Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, October 11, 1894, Image 10

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    Der jüngste tieutenant.
rjahlung son e n h o l d C 1 1 m a n n.
ifx war 20 Jahr alt und der einzige
Lohn wer Wiitse. 3Do Gellchtnch
seine Vater leite uur in einem er
schwommenea, unsicheren Bilde in fei
neu, Herzen fort, in dem Bilde .im,
schönen, stattlichen Manne, der ihm oft
mal, lacherd den blanken Helm über da,
Köpfchen gestülpt hatte, und dessen Dr
denikreuz dem kleinen Han, stet all
ein s begehreniaierthe Spielzeug er.
iAl,ntn maten. Nur an dunkel krin
n.ri, ,r fl noA Ke Taae. da ihn der
fASnt Dfstn so fest an seine Brust ge
drückt batte. daß er laut aufschreien
mußte vor Schmerz und da die Mama
gar nicht aufgehört hatte, zu weinen. An
jenem Tage hatte er den blanken Helm
und die funkelnden OrdenZkreuze zum
letzten Mal gesehen; denn der schöne
Offizier war nicht mehr wieder gekom.
men, so oft auch der kleine Hang nach
ihm gefragt und so heftig er sich auch
nach ihm gesehnt hatte. Anfang hatte
ihm die Mama wohl versprochen, daß er
zurückkehren werde, fplter aber hatte sie
bei seinen Fragen nur noch stumm den
opf geschüttelt und bitterlich geweint.
Eine, Tage waren alle Fensteroorhünge
in der Wohnung zusammengezogen wor.
den, obwohl draußen da prächtigste
Sommerwetter war, die Mutter war gar
nicht au ihrem Schlafzimmer gekommen
und dem kleinen Han war streng ver
boten worden, auf die Straße herunter
zu gehen. Da war er auf inen Stuhl
geklettert und hatte mit weit geöffneten,
leuchtenden Augen zugesehen, wie tau.
send und aber tausend Soldaten mit
wehenden Fahne und blitzenden Waffen,
mit klingendem Spiel und brausendem
Hurrah da unten vorüber gezogen waren,
die Helme und Gewehre mit grünem
Laube geschmückt. Auch viele, viele
schöne Offiziere waren darunter gewesen,
und Mancher von ihnen hatte seinem
lieben Popa recht ähnlich gesehen; den
aber hatte der kleine Hans vergeblich ge
sucht, denn er schlief in weiter Ferne auf
dem Schlachtfeld von MarslaTour
seinen letzten kargen Schlaf.
Seitdem war nun eine stattliche Reihe
von Jahren in' Land gegangen. Han
von Lettin war im Kadettenhcwse rzogen
worden und seit wenigen Wochen trug er
al der jüngste Lieutenant seine Regi
ment die Epaulettes. Glückstrahlend
hatte ihn seine Mutter in die Arme ge-
schlössen, al er sich ihr in der neuen
Uniform, die seine jugendlich schlanke,
elastische Gestalt so trefflich zur Geltung
brachte, vorgestellt, und mit zitternder
Stimm hatte sie gesagt:
.Möae Dich Gott behüten, mein lie
ber Sohnl bitte ihn, daß er unserem
Baterlande den Frieden erhalte; denn ich
würde eS nicht überleben, wenn ich auch
Dich verlieren müßte, wie Deinen guten,
edlen Vater! "
Und der junge Lieutenant beugte sich
nieder und küßt ihr zärtlich otk Hanv.
In seinem Herze aber wurde die Erin,
neruna lebendig an den glänzenden Ein
Zlug der siegreichen Truppen, dem er einst
al sechsjähriges KnSblein hinter den
FenflervmhZngen hervor zugesehen; und
nnn er ihn auch nicht auSfprach, um
seine liebe Mutter nicht zu betrüben, so
regte sich doch in seinem Innern mächtig
der Wunsch, gleich seinem ZZater in Krieg
uno Gefahr zu ziehen.
Vorläufig freilich war für die Verwirk,
lichung solcher Träume blutwenig AuS,
ficht vorhanden. Nicht das kleinste
Wölkchen bedrohte den Frieden Deutsch
landS, und der junge Lieutenant mußte
sein Erfolge vorläufig auf einem weniger
gefährlichen Terrain suchen, al auf dem
blutgetränkten Boden de Schlachtfeldes.
Da es weder Kanonen noch Festungen zu
erobern gao, mußte er seine EroberungS,
gelüste wohl auf etwa Anderes richten,
und er war nicht lange im Zweifel, wel
che Ziel er sich für dieselben zu suchen
habe. War er doch jetzt als Lieutenant
in vollwichtiges und wohl angesehenes
Mitglied der Gesellschaft, und hatte er
doch nicht mehr zu fürchten, daß man ihn
al einen Knaben betrachten und sich hin
ter seinem Rücken über ihn lustig machen
würde.
