Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, October 18, 1894, Image 12

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    Aus trüber Seit.
Von . Lach.
In seinem Arbei'.Szimmer saß noch spät
Abend der Justizrsih. Land, und Stadt.
richlkr.Tchreiber beim Licht einer Del
lampe am Pult und la eifrig in einem
Brief. Die Stirn di8 in der Blüthe dn
Jahr stehenden Manne roie tiefe Für.
chen auf. und die großen dunkelblauen
Augen blickten tief bekümmert.
.Unglück über Unglück", preßte cr leise
hervor, .nun mußte auch Blücher eapilu.
liren. Z)rk, der bei Altenzann und bei
Nossenthin mit seinen heldenmüthigen
JZgern den FranzmSnnern die Zähne
zeigte, liegt schwer verwundet, Spandau
ist über Herr, mein Gott, hilf Deutsch,
land mit Deiner starken Hand! Laß uns
geläutert aus der harten, nicht unve:,
dienten Prüfung hervorgehen, mir wollen
dal uusrige als treue MSnner dazu bei
tragen und ho,ch, eS klopft I
Vorsichtig öffnete Schreiber da Fen
ster und spähet durch die herzförmige
Oeffnung im Laden in die unfreundlich
November Nacht hinein. .Wer begehrt
Einlaß?' fragte er halblaut. .Ich, der
Lieutenant v. d. S. vom Regiment gor
ende, der Vetter Ihre Schwager Karl."
.Sofort, Herr Lieutenant I
Schreiber schloß geräuschlos die Thür
auf, hielt die über derselben befestigte
Klingel fest und zog den Offizier am Arm
auf di Diele.
.Willkommen im ehrlichen Hau
aber hinein in die warme Stube.- Di
Minner schüttelten sich die Hand, und
der Lieutenant, in keck aussehender
Mann, blond und blauäugig, mit klein m
dichten Schnurrbart und wildistcuppigem
Bartanfang um Kinn und Wangen,
lachte den ernsten Justiz! an. .Ja,
ja', meinte er, .da haben Si mich dick
mal ung,bk!en und aus der Flucht, mit
wichtigen Nachrichten für den König. Bei
Lübeck ging heiß her, aber ich nebst eini.
gen Anderen konnt mich saluiren. Doch
nun, Herr Jastiziar, bitte ich um Speise,
Trank und einig Stunden Ruhe, muß
bald weiter man ist mir auf der Spur
und nur di dunkle Nacht vermag mir
weiter zu helfen.'
.Vor allen Dingen, mein junger
Freund, in andere Kleider! Sie sehen
ja entsetzlich aus, zeifchunden, durchnäßt
und voller Schlamm hier, nehmen Sie
diesen erwärmende Nußliquuer, selbst
von meiner geliebten Frau Friedertke
kurz vor ihrem Heimgange bereitet."
.So, ist meine theure Cousin todt ?
,DaS Unglück des Vaterlandes brach
der von schmerer Krankheit kaum Gene
senen da Herz I'
Der Offizier drückte dem gebeugten
Manne mit innigem Blick die Hand und
begann sich eiligst seiner Uniform zu nt
ledigen.
.Hier, dieser Anzug, Freund, wird
Ihnen gerade passen, er gehört dem Fi
scher Engelke, dem Bruder meiner HauS
hälterin, und hier steht Leibwäsche zur
Verfügung. Di Sachen passen ! Jetzt
den Schnurrbart herunter, ganz glatt
weg, der andere Hol,hcckerbrt', sagte
der Justiz!, .bleibt besser stehen so,
nun erkennt Sie Niemand I
Vkrgnügt beschaute sich Lieutenant o.
d. S., schnallte den Geldgurt, an dem
zwei Pistolen hingen, nebst Pulverhorn
und Kugelsack um und ergriff den Degen.
In der Speisekammer, wohin die beiden
Männer sich darauf behutsam begaben,
entwickelte v. d. S. inen Löwenhunger,
und der Wirth, der lächelnd zuschaute,
erfuhr, nachdem der erste Appetit gestillt
war, daß der Ossizier bei Gusow dem
Feinde fast in die Händ gefallen wäre,
wnn nicht in gewisser Jur Wegenir
ihn vor zwei Tagen über Leischln und
Mehrin durch daS fumpflge Bruch unier
Lebensgefahr hierher gebracht h!t!, wo
noch kein Franzosen außir den Magazin
beamten seien. Jure sei sofort vkiter
zu seiner Schwester, der Lehnschulzen
wittwe Sophie Falkenberg in Gustebiese,
geeilt, um ihm dort in Fortkommt per
Kahn zu ermöglich, n.
