Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, June 21, 1894, Image 2

Below is the OCR text representation for this newspapers page. It is also available as plain text as well as XML.

    NEBRASKA STAATS - ANZEIGER. Lincoln, Neb.
(Lnliguln.
i,if Lludic sibrr römischen Casorfu-
N. IjN li lUI.
1 V t. CaiBäf Riiadjta).
ifaju Cäsar, tu-iünnt vvtt feinen
4$t'inainfnEaIuyjlaiö. h. Jtiefelchenj,
!ttar mxti sehr turnt noch nickt zum
Mnne crcift, als er unerwartet zur
jvrrjrtistft berufen wurde, Dunkel und
jMiilieiniliil) waren die Vorgänge bei sei
mtt Crrlicburtfl, wunderbar die frühere
fSdiirfjsllc seines Hauses. Fern von
der Heimatt) war der Vater noch in der
Blüthe einer Jahre einem tiisfifchcn
beschick erlegen, und im Volke sprach
,man riel von elieimnißvoilen Umslän
(ben dieses Todes; man schreie vor den
schlimmsten 'eschnldiqunqen nicht zu
ruif, und Ins in die Nahe des allen Slai
sers wagte sich der verdacht. Dem 2!olf e
,war sein Viebtina mit ihm genommen ;
deiner Popularität wie kein anderes
Mitglied des ZiaisechauseS Kalke er sich
erfreut. Dem Soldaten war er vertraut
aus vielen Ield,iia.en, in denen er mit
dem gemeinen Manne die Beschwerden
des Kriege getheilt Imttc, die deutschen
Lande die legenden am Rl)cin waren
voll seines Namens. Doch nicht nur
als Kriegsheld war er dem Volke er
schienen, er war im besten Sinne popu
lär gewesen. Sein Familienleben, die
Sckiaar seiner Binder, die schlichte Inir
gcriichc Art, der freundliche Glcirinnuth
in allen i'agcn, das gewinnende Scherz
wort in feinem Munde hatten ihm wic
die Soldaten auch die Würger verbun'
den. So lange der alte Kaiser lebte,
war er freilich, so hohe Aemter ihm
auch iidei kragen wurden, für die wichtig
isteii Fragen der inneren Politik hei
aller Schaffungolraft und Schaffens
last zur Unthäligkeit verdammt; wäre
er ader zur Regierung gekommen, so
Halle man freiere, glücklichere Tage von
ihm erwarten dürfen, die Beseitigung
des dumpfen Drucke?, der auf dem gan
zen Reiche lastete. So war die Hoff'
nnng einer ganzen Generation mit Ger
iiianieus in's Grab gesunken.
; 510 diesem Liebling deS Volkes
strahlte ein Schimmer von Popularität
auch auf den Sohn hinüber, der freilich
sonst ganz unähnlich seinem Vater
1,crawuchs, vielleicht der stolzen und
leidenschaftlichen Mutter ähnlicher, die
die an sich nicht leichte Stellung ihres
Gatten gewiß oft noch erschwert hatte,
;und zugleich bevorzugt von dem alten
Zkaiscr, der des Germaniens Gattin
lUnd Kinder mit Haß und Argwohn ver
folgte, für Casus aber eine gewisse
Zuneigung gehegt zu haben scheint,
,vielleicht nur, weil er daS gerade
Miderfpicl des ihm so unsympathischen
ÄUerS in ihm sah.
j Zur Regierung gelangt, war der
junge Kaiser für alle zunächst eine unbc
kannte, noch räthselhafte Erscheinung.
Wohl hatte man gewiß in den letzten
Iahrcn allerhand Muthmaßungen über
ihn verbreitet, günstiges und ungiinsti
geS; man rühmte, so dürfen wir annch'
,icn,auS wie hartem Holze dieser Jüng
,ling geschnitzt sein müsse, der sich unter
jo schwierigen Verhältnissen zu behaup
jien gewußt hatte, man fürchtete viel
Deicht seinen Eigenwillen, die Neigung
jjuin Mißbrauch einer so großen Gewalt,
'die Einwirkung unreifer persönlicher
Ideen, man wußte auch allerhand von
einer früh hervorgetretenen Brutalität
... L-r.tf-.. . . vam -f. j:r.
z crjiiijicii ; vor ;uuiu nun uverivvg
gewiß die Auffassung, daß seine jungen
Jalirc fremden Einsamen leicht zu
gänglich sein wurden; man durfte dar
!auf rechnen, daß zunächst dicRcgicrungs-
lqcwalt deS allmächtigen Gardc-Präfck-
iten noch gesteigert werden würde; war
doch der junge Kaiser, wie alle Welt
lbehauptctc, diesem ganz besonders vcr
'pflichtet! 1 Bon vielen dieser Dinge, die man
erwarten und fürchten mußte, geschah
nun so ziemlich daS Gegentheil. Der
leitende Staatsmann scheint sehr bald
in Ungnade gefallen zu sein, sein Ein
fluß trat ganz zurück, der Kaiser nahm
selbst die Zügel der Regierung in die
Hand und begann sogleich sein eigenstes
Regiment. Daö Volk jubelte ihm zu;
denn wie eine Erlösung ging es bei dem
McgicrungSwechscl durch alle Kreise,
eine Acra der Reformen schien zu be
'ginnen und für liberale Gedanken eine
Bahn sich zu eröffnen.