Daran war ihm auS einer bestimmten
Ursache ganz besonder viel gelegen;
denn er hatte e schon Jahre lang wie
inen schmerzlichen Stachel mit sich her
umgetragen, daß die reizende, kleine Ba,
ronesse Hertha von Berla, sie war
ein Cousin dritten Grade, und um
drei Sommer jünger al er die ritt er
liehen Huldigungen, welch er ihr wäh
rend seiner Cadettenjahre dargebracht,
ntweder lachend zurückgewiesen oder mit
in Mien mitleidiger Ueberleqenheit
entgegengenommen hatte, welche sein
männliches Selbstgefühl auf das Tiefste
verletzen mußte. Seit nahezu einem
Jahre hatten sie sich nicht mehr gesehen,
denn sie weilte in einer Genfer Pension,
und seit dem Tag, an welchem ihm der
lange Ossiziersdegen beim Gehen zum
ersten Mal zwischen die Beine gerathen
war, konnte er den Augenblick kaum noch
raarten, an welchem er sie wiedersehen
und ihr mit dem vollen Gewicht seiner
stolzen Männlichkeit gegenübertreten
sollte. Sein Herz klopfte in stürmischen
Schlägen, als er wirklich an einem No
vemberabend die Einladung zu einem
Ballfeft vorfand, welches der Baron von
Berla aus Anlaß der Rückkehr seiner
Tochter Hertha veranstaltete, und die
Regimentskameraden, welche fast ohne
Ausnahme den allezeit liebenswürdigen,
heiteren und dienstbereiten jüngsten Lieu
tenant ganz besonder in ihr Herz ge,
schlössen hatten, fanden wegen feiner
plötzlich zu Tage tretenden Zerstreutheit
Gelegenheit genug zu allerlei harmlosen
Neckereien.
AIS dann der große Abend herange,
kommen war, konnte e August Striche,
der hoffnungsvolle Bursche de, jungen
Offizier,, seinem Gebieter beim Anklei,
den in keinem Stück recht machen, und
höchlichst verwundert schüttelte er seinen
fiachZhzarizea exs uder die auffällig
'Lereijlheit und Unzufttedenhett seine,
sonst so nachstchiigen und freundlichen
Leitvant'. Endlich war doch Alle,
blank genug geputzt und gebürstet und
auch der Scheitel tadello gerathen, so
daß sich Han mit einiger Zuversicht auf
den bedeutsamen Weg machen konnte.
Mit einer Verlegenheit, welch ihm bi
hr ginz unbekannt gewesen war, betrat
er et seitlich geschmückten Räume der von
Lerla'schen Wohnung.
Von dem stolzen Selbstvertrauen, mit
welchem er seiner .kleinen Cousine' hatte
entgegentreten aollen, war auch da, letzte
Reftchen eu seinem Herzen verschwua,
den, und beinahe ängstlich ließ er seine
Blicke umhermandern, um den Gegen
stand feiner Sehnsucht zu enldeckeo. Da
plötzlich fühlte er sich ganz leicht am Arm
oeruyrt, und al er sich umwandte,
blickte er in ein lachende, liebreizende,
Mädchenantlitz mit einem wohlbekannten
Grübchen in der Wange und zwei nicht
minder wohlbekannte schelmischen brau
ne Augen. Da Blut stieg ihm so heiß
in, Gesicht, daß e, wie mit Purpur über
gössen schien, er hatte über die Plötzlich,
keit de Wiedersehen seine Haltung voll,
ständig verloren, und wa er da von
lebhafter Freude' und großem Ver
gnügen' stammelte, war gewiß viel we,
niger schwungvoll und geistreich, al die
schöne Anrede, welche er sich unterwegs
für die Begrüßung mit ber kleinen
Hertha zurecht gemacht hatte. Die aber
drückte ihm herzlich die Hand und sagte
lachend:
Willkommen. HanS ! Und wenn Du
es schon nicht über' Herz bringst, mir
ein Kompliment zu machen, so will ich
Dich beschämen und Dir sagen, daß Du
sehr groß und stattlich geworden bist,
und daß Du beinahe ausstehst, wi in
Mann!'
Damit war sie auch schon wieder fort
und mitten in inm Kreise von jungen
und alten Herren, die sich eifrig um ihre
Gunst demühten, denn sie war ja die
Königin des heutigen Feste.
Ver mngfte Lieutenant aber blickte ihr
ganz niedergeschmettert nach.
