Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, September 20, 1894, Image 10

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    Des Dachdeckers ZNutter.
Von i'a-.l fiUing.
z fia in KirchhosSmauer wohnt
bc Dachdecker Mull. n,1"
war inel der ärmlichsten in dem lurara,
seeländischen Dorfe. Die Wände waren
etnft mit alksmbe weih angestrichen ge
es, aber jetzt waren sie schmuhiggrau.
bkinahe schwarz, mit großen auigefalenen
Maonftackea. und die eine Seite de
Haus, war mit Tlroh bekleidet, um
teera den Wind zu schützen.
Irotzdem der Sohn Dachdecker war,
da Strohdach doch brüchig und
schwarz vor Alter, halb von Moo be.
dekt mit einigen hellgelben Streifen da.
zwischen, wo man die schlimmsten Scher
mit neuem Stroh aulgeffert hatte.
Der Garten war angedeutet durch eine
nsallene Steinmauer und ein paar oer
krüppklte JohavniSbenftrlucher, von
denen die Insekten und der Wind alle
liltter abgerissen hatten, s daß die
nren an den dünea Zweigen hingen.
Sonst war er mit ausgestapelten, alten
Baumwurzeln und einem Haufen Brenn
hol angefüllt.
Beide Halbthürin de Haufe waren
offen. Man konnt dadurch in Ine
dunkle Sche sehen, wo ein Hund auge
ftnckt in dem Sonnenftreis lag. der durch
die Thür fiel.
Draußen auf dem Wege kam de Dach.
dcker Mutter gegangen und schob eine
kleine, kinrädrig Kummetkarre vor sich
her.
El war nicht leicht zu sagen, wi alt
ft war; denn solch kleine, dürr Ge
stalten halten sich sast unverändert vom
Zahn der Zeit. Da Gesicht war scharf
und sonnenverbrannt mit rothen Backen
und wer spitzen, rothen Nase, und glatt
kämmte, gelbe Haar sah unter der
schwarzen Bauervhaub hervor. Sie
trug in groß Brille mit dicker Horn
rafaffuna und Holzschuhe an den Füßen,
und ibre Kleidung bestand in einem
arllnen Warvrock mit rothkarrirtkr Baum
ollschürz und einem kurzärmeligen
dunklblauen Leibchen.
Der Bater war auch Dachdecker ge,
esn, und die Eltern hatten schon da
Häuschen, wo sie noch wohnt, und in
Stückchen and dazu ve,e,en.
Einftmal. al Gibst so hieß si
nämlich noch viel jünger, aber im
übrigen schon gerad so braun und trocken
war, wie jetzt, war in reienver janv,
rkburfch ,u dem Hause gekommen
Er ohnte dort in Woche lang und zog
dann weiter. Man sah tyn nie wiener
aber Sids behielt in Andenken an ihn
in Andenken für da ganz Leben in
Kind.
E war in häßlicher kleiner Jung,
mit großem Kopf und ein paar großen
erstaunten braunen Augen, Die tun sia)
sahen, all ob er darüber verwundert
Ire. daß er zur Welt gekommen war,
und seine Mutter war da auch. Sie
hatte ihn so von ungefähr bekommen und
legt keinen großen Werth aus diese Er,
ivnerung an den Gesellen. Wär er zu
finden gewesen, so hätte sie wahrscheinlich
ihren Aerger an ihm ausgelassen; nun
aber mußte der Sohn de Vater Sün,
den entgelten, und der kleine Matz bekam
früher Prügel. Zähne.
Um die Zeit war e. daß Sidse sich die
kleine einrädrige Karre anschaffte, die sie
ihr ganze Leben hindurch begleitete.
Um für den gemeinsamen Unterhalt
etwa beizusteuern, hatte si angefangen,
tn den Bauernhäusern herum wasche zu
gehen und sonst allerlei Handreichung zu
thun. Dabei mußte ft da Ktnd mit,
nehmen: denn ihre Mutter war eben ge,
starben, und e war Niemand da, den
Kleinen zu warten; der Vater war den
ganzen Tag auf Dachdeckerarbeit au,
und die Hausthür wurde abgeschlossen.
Der kletn Matz würd auf die Kum
metkarre gefetzt und bis dorthin gefahren,
Sidse den Leuten zur Hand gehen
wollte. Da saß er in einer Ecke und
knabberte an einer Brotkruste und sah
sich mit seinen erstaunten braunen Augen
um, big die Zeit ihm zu lang wurde und
er ansing zu schreien. Dann lief Sidse
von ihrem Waschtrog herzu und gab ihm
seinen gewohnten KlaxS, und durch diese
kleine Zerstreuung aufgemuntert, ver
hielt er sich dann wieder eine Zeit lang
ruhig.
