich
förmlich und ging, ohne sich auch nur
nach ihr umzulehm.
,Renvoyel sagt di alt Bonne,
ohn von ihrer Stickerei aufzublicken
Berlin seine Nc,idcnmg in dcr auswär-1 Wisconsin und Wyoming.
Vtl
Jahrgang 15.
Sie verstand nicht gut Deutsch, obgleich
ste fünfzehn Jahre im Hause war. Um
so besser aber wußte sie, daß Fräulein
Kdeima im Siar.de war, einen L'.hrer
mitten iti der Slur.de fortzuschicken.
.Oui, maiiemoiselle," sagte adelma
ionlo. sie saß noch immer vor dem
offenen Pianino, da Heft mit den
Etüden von Henzelt laz auf dem Sessel
nebkn ihr, wo vorher der Lehrer gesessen.
Plctzl'Cl) brach Adelma in schluchzen
au. ,0, der Abscheuliche, U-.dank.
bare!'
Sie hatte vor iniaen Wochen ein Ean
zert besucht und ihn spielen gehört. Er
sah so bleich, so ernst, so männlich au,
und er spielte Chopin so .tödtlich schön'
sie halte die Wort sür ihn erfunden
daß sie wtinen mußte. Auch eine
einen Komposition spielte er, ine
Mondscheinjzene' und eine .Sturm,
nacht'; sie hört sagen, er sei ein begabter
langer Muftker, aber e sei ihm noch
nicht gelungen, sich einen größeren Ruf
zu schaffen, weil wer wüßte da so
genau zu sagen! Er war arm, unbekannt,
Ausländer, stolz, eigensinnig sie war
zu unerfahren und zu flüchtig, um zu
missen, daß eiue einzig dieser Eigenschaf,
ten genügte, um die Karriere des jungen
Künstlers zu erschweren. Doch hatte der
eine Abend genügt, ihr Phantasie zu
entzünde. Sie wünschte glühend, Carlo
Calvi zum Muftklehrer zu Yaden. Mama
schrieb dem jungen Künstler deshalb, und
nan erhielt eine wennauch förmlich kühle
Zusage.
zwei Monaten kam Carlo Ealot
inS Hau 3. Adelma hatt anfänglich mit
so viel Lust und Freude Klavier gespielt,
aß sie meinte, darin einen LebenSberus
gefunden zu haben, und jetzt war auf ein
ir.al SllleS ander.
Sie erzählte di,S!Alle weinend der
alten Bonne, welche ruhig weiter stickte
und bet der Meinung blieb, die Kleine
h'ce den Lehrer renvoye", weil r in-
supportable" sei.
:ttib(B trat Mama in, die grau Kom-
merzienräthia, eine üppige, blühende
Blondine in prachtvollem goldgestickten
Lchlufrock. sie wünschte mit ihrem
!öchterchen uuSzufahren.
,W in Szene mit dem Klavier
lehr?' Ich fagte gleich, er ist zu
lng. Er macht iDir oen 0, mqi
wahr, mein Herzchen? Mademoiselle
Katharine, Sie müssen genau Acht geben,
ihn verweisen, wenn eS nöthig ist. Ich
komme wohl auch selbst einmal herüber.'
Adelma sagte jetzt kein Wort medr.
Sie lieg sich von der Zofe ankleide
ein reizende Straßeukostüm, Modell
von Gerson und machte mit Mama,
die selbst eine stattliche Erscheinung war,
aber doch voller Stolz auf das einzige
TSchterchen, eine Rundfahrt über den
Winterkorso der eleganten Welt. Nach,
mittag kam die Engländerin zur Kon
verfattonsstunde, Abend ging man in'
Theater.
Adelma war mißmnthig und zerstreut,
ie brachte ihre .Miß" zur Berzaeif-
lung durch ihre Gleichgültigkeit gegen die
Äpiache ibion S uoerhaupt uns Durch
ihre schlechte Äuksprach tnSde ondrre,
Sie lanameilte sich im Theater, wo man
rine lustige französische Komödie gab;
aber eS siel den Ältern nicht auf, weder
dem dicken, gutmüthigen Papa, noch der
stark mit sich selbst be SS ltgten Mama
Sie thaten Alles, um ihr einziges Kind
zu omüstrev, aufzuputzen, zufrieden zu
stell:, aber sie wunderten sta) ntqr,
wenn Adelma sich nicht amüsirte, nicht
zufrieden war und ihre reizenden ot,
ketten ,ablöeul:ck' fand. .Ach. wie
verzogen sie ist!' seufzte sie, halb
lächelnd, halb geärgert.