.Betnahe wie ein Mann' hatte sie ge.
agt, und ihre Stimme hatt dabei genau
o spöttisch und überlegen geklungen.
wie in jenen Kindertagen, die er nun ein
für alle Mal abgethan geglaubt. Er
war am lievflen geradeswegs wieder um
gekehrt, denn er fühlte sich bitterlich ge
kränkt und verletzt, und wenn ihn nicht
feine gute Erziehung daran verhindert
halte, uno tue Rücricht auf die anwesen
den Kameraden, die sich gewiß unbarm
herzig über ihn luftig gemacht haben wür
den, so hätte er vielleicht allen Ernste
die Flucht ergriffen. So aber mußte er
bleiben und mußte schweren Herzens mit
ansehen, wie Fräulein Hertha von allen
leiten umschwärmt und angebetet wurde,
mußte ihr strahlendes Geftchtchen sehen.
das noch tausendmal lieblicher war als
früher, mußt ihr silberhelles Lachen
hören, uno ftq oabet immer und immer
wieder der grausamen Worte erinnern:
Du siehst ja beinah aus wi ein
Mannt"
Eine ganze Stunde lang wartete er
darauf, daß sie sich feiner wieder er
innern und ihn aufsuchen sollte; denn er
etver war natürlich viel zu floiz. sich
nach einem solchen Empfang in ihre Nähe
zu drängen. S! ging sogar ein paar
Mal am Arme des Graten Tornow lustiq
plaudernd an ihm vorüber, ohne ihm
auch nur einen einzigen Blick zu schenken.
Da wurde dem armen HanS das heitere
Gewühl des Feste unerträglich; er fühlte
sich außer Stande, sich in die Reihen
der Tanzenden zu mischen und mit gleich
gültigen Menschen glcichgüliige Worte zu
wechseln.
Er flüchtete mit seinen kummerbelade,
nen Gemüth in einen kleinen Erker, der
durch ein zur Hälft herabgelassene
Portiere und durch ine mn Blaltxflan,
zm besetzte Etagere fast ganz von der
leuchtenden Halle de BalliaaleS gejchie
den war. Die traurigsten Gedanken
hatten von dem Herzen de jüngsten
Lieutenants Besitz genommen. ES war
offenbar, daß selbst seine Eigenschaft als
Offizier. der spottluftigen Hertha nicht
imponirt hatte, und daß sie den Grafen
Tornow in einer Weise auszeichnete,
welche ihm selbst ein für alle Mal jede
Hoffnung abschneiden mußte.
Freilich der Graf war ein schöner
Mann und ein eleganter Kavalier. HanS
konnt ihn und feine Vorzüge recht wohl,
denn er war fein RegimentKamerad
und im ganzen Osfijier,Corx galt der
Graf für den schneidigsten und kühnsten
Lebemann. Er wußte ganz charmant zu
plaudern, wenn er auch nicht weniger
als geistreich war, und er ritt stet die
edelsten und feurigsten Pferde, obwohl
eS al ein offene Geheimniß gelten
konnte, daß sein Vermögen bis auf die
letzte Krone dahin war und daß seine
Schulden von Monat zu Monat recht be
denklich wuchsen. Man sprach davon,
daß er sich wohl bald werde verheirathen
müssen, um feine Verhältnisse zu rangi.
ren, und wenn auch der zwanzigjährige
HanS mit seiner Lebensweisheit eine
Kadetten von den Dingen dieser Welt
verhältnißmäßig noch recht wenig wußte,
so hatte er doch Scharfblick genug, um
in der Einsamkeit seines halbdunklen
Erkers zu combiniren, daß Graf Tor
nom höchstwahrscheinlich sehr wenig Be
denken tragen würde, der schönen, lie,
benSwürdigen und reichen Baronesse
Hertha seine Hand zu reichen, sobald er
auf eine günstige Ausnahme seiner Wer
bung hoffen dürfe. Daß er aber eine
Concurrenz mit diesem schneidigen Kaoa
lier, diesem Urbild kraftvollster Männ.
lichkeit, nicht aufnehmen könne, das
gestand sich der arme HanS trotz allen
gerechten Selbstvertrauens mit einem
tiefen Seufzer ein, und glühender als
jemals erwachle in seirer Brust da Ver
langen nach dem baldigen Aukdruch eine,
sürciterlichen Kriege,, in welchem er an
ter Spitze der Compagnie mitten hinein
sühnten könnte in die feindlichen Kugeln
und Bzjonnekle.
So einsam, lieber Letter?' tönte
xlöglich eine liebe, helle Stimme dicht
nebe ihm. Willst Tu wirklich alle
unser jungen Damen durch Dem Me
lancholie zur Verzweiflung bringen?'
Wie von einem elektrische Schlage
getroffen hatte sich Han, zu der Spre
chenden, die natürlich keine Ander war,
al seine Cousine Hertha selbst, umge
wendet. Im ersten Augenblick hatte ihn
die Befangenheit wieder überwältigen
wollen; dann aber hatte sich auch fein
Stolz aufgebäumt gegen die Grausam
keit, mit elcher sie ihn selbst bi i seine
Einsamkeit verfolgte, um sich über ihn
luftig zu machen.
ES ist mir wirklich ganz gleichgültig,
ob die jungen Damm verzweifeln oder
nicht,' sagte er. Uebrigen glaube ich
nicht, daß irgend Jemand die Abwesen
heit meiner unbedeutenden Person bemer
ken wird. Nach Dir, verehrte Cousine,
wird man sich aber gewiß desto heftiger
sehnen, und ich
, will Dich deshalb nicht länger
hier zurückhalten!' ergänzte sie lachend,
ehe er noch ausreden konnte. Nun,
da muh wahr sein, Han, wenn Du
auch größer geworden bist in diesen zwölf
Monaten, höflicher bist Du nicht gewor
den.'