So wuchs er auf, bekam Prügel in
der Dorfschule und Prügel daheim, wurde
ronstrmirt und fing an, dem Großvater
bei der Dachdeckerarbeit zur Hand zu
gehen.
Der Großvater starb und Matz fetzte
da Geschäft fort.
Die Jahre gingen dahin und Alle
ging feinen alten Gang. Matz machte
Dachdeckerarbeit, und die Mutter karrte
herum von Hau zu Hau. ES war nur
der Unterschied, daß Matz nicht mehr auf
der Karre faß. Jetzt hatte sie gewöhn
lich ein Bund Gra für die Kuh, ein
Säckchen Mehl au der Mühle oder etwa
schmutzige Wäsche darauf, wenn sie nach
Haus kam.
Matz war in langer, Hochaufgeschosse,
ner Bursche von einigen zwanzig Jahren
geworden, so lang, daß die Mutter nicht
mehr heranreichen konnte, wenn si ihm
ein Kopfstück geben wollte, ohn auf einen
Schemel zu steigen, sie half sich übrigen
gewöhnlich mit einem Scheit Brennholz,
einem Besenstiel oder wa sie sonst in der
Hand hatte.
Sidse nannte ihn immer ihren häß
lichtn Bengel, und eine Schönheit war
er auch gewiß nicht.
Er sah noch immer so aus, als wäre
er verwundert darüber, daß er zur Welt
gekommen war, und er hatte auch Grund
dazu; denn die Welt hatte nicht viel
Freude von ihm und er nicht viel Freud
von der Welt. KinS von den Mädchen
lächelte den langen schmutzigen Tklpel
freundlich an, und keiner von den Bur
sehen de Dorfes mochte ihn leiden; denn,
wenn sie zu Tanz und Lustbarkeit gingen
oder sich einen Rausch im Kruge Hollen,
sah er zu Hause und ließ sich von der
Muller mit Kopfstücken regaltrev.
Seine einzig Freud war de Sonw
tag Nachmittag, wenn er sich gewaschen
hatte, in reinen Hemdärmeln unter den
alten Pappelbäumea aa der Kirchhof,
mauer zu sitze und auf die Grabhügel
und die schönen Blume zu sehen. Ein
paar Mal, wenn er am Lormittag freie
Zeit gehabt, hatte er auch seine Holzschuht
ausgezogen und war auf den Socken in
die Kirche geschlichen und hatte an der
Thür gestanden und den Priester so schon
rede ttrea von der Liebe, dieser schönsten
aller GotteSgabeo, die selbst den gering
ftea und ärmsten Sterblichen läutert und
erhebt.
Da! konnte er nun zwar nicht recht
verstehen; aber eS war ja auch nicht leicht
für einen armen und unftudirten Bauern
Alle zu verstehen, wa so ein gelehrter
Mann sagt.
Da Dorf lag wi auSgestorben im
Sonnenschein. Nur in paar alt Weiber
saßen in ihren Hausthüren und strickten
und in paar Kinder lagen und wühlten
im Sand. Sonst war all! still, denn
e war die Zeit der Heuernte und alle,
die arbeiten konnten, waren draußen aus
dem Felde.
Selbst da große hellgelbe Schulhau,
wo immer von jugendlichen Stimmen
zu summen pflegte, lag in Schweigen ge
hüllt, den die Kinder hatten Ferien.
Matz, der Dachdecker, saß hoch oben
und arbeitete an dem neuen Strohdach
mit Hülfe eine schmächtigen Jungen, der
den mehr bezeichnenden, als wohlklingen,
den Name Faul'Lar führte.
Matz faß fleißig bei seiner Arbeit, legte
das Stroh zurecht, schnitt e mit einem
großen Messer durch und ließ die Dach,
nadel auf und niedergehen. Diese war
eine Art Weberschiffchen von Eisen, mit
Stahldraht umwickelt und FauLLarS,
der drinnen auf dem Boden stand, reichte
sie immer wieder herauf, wenn Matz sie
durchgesteckt hatte, um das Stroh mit
dem Stahldraht fest an die Sparren zu
heften.
Unten im Garten ging des Schulleh
rer Stine und hängte Wäsche zum Trock
nen aus.
Der Schullehrer war in alter Jung
geselle und Stine war sein Haushälterin
Sie hatte früher in der Stadt gedient und
sich dabei seiner Manieren angewöhnt
war aber frisch und blühend wie ein Land
madchen.
Matz, der Dachdecker konnte sich nicht
entbalten. ein buchen na tat zu schie
len. Sie nahm sich recht hübsch auö in
ihrem frischgemaschenen Kaltunkleide und
dem kleinen seidenen Halstuch. Ihr
Gesicht war freundlich und rothbackig.
das glänzend braune Haar lag in dicken
Flechten um de Hinterkopf und wenn sie
ihre runden bloßen Arme in die Höhe
streckte, machte ftch ihre volle kräftige
Figur bemerklich.