Niemand dachte darüber nach, warum
Zldelma heute besonder launisch war,
am wenigsten hätte man gedacht, daß der
arme Klavierlehrer daran schuld sei.
Dak Adelma nicht lernen wollte, war
ausgemacht, dennoch gefiel es den Eltern,
ihr pro tonna einen KlavteNeyrer zu
hallen, einem jungen Künstler un.er
dieser Form eine Unterstützung zukommen
zu lassen. Wurde Adelma dessen aber
üde drüisig, so hat! man auch nicht da
gegen.
Das junae Mädchen hatte der Mama
gesagt, daß er plötzlich während der
Stunde gigangen sei.
Fr wird wiederkommen, ItedeS Kino,"
ante die Frau Kommerzienralh obenhin.
.Du weißt ja, e: erhält seine Eltern
der arme Schelm! Natürlich wird er
wiederkommen, und wir werden sehen,
was sich thun läßt, jedenfalls muß er die
dehors" auf das 'engste beobsch'tn.'
Das uno Maichen lauschte hoch aus
athmend. ES wa? selbstserständlich, daß
er nach MameS Meinung zum Sterben
verliebt war, felboerständlich, daß er wie,
derkam sie hörte das sehr gern. Den
noch blieb ein kleiner Zweifel, ein ge,
Heimes Bangen in ihr zurück. Würde
er kommen?
EZ war halb elf am Bormittag. DaS
Stubenmädchen hitte da Pianino ge
ffnet. die ölffkl zurecht gerück!, die o
len lagen da, das grüne Heft, sechs
Finden von Her.selt, obenauf. Liebliche,
duftige Wärme durchströmte den Raum,
Adelina wartete.
ES schellte draußen. Tritte kamen
Sonntagsgast.
Beilage zum Nebraöka 2taats-?lnzeiger.
und gingen aber Carlo Caloi kam
nicht.
Am folgenden Tage traf in Billet von
ihm an die grau Kommerzienralh ein; er
theilte mit, daS Fräulein hübeUnlust am
Klavierspiel geäußert, :;d r glaube
deshalb seine Stunden einstellen zu
sollen.
Adelina sag! trotzig, Mama tröge
nur schreiben, tag er fortbleiben könne
Und es geschah.
Acht Tage vergingen, daS Klavier
stand einkam und underühit. Adelma
war launiger denn je, obgleich ein hüb
scher, junger Kavallerie Otfizi von al
temAdel ihr den Hof machte. Seltsam
war e, daß sie an gar nichts mehr Ge
fallen fand. Wenn sie da geschlossene
Pianino sah, wurde ihr immer so eigen
thümlich zu Muthe, so bang, so un
ruhooll und wenn der hübsche Baron
ihr Liebenswürdigkeiten sagte und di
Mama wohlgesälltg dazu lächelte, da sah
Adelma sonderbarerweise ganz plötzlich
daS grüne Hest vor sich mit den sechs tu
den von Henselt.
Sie bekam eine Art Sehnsucht nach
diesem grünen Hest. Eines Morgen
nahm sie e vor und begann die sechs
Etüden zu spielen, sorgfältig, mit genauer
Beachtung deS schwlertgen gtngerfatzeS,
ganz wie ihr Lehrer eS angegeben halte.
Sie fand ein ungeahnte Vergnügen
darin. Nachmittags spielte sie wieder,
und am anderen Tage konnte sie die Etüde
tadellos vortragen. Jetzt häite Carlo
Caloi freundlich gelächelt, wenn er dage
wesen wäre; eS stand ihm sehr gut, wenn
er läQklte. Warum war er nimt ta i
Sie versank, am Klaviere sitzend, m eine
Art Erstarrung.
.Sie muß sich erkaltet haben, muß
krank sein,' dachte die scharfsinnige
Baronnin.
.Mama, ich möchte doch wieder einen
Klavierlehrer aate delma.
.Gut, wir werden inn .makre'
sulden. mein Schad aber inen mit
grauen Haaren, womöglich einen Pro
fessor vom Konservatorium.'