Die abermalige Anspielung auf sein
körperliche Wachsthum verwundete ihn
auf daS Schmerzlichste.
Wenn e Dir nicht gerade ein beson
bere Vergnügen macht, liebe Hertha,'
sagte r, von der Veränderung meiner
äußeren Erscheinung zu reden, so wäre
ich Dir recht dankbar, wenn diese Gegen
stände nicht weiter Erwähnung geschähe.
Wenn ich auch vielleicht nicht über die
Gewandtheit und ConversationStalent
anderer Cavaltere verfüge, so dürste sich
doch wohl ein UnterhaltungSthema sin
den, da von größerer Bedeutung ist und
mich eine weniger klägliche Rolle spielen
läßt, al gerade dieses.'
ES ar eme der längsten und ernst
hafteflen Reden feines ganzm Leben ge
wefen, und sie verfehlte denn auch auf
Hertha ihre Wirkung nicht. Der über
müthige Ausdruck schwand auS ihrem
Gesicht, und nach einem kleine Schwei,
gen sagte sie mit gänzlich veränderter
stimme:
Du hast mir meine Neckerei von vor.
hin also wirklich übel genommen, HanS?
üövl vm mir tm rn dö ei'
Er hätte das nun wohl gestehen
munen; aver vor dem unen, weichen,
schmeichelnden Ton, mit welchem sie die
Frage an ihn gerichtet hatte, war schon
all sein Groll spurlos dahingeschwunden.
DaS war derselbe Ton gewesen, der ihn
schon in seinen Knabenjahren immer wie,
der sür alle Kränkungen und Spöttereien,
welche er von ihr erfahren, so reich nt
schädigt hatt, derselbe herzliche, bittende
Blick, durch welchen sie ihn einst zu den
tollsten Streichen anzustiften vermocht
hatte. Aber er war ja nun ein Mann
geworden; und es galt, die knabenhaften
Regungen tapfer zu bekämpfen. Darum
schüttelte er nur den Kopf und sagte
ernst:
Ich erde Dir niemals bös sein,
Hertha, da ich überzeugt bin, daß Du
mich so wenig, wie irgend einen Ande
ren, jemals mit Absicht und Bewußtsein
kränken wirft. Aber ich kann eS Dir
immerhin eingestehen, daß ich mir unser
Wiedersehen etwas ander ausgemalt
halte, etwas ich weiß nicht gleich einen
passenderen Ausdruck zu finden ernst,
haster und herzlicher.'
So haft Du wirklich schon vor unserer
Begegnung ein wenig an mich gedacht?
Hast Dich wohl gar auf unjer Wieder
sehen gefreut?'
Ader Hertha, welch' eine Frage I Ich
habe feit dem Eintreffen eurer Einladung
die Stunden gezählt und mir diesen
Abend so schön vorgestellt, daß eS viel
besser gewesen wäre, wenn mich eine
Krankheit oder etwa Unangenehmes ab
gehalten hätte, zu kommen.'
Seine Stimme hatte dabei ei klein
wenig geziltert, und Hertha war ganz
erregt, als sie erwiderte:
' .Pfui, HanS, wie garstig Du sprichst!
Wie kann man sich eine Krankheit wün
schen, nur weil sich ein so dumme Ding
wie ich etwa ungezogen benommen hall
Wenn ich die Wahrheit sagen soll, so hat
e mir auch schon längst leid gethan;
denn ich habe mich gleichfalls ganz ge,
wältig auf unser erstes Zusammentreffen
gefreut, und ich weiß selbst nicht, wie eS
zugegangen ist, daß mich mit einem Mal,
als wir un gegenüber standen, die alte
übermüthige Lust zum Necken wiederkam.
Daß e Dich so sehr verletzen würde,
hätte ich nie gedacht.'
Treuherzig wie in guter Kamerad,
reichte sie ihm ihre Hand, und er zögerte
nicht, sie zu ergreifen und seine Lippen
daraus zu drücke. Aber da kam ihm
wieder der schöne Graf Tornow in den
Sinn und eS ärgerte ihn, daß feine Cou
sine vielleicht nur aus Mitleid zu ihm ge,
kommen war.
Ich sehe wohl ein, daß meine Ver
fttmmung eine Thorheit war', sagte er,
und ich hoffe, dir daS Vergnügen des
heutigen Abends nicht ganz damit gestört
zu haben. Jetzt aber darf ich dich unter
keinen Umständen länger zurückhalten,
denn wenn mich nicht alles täuscht, ist
Graf Tornow bort oben im Saale sehr
angelegentlich damit beschäftigt, Dich zu
suchen.