Der Justiziar sann rst einige Augen,
blick nach, dann meint er: .Der e
gkner und feine Schwester sind zuver
lässige, treue MLnner, was man in die
fer PrüfungSzeit nicht von jedem rühmen
kann, und ich zweifl nicht, daß si alles
aufbieten werden, um Sie zu retten. Es
bleiben Ihnen noch 4 Smaden Zeit zur
Ruhe und bann soll mein ältester Sohn
Wilhelm als Führer dienen, er kennt
Weg und Stz und so zur Lehnschulzin
bringen, daß nicmajid vom Gesinde tort
twa merkt B' ist besser so!'
Man begab sich daraus nach dem Vor
dergemcch und v. d. S. ruhte bald auf
breitem Leierfoxha in erquickendem
Schlaf. Der Justiz! aber hatte das
Licht gelöscht uud achte für den Flücht,
ling.
Dumpfe Sch'äg der Thurmuhr ver
kündeten die v nt Morgenstunde. Der
Hausherr rhod sich und schlich leise zum
Zimmer Hinaue, di Treppe in die Höhe,
zur Giebelstude, wo er seinen Sohn
Wilhelm, eine ISjährigengroßgemachse.
neu Jüngling weckt und ihn rasch unter,
richtete. Nach einer ViertelflunI ver
ließen Lieutenant o. d. E. uud der junge
Schreiber das HauS, gegen daS abfcheu,
liche Schlackerwetter durch geölte Ueber
würf geschützt, und gelangten über den
Wall und durch ein Pförtchen nach dem
Ufer der alten Oder woselbst im Schilf
in Etnbaum lag, den sie bestiegen. Die
alte und getreue Stadt Wriezen, welche
sie verlassen, lag einem gigantischen
Klumpen gleich da, und über die Riede
rung fegte heulend der Novembersturm.
DieUeberfahrt ging trotz deS hochgehenden
Wassers ohne Unfall von Statten, und
man betrat die Oderinsel, di in allen
Kriegen als geeigneter Uebergangspunkt
für die Heer benutzt worden wur und
viel Leid und Trübsal erfahren hatte.
Vornehmlich konnten die Einwohner von
Güftedriese ein Klagelied von Lasten
und Erpressungen singen, und auch zur
Zeit befanden sich gewiß schon Frai-zosen
in diesem alten öt.ixxmort. Darum hieß
eS behutsam vorsajrcilev! Aus Richt,
und Schleichwegen, über groß und kleine
Gräben, Hkck-n, Zäune, durch Schilf
und Rohr gwgs vorwärts, und um 7
Uhr standen die Waiderer am Schafftall
des LehnschulzenhoseS, der noch völlig im
Dunkel ruhte, nur durch die Ritzen der
Fensterladen de WohahauseS schimmerte
Licht.
Lkis besprach sich der Jüngling mit
dem Vetter setner verstorbenen Mutter,
daraus schlich er zum Pferdestall. be.
ruhigte di knurrenden Hunde und kchrle
mit einer Pferdedecke, Wurst, Brod und
einer Flasche Branntwein zurück.
I tr großen Wohnstube stand um
dies Zeit die Lehnschulzin oben am r.
erleuchteten langen Tisch, links ihre bei
den Töchter Christian und Wilhelmive,
rech'S ihr Bruder Jur Wegenr, in
wetterharte Gestalt, und an diese reihten
sich di Schaffnkrin, der Großknecht und
das Gesinde. Tis Stille ersüllte das
Gemach, nur di alt, höh Standuhr
tickt, und der Regen klatschte gegen die
geschlossenen Fensterläden.
Da ergriff die Lehnschulzin die Bibel
und begann mit lauter Stimme JesaiaS,
VrS 7 zu lesen: .Euer Land ist wüst,
Eure Städte sind mit Feuer verbrannt;
Fremde verzehren Eure Acker vor Euren
Rugm, und ist wüste, als das, so durch
Fremde verheert ist.'
In den Augen der starken Knechte und
der derben, ftachöhaarigen Mägde leuch.
tete S ingrimmig auf, in leises Gemur
mel erhob sich, und die aibeitg, wohnten
Finger preßten lie Tischkante. Di
Hauöherria aber blickte streng und fuhr
fort: .So hallet denn Treue dem ange.
stammte Fürsten, mir und Euch selbst in
dieser Zeit der Noth es soll nicht
heißen, daß deutsche Treu wie in
Schilfblatt bei leisestem Hauch fchwanktel
Leistet dem Bedränger keinen Vorschub,
aber kämpft auch nicht gegen ihn als feige
Meuchelmörder, nur im ehrlichen Kampfe
besteht ihn!'
Dann fpkach die Wittwe das Gebet,
flehte um Schutz für den König und das
königliche Haus und lud darauf zum ge
meinsamen Morgenmahl ein.