Am selbe Tage schrieb Adelma ein
Billett. von dem Niemand mußte. Wie
war ein wenig blaß dabei und athmete
schwer: .Ich bitte Sie Herr Caloi, die
Stunden bet mir doch wieder auszuneY
men. E war ein thörichte Laune von
mir, dieselben aufgeben zu ollen; ver'
sie hielt inne, btinah hätte sie gejchrle,
den: .verzeihen', aber sie besann sich
und schrieb: .Vergessen Sie dieselbe und
kommen Sie wieder. Ich werde von nun
an bessere Fortschritte machen.'
Am Abend sagte sie zu Mama, während
diese sich die Handschnhe mit zwanzig
Knöpfchen von der Jungfer schliehen
ließ: .Mama ich will wiederHerrn
Caloi zum Lehrer ich habe thu ge,
schrieben.'
Mama war sehr in nzpruch geriom
men davon, ob die Handschuhe keine Fal
ten machten, dennoch fand sie die Sache
sehr unschicklich uud bedenklich. Aber
zuletzt behielt Adelma doch Recht wie
immer.
Si saß in der Loge neben Mama,
beide in prächtigen Toileiten. Man ach
tete wenig ans die Vorstellung, sondern
konversirle: waren fremde Herren da.
Adelma aber dachte: .Jetzt bekommt
er daS Briefchen wird er kommen?'
Man hatte ihr erzählt, daß er in der in
neren Stadt eine kleine Wohnung habe
im vierten Stock, gemeinsam mit seinen
Eltern. Sie malt sich immer in Ge,
danken diese Wohnung au.
Am folgenden Tage kam Carlo Calni
wieder zur Klaoierftund:. Er war ruhig,
ernst, sprach nicht von ihrem Brief und
ihre Launen. Sie spielte die sechs Etu
den, und er lächelt zufrieden.
Von nun ab spielte und übt sie
fleißig, wa er ihr mxfahl, und machte
überraschende Fortschritte. Er lächelt
manchmal, hatte in karge ob sur sie,
blieb aber immer gleich kalt und reser,
virt. Sie meint manchmal vor Zorn,
aber heimlich, und dann spielte sie ihm
doch wieder zu Dank.
Die Leut im Hause sagten: .Der
neue Klanierlrhrer ist sehr s-rliedt in
unser Fräulein! Er mußte deshalb
schon einmal aus dem Hause: aber da er
arme, alte Eltein zu ernähren hat, Ii:ß
man ihn wiederkommen.'
Und so verging der Winter. Der
Sommer mit seinen Bade, und Gebirge,
reisen unterbrach die Klavierstunden.
Im folgenden Herbst schritt der Musik,
lehrer wieder ruhig und stolz erhobenen
HaupieS über die prächtigen Teppiche d:S
Hause.
wian sprach jevt emger davon, daß
er in da Fräulein verliebt sei. Aber
wena man von dem wohlthäiigen Sinne
de Hauses sprach, da führte man immer
den Mufiklehrer mit dem alten Eltern
paar an. Fräulein Adelma nahm noch
immer Klavierstunden, die sie nicht
brauchte, um den jungen Künstler, d:r
zu stolz war, ein Almosen anzunehmen,
zu unterstützen.
Aldelma selbst wie diese Zumuthung
sorgsältig zurück: sie lern von Herrn
Caloi und fei ihm dankbar. Fräulein
de.ma sei ein .Engel'I Ach, e ist für
schöne, junge reiche Mädchen nicht allzu
schwer, Engel zu sein.
IrlV VIIUII
I Hl
Aldelma schien allerdings kaum mehr
inen Lehrer zu brauchen. Sie halte be
reit! ein nicht gewöhnliche Fertigkeit im
Klaoierspiek. dennoch üble sie mit Ernst
und Eifer Musik. Mademoiselle atha.
rine hätt kaum Anlaß zu einer Lemer,
kuog gesunden, auch wenn sie ihr Mis
ston bei den Klavierstunden gemissevhaf
ter erfüllt hätte. ES wurde die ganze
Stunde hindurch eifrig musicirt. Calvi
sprach sehr wenig, hatte immer dasselbe
blasse, ernste Gesicht; Adelma glühte
aber das kam wohl vom Spielen.
ES war zum Ende des zweiten Wiu
terS.