Die Anspielung war zu deutlich, als
daß Hertha sie hätte mißverstehen kön
nen. Schmollend warf sie das Köpfchen
zurück und wendete sich zum Gehen. Da
streifte ihr Blick noch einmal das hübsche
treuherzige Gesicht ihre Vetters, das
sich noch viel zu schlecht zu beherrschen
verstand, um seine kummervollen Au,,
druck zu verbergen, und l demselben
Auger.rlicke hatte sie ihm auch sch?n seine
Unart verziehen. ct kehrte noch einmal
um und sagte lächelnd:
Daichvea Grafen kein Recht gege
len habe, mich zu suchen, darf e, ihm
auch nicht verdrießen, wenn er mich nicht
findet. Du aber, mein lieber Han.
bist sehr uvgalant, wen Du mich nicht
einmal fragst, weshalb ich Deinen Per
steck autgekuvdschajtet habe.'
E, durchzuck! ihn wi in süße
Ahnung.
Und weshalb?' fragte er hastig, ge.
schah e nicht etwa blc, weil Du Er
barmen mit meiner Verlassenheit fühl
teft?'
Jetzt lachte sie hell auf.
Erbarme mit der Verlassenheit eine,
Lieutenant,?! Nein, theurer Vetter,
da war ti wahrhaftig nicht: Ich wollte
mir nur die Freiheit nehmen, Dich auf
ein leere Stell in meiner Tanzkarte
aufmerksam zu machen, und well ich
meinte, daß es Dir vielleicht Vergnügen
machin würde'
Sie hielt errölhend inne; aber in dem
Gesicht de jüngsten Lieutenant leuchtete
e hell und sonnig aus; denn er Halle sie
verstanden.
Du haft mir einen Tanz reservirt?
Und ohne meine Aufforderung? O, Her
tha, wie dankbar bin ich Dir dafür! Wie
ungeschickt habe ich mich doch benom,
men!'
Ihr Blicke begegneten sich und ur,
plötzlich waren Kummer und Trübsal
vollständig au den Herzen de jungen
Offizier gewichen. Sie nahm seinen
Arm; denn schon waren die ersten Klänge
de Walzer, welchen sie trotz der zahl,
reichen Bewerber für Han freigelassen
hatte, zu ihnen gedrungen. AI sie au
dem Erker hervortraten, stand ihnen Gras
Ternow gegenüber.
Wie scheint, gnädigste Baronesse,
habe ich da Unglück, mit meiner Wer
bung um diesen Tanz zu spät zu kommen',
sagte er mit einem scharfen Blick auf
Han. Muß wohl den beneidenswer
thev Herrn Kameraden den Vorrang
überlassen.'
ES wird Ihnen In der That wohl
kaumetwa Andere übrig bleiben, Herr
Graf,' gab sie lachend zurück. Glück,
licher Weise bleibt Ihnen bei der gro
ßen Zahl junger Damen, die unser heu
tigeS Fest schmücken, noch Gelegenheit ge,
nug, sich für den ungeheuren Verlust zu
trösten.
Als wenn eS dafür einen Trost gäbe!'
erwiderte er galant. Aber Baronesse
hatten vorhin den Cotillion noch frei,
wenn ich bitten dürfte '
Diesmal aber war eS HanS, der ihn
nicht ausreden ließ. Er war in einer so
glücklichen Stimmung, daß er die ganze
Welt hätte erobern können, und ohne Be
sinne siel er, noch ehe Hertha'S Antwort
ersolgt war, ein:
Bedaur aufrichtig, Herr Kamerad,
Ihnen auch darin zuvorgekommen zu sein.
Meine Cousine hatt soeben die große
Gute, mir den Cottllo zuzusagen.
Da geübte Auge deS Grafen erkannte
sofort an Hertha s Erröthen, daß der
jüngste Lieutenant nicht die Wahrheit ge
sagt hatte; da sie aber nicht widersprach.
blieb ihm nichlS übrig, als sich mit einer
verbindlichen Redensart zurückzuziehen,
während sich da hübsche junge Paar
schon in der nächsten Minute in weltoer
gessener Freude auf den Wogen deS Tan,
zeS wiegte. Für den Rest der Nacht
waren beide völlig unzertrennlich von ein,
ander, und als sich endlich beim Morgen,
grauen HanS von seiner hübschen Cousine
verabschiedete, da nahm er die beseligende
Gewißheit mit sich fort, daß er ihrem
Herze keineswegs gleichgültig sei, da
er in Recht auf die stolzesten Hoffnungen
habe.
Glückselig wie an jenem Tage, da er
sein Lieutenant! parent erhalten hatte,
eilte HanS nach Haufe. Lange wälzte er
sich schlaflos auf seinem Lager, und die
stolzesten Lustschlösser bauten ftch vor ihm
auf, bis endlich die Natur doch ihr Recht
verlangte und ein von den herrlichsten
Träumen erfüllter Schlummer feine
Sinne umfing.
Etwas verschlafen kam der jüngste
Lieutenant am nächsten Bormiitage auf
dem Kasernenhofe an. Grüßend trat er
zu einer Gruppe von Oksizieren, in wel
eher sich auch Graf Tornow befand.