Jetzt war sie fertig und ging hinein.
Gleich darauf kam sie wieder heraus,
sie trug ein große Glas Wettzdier.
.Sie werden durstig fein, Dachdecker
sagte sie mit freundlichem Lachein
ollen te nicht etwa zu trinken
haben?'
Man konnte hören, daß sie ei Mad
chen von Bildung war. Sie sagte
Sie.' Da war ihm noch nie vorge
kommen.
schön Dank, Mamsell", azie er.
Er wollte auch zeigen, daß er Bildung
hatte.
Sie that ein paar Schritte aus der
Stitge und reichte ihm das Glas hinauf,
Er bog sich über, um e zu fassen; aber
das Stroh war glatt; er stürzte ropfüver
herab und blieb an der Erde liegen, das
eine Bein zwischen zwei großen Steinen
eingeklemmt.
Stine letzte vas Glas von na unv eilte
zu ihm.
.Haben sie si sehr weh gethan?
DaS das Bein thut weh.-
Er versuchte mit ihrer Hülfe aufm-
stehen, aber u sank halb ohnmächtig
zurück.
ES ist wohl sehr schlimm wie?"
.Ach, eS ist nicht fo gefährlich sagte
er mit einem matten Lächeln. .Ich
ch habe nur dal Bein gebrochen.-
.Großer Gott! Lar laus bin und
hole de Dachdecker Mutter!'
Faul- rar eilte Davon.
.Ich bin so durstig.
Sie hielt da Biergla an seine Mund
und stützte ihn, während er trank. Er
ah sie mit einem dankbare Blick auö
den erstaunten, braunen Augen an. Er
war verwundert darüber, daß ihm jemand
g viel Freundlichkeit zeigen konnte.
Sidse kam an, und hinter ihr Faul
Lar. Si hatt die Karr mit und war
bös.
Nun seh' emer, Du häßlicher Bengel,
bist Du nun gefallen und haft Dich zu
Schanden geschlagen?' brach st au.
Niemals hab' ich was ander al Aerger
gehabt von dem Vchltngel. Nun wird
er naturliq woozeniang liegen vleioen
und die paar Brocken verzehren, die ich
verdienen kann gar nicht davon zu
rede, wa daraufgeht für de Doktor
und die Medizin.'
Schämen sie sich, istose," sagte
Stine, .Sie sollten ihn trösten, den
Armen, und statt dessen schelten Si ihn
au.'
Paß Du auf Dich selbst,' sagte
Sidse. .Du wirft wohl an allem Schuld
haben. Er wird wohl gesessen und mit
Dir geschäkert haben, bis er herunter
eplumpst ist.'
Stine ließ betroffen den Kopf hängen.
Gemissermaßen war e ja ihre Schuld.
Sie hätt ihm da Gla nicht herauf.
reichen sollen. Aber sie that e ja in der
besten Meinung, sagte sie.
Da dacht' ich mir wohl," sagte
Sidse. .Aber jetzt wollen wir ihn auf
die Karre legen, und ich will sehen, wie
ich ihn nach Hause bekomme.'
Sie hoben ihn aus, und Sidse karrt
fort mit Hülfe von gaull'ar. Aber
Matz litt schrecklich durch die Fahrt. Da
verletzte Lei hing außen an der Karr.
Stine sah eS und eilt ihnen nach.
.Lassen Si mich mithelfen,' fagtk si,
indem sie aa der Seil ging und das ge
brochene Bei stützt.
.Danke, wir behelfen uni schon.'
.Da ganze Unglück ist ja doch meine
Schuld,' sagte Stine sanstmüthig,
.darum ist e auch meine Pflicht, zu
helfen.'
Sids antwortete nicht, ließ sie aber
mitgehen.
Matz lag halb bewußtlos vor Schmerz.
Dann und wann öffnete er die erstaun
ten, braunen Augen und sah sich mit ei
nem verwunderten Blick um.
Er wußte nicht recht, wi die alles
vor sich gegangen war. Er fuhr ja ach
Haus in der Schubkarre, wi damall,
al r in kleiner Junge war, und die
Mutter hatte ihn gewiß tüchtig auf den
Kopf geschlagen. Erfühlt noch; er
war ihm so schwer, so schwer.
Al sie ihn in da Hau getragen hat
ten, ging Stine fort, und Sidse bracht
ihn zu Bett mit Hülfe von Faul.Lar,
der dann nach dem Doktor geschickt wurde.
Dieser kam am Nachmittag und verband
da Bein.