So vielversprechend waren die An
,sänge des Caligula, der als Sohn des
!zu früh dahingeopfcrken Germaniens
und derAgrippina im Jtchrc 37 n. Ehr.
seinem Großohcim, dem TiberiuS, nach
folgte und nun durch fein Auftreten die
Welt in Erstaunen setzte.
! Daß der unter TiberiuS zuletzt all
mächtige Minister und Prätorianer
Mncräl Marco, an dessen Hand Galt
gula doch zum Throne emporgestiegen
war, anscheinend alsbald beiseite ge-
ichobcn wurde, ist schon erwähnt. Diese
!manzipirung des jungen Kaisers schien
gleich eine Aenderung der Regierung?
Grundsätze zu bedeuten. Alte Forderung
gen der liberalen Elemente wurden er
füllt. Vor Allem wurde dem politischen
Leben wieder mehr Freiheit gelassen.
Ealignla sclijcn Ernst machen zu wollen
mit Beobachtung gewisser Verfassung?
forme, die unter TiberiuS in Verfall
gerathen waren; bei Feststellung deS
Budgets und des Militäretats schien
er der öffentlichen Meinung mehr Ein
fluß zu gönnen; daS freie Wahlrecht
!der VolkskomiteS schien wieder auf;n
lieben ; gegen das Delatoreimnwescn,
!das etwa politischem Vockspitzclthum nn
jfcrer Tage vergleichbar ist, wurde ein
geschritten und damit daS öffentliche
ic daö private Leben von einem seiner
schlimmste Schäden befreit, die
Schriften des LabicnuS, des EremutiuS
EorduS und des Cassiuö Severus, die
lö staatsgefährlich verboten waren,
wurden wieder freigegeben, politische
Gefangene mit einer Amnestie bedacht,
Prozesse wegen Majestätollcidigung
niedergeschlagen und die Gesetze,die dies
Vergehen mit schweren Strafen bedroh
ten, außer Anwendung gesetzt. Auch
drückende Steuern, die gerade den klci
ncn Verkehr der breiten Massen drück
ten, wurden erlassen und Er.leichtenra-
I ge ;u der anrmen Slotiea lt
der 'klrcidexn'or.qung eingefudn
' von den speien, die caliöuta nach dem
! allen Rezept .Panem ct Eircer.,"eMn
Suifchtirun; bracZ'kk. zu schneiden. So
schien mit der enteren ,vrcirnr omv
eine Acra der sozialen Reformen oder
doch einer rolkekhumlichen Behandlung
wirlhschafllicher Fragen heraufzuzieken.
Aber schon in diesen ersten Anfangen
! des Ealigul, wahrend der Jubel eines
leicht zum Beifall begeisterten Volkes
ihn umgab, uvrden rorsichiige Becbach
tcr sich sorgende Gedanken gemacht
Es war das berauschende Gericht der
Macht, das Bewußtsein, nun rloylich
an erster -kelle zu stehen, der Wunsch,
etwas Großes zu wirken und vor Allem
der Trieb, in der Weltgeschichte zu
glänzen, was den Ealigula zeitweilig
über sich selbst hinaushob. I!,n packke
in dieser so außerordentlichen Verände
rung seines redens der Ehrgeiz, sich
nun durch etwas hervorzuthun, was
ihm im Grunde fremd war, durch Frei
sinn und Pflege des temeinwoblS.
Zugleich aber zeigten sich gar bald be
denkliche Eigenschaften. ES fehlte das
feste Fundament einer in inneren Kämp
fen gewonnenen ausgeglichenen Gebens '
anfchauung; die Haupkiricbfcder feiner
Handlungen war nicht der Wunsch.
Gutes zu schassen, sondern der Ehrgeiz,
als Förderer populärer Bestrebungen
bewundert zu werden und als großer
Mann auf die Nachwelt zukommen;
der durchgehende Eh'irallerzug seiner
Maßregeln war eine nervöse Hast, die
unaufhörlich von einer Aufgabe zur an
deren eilte, sprunghaft und oft wider
spruchsvoll, und dazu eine höchst gefähr
liche Sucht, Alles selbst auszuführen.