Dieser betrachtete ihn mit einem etwas
spöttischen Lächeln und sagte mit unser
kennbarer Malice:
Hätt Ihnen wahrhaftig eine solche
Schlagfertigkeit gar nicht zugetraut,
Herr Kamerad, wie Sie da gestern an
den Tag gelegt haben! Rathe Ihnen aber
doch, in Zukunst solche Späße zu unter,
lassen. Könnten junge Dame durch eine
derartige Lüge arg csmpromittiren l'
HanS erröthete; denn die Zurechtwei,
fung in Gegenwart der anderen Offiziere
ärgerte ihn. Aber er nahm die Sache
nur für einen etwas unziemlichen Scherz
und erwiderte irr einem bescheiden abwei
senden Tone:
Ich glaube zu wissen, Herr Graf, wie
ich mein Verhalten einzurichten habe und
bin eS nicht gewöhnt, Belehrungen in
dieser Form zu empfangen.'
Er hielt die Angelegenheit damit für
abgethan und wollte sich zum Gehen wen,
den, aber die scharfe Stimme des Grafen
hielt ihn zurück.
Wenn Sie es wünschen, stehe ich auch
in jeder anderen Form zu Diensten!
Glaube selbst, daß eine etwas schärfere
Lection Sie besser von Ihrer Naseweis
heit kuriren würde!'
Das war eine offenbare Beschimpfung,
und darauf gab e nur eine einzige Ant,
wort. Han von Lettin durfte sie nicht
schuldig bleiben.
Als er in der folgenden Nacht fein
Lager aufsuchte, war sein Herz von einer
trüben Todesahnung erfüllt. Graf Tor
vom war ein ausgezeichneter Schütze,
und vor vier Jahren hatte er einen Re
ferendar, der al Einjähiizer in seiner
Corrpaznie gedient urd ihn sxälir
ezen einer ai-.Kn Reihe von Bedlei.
di?ungen gesoiderk halte, im Zlrc.kan'pf
geiosier.
Am Abend halte Han seiner ahnung,
lose Mutter noch einen Besuch abzestat
tet und sich dabei wie ein ganzer Mann
benommen; denn er war so heiler, liebe
voll und zärtlich gewesen, daß auch nicht
der leiseste Schatten eine Argwohn in
da Gemüih der würdigen Dame siel.
Wie viel würde Han darum gegeben
haben, wenn er auch Herlha noch einmal
hätte sehe können; aber e war keine
Möglichkeit dazu vorhanden, und nach
dem er einige Male an ihrem Hause
vorübergegangen war. mußte er sich ent
schließen, in fein Slübchen heimzukehren.
Bi nach Mitternacht sah er am Schreib,
tisch, und al er nach einem kurzen, ur
ruhigen Schlummer in der Morgen
dämmerung von seinem Sekundanten ge
weckt wurde, händigt er diesem sür den
Fall eine ernsten AuSgang, zwei Briefe
ein, einen dicken für seine Mutter und
ein kleine dünne Billet sür die Laro
ncssc Hertha.
Noch im Zwielicht fanden sich die Geg
ner auf dem Kampsplatze zusammen.
Ein letzter AuSgltichZversuch der Sekun
Kanten scheiterte an der kurzen entschie
denen Erklärung de Grafen. Die
Distanz wurde auSgemessen, der Arzt
legte sein Verbandzeug zurecht und die
Duellanten traten auf ihre Plätze. Mit
einer nachlässigen Handbewegung schleu,
derte Graf Tornow seine Cigarre bei
Seite, während sich die Sekundanten
hinter die schützenden Bäume zurück,
zogen. Einen Augenblick war eS auf der
kleinen Waldblöße todtenstill; dann fielen
rasch hintereinander die Commandoworte:
EinS! Zwei! Drei! Die Gegner soll
ten gleichzeitig feuern, aber HanS von
Lettin kam nicht einmal dazu, seine Pi
stole abzudrücken. Der Schuß de ra
sen war fast zusammengefallen mit dem
Signal, und mitten in die Brust getrof
fen war der junge Offizier lautlos zu
sammengebrochen. Der Arzt beugte sich über den Gesal.
leren und richtete sich mit Hoffnung?
loser Miene wieder aus. Auch der Se
kundant war neben dem Haupte Ui
Sterbenden niedergekniet und e gelang
ihm eben noch, feine letzten Worte ufzu
fangen:
Grüßen Sie Hertha und meine arme
Mutter. Kamerad!'
Eine Minute später drückte ihm der
Doktor di Augen zu....
Graf Tornow erhielt die gesetzliche
FestungSftrafe und wurde zu einem an
deren Regiment versetzt.
Baronesse Hertha vergoß Monate
lang bittere Thränen; aber die Zeit
in diesem Falle war eS ein reichliche,
halbe Jahr ließ sie endlich ihren
Kummer vergessen, und sie war wieder
die heitere, von Freude und Lebenslust
strahlende Königin der hauptstädtischen
Fest.