Am andern Morgen mußte Sidse
waschen gehen. Matz halte in der Nacht
starke Wundsieber gehabt, und lag jetzt
im Halbschlummer. Sidse stellte einen
Topf Milch und eine Tasse Wasser auf
einen Holzftuhl neben sein Kopfende und
ging ihre Wege, nachdem sie die Thür zu,
geschlossen und devSchlüssel in das offene
Fenster neben dem Bell gelegt hatte.
Später am Vormittag kam Stine und
steckte den Kopf durch das Fenster hinein.
Sie hatte Sidse fortgehen sehen.
.Wie geht e Ihnen, Matz?'
.Danke, geht schon etwas besser.
Wollen Si nicht hereinkommen? Der
Schlüssel liegt im Fenster.'
Jetzt stand sie drinnen und sah sich um.
Gestern hatte sie sich so schnell fortge
macht. ES war da nicht besonders rein
lich. Sids wusch offenbar mehr bei den
Fremden, als bei sich selbst. Der Fuß.
boden war ziemlich schmutzig und die
kleinen Fensterscheiben auch nicht beson
der rein. Das HauSgerSth bestand in
zwei Stühlen, einem Klapptisch und einem
rothangeftricheven Spind. Matz lag auf
seiner Bettstelle in der Ecke. Die Thür
zum Nebenzimmer stand offen und man
sah drinnen Sidse alte Himmelbett mit
bunten artungardmen.
Stine brachte einen Topf Hafersuppe
mit, Die mit Himbeersaft angemacht war,
Sie war fo warm und nahrhaft und
löschte den Durst so schön. Dann legte
si da Kopskissen zurecht und ging in die
uqe, von wo ft mit wem Handtuch
wiederkam, da in kalte Wasser getaucht
war. Damit säuberte sie ihm Gesicht
unv Hönoe und strich da Haar von sei,
ner Stirn zurück.
Matz lag still und schweigend und ließ
sich behandeln wie ein Kind. Nur sein
großen braunen Augen sprachen. Sie
waren ei erstaunte AuSrufuvaSzeicheu
uver alle diese Güte.
.Geht eS nun besser?'
.Ja, danke, viel besser. Sie sind so
gut. Gegen mich itt big jetzt Niemand
gut gewesen.'
.Jetzt muß ich gehen. Aber ich werde
wiederkommen und nach Ihnen sehen.
Adieu."
.Adieu und besten Dank!'
Die großen, erstaunten braunen Auaen
folgten ihr hinaus.
Matz lag still und zufrieden mit gefal
teten Händen. Nie zuvor in seinem
Leben hatte er sich so glücklich gefühlt.
Er hätte wünschen mögen, daß er sich das
Bein schon lange, lange vorhergebrochen
häkle.
Die Sonne branme heiß. Aber unter
den großen Pappelbäumen an der Kirch
hofSmauer war eS frisch und kühl, und
die Prachtblumen deS Herbste auf den
Gräbern standen in vollem Flor.
ES war ein Werktag: aber Matz der
Dachdecker saß dennoch im SonntagSputz
mit reinen Hemdärmeln auf einem großen
kein im Schatten der Pappeln. Er
war nun bald ganz geheilt und war aus
gegangen, auf einen Stock gestützt, um
frische Luft zu schöpfen.
Die Krankheit hatte ihn gar nicht ent
stellt. Im Gegentheil. Sein Gesicht
war ein wenig bleich geworden, sah aber
desto feiner aus, und die großen, erstaun
ten, braunen Augen strahlten vor Zufrie
denheit, als wären sie verwundert dar
über, wie schön doch die Welt eigentlich
war. Der schwarze, krause Bart, den er
sich hatte stehen lassen, als er krank lag,
hob feinen frischen, rothen Mund mit den
weißen Zähnen vortheilhaft hervor.
Selbst den Kopf trug er nun hoch und
frei, da kam vermuthlich davon, daß er
sich so lange nicht heruntergedrückt hatte,
um sich schlagen zu lassen.
Die junge Frau des ulsSpredtger
kam eben au der Kirchhofspforte mit
ihrem kleinen Mädchen an der Hand.
Sie war die Tochter de alten Pfarrer
und war d'rinnen gewesen, um ihrer Mut
ter Grad zu schmucken.
.Guten Tag, Dachdecker Matz.' sagte
sie freundlich. .Nun, wie geht es denn
mit der Gesundheit?'
.Danke, jetzt bin ich bald so rüstig.
daß ich wieder anfangen kann zu bei,
ten."
.DaS wäre ja schön.'
DaS kleine Mädchen lief zu ihm hin
und steckte ihm eine große Rose in die
Hand, dann versteckte e sich hinter Mut,
terS Rock und biß verlegen in seine Hut
bänder.