Adelma hatte soeben ihrem Lehrer die
.Sturmnacht' vorgespielt, seine eigene
Komposition; sie hatte ihn damit über
rascht. Nun sah sie mit leuchtenden
Äugen, daß er enöthe!, daß er bewegt
war, in wenig verwirrt sogar.
.Sie sind auf dem Wege, eine
Kanstlerin zu werden,' sagte r mit un,
sicherer Stimme.
.Endlich, endlich sind Se mit mir zu.
neden?' rief sie sreudia.
Er taumelte zurück, als hätte ihn In
Schlag getroffen.
,WaS gilt eS Ihnen daß ich zu
frieden bin, Fräu!?!n?' murmelt er;
und plötzlich faßt er sich und sagt ia
seinem gemohülen, gelassenen Tone:
.Ich bin ja überflüssig hier. Sie haben
nich'.S mehr zu lernen Sie entlassen
mich wohl?'
Sie schwieg eine Weile, dann sagte sie
mit jener Sicherheit, die sie sich langst
im Salon angeeignet: .Ich will Ihnen
einmal die Wahrheit sagen, Herr Caloi.
Sie sind ausnehmend unfuundlich ge
gen mich. Ich weiß längst: Diese
starre Gesicht legen Sie nur für mich an.
Ich sah Sie schon bei unseren Gesell
schafiea mit einem viel freundlicheren,
angenehmeren. Sie haben fast nie ein
ermuthigende Wort für mich, niemals
aber einen freundlichen Blick; und Sie
wissen doch, daß mich dies freut. Sie
sind eigentlich unausstehlich, Herr
Calvi! '
Jetzt sah er sie wieder voll an mit dem
kalte, zorn und haßerfüllt: Blicke.
.Sie haben Recht. Fräulein, ich bin nicht
liebenswürdig, bin nicht dazu angethan,
Jemandem zu gefallen oder nur angenehm
zu fein. Darum "
Wollen si gehen', sielst ein, .da
ist immer Ihre einzige Pointe. Ich
wünsch aber, daß Sie bleiben, auch in
der nächste Saison. Seien Si Immer
h! unausstehlich ich schätze Sie nur
al Künstler.'
.Gut, ich erde kommen, wenn Sie
eS befehlen, Fräulein. Ich danke Ihnen
für Ihre Güt." Er verbeug! sich
freundlich und ging.
So erschien er im folgenden tröste
wieder, und die Leute wunderten sich
einigermaßen darüber. DaS Fräulein,
nunmehr im zwanzigsten Jahre und eine
allgemein bewunderte Pianistin, hatt
doch wohl den Klavierlehrer auSgewach'
sen. Zudem hieß e, sie fei Braut; ein
junger Finanzbaron, d künftige Chef
eines deu!schen Bankhauses in Pari,
beaiorb sich um rhr Hand.
.Nun erdm Äi doch Jzre treuefle
Sqülerin verlieren,' sagte die Frau
Kommerzienralh huldvoll lächelnd zu dem
Klavierlehrer, .meme Tochter wird sich
wo! bald erhettathen. Aber seien St
ruhig, Herr Caloi, wir werde Ihrer
auüqezckchneten Leistungen dankbar ge
denken. Adelma besonder hält große
Ltuckc aus
Und die Frau Kommerzienralh ra'ischte
mit ermutigendem Augenzmtnkern nach
dem todtblcichen Manne hinan.
,Wenn ie Frauleia " brachte
er mühsam hiroor.
Sie meinen, wen ich Braut bin, so
wollen Sie natürlich gehen,' sagte
Ädclma errathend, aber gesagt. .Meme
Berheirathung ist aber noch nicht entschle-
nen. aum oave laz mem Jawort niczit
gegeben."
.Früher oder sxä?e.- ' sag! er,
sonst nichts.
.Sie kennen mich nicht, Herr Caloi,'
sprach sie. .Und' sie sah ihn fest und
kiar an, .man findet nicht immer da die
Liebe, wo man sie sucht.'
.Nein nicht immer,' wiederholte er.
.Auch dann nicht, wenn man sonst om
Glück begünstigt wurde.'
.Auch'dann nicht,' wiederholte er.
.Sie haben Recht,' sagte sie einfach.
.Und ich will jetzt weiterspiclen.'
Er war bleich wie in Sterbender,
dunkle Ringe lagen um seine Augen,
Mit einer ängstlichen Geberd fuhr er sich
über die Stirn.