In diesem Augcntllck trat Wilhelm
Schribr in's Zimmer und nahm nach
kurzem Gruß n:bn Chrisiirne Platz.
Während des haldlauten Gesprächs,
dem man sich hingab, bemerkte Niemond,
daß der Jüngling der Schulzin und dem
Jure In gewisses Zeichen gab, das r!ch
ttg verstanden wurde. Schon nahte das
Frühstück dem Ende, als plötzlich mehrere
grobe Schläge an die geschlossen HauS
thüre geschalen.
Allls verstummte und horchte.
Di Lehnschulzin aber erhob sich, er
griff in Licht und schritt zum Volsiur.
.Wer wünscht Einlaß?'
"Ouvrez, ouvrez, madarne!" ttZtt
tn mehrn Stimm gleichzeitig, und
von Neuem donnerten die Gewehrkolben
an die Thür. Jetzt schloß di Frau auf
und stand, beleuchtet von dem unruhig
hin und her flackerrdm Licht in der
Hand, ror twa 5 französischen Gendar
men.
.Was ist Ihr Begehr?'
.Halten Sie, Madaai, inen preußi,
schkn Ossicier Namens v. d. S. bei sich
verborgen?' fragte der Wachtmeister in
gebrochenem Deutsch.
.Ich kenne keinen Ofsic! dieses Na
meng und habe ihn nie gesehen suchen
Sie ihn, wenn Sie glauben, baß er hier
s.i.'
Der Wachtmeister berieth sich flüsternd
mit feines Untergebenen, und der Lehn
schulzin sein Ohr vernahm, daß man zwei
Leute in der Richtung ihres Gehöftes
habe schleichen sehen. Ein Schreck durch
fuhr ihre Glieder, doch schnell gefaßt,
verzog sie kein Miene. Der Wacht,
meister aber erklärte barsch, das ganz
Gehöft durchsuchen zu wollen, und er
mahnt nochmals, die Wahrheit zu sagen,
denn br Lieutenant v. d. S., der wich
tige Schriftstücke für den König von
Preußen bei sich führe, fei beim Eintritt
in ihr HauS geseh'.n worden. Die Hof,
besttzerin schwieg verachtungsvoll, und
fluchend schob sie de? Wachtmeister bei
Seile. Ein Gendarm blieb mit gespann
tcm Carabiner an der Thür, ein zweiter
xoflirte sich am Ausgane nach dem Hofe
und der Wachtmeister betrat die Stube,
ganz rstaunt di Versammelte betrach
tend ur.d scheu die noch aufgeschlagene
Bibel. Er rLusperie sich, reckte die Ge
ftalt und erklärte ingrimmig, einen Je
den, der zu entr?eichen gedächte, sofort er
schießen zu lassen. Hiernach begann er
mit dem Verhör, aber trotz seines Schim.
pfenL und WetternS bekam er nichts
heraus, denn Knechte und Mägde, die
nichts wußten, antworteten in einem
Platt, daS der Franzose nicht verstand.
Dieser gerieth außer sich, schlug mit der
Faust aus de Tisch und brüllte: .Der
Lieutenant v. d. S. ist doch aber in Be
gleitung eine? jüngeren Menschen hier
eingetreten!'
Da lachten Jur und Wilhelm Schrei
ber hell auf und der ältere erwiderte:
.O, nein: Herr Commandant, das waren
wir beide hier wir trafen um 7 Uhr
bei meiner Schwester ein, und wollten
heute die Hammel, die für den Inten
danken in Wriezez zu liefern sind, hin
bringen.'
Der Wachtmeister glotzte den Sprecher
und alle andern dumm an. .Das ist ja
zum Teufklholen', fchri r zornig,
.der. . . ," und er verschluckte den Namen
deS elenden Spion, .sah beide hinein
schlüpfe vorwärts,' wand! r sich an
di Gendarmen, .S wird alles genau
durchsucht und umgekehrt! Die Leute
bleiben hier, Madame, Sie aber führen
uns und wehe Ihnen, wenn der Offizier
gefunden wird!'
.Ich beuge mich der Gewalt, Com,
Mandant,' gab die Lehnschulzin äußerst
ruhig zurück und schlug igenhändig die
genMliden bei Seite, schärst euch
nochmals dem Gesinde in, die Stube
nicht zu verlassen.
Der Wachtmeister nahm eS sehr ernst
mit seiner Aufgabe und kchlte da! oberste
zu unter st, stach in alle Heu und Stroh
hausen und klopft an all WLnd, um
!wa vermauerte Räume zu entdecken.
Alle Scheunen und Stellungen wurden
peinlich genau untersucht, doch nirgend?
fand sich da kleinste verdächtige Zeichen.