Die Frau ging wieder davon mit
einem freundlichen Gruß, und Matz blieb
sitzen mit der Blume in der Hand. E
ar da erste Mal, daß er so eine schöne
Blume in der Hand hielt. Wie schön sie
ar, wie süß sie tufterte! El war über.
Haupt merkwürdig, wie viel chone es
in der Welt gab. und wie viel freundliche
Menschen man sinken konnte, wenn man
erst einmal so glücklich gewesen war
da Bein zu brechen. Selbst seine Mut
ter war jetzt weit milder gewesen. Sie
hatte ihm in den letzten sech Wochen
kein Koxskück mehr gegeben.
Matz saß vertieft in diese Betrachtun
gen, die Augen aus die Rose geheftet, al
er leise Tritte neben sich hörte.
Stine stand da.
.Guten Tag, Matz.'
.Guten Tag, Stine.'
Er war eben so roth im Gesicht, wie
die Blume, die er in der Hand hielt.
.Ach, wie wohl sie aussehen.'
.Ha. ick, iüble mich sehr w,bl.'
Sie nahm an seiner Seite Platz. Er
reichte ihr die Blume.
.Bitte schön. Ich habe sie von dem
kleinen PaftorfrSuItt bekommen."
.Danke. Soll ich die schöne Rose
habe?' sagte sie und befestigte die
Blume kokett an ihrer Brust.
.ES ist nicht zu schön und zu gut für
Sie. Siine. denn eS ist Niemand im
ganzen Kirchspiel, ja in der ganzen Well
so schön und so gut wie Sie, in meinen
Augen.'
.Aber Matz, SI machen mich ja
schamroth.'
Er hörte nicht auf sie, sondern fuhr
fort:
.WaS wäre wohl au mir geworden,
wenn Sie nicht gewesen wären? Ich
hätte liegen und sterben können ganz
allein, ohne daß ein Mensch, selbst nicht
meine Mutter, sich im mindesten darum
gekümmert hätte; aber Sie kamen und
trösteten mich und halfen mir und waren
so gut gtgtn mich armen, häßlichen,
dummen Burschen.
.Sie sind weder häßlich noch dumm,
Matz.'
.Doch, da hab ich gehört seit der
Zeit, wo ich nicht größer war, wie so.'
.Sie Sie sind im Gegentheil hübsch
wenigsten in meinen Augen.
Die erstaunten braunen Augen sahen
doppelt erstaunt au.
.Stine, Si haben mich doch nicht
zum Besten? Da ist nicht schön von
Ihnen.'
.Nein. Matz, da thu' ich nicht.'
.Sollten sollten Sie wirklich etwa?
von mir halten sollen?'
.Ich habe schon lange viel von Dir
gehalten, Matz.'
Ihre Hand lag in der seinigen.
Ihn schwindelte. Sollte e wirklich
möglich sein? Die hübsche Mädchen, die
stattlichste im ganzen Dorf, war sein
Nein da mußte ein schöner Traum
sein so einer, wi di, welche er hatte,
al er krank lag. Er wollt doch erst
versuchen, ob er wohl einen Kuß be
kommen könnte, denn dann war e gewiß
richtig.
Er sah sich um. ES war kein Mensch
in der Nähe.
Ja, eS war richtig! Er bekam nicht
nur einen, er bekam viele Küsse.
.Ich bin doch neugierig, wa meine
Mutter sagen wird,' sagte er, al sie
eine Weile gesessen hatten. .Sie wirb
aewiß bös und giebt mir ein an den
Kopf.'
.Aber da darfft Du Dir nicht ge
fallen lassen.'
.Ach, e thut nicht eh, und sie mag
es immer thun, wenn e ihr Spaß
macht.
Von dem Tage an war Matz wie ein
neuer Mensch. Er nng bald wieder an
zu arbeiten und arbeitete mit Luft und
Kraft, aber er lieferte nicht mehr, wie
früher, all fein Geld an die Mutter ab
Sie schalt ihn und schlug ihn auf den
Kops: aber das half nichts, sie bekam
trotzdem nichts.
Der Winter verging.
Die Leute im Dorf redeten leise da,
von, daß Matz und Siine verlobt wären.
Aber Niemand wagte Sidse danach zu
fragen, und sie selbst sprach nie ein Wort
davon.
In der ersten Frühlingszeit riß Matz
das alt Strohdach ab und legte ein
neues, das Haus würd abgeputzt und
geweißt und der Garte aufgeräumt. Er
füllte Erde in die Beete und pflanzte
Fruchtbaume darein und längs der HauS,
wand Hopfen und wilden Wein.