.Darf ich Sie bitten, gnädig'S Fräu
lein," stammel!e er, .mich (ür heute
zu entlassen?'
.Sie sehen sehr angegriffen au, Herr
Caloi, wünschen Sie einen Wagen? Ich
werde anspinnen lassen. Aus Wieder,
sehen morgen! Ich hoffe Sie dann wohl
zu sehen. '
Er erschien am anderen Tage, ake? er
sah noch immer recht elend aus.
.Mein Fräulein,' sagte er mit schwa
chem Lächeln, ich komme meinen alten
Ver vorzubringen; ich bitte Sie, baß
Sie mich in Gnaden entlassen. Meine
Gesundheit ist ernstlich angegriffen, und
X, vjivtiwivt;.
No. 2.1.
ich le ab sichtige nach meiner Hei,
math ach Saoooe zu geh: die
ich alt kleiner Knabe verließ.
.So plötzlich, Herr Caloi, Sie ollen
Ihr zweite Hetmath ganz aufgeben?'
.E muß so fei.'
.Nun lassen Sie mich wenigsten noch
einmal Ihre Werke spielen. Liebe
Bonne,' sie wandt sich zu der alten
granzösi, .holen Sie doch die Noten
au dem großen Salon, bitte!'
Die Bonne ging.
Adelma trat auf ihren Lehrer zu, saßt
sein beiden Hände und flüsterte: ,Spre
chea Sie doch endlich ndlich!"
.Wozu sprechen?' murmelte er ohn
in Zeichen der Ueberraschung. al handle
eS sich um etwas Selbstverständliche.
.Carlo Caloi.' rief Adelma hoch auf,
athmend, .Sie lieben mich Sie haben
mich immer geliebt!'
.Warum glauben Sie das?' sagt er
mit rtnem letzten schwachen Versuch des
Widerstandes.
.Ich sah eS an den Blicke de!
Hasses, mit denen Sie mich ansahen
ich sah eS a Ihrer starren Miene, daß
Sie Ihr Herz verbergen ich sah eS,
wußte eS ganz genau!'
Sein Widerstand war gebrochen, doch
streck! er keine Hand nach ihr aus.
.Wa sollte ich thun?' sagte er mit
aus st immendem Blick. .Da Beste war,
stumm, schweigend, ferne zu sterben . . . . '
.Warum?' rief sie. .Habe ich nicht
drei Jahre um Dich geworben? Kannst
Du nicht an meine Liebe glauben? Und
willst Du mich nicht zum Weibe?'
Sie umschlang ihn und küßte seinen
Mund.
Auch Herr und Frau Kommerzienralh
mußten um dea stolzen Schwiegersohn
noch sörmlich werben. ES blieb ihnen
nichts übrig, denn Adelma wollte eS ja.
.Der hat eS klug angestellt der
wußt das Goldsijchchen zu fangen,'
sag! man, als di Verlobung bekannt
gemacht wurde, lS in Folg dessen Calvi,
der Musiker, in die Mode kam, als auch
die volle Sonn des Erfolges ihm zu
lächeln begann.
kieber todt als entehrt.
Eine Erinnerung an die ungarische Revo
lution. Nach dem Niederwerfen deS Aufstau,
deS der Magyaren im Jahre 1850 wur
den die Führrr der Ausständigen hinge,
richtet oder eingekerkert, die magyarischen
Honoedoffiziere aber als Gemeine in das
österreichisch Heer eingereiht. Damals
war S gestattkt, daß auch dies .Gemei,
ven' bei dem geringfügigsten Vergehe
mit Stockstreichen bestraf! erden konnte.
Kein magyarischer Ossizier aber hätte
diese Straf überleit, und so hatten die
jenigen von ihnen, die von böswilligen
Vorgesetzten geplagt wurden, den Tod
beständig vor Äugen.
o auch tscas Nikolaus Belhlen, der
au jener Zeit jetzt in ungarischen Blät
tern zur Erinnerung an den verstorbenen
Erzherzog Wilhelm folgendes Erlebniß
erzahlt :
In feiner fortwährenden Befürchtung,
Stockstreich zu rhalten, trug r ine ge.
laden Pistole bei sich verborgen und
wußte ni am Morgen, ob r am Abend
noch lebe werde. Er klagte fein Schick
fal einem Freunde in Ungar und er,
yteit ines Tages auf seinen Brief sol,
gmde Antwort :
Du bist von Dinr Todesangst erlöst
und all ingereihten Honoedoffiziere des
gleichen ; dieses Glück verdankt Ihr dem
edlen, großmüthigen Erzherzog Wilhelm.