Höchst übellaunig gab der Wachtmeister
die Revision auf und betrat die Stube,
in der die Knechte und Mägde ihn gleich,
gültig, ohne jede? Merkmal der Er
regung anstarrten, Jure und Wilhelm
Schreiber aber schlafend auf dem Kana
pee saßen und die Töchter zum Fenster
hinaus t daS Schneegestöber hinein,
blickten.
Der Franzos betrachtete die Schlafen'
den, doch al er seinen Blick auf die
schmutzigen Stiefel siel, da schwand sein
Mißtrauen und er kam nun doch zu der
Meinung, daß nicht der Offizier, sn
dem diese Leute daS Gehöft betreten
hätten. Dem gab r Ausdruck und er
theilte dem Gesinde die Erlaubniß, an
fein Tagewerk zu gehen. Ein ihm dar
gebotenes Frühstück nahm er mit gönver
haftem Kopfnicken an, und Jure unter
hielt ihn und feine Mannschaften so gut
eS ging. Die Gendarmen schieden höf
(ich er als si gekommen waren und trab
ten auf Bärwalde zu, den Flüchtling
dort zu suchen.
Im Hose ging alleS den gewohnten
Gang, und ein Bauer, der einige Male
vorbetschritt und prüfenden AugeZ daS
Leben und Treiben beobachtete, vermochte
kein Anzeichen zu entdecken, das ihm An
laß gegeben hätte, die Gendarmen aber
malS herbeizurufen. AIS er wieder, die
kurze Thonpfeif zwischen den Zähnen,
entlang schlenderte, trat Jure Wegen
heraus und sprach ihn an: .Gevatter,
ich will Dir einen Rath geben! Hüte
Dich und Dein HauS vor jenem mein
eidigen Schuft, der König, Vaterland
und seine Landsleute um schnödes Geld
und aus Rachsucht an den Feind ver
räth.'
,WaS meinst Du damit?!'
.Was ich meine? Ich will Dir'S sagen.
Ein Hundsfott hat dem französischen
Wachtmeister angegeben, meine Schwester
hielte den Lieutenant v. d. S. verborgen,
er selbst habe diesen in Begleitung eines
andern heute früh eintreten sehen. . . .ich
selbst ober mit Wilhelm Schreiber kam
heute Morgen zu meiner Schwester! Un
ser Hand ist zu schad für solch' inen
elenden Verräth, ihn wird Gott schla
gen! Nicht für ungut. Gevatter!'
Damit trat Jure wieder zurück, und
der Gevatter schlich bleichen Antlitzes
davon.
.Was hattest Du mit dem?' fragte
Wilhelm Schreiber.
.Er war'S !'
.Was der warum?!'
.Aus Rache! Die Schwester lehnte den
Antrag deS Geldgierigen ab.'
Der Jüngling blickt rstaunt der.
Kelteren an und schüttelte das Haupt
so etwas begriff sein lauteres Gemüth
nicht.
Der Tag verstrich, Jure brachte di
Hammel nach Wriezem und kehrt rst bei
völliger Dunkelheit heim. Es begann
ein starkes Schneegeriesel, und der Wind
umheul! das weil Gehöft, dessen Be
wohner in den Stuben am warmen
Ofen saßen und leise Unterhaltung pflo
gen, welche das Schicksal des Landes be
traf.
Bruder Jure aber bereitete am Feuer
einen steifen Eiergrog und füllte den
leinenen Schnappsk'ck mit Proviant, legte
auch einen großen Schafpelz zurecht
Nachts fährt sich'S kalt auf dem Wasser!
Die Klapper gab daS Zeichen zum
Abendissen, daS Gesinde, mit Ausnahme
dcS Großknechts Claus Henning, ver,
sammelte sich in der Herrenstube, auch
Jure und Wilhelm Schreiber fehlten.
Die Lehnschulzin sprach das Gebet und
man setzte sich zu Tisch.
Nach beendeter Mahlzeit trafen die
Fehlenden ein und holten da Versäumte
nach, die Haukherrin aber sandte die
Töchter mit Austtägen hinau und blickte
erwartungsvoll auf die Männer.
.Er ist glücklich fort', berichtete Wil.
Helm halblaut, .der Kunze bringt ihn
zum Fischer Licht und der ihn die Oöer
stromab bis NiederKränig, von wo aus
Patrioten ihm bis zur Küste weiter hel
fen werden.'
.Also eilte r doch in meinem
Hause!'
.DaS nicht, Schwester', versetzte Jure
re verschmitzt lächelnd, .ber dein Gast
war er dennoch.'
Die Mienen der Frau drückten außer
gewöhnlich Ermattung aus, aber ihre
Gemessenheit verließ sie nicht.