.ES ist ja großartig, wie Du vas Haus
aufputzest,' sagte Sidse eines Tages in
pttzem Tone. .Wir werden i jetzt sein
wohnen.'
Matz saß aus der Bettstelle und aß sein
Abendbrot.
.Ja, ich denke daran, mich zu ver
ändern.'
Woran denkst Du?' fragte sie gif.
tig, indem sie sich umwandte.
.Mich zu verhetrathen," sagte er, den
Mund voll Grütze.
.Ich werde Dich verändern, Du dum
mer Schlingel,' ries sie, indem sie auf
ihn zulief und mit allen Kräften auf ihn
loS drosch.
Matz saß still wie gewöhnlich und duckte
den Kopf zwischen die Schultern, während
st schlug. Al si aushört, sagt er
ganz ruhig:
.Du kannst mich immer chlagen, 10
viel Du willst. Aber verheirathen thu'
ich mich doch. Morgen geh' ich zum
Pfarrer und verlange da Aufgebot.'
Sids lies n ihre Kammer hinein und
chlug di Thür hinter sich zu.
Den nächsten Tag ging er zu seiner
Arbeit, wie gewöhnlich, und zwischen
Mutter und Sohn wurde kein Wort mehr
über die Sache gesprochen.
Eines Sonnabends, etwa einen Monat
jäter, stand Sidse fertig zum Ausgehen.
.Du kommst erst heute Abend zurückt'
ragte Matz, .denn morgen will ich Hoch
zeit machen.'
.Willst DU wirklich," sagte te unv
zitterte ein wenig in der Stimme. .Ich
komme ein paar Tage nicht nach Hause
Ich bleibe bei dem Weber. Ski Frau
ist krank.'
Da, ist schade. Ich hoffte, Du wür.
best da Fest mitmachen.'
,h, ihr könnt da gest gewiß gut
ohvemich feiern,' sagte sie, indem sie
ihre Schubkarr nahm und davon ging
Al sie sort ar, lief Matz zu Stine
herüber, und sie fingen an auszuräumen
und umzuziehen; denn Stine war ein
ordentliche Mädchen, die sich während
ihrer Dienstzeit Betten und HauSralh
angeschafft hatte.
Den nächsten Tag nach dem Gotte
dienst wurden sie getraut.
Stine sah recht hübsch au ia ihrem
neuen, schwarzen Kleid, mit einem Kranz
von gewachsenen Blumen im Haar. Sie
hatte zwar Luft gehabt, Mvcthenkran,
und Schleier zu tragen, wie eine Stadt!
braut; aber sie wollte doch lieber dem
alten Dorfbrauch folgen, al daß di
Leute sagen sollten, sie kleide sich über
ihren Stand.
Matz hatte sich neue Kleider bei dem
Schneider in der Stadt gekauft und nahm
sich stattlich au mit dem weißen Kragen
und dem schwarzen Halztuch. Er hatte
sogar ein Schnupftuch in der Rocklasche,
da erste, da er je besessen hatt.
Di Trauung war sehr feierlich. Stine
eint, wi sich für eine wohlerzogene
Braut ziemte, unaufhörlich tn ihr mtl
gehökellen Spitzen be etzteS Taschentuch
Matz stand geduckt mit hochgezogenen
Schultern da, al wartete er immer dar
auf, daß ihm der Pastor auf den Kop
schlüge.
E war der junge HülfSpredlger, der
die Trauung vollzog. Der Schullehrer
und Stine's Bruder au der Stadt
waren Trauzeugen, und da Hochzeit
mahl, daS bei dem Schullehrer gehalten
wurde, lies still und bescheiden ab.
Am nächsten Tage war Matz wie ge
wöhnlich bei der Arbeit. Sidse kam am
Vormittag nach Hause.
Frischt Buchenzweige waren über der
offenen Thur befestigt. Sie ging tn di,
Küche, wo weißer Sand auf den Fuß
boden gestreut und Alle? blank geputzt
und gescheuert war. Dann trat sie in
die Stube hinein. ES war Niemand
drinnen, und deS Dachdeckers Mutter
blieb verwundert stehen, denn Alles war
so verändert. Die kleinen Fensterscheiben
waren hell und glanzend und halten
schneeweiße Gardinen bekommen, und
statt der alten, halboerwelkten Bal
saminen in Flaschenscherben standen neue
Töpfe mit blühenden Pelargonien da
Auf dem Tische lag eiu rothe Tischtuch,
welches Stine 8 Bruder den Neuner
möhltdn verehrt hatte, und mitte, daraus
stand ein groß Petroleumlampe, ein
Geschenk de Schullehrer?; in der Ecke
war ein großes, neues Bett ausgestellt,
mit einer weinen Decke darüber.