Frau von Lettin aber hat man seit dem
Tage, da ihr die Kunde on ihres
Sohne Tode gebracht wurde, nie wieder
lächeln sehen.
Wie sagt doch Adalbert von Chamisso ?
Die Trauer der Braut drei Wochen war,
Die Trauer der Schwester, die war drei
Jahr;
Die Mutter hat die Trauer gepflegt.
Bis müde sie selbst in'S Grab sich gelegt
Mur ei wenig mehr piano.
Vor vielen Jahren, fo lesen wir im
Bär', ar in der königlichen Kapelle
,u Berlin ein Vauker mit Namen Lent
schel angestellt. Da sein Gehalt nicht
allzu hoch war, mußte er nebenbei Geld
zu verdienen suchen. Eine passend Ge
legenheit hierzu bot daS nur wenige
Schritte von dem Theater entfernte eng,
lisch Haus in der Jägerstraße, in wel,
chem häufig Konzerte stattfanden und wo
der vortreffliche Paukenschläger sehr gern
beschäftigt wurde. Außerdem gaben
durchreisende Künstler im Konzertsaale
deS Schauspielhauses Konzerte, bei denen
Henschel gleichfalls mitwirke mußte.
Da nur er allein bei diesem Instrumente
stand, war eS für ihn eine schwierige
Aufgabe, seine Pflicht zu erfüllen, wenn
Oper und Konzert an einem Abend zu
sammenfielen. Glücklicherweise sind in
den älter Opern die Pauken nicht allzu
sehr beschäftigt, und die Korzertmeistei
mußten Nachsicht haben, auch war Wltl
fter Hentschel pünktlich wie eine Uhr, er
wußte auf die Sekunde, wann er im
Theater gebraucht wurde. Einst wurde
die Oper Deodata' von dem damaligen
Kapellmeister Ansilm Weber gegeben.
Im Finale deS letzten Aktes rettet die
Tochter den unschuldig eingekerkerten Va
ter. Sie erbricht das Gitter des Ge,
fängnisseS der Vater ist befreit. Die
sen Moment marktrt der Komponist durch
einen mächtigen Paukenschlag, er läßt
die Wirkung z erhöhen, die Pauken bii
dahin ganz schweigen. DaS Finale be
ginnt der Paukenschläger fehlt. Der
Kapellmeister sieht wiederholt nach den
Pauken Hentschel fehlt och immer.
Näher und näher rückt da Solo. Webei
verzweifelt, der große Effekt' wird ver
lo,en gehen. Da öffnet sich der grln
Vorhang, der, um den Luftzug zu ver
hindern, vor dem Eingang hing, der
Pauker tritt geräuschlos ein, die Pauken
stehen in der Nähe, er greift nach einem
Schlägel und blickt nach der Bühne
noch sind einige Takte zu paustren.
Jetzt BumSl ertönte der Schlag,
richtig aus'S Haar. Weber, der in fei
ner Angst den Pauker nicht gewahr ge,
mnrkkn, säkrt iulammen. der Taktstock
entfällt seiner Hand, er sinkt auf feinen
Stuhl, dennoch geyl va, ginale ovne ven
Dirigenten fehlerfrei zu Ende. Der
Kapellmeister ist wüthend über den
KtIck. er verklagt den Pauker beim
Intendanten Grafen Brüh! und dringt
darauf, deß Hentschel wegen Versäumniß
eine, ganze Ä?te, mindesten, zehn Tha
ler Strase bkiahlen müsse. I Pauker
verwahrt sich dazegen. er habe nicht, vei
säuuit. sein Solo sei richtig ingesetI;
wa könne er dafür, wenn der Herr a
pellmeister den Stock fallen lasse. Der
Intendant war guter Laune, dem Pauker
wurde die Strafe erlassen, jedoch reroid
net. daß Jeder, der in einem Eiücke be,
schäfligt sei. vor Beginn de Akte seinen
Platz einzunehmen habe. Viele Jahr
später hält Meverdeer die Generalprobe
zum Propheten' ab. In einer Aiie ist
ein Paukenwirbel in piano auSzusühren.
Dem Komponisten ist die Stelle nicht
schwach genug, er läßt mit dem Bemer
ken aufhören, die Pauken wären zu stark.
Man singt wieder an, wieder läßt
Meverieer aushören und ruft: Pauken
mehr piano!' Hentschel, welcher die
Stelle oft und stet zur Zufriedenheit der
früheren Dirigenten geschlagen, wird är
gcllich und sagt zu feinem nächsten Kol
lezen: Heute mäkelt der Alte wieder
über Alle; nun schlage ich gar nicht!'
Von Neuem beginnt da, Stück. Di
Augen de Pauker blicken fest auf den
Dirigenten, die Stelle kommt unbe
weglich ruhen die Schlägel aus der
Pauk. Bravo, bravo, mein lieber
Hentschel!' versetzte Meverbeer. Nur
noch ein klein wenig mehr
piano !'
Des Professors vrautfalzrt.
Eine traurige Geschichte. Von I. Burkhaldt.