.Ja', meint Wilhelm Schreiber
schalkhast, .Herr v. d. S. läßt Ihnen
herzlichen Dank für Brot, Wurst, Grog
und Pelz sagen auch für das weiche
Daunenbett.'
Die Männer weideten sich am Erstau,
neu der Frau und lachten heiter, die
Lehnschulzin aber versetzte ärgerlich:
.Jetzt mal rang mit der Sprache, ich
habe ein Anrecht zu missen, wo der Ossi
zier so unauffindbar gesteckt hat?'
.Als ich heute früh um sieben Uhr mit
Herrn o. S. anlangte, ließ ich ihn am
Schafstall warten, holte, wie er'S Jure
verabredet, aus dem Pferdestall Decke
und Lebensmittel. Im Schafflall ge,
dachte ich ihn zu verstecken, denn in'ö
HauS sollte er nicht und sehen durste ihn
Niemand. Da merkten mir noch zur
Zeit, daß Jemand daS Gehöft umschlich
und verhielten uns ganz still. Der Mann
bemerkte uns nicht und verschwand.
Schnell holte ich nun di klein Leiter
und den Feuerhaken herbei, legte sie ans
Schilfdach und Herr v. d. S. erklomm
den Dachfirst des Stalle. Er stieg in
das groß uralt Storchnest' hier
machte der Erzähler ein Paus, um sich
an dem ungkheuchelten Erstaunen der
Frau zu ergötzen.
.Darauf wär Niemand geksmm'n!'
rief bewundernd die Lihrischuizin, ,Wil
h:lm, Tu bist ein Hauvtjuntie-nun soll
noch einer sagen, daß ein Sioichnest kei
ne Segen bring!! Ja, ia dem großen
Rtst, o fünf Störche Platz haben, kann
ei erwachsener Marn bet twaS gutem
Willen sich schon verbergen.'
.DieS geschah auch, nachdem r vr
schieden Knüppel und allerlei Unraih
hlvauSgemirfen Hut. Er that, warm
zugedeckt, inen tiefe Schlaf da oben.
Der Grog mundet ihm ausgezeichnet,
und die LedenSmittel erden ihm die
Wasserreise verkürzen.'
Frau Falkenberg athme! hoch auf und
faltete inbrünstig tie Hände. .Mögen
noch recht viel tapfer Männer dem Kö
nig lud dem Vaterlavde durch treuen
Muth und kluge List erhalten bleiben
der Tag wird nicht allzusern sein, an
welchem wir dem Feind den Weg rück
wärt kiskn. Wir aber, schloß die
brave Fiau, .wollen da Geheimniß zum
Besten aller wahren.'
Jure kehrte ander Tag auf seinen
Hof und Wilhelm Schreiber nach Wriezen
zurück, der Lieutenant o. d. S. aber er
reichte ungefährdet Rügenwalde, von wo
er durch Vermittelung deS Bürger
meisterS Reckzeh auf einem Küstenfahrer
Königsberg erreichte und die Brief an
den König abliefert.
Wilhelm Schreiber trat 1813 als frei
williger Jäger ein, focht in den Jahren
1814 und 1315 ebenfalls mit und kehrte
als Ofstzier in Ehren und narbenbedeckt
nach Wriezen zurück, um bald daraus
Chlistiane Falkenberg, daS älteste Lehn,
schulzentöc!.tnlei, als Frau auf sein
Gut MehUn zu führen. Lange Jahre
hindurch stand er noch als Landwehr,
Lieutenant bei den 3. Ulanen. DaS
Lehnschulzengut aber kam in andere
HZnde, und ob daS historische große
Storchnest noch ristirt, weiß ich nicht.
hinter der Säule."
Ein TestirungS-Geschichtchm von W. Lynn.
Das Semester war zu Ende. Spund,
Faß und Korar freuten sich doppelt der
Ferien, hatten sie doch nun die offizielle
Erlaubniß, daS zu thun, was sie leider
schon ohne diese Erlaubniß daS ganze
Semester hindurch gethan hatten zu
bummeln nämlich.
Heute freilich zogen die Drei recht de
kümmerte Gesichter. Soll eine Vor
lefung wirklich .angerechnet' werden, so
ist bei Semesterschluß daS Testat deS je
weilige Professors im Collegienbuche
nothwendig. Bei den meisten Pro
f,ssoren ist das Teftiren eine reine Form
fache, der st sich so schnell wi möglich zu
entziehen suchen, aber bei bemalten Pan
dekten Professor GenetiuS war das eine
heikle Sach. Trotz seiner riesigen In
streuthett kannte r di Gesichter seiner
Hörer sehr gut und teftirte keinem den
.Fleiß', wenn er sich nicht erinnerte, ihn
auch fleißig in seinen Vorlesungen gesehen
zu haben.