Die Kaltstellung des Marco, von
der wir schon sprachen, ist wesentlich
unter diesem Gesichtspunkte zu be
urtheilen. Zwar scheint eS. daß die
Beziehungen zwischen den beiden Man
ncrn nicht ganz oder doch nicht für
immer abgebrochen wurden ; dennMareo
kam in die ,'agc, dem jungen Kaiser
Ralh zu ertheilen, ihm Mäßigung und
Besonnenheit zu empfehlen. Doch be
kam ihm seine Wamerrolle schlecht; er
erregte nur den höchsten Zorn deS Kai
sers der sich dann in blutigem Wüthen
gegen ihn und seine Familie wandle.
Die dankvcrgcsscne Behandlung des
Mareo wird nntcr den Umständen, die
die Popularität des Ealigula erschüttert
haben, besonders namhaft gemacht.
Die Zurückdrängung deS Mannes,
der zunächst zur Leitung der StaatSge
schäfte berufen gewesen wäre, crwicS sich
bald als ein Vorgang, der nicht etwa in
einem Gegensatz der beiden Persönlich
feiten, sondern in der ganzen Art Eali
gulas seinen Grund hakte. Von hochge
stellten Männern, die unter ihm wirk
lich einflußreich gewesen waren, hören
wir gar nichts. Der Kaiser konnte
keine sclbstständige Kraft neben sich er
tragen; er wollte sein eigener Mini
sker sein, und nicht nur das: auf
jedem Gebiete auch sclbstskandig ein
greifen. Dazu aber fehlte es seiner im
Grunde beschränkten N'atur, auch ehe
dieselbe zu Schlimmerem ausartete, an
Kenntnissen und an Talent, an Ruhe
und Selbstzucht.
Bald trat sehr viel AergcrcS hervor.
Sein rücksichtsloser Eigenwille, die
überraschenden Refonnideen, die plötz
lichen und grausamen Maßregelungen
hochgestiegener Männer mögen als
Aeußerungen einer kräftigen Herrscher
natur noch den Beifall großer Massen
entfesselt haben, als Einsichtigere da
hinter schon ein schreckliches Gespenst
lauern sahen: den Wahnsinn.
Man hat sich gewöhnt, vom Läsaren
Wahnsinn als einer besonderen Form
geistiger Erkrankung zu sprechen, und
dem l'efcr wird die packende Szene aus
Gustav Frehtags Verlorener Hand
schrift" in Erinnerung sein, wo der
weltfremde Professor ahnungslos dem
geisteskranken Fürsten aus TaeituS das
Bild seines Leidens entwickelt. Die
Züge der Krankheit : Größenwahn, ge
steigert biö zur Selbstvcrgöttcrung,
Mißachtung jeder gesetzlichen Schranke
und aller Rechte fremder Jndividuali
täten, ziel- und sinnlose brutale Grau
samkeit, sie finden sich auch bei anderen
Geisteskranken ; das Unterscheidende
liegt nur darin, daß die Hcrrscherstel
lung den Keimen solcher Anlagen einen
besonders fruchtbaren Boden bereitet
und sie zu einer sonst kaum möglichen
ungehinderten Entwickelung kommen
läßt, die sich zugleich in einem Um
fange, der sonst ganz ausgeschlossen ist,
in grausige Thaten umsetzen kann.
Der spezifische Eäsarenwahnsinn ist
das Produkt von Zuständen, die nur
gedeihen können bei der moralischen
Degeneration monarchisch gesinnter
Völker oder doch der höher flehenden
Klassen, aus denen sich die nähere Um
gebung der Herrscher zusammensetzt.
Der Eindruck einer scheinbar unbegrenz
ten Macht läßt den Monarchen alle
Schranken der Rechtsordnung vergessen :
die theoretische Begründung dieser
Macht als eines göttlichen Rechtes vcr
rückt die Ideen des Armen, der wirklich
aran glaubt, in unheilvoller Weise;
Yit Formen der höfischen Etikette und
noch mehr hie darüber hinausgehende
unterwürfige Verehrung aller derer, die
sich an den Herrscher herandrängen
bringen ihm vollends die Vorstellung
bei, ein über eile Menschen durch die
Natur selbst erhobenes Wesen zu sein;
auö Beobachtungen, die er bei seiner
Umgebung inachen kann, erwächst ihm
zugleich die Ansicht, daß es ein ver
nchtlicher gemeiner Haufen ist, der ihn
umgibt. Kommt dann noch hinzu, daß
nicht nur die höfische Umgebung, son
dern auch die Masse deö Volkes korrum
pirt ist, daß der Herrscher, er mag be
ginnen, was er will, keinen mannhaf
ten offenen Widerstand findet, daß die
Opposition, wenn sie sich einmal her
vorwagt, zum Mindesten ängstlich den
Schein ausrecht erhält, die Person des
Herrschers und dcssenZlnschauungen nicht
bekämpfen zu wollen, ist gar dieser kor
rumpirtc Geist, der das Vergehen der
MajcstätSbclcidignug erfunden hat und
in der Verfggung der Ehrfurcht eine
strafbare Beleidigung dcö Herrschers
erblickt, in die Gesetzgebung und in die
'echk'vrechun.1 eii'aez.'acn : ls ikS ,a
wüklich zu kxrirundern. t?enn rin so
ad'o!ut.-rM?.Z7ch bei q-iuden -innen
bleibt.