Sidse versank in Gedanken. .So
sieht eS also au bei ein paar Neuoer
heiratheten,' murmelte sie. Sie hatte
e ja auch immer sage hören, daß man
es so gut hat und so glücklich ein soll,
wenn man oerheirathet ist, besonder im
Anfang.
Sie öffne! hastig die Thür zu ihrer
eigenen Stube, ttne stand mitten
darin mit aufgekrämpten Aermel und
war fleißig bei m Scheuern. Sie sah
nicht oam gnädig au.
.Guten Tag," sagte Sidje ziemlich
kleinlaut.
.Guten Tag.' antwortete Stine ziem,
lich barsch.
.Du hast wohl viel zu thuni"
.Ach a ." aate die mnge grau, .man
hat seine Mühe damit, all den alten
Schmutz herauSlubringen, der überall
.olldick liegt.'
In Sidse brauste etwa? von der alten
Heftigkeit auf.
.Hier in meiner eigenen Stube werde
ich eS wohl noch rein halten können, ohne
daß Du Dir Ungelegenyetken machst,"
sagte sie, und wollte Stine den Besen
wegnehme.
.Lag den esen los i"
.Gieb ihn her!'
.Willst Du mich etwa schlagen?' sagte
Stine und stellte sich in Positur, den
Besen in der einen Hand, und die andere
in die Seite gestemmt.
.Du denkst wohl, vag u fttxx m
Hause spielen kannst, wie früher. Aber
daraus wird nicht. Wenn Matz noch
Prügel nöthig hat, was Gott verhüte, so
will ich daS schon selbst besorgen, da
und alles andere im Hause.'
Sei nicht so grob zu mir, Stine."
Du bist selbst grob gewesen.'
Du haft gut reden,' sagte Sidse.
.Du ziehst i Dein veueö Heim als eine
ehrbare Frau. Ich bia gegange und
habe die Schande getragen ei ganzes
Leben. Da wird man leicht bitter.'
Sie sank auf das Bett nnd hüllte das
Haupt in ihre rothcarirte Schürze.
Stint neuie oen oein weg uno ging
zu ihr.
.Na, Mütterchen, so schlimm war eS
nicht gemeint.' sagte sie und klopfte ihr
auf die Schulter. .ES war ja außer,
dem das Beste, daß wir uns gleich die
Meinung sagten, da brauchen wir später
nicht so zu gehen uno uns i,cokt anzu
thtn '
Kids trocknete ibre Augen mit der
Schürze. E war so lange her, vag sie
nicht gemeint hatte. Dann nahm sie ihr
. P r k n i aitt 1 1..
Strickzeug unv feyre neu nm
AI Mad der Dachdecker Abend nach
Hause kam, saßen seine Mutter und seine
Frau in aller Gemüthlichkeit zusammen
und vlauderten. und diese gute Verhält,
viß blieb ein dauernde.
Den Sommer euren ging an innen
aemöbnlicken Gang, und da Glück
schien in dem kleinen Hause Wurzel ge.
aßt zu haben uno ,proie 10 uxxig, r
die Weinranken an der sriscyzeralrien
Wand. .
Man hatte Arbeit vollauf. Vtine
hielt sein Hau rem und sauber, Sld,e
ging mit ihrer Schubkarre in den Häu,
fern herum und half bei der Wäsche und
wo sonst etwa zu thun war.
Sie trug jetzt kein Geld mehr zur
Haushaltung bet, und die jungen Leute
verlangten auch nie etwas von ihr. Sie
hatten e, Gott sei Dank! nicht, nöthig;
und wenn sie etwa zurücklegte, so waren
sie ja dcch diejenigen, die e mit der Zeit
erben mußten.
Zwei Jahre waren vergangen, seit
Matz mit de Schullehrer Stine Hoch,
zeit gehalten halte. E war wieder
Frühling. Die Pappeln läng, derXirch.
hosSmauer standen frisch und grün, und
ia de Dachdecker Garten blühen junger
Flieder und Rothdorn.
Draußen aus dem , Wege kam de
Dachdecker Mutter gegangen und schob,
wie gewöhnlich, ihre Kummetkarre vor
sich her. Sie war jetzt ziemlich alt, aber
sie hatte sich im Lause der Jahr wenig
verändert.
In der letzten Zeit war sie zu schwach
gewesen, um in den Häusern umher
waschen zu gehen. Wenn sie jetzt mit
ihrer Schubkarre ausging, lagen keine
Mehlsöcke mehr darin, oder Gra für di
Kuh, sonder etwa viel Kostbarere?.
DaS war di kleine Sidse, de Dach
oecrers ins.
Al da kleine Mädchen vor Jahre
frift zur Welt gekommen ar, roth und
zornmüthig, ar e sicherlich ebenso häß
lich, wie der arme Matz in demselben
jugendlichen Alter gewesen war. Aber
sie wurde von der Großmutter dennoch
wie die leibhaftige Schönheit angesehen.