Das eben war die Kümmerniß der
drei ackeren Commilitonen, den
ach !' Keiner von ihnen hatte auch nur
eine Fuß in GenetiuS' Auditorium ge
setzt. Es war der letzte Tag, an dem sie daS
Testat erlangen konnten und seit früher
Morgenstunde saß daS Kleeblatt im
.Löwen' beim Frühschoppen.
.Kinder,' meinte Spund endlich seuf
zend, als die dritte NachmittagSstunde
schlug, .versuchen wir'S doch einmal
also laßt uns unsere feuchte Sitzung
beschließen und hinziihen zu deS Pro,
fessorS HauS.'
Stumm und in sich gekehrt schritten
di Drei ihres Weges dahin, bis sie vor
dem alten Hause standen, in dem der
Professor wohnte.
.Gehen wir alle Drei zusammen!'
meinte Korar.
.Nein,' versetzte Spund, .das wär
vom Uebel! Mir ist soeben in Gedanke
gekommen. Ich werde zuerst hinauf
gehen glückt'S, so gebe ich Euch mein
Mittel xulS!'
Und Spund ging.
Keine fünf Minuten vergingen und,
fein Collegienbuch schwingend, da erschien
er, über das ganze Gesicht lachend, wie
der auf der Schwelle.
.Hurrah! Ich habe mein Testatl'Z
Nicht möglich,' schrieen di Anderen.
.Mensch, Spund, wie hast Du das an,
gefangen?'
.Ganz einfach. Als ich dem alten
Professor mein Buch zum Teftiren hin
gab, sah er mich forschend an und
meinte:
.Sie habe ich ja nie in dieser Vor,
lejung gesehen!'
.Leider, Herr Professor,' war meine
Antwort .ich hatte auch einen der
schlechteste Plätze ich saß nämlich
hinter der Säule!'
.Und was meint Ihr das frap,
pirte den alten Herrn. Er fah mich
noch einmal stumm an, schüttelte dann
langsam den Kopf, aber er testirte:
.Mit Fleiß besucht!' So, Faß. nun
bist Du an der Reihe mach'S wie
ich!'
Und bangenden Herzens schritt Faß
hinauf und trat mit höflicher Verbeugung
in.
.Ich wollte den Herrn Professor
bitten, mir den fleißigen Besuch der
PandectkN'Vorlesung zu bescheinigen!'
säuselte Faß mit rührendem Tone.
Der Professor sah ihn an und schüttelte
unwirsch den Kopf.
.Sie habe ich ja nie i meiner Vor
lesung gesehen, Herr Studiosus!'
.Das konnten Sie auch nicht, Herr
Professor,' log Faß mit eiserner Stirn
.ich hatt leider in diesem Semester
Inen ungünstige Platz Ich saß
nämlich hinter dcr Säule!'
Der Pr?sssor fuhr zurück. .Sie
auch? i-Uin, diese Säule ist mir denr
doch ein wenig störend. Ich werde im
Semester in einem anderen HZ'.feal
lesen müssen. tnttt, eden Sie rrir
Ihr Bucdi'
Mit freudig klopfendem Herze sah
Fah, wie da, .Mit Fleiß besucht.
GenetiuS' eingsjritben wurde ur.d er
hastete die Treppen hinunter zu seinen
Commilit,,?'.
Während orer sich fertig machte, um
als Drilter fein Testat zu erschwindeln,
rief GenesiuS feine im Nebenzimmer
arbeitenden gsmulu herein.
.Hören sie, lieber N.. notiren Sie,
daß ich mir im nächsten Semester einen
anderen HLrsaal zuschreibe lasse die
Säule gentrt mich doch ich habe einige
meiner Hörer gar nicht sehen könne.'
.Welche Säule, Herr Professor !'
.Nun die Säule im Auditorium, in
dem ich Pandecten la, lieber R.'
Gleich darauf stand der Korar vor dem
Professor.
.Merkwürdig', sagte dieser heut
tauche lauter unbekannt Gesichter vor
mir auf .haben Sie denn meine Vor,
lesungen überhaupt besucht?'
.Mit größ,A Fleiß, HerrProfessor!'
.Aber wie kommt , daß ich Si nicht
kenne?'
Sie haben mich wahrscheinlich nicht se
hen können, Herr Professor. Ich habe
daS Bolhandensetn der Säule aus das
Tiefste bedauert. Leider hatte ich hinter
derselben meinen Platz und
.Sie auch?' rief der alt Professor.
.Das ist doch wirklich zu ärgerlich. Den,
ken Sie, St sind schon der Dritte, der
hinter der Säule saß. Nun, da muß
geändert weiden. Bitte Ihr Buch!'