Ader ich muh ir den orsall erzählen.
der daS Einschreiten deS Erzherzogs ver
antaßte.
In ein Husaren-Regiment eingereiht,
war der junge 0, Sohn inS ret
chen Grundbesitzers aus Süd. Ungarn,
unter der Mannschaft und den Unterosst
zieren sehr beliebt ; sein Unstern wollte,
daß er in die Eskadron des Baron W
eingelheilt wurde. Dieser Rittmeister ist
im ganzen Regiment verhaßt. Beim
Grasen Grünn aber ist er gut angeschrie,
bcn, weil er die einzerrihten Honvedosft-
ziere als .Rebellen' behandelt.
em Rittmeister Baron W. war die
Beliebtheit unseres jungen Honoedoffi
ziers ein Dorn im Auge. Er verfolgte
ihn auf Schritt und Tritt. Eine Mor
gen, l der Rittmeister besonder übel
gelaunt und mit dem Reiten deS jungen
, . . . nicht zutrieben war, lieg er ihn
vom Pferde absteigen und befahl dem
Wachtmeister, daß nach dem Ererzieren
. . . . zeyn siocktreiche erhalt.
Alles war entsetzt. Der Lieutenant
flüsterte dem Rittmeister etmaS in'S Ohr,
worauf Letzterer ihn streng anfuhr und
rief : .Scheeren Sie fich nicht um mich,
ich weiß, was ich thue, der Mann de
kommt zehn Stockstreiche I'
Ber Befehl wurde vollzogen. Der
junge v legte sich ans die Bank;
lettwarl rn geringer nlternung stand
der höhnisch lächelnde Rittmeister. Die
Stockschläge fielen nieder eS war schon
der sünste kein einziger Klagelaut.
TodeSftille. ,Wa, ist da !' rief der
Rittmeister. .Ihr müßt twa gemacht
haben. Er schreit ja nicht.' Und fc
Rittmeister nähert sich und stieß ,
von der Bank.
T schri Alle auf. Der j,gc
Husar war todt. Er hatte fich, al er
(ich auf die Bank legte, ,ia ganz Utint
scharfe Federmesser in da Herz ge
stoße.
Dem Schrei der Entsetzte folgt, ,,
Seiten der Husaren ta Schrki der Eut
rüftung vvd der Rittmeister fand skr
ralhsam, zu verschwinde.
Die Eltern de jungen . ... haben
dea Borfall ihrem langjährige Freunde,
dem Oberhofmeifter de Erzherzog WU
Helm, mitgetheilt, us diesem Wege r,
hielt der Erzherzog genaue Mittheilung
über da Ergebniß. Er war darüber
entrüstet nd sagte : Die Honved.Ln
folguna muß ein Ende nehmen oder ich
qutttir meine Charge und geh in' Au,
lind.' Wilhelm eilte zum Kaiser, öuiz
und berichtete ihm über die Behandlung,
die den eingereihte Hovoed Osfiziere
widerfuhr. Zwei Tage darauf wurde
durch Rescroibefehl verordnet, daß künf
tighin die zur Strafe eingereihten .Ge
meinen' nur wegen gemeiner Verbrechen,
und zwar auf Unheil eine Kriegs
richte mit Stockltreichen bestraft werd
dürften.'
Unmusikalische Aerülimtycileu.
Im Courler de .Figaro', der Ablhei.
lung, in welcher da Boulevardblatt
seinen Lesern Raum giebt, sich über aller
Hand kasuistische Spielereien zu unterhat
ten, findet sich eine Abtheilung: .Da
musikalische Gehör.' Die verschiedene
Auskünfte, die über die Frage gegebe
erden, ob das Fehlen musikalischen Ge
hörS bei einzelne Menschen intellektuel
lea oder physische Ursprung sei die
Frage ist so dilettantisch wie die meisten
Antworten interesfirea unsere Leser
wohl nicht. Nicht uninteressant dagegen,
ist eine Zusammenstellung .unmuftkali
scher Berühmtheiten', di: wir angesagt
finden. Katharina di Große sagt:
.Ich möchte um'S Leben gern Musik
hören und genieZen; aber ich mag thun,
wa ich will, sie bleibt für mich Geräusch
und nicht weiter.' BeaumaichaiS litt
gleichfalls an der .Melophobie'; er
sagte: ,WaS nicht der Mühe ist. ge.
sprachen zu werden, wird gesungen.'