E schien beinahe, al ob Sidse all die
Liebe, di sie ihrem Sohne vorenthalte
hatte, bei Seite gelegt hätte, um sie an
sein Kind zu verschwenden. Denn seit
dem Augenblick, wo da kleine Geschöpf
geboren ar, hatte die Großmutter mit
einer beinahe gierigen Zärtlichkeit sich
seiner bemächtigt.
Heute hatte sie e, wie gewöhnlich,
unter die alte Pappel an der Kirchhof,
mauer gefahren und saß mit ihrem Strick,
zeug an seiner Seite. Aber mit einem
Mal überkam sie ein Schwindel. Mit
Noth und Mühe vermochte sie noch die
Karre den Weg zurückzuschieben, und
Stine mußt da Kind hineintragen.
Matz saß gerade in der freundlichen
Stube und trank seinen Kaffee, al
Siine mit der Kleinen auf dem Arm sich
in der Thür zeigte.
Sidse kam wankend hinterher. Die
Beine konnten sie kaum tragen, und
Stine half ihr zu Bett, während Matz
da Kind hielt.
Am nächsten Tage urde e schlimmer
mit ihr. Sie merkte, da e bald zu
Ende gehen würde und wünschte mit dem
Pfarrer zu reden.
So kam' denn der HülfSpredlger und
saß neben ihrem altem Himmelbett und
redete so schön von der Liebe, welche wir
Menschen un unter einander erweisen
sollen.
AIS der Prediger gegangen war, rief
Sidse ihren Sohn zu sich. Er setzte sich
zu ihr auf den Bettrand.
DeS Dachdecker Mutter erhob ihr
braune zitternde Hand. Matz duckt un.
willkürlich den Kopf zwischen die Schul,
tern. Vielleicht hatte sie Lust ihn noch
einmal auf den Kopf zu schlagen, wie in
alten Tagen aber nein. Die zitternde
braune Hand strich ihm freundlich über
da Haar. Da war die erste Liebko
sung, die de Dachdecker? Mutter ihrem
Sohne gönnte.
.Sei mir nicht 65 e, Matz, eil ich so
hart zu Dir ar.'
Ich verdiente S alles,' sagte Matz
mit gutmüthigem Lächeln, die Augen
voll Thränen, .ich ar ein rechter Dumm.
köpf.'
Du warst vener gewefen, wenn ich
freundlicher zu Dir gewesen wäre', mur.
melte Sidse. .Aber Du hast ja trotz,
dem doch Liebe genug gefunden, und ich
ich habe zuletzt auch ein wenig davon
bekommen. Ich habe mich danach gesehnt
mein ganze Leben lang.'
Sie sank zurück und wurde schwächer
und schwächer.
.Dort in dem Schrein in der oberste
Schublade liegen ein paar hundert Tha,
ler, die ich zusammengespart habe. Da
soll für mein Begröbniß sein und da
Uebrige soll die kleine Sidse haben, wenn
fle groß geworden ist. Gebt gut Acht
auf fle. aber seid nicht u streng mit ihr.
Denkt daran, wa der Priester gesagt hat
von der Liebe. Sie ist'
DaS Uebrige verlor sich in einem un.
deutlichen Flüstern. Des Dachdecker
Mutter war zur Ruhe gegangen in ihrem
alten Himmelbett mit den bunten Kattun
gardtnen.
LeSensregel.
Gehe nie über eine Thürschwelle, ohne
Dich deS daoorliegenden Fußabstreichers
bedient zu haben.
Wirf nte einen Bries tn den Postkasten.
ohne Dich nochmals von der Richtigkeit
der Aufschrift zu überzeugen.
Trage aus Reisen oder uSflügen nie
malS kostbare Schmucksachen, man kann
sie gerade bei diesen Gelegenheiten leichter
verlieren al ander und findet sie
dann fast niemal teder.
Gehe nie au dem Hause, ohne etwa
Geld mitzunehmen, Niemand weiß im
Voraus, ob er dasselbe nicht unterwegs
nöthig hat.
Trage in Deiner Geldbörse stet eine
Karte mit Deiner vollständigen Adresse;
sollte Dir ein Unfall begegnen, so giebt
diese gleich Aufschluß über Deine Per.
sönlichkeit; auch kann dann, wenn Du die
Börse verlierst, ein ehrlicher Finder die,
selbe zurückbringen.
präciser ausgedrückt.
Elise: ...Meine Cousine steht schon
im vierzigsten Lebensjahr!'
Emilie: .Stehen?! Warum nicht gar
da sitzt fie doch schon längst!'