Korar eilte nicht, nein er stürmt di
Trepp herab und brach draußen in ein
so stürmische Gelächter aus, daß Spund
lhn erschrocken aus der gesährlichen Nähe
deS ProfegorenhauseS fort zog.
.Kommen Sie', sagt in diesem
Augenblick der Professor zu feinem Fa
muluS .wir ollen doch gleich einmal
in di Universität hinübergehe die Ge
schichte mit der Säule regt mich ordern1,
lich auf.'
.Welche Säule nur, Herr Professor,
in ihrem Auditorium ist ja überhaupt
keine Säule!'
.Junger Mann' sagt Gcr.ktiuS
streng, .St scheinen die Räumlich
seit nicht genau im Kopse zu haben.
Drei meiner Hörer haben hin dersel
ben gesessc.'
Schweigend ging der FamuluS an der
Seite seine Professor zum Unioersttäis
bau, schweigend öffnet r di Thür de
HörsaalS:
.ES ist keine Säul drin, Hrr Pro
fessor!'
Der gut alte Gelehrte stand da mit
offenen Munde, dann legt sich feine
Stirn in Falten, aber in demselben
Augenblick zuckte eS in seinen Mundwin
kein, und lachend brach r auSl
.O, diese durchtriebenen Schelme!'
Dachte er an die eigene fröhliche Stu
bentenzeU? Gewiß denn er that nicht,
um sein Testat zu widerrufen. Aber
als Spund, Faß und Korar im nächsten
Semester wirklich in seiner Vorlesung
erschienen, bat er sie, auf der ersten Bank
Platz zu nehmen!
sin guter Arate i gutes Kerz
Es wird mit Recht ein guter Braten
Gerechnet zu den besser' Thaten,
Und daß man ihn gehörig mache,
Jii weibliche Charaklersache:
Ein braves Mädchen braucht dazu
Mal erstens einmal Seelenruh',
Daß bei Verwendung der Gewürze
Sie sich nicht hastig überstürze;
Dann zweiter. braucht ste Sinnigkeit,
Ja, sozusagen Innigkeit,
Damit sie Alle appetitlich
Bald so, balo so und recht gemüthlich
Bcgießen, dreh'n und enden könne,
Daß an der Sache nichts verbrenne.
In Summa braucht sie Herzensgüte,
Ein sanftes Sorgen im Gemüthe,
Ein sanftes Liebrn insofern
Für all' die hübschen, edlen Herrn,
Die diesen Braten essen sollen
Und immer gern was Gute wollen.
Ich weiß, daß hier ein Jeder spricht:
Ein böse Mädchen kann dieS nicht,
D'rum hab' ich mir auch stets gedacht,
Au HauS und anderwärts,
Wer einen guten Braten macht,
Hat auch ein gutes Herz.
Zann ging's kos.
Eine in der Umgehend von Manchester
i Kentucky lebende alte Frau war kürz
lich als Zeuge vorgeladen, um über eine
Schlägerei und Schießerei Auskunft zu
geben, die einige Tage vorher in ihrem
Hause stattgefunden hatte und bei dn
drei oder vier Personen das Leben ein
büßten. Sie betrat den Zeugenstand
m,t offenbarer Abneigung und großen
Zögern, und als der Richter sie fragte,
aS sie von der Sache wüßte, antwor,
tete sie: .Well Richter, das erste aS ich
weiß, war, daß Bill Sanders den Tom
Smith einen Lügner nannte und das
Tom ihn mit einem Knüppel niederschlug
Einer von Bill'S Freunden stieß dann
nach Tom mit einem Messer und schnitt
ihm eine gehörige Strippe au. Sam
JoneS, in Freund JoveS', schoß dann
den Andern, und zwei Andere schössen
auf ihn, und drei oder vier Andere erhiel
ten von irgend Jemand gehörige Messer
stiche. DaS verursachte natürlich twaS
Aufregung, Richter, und dann ging'S
loS!'
Nicht recht verstanden.
Frkmder (ein Zuchthaus besichtigend):
.Wie viel' Insassen zählt die Anstatt?'
Wärter: .23!'
Fremder: .Sind die Beamten mit
eingkschlofskn?'
Wärt : .Rein die laufen
frei hrum!'
Vorschlag.
Hrr (zu der stellesuchenden Wirth
lchajterln): .Sie gefalle mir so weit
gariz gut, nur ist mir dn Loh etwa?
viel.'
,We,,v ich Ihnen gefalle, da kZa,
nen Sie mich dcch einfach betrathen und
brauche tan gar keine Loh zu zah
ienl'
t?zng der Vilng.
Karlchen: .' ist doch schön, wen
man Schwestern hat, die in incm Jvsti
tut gewesen sind I'
Besuch: .Weshalb denn?'