Theophil Gautier nannte die Musik da
kostspieligste von allen Geräusche.
Fontenelle, von dem daS Wort stammt:
.Sonate, was willst Du von mir?'
erklärte, er habe drei Dinge nie verstehen
können: .DaS Spiel, die Frauen und
die Mustk.' Napoleon I. behauptete,
die Musik mache ihn nervös; er ließ aber
die MilitSrmustk täglich auf den Plötzen
vor den Militär Hospitälern spielen, .da
mit die Verwunde! ermulhigt würden.'
Napoleon III. ertrug die Musik nur mit
großer Ueberwindung. Victor Hugo
lieh sich entsetzlich lange bitten, b,S er
gestattete, daß man feine Verse in Muflk
setze: .Haben meine Berse nicht Wohl
klang genug, daß fl deS unangenehmen
Geräusches entbehren könnten?'
Wunderktche ZÄooe.
Van einer neuen Mode wird der Nnss
Ztg.' aus dem Pufterthal berichtet: Ge
i. -r.- ' ... rn.5
muiynry loyen wir in ver Gapstuoe, ais
eine Gesellschaft von lunnen Tiarn,
hereintrat und sich am Nebentisch nieder
lieg. ES waren warnen aus Wien.
Kaum hatten sie das Zimmer betreten,
als eiaentbümlicheS KelSute böibar ward.
Wir eilten zur Thür, in der Meinung,
vag vie narren einen Hund draußen ge
lassen bätten. allein. war nickt Nir
füßige zu sehen. DaS Läuten dauert
mzwiicyen iori. .tont", sragken mir
die Kellnerin, .wandelt nielleickt krauL
eine Kub mit ibrer Glocke umhttV
Toni bekam einen schreck und zwinkerte
mit den Augen. DaS hieß so viel als:
Sprich nicht weiter davon! Jetzt wurden
wir erst recht neugierig, zumal da da
unaufhörliche Läuten auf die Nerven zu
wirken begann. Das müßte doch nicht
mit rechten Dingen zugehen, fo dachte
wir, wenn man den Grund dieses Ge
räuscheS nicht entdecken könnte. Nach
aufmerksamer Umschau ward eS uns bald
klar, daß da Geräusch nur von de
Dame herrühren könne, und wirklich,
eine der jungen Mädchen trug am Arm
band eine regelrechte, wenn auch etwas
verkleinerte Kuhschelle. Bei jeder Be
wegung der Hand spielte der Glocken
schlägcl genau fo, rote er auf der Vieh
weide der Schelle die Töne entlockt, sobald
bog Thier den Kopf bewegt. Diese Herr
liche Nachahmung ist also die neueste Er
runaenschakt der Damenmoke, ff mnr
nicht reckt klar, ob das Glocken-nstrik,
ment dazu dienen sollte, die jungen
men vor erlrrungen zu vematzren,
oder die allgemeine Aufmerksamkeit ans
sie zu lenken. Hoffentlich sorgen die
Damen von Geschmack für baldige Unter
dröckuna der Kublebellenmode. 'Titnn
bräche sie sich Bahn, so könnte ein boS
hafter Fcauenlob singen: .Den Vogel
kennt man am Gefieder, die zarten Frauen
am Geläut!'
Begriffsstutzig.
...Sag'. Lnile. bist Du denn noch
nicht mit Deinem Verehrer verlobt?'
,Äch. weißt Du. der ist so schü ck
lern! Schon drei Mal hab' ich tbm
mein Jawort gegeben und ermerkt'
nicht!'
Vexlacirte Redensart.
Herr Ptzel erhält auf seinem nächtli
chen Heimweg in einer dunklen Allee von
eruem Unbekannten mit den Worten:
.Hab' ich Dich einmal, elender Kerl !'
eine schallende Obrseiae. ..Ad,r iA stV
Sie ja gar nicht bet der Dunkclbettl'
ruft Herr Piz.,. sich die Warze haltend
.es steiibar ein Jrrthunl. . Mit
mein hab' ich denn eigentlich da Vec
gnügen?'