Nach langem Warten war der Stu
dienlehrer Klein endlich Gomnasial.Pro
fessor geworden, dabei war er freilich auch
inzwischen in da vierzigste Jahr ge,
rathen und jetzt ist e die höchste Zeit',
sagte die Geheimräihin, seine mütterliche
Freundin, wenn Sie e überhaupt noch
vorhaben, sich eine eigenen Hausstand
zu gründen.' Da hatte der Professor
allerdings vor, kern das ewige Einerlei
deS Wirthshaus, und ClubLeben, war
ihm zuwider geworden und in seiner trüb,
seligen Junggesellenwohnung leistete ihm
zur Z?it nur ein Laubfrosch Gesellschaft;
er wagte aber leise Zweifel zu äußern, ob
er denn jetzt gleich eine passende Partie
finden würde. Und soll ich denn jetzt
noch anfangen, jungen Damen den Hof
zu machen? Meine Galanterie und
Liebenswürdigkeit ist nicht groß.'
Ja, das habe ich auch schon bemerkt,'
entgegnete mit leisem Spott die alt
Dame, auch dü fen Sie sich trotz Ihrer
schönen Stellung nicht dem Wahne hin
geben, daß Ihr AeußereS noch so ün
jchenemerih für Damen ist, wie eS bei,
spielsweise Ende ter zwanziger Jahre
war, aber,' fügt si rasch bei, als der
Professor sie groß ansah, ich glaube, ich
kann doch Rath schassen: wissen Sie wa,
ich will Ihnen ein Empfehlung schreiben
an meinen Vetter mitgeben, besuchen Sie
ihn noch in diesen Ferien und bringen
Sie ia paar Wochen auf seinem Gute
zu, er hat drei liebenswürdige Töchter,
von denen jek auch eine Kleinigkeit mit,
bekommt. Sehen Sie, ob es Ihnen ge,
lingt, Eine davon zu gewinnen, eine
bessere Gelegenheit können Sie nicht
finden.'
Es machte sich alle nach Wunsch, der
Professor war noch eine stattliche Er
scheinung und konnte auch unterhaltend
sein, wenn er wollte. Er war auf da
Empfehlungsschreiben hin eingeladen
worden und fard die drei Töchter wirklich
ganz seinen Erwartungen entsprechend.
Sie waren hübsch und liebenswürdig, in
ihrem Benehmen natürlich und durchaus
nicht das, was man mit Land
Pomeranzen' bezeichnet. Anfangs that
ihm gerade die Wahl wehe, welcher erde
Vorzug geben sollte, aber als Mann der
Wissenschaft gedachte er sich nicht wie ein
junger Springinsfeld umgarnen zu
lassen, sondern mit Besonnenheit zu
Werke zu gehen und zu beobachten.
So heftete er seinen forschenden Blick
bald auf diese, bald auf jen der drei
Schwestern, um ihr wahres Wesen zu er
gründen, aber eS ist nicht jedermann
Sache, sich stets beobachten zu lassen, am
wenigsten gefällt tm jungen lebenS
luftigen Damen.
So schwächte er bald den günstigen
Eindruck, den er Anfangs gemacht hatte,
wieder ab, die beiden jüngeren Schwestern
machten sich augenscheinlich nicht mehr
viel aus ihm, nur Antonie, bie Aeltest,
blieb sich consequent.
Er beschloß, die Sache bald zum Au,
trage zu bringen, und wie er eines Tage
in Gedanken dahin schritt, erblickte er
plötzlich die beiden jüngeren Schwestern
am Waldrand in nicht weiter Entfernung
vor sich; die Eine sucht sich Beeren, die
Andere pflückte wilde Rosen, mit denen
sie sich schmückte. Unbemerkt ließ er
beobachtend seine Augen auf dem liebli
chen Bilde ruhen : Die Eine pflückt sich
Beeren', sagte r zu sich selbst, die ist
jedenfalls naschhaft. Die Andere ist
aber ohne Zweifel putzsüchtig und vergeu
det mit solchem Tande die Zeit. So sind
leider die modernen Damen : Jetzt fehlte
nur noch ein Blaustrumpf, der malte oder
schriftftellerte. Mein Entschluß steht fest,
ich werde Antonie gegenüber mich offen
aussprechen, dann wird sie sagen '
Daß Sie ein kleinlicher Pedant sind,
der besser ledig bleibt.' Der Blick de
betroffenen Professors siel auf Antonie,
die plötzlich zornsprühend vor ihm stand.
Sie war hinter dem Gebüsch gesessen
vor dem er sein Selbstgespräch gehalten
hatte, klappte ihr Skizzenbuch zu und
wandte ihm verächtlich den Rücken.
Jäh war das Unglück über den ke,
stürzten Professor hereingebrochen. DaS
war vorbei sür immer, er fühlte eS wohl,
so nahe am Ziele mußte er Schissbruch
leiden l
Bald darauf saß der BedauernSwertbe
wieder mit seinem Laubfrosch allein und
wird eS wohl auch bleiben.