Karlchen: ,O, jetzt krieg' Ich all
Wurstzipfel ;. . früher habe sie di selbst
mitgegessen !'
Kleines MißverftZndmjj.
...Glauben Sie, Herr Graf, an
erblich Bklastung?'
,O gewiß! Ich habe in dies Be
Ziehung selbst sehr traurige Erfahrungen
an meinem Rittergut gemacht!'
Schneidig.
Lieutenant (Castooo,stand, die Tafel
musternd): .Ordonnanz, Sie sind ei
ameel! Ist ji Alle schief gk
deckt!.. Sie sind wohl Schtsr
dckr, he?'
Naive Vertheidigung.
Schwurgericht, Präsident : ...Ange
klagler, Sie geben also zu, den Müller,
Ihre Meister, auf Anstiften seiner Ehe
(Mi durchgeprügelt zu haben?'
Angeklagter: .Jawohl !'
Präsident : .Wie konnten Sie aber so
roh an Ihrem Brodherrn handeln?!'
Angeklagter: .Die Meisterin hat
mich immer gedrängt und gedrängt und
wissen S', Herr Richtn, ich bin halt a'
guter Krl!'
Aus dcr Kaserne.
Lieutenant (ber auf dem 5xercierplatz
einen Unisv'.mknopf findet, zum Feld,
webel): .Bringen Si mir 'mal den
Kerl, der zu diesem Knvpf ge
hört!'
Aus dem Album eines Barsches.
Wenn wieder in meiner Heimath ich bin,
Wo die Luft so dick und die Milch so
dünn,
Dann denk' ich mit Sehnsucht zur Alpe
zurück.
Wo die Luft so dünn und die Milch so
dick.
Kurze Entrüstung.
Commi (in'S Comptoir tretend): .EI
Arbeiter bietet sür diesen Anzug, der 50
Mark kosten soll, 20 Mark!'
Chef: ,20 Mark? Ein unverschäm.
ter. frecher Kerl!'
CommiS : ,WaS soll ich thun?'
Chef: .Was Sie thun soll?!
Einwicktln sollen Si 'n ihm!'
Rindliche Drohung,
Emil (der soeben von seinem Vater,
einem Schriftsteller, gezüchtigt
wurde): .Warte nur, Papa, wenn ich
einmal groß bin, werde ich Rcen-
skNt!'
Ein dankbarer Sxitzbube.
Vagabund (zu einem Lokalreporter):
.Ach, bitt' schön, schenken S' mir 'wa l
Ich stell' schon wieder 'mal wa! an, mo
S' dri Spalt d'rüber schrei
benkönn!'
Der letzte Trumpf.
LebenSversicherungSagent (nachdem n
sein ganze UeberredungSkunst aufgebo
ter.): .Wenn Ihnen das Alles nicht ein,
leuchten will, so würde ich mich versichern
lassen, um meinen Erben ein Schnipp
chen m drehen I'
.Wieso?'
.Von unserer Gesellschaft kriegen st
nämlich dcch nichts!'
In der Verlegenheit.
CommiS : .Ich möcht auf In paar
Tag Urlaub. Herr Prinzipal! Mein
Großmutter ist gestorben!'
Prinzipal : .Hören Sie, das ist nun
das viert Mal, daß Ihre Großmut
ter gestorben ist!'
CommiS : Ja meine Großmutter
war eine merkwürdige Freu !'
Sicheres Zeichen.
.Sagen Sie, Herr Lieutenant, kennen
Sie die Frau Geheimräthin näher?'
.Jewiß sehr geistreich I Neulich
Witz jemacht sie sofort kolossal
jelachtl'
verschnaxpt.
.Ist die gnädige grau daheim?'
.Nein, mein Fräulein !'
.Wann wird sie denn wieder zu Hause
sein?'
.DaS kann ich Ihnen nicht sagen l Ich
weiß ja nicht, wann sie ausgeht l'
Losdaste Wendung.
Junggeselle : ....Wenn die Frau
nicht alle so anspruchsvoll wär,
wäre ich schon längst verheirathet !'
Dame : .Ach, Sie werden schon noch
eine bekommen l'
Drohung.
Gattin (zu ihrem Mann): .Wen
Du mir nicht gleich einen neuen Hut
kaufst, wird mir sofort mein Winterkleid
zu eng!'
Tourist (zum Führer, der ihn zu einem
berühmten Wasserfall geführt): ,Wai
verlangen Sie?'
Führer: .Fünf Mark!'
Tourist: .Wie kommt da? Mein
Freund war vor einigen Tagen hier und
von dem verlangten Sie doch blo drei
Mark I'
.Führer: .Heut' ist eben Alpen
glüh' dabei !'