waren in dem schon sz verrotteten
römischen Skoaieleben Vorbedingungen
für die Er.trri jeluncj deS Eänrrnwann
sinneS reiflich gegeben. Dabei war
Ealigula beikerseilS erdlich belastet
man denke an ulia. deren -cbn
EajuS und an seine, GroßodeimS Iibe
rius' leiite akre', und auch der Um
stand, dzß er so ung zur Herrschaft ge
langte, mußte alle vorhandenen Keiine
üvLiz emoorfchießen lassen, da daS
schroffe Mi ßverhällniß zwischen äußerer
Zlellunq und innerer Berechiigung auf
seinen jugendlichen, von jeher zu Exzes
sen jeder Art geneigten Geist wie Gist
einwiikle.
yn wirklichen Wahnsinn ist Ealigula
trotzdem erst nach einer schweren Krank
heit versallen, von der er zu seinem
und deö Volkes Unglück genaS; aber
man wird sagen dürfen, daß diese
Krankheit aller Wahrscheinlichkeit nach
nur die Enlwickelung beschleunigt hat,
denn die deutlichen Ansätze dazu waren
schon vorher vorhanden, und die ungün
stig wirkenden äußeren Faktoren.' die
dieselben fördern mußten, waren von
seiner kaiserlichen Stellung im dama
ligen Rom nicht zu trennen.
Das Bild des EäsarenwalifinnZ, das
uns Ealigula darbietet, ist geradezu
typisch. Fast alle Ersäieinungen, die
wir sonst bei verschiedenen Herrschern
antreffen, sind in ihm vereinigt, und
wenn wir die scheinbar gesunden An
fange mit der schauerlich raschen Stei
gerung zu den äußersten Exzessen zu
sammenhalten, so gewinnen wir auch
ein Bild von der Entwickelung der
Krankheit.
Eine Erscheinung, die an sich noch
nicht krankhaft zu sein braucht, in der
sich aber, wenn man sie mit den übrigen
Symptomen zusammenhält, der Grö
ßenwahn schon früh bei Ealigula antun
digt, ist die unbemcssene Prunk- und
Verschwendungssucht, ein Eharakkcrzug
fast aller Fürsten, die das gesunde
Urtheil über die Grenzen ihrer eigenen
Stellung verlieren, von orientalischen
Despoten bis aus gewisse Träger der
Tiara, bis auf die beiden französischen
Ludwige und ihre deutschen Nachahmer,
eine Reihe, die in dem unglücklichen
Bayernkönig vorläufig ihren letzten be
rühmten Vertreter gefunden hat. Nach
kurzer Zeit war nicht nur der sehr be
deutende Schatz, den der sparsame alte
Kaiser hinterlassen hatte, verbraucht,
sondern man mußte auch zu sehr bedenk
lichen Mitteln greisen, um die Einnah
men zu steigern und die Schulden zu
decken. Die eben abgeschafften Steuern
wurden wieder eingeführt, neue, zum
Theil sehr drückenden oder schimpf
lichen Eharatters, kamen hinzu, die
Justiz wurde mißbraucht, um dem
Schatz Strafen und konfiszirte Vcnnö
gen zuzuführen und schließlich ward der
Grundsatz proklamirt, daß das Vermö
gen der Unterthanen zur Verfügung des
Fürsten sei.
Prunk- und Verschwendungssucht
haben sich natürlich bei Ealigula auf
den verschiedensten Gebieten7 bethätigt,
bei Festen, Mahlzeiten und Geschenken,
in Kleidung und Wohnung und Allem,
was sonst zum i.'ebcn gehört, besonders
auch in der Einrichtung seiner Paläste
und Villen und der mit unsinnigem
'uxuS ausgestatteten kaiserlichen ?)ach
ten, am allerhcrvorragendslcn aber in
riesenhaften Bauten und Bauprojekten.
Auch das ist ein den überspannten Herr
schcridecn eigenthümlicher Zug man
! denke nur an die soeben schon berührten
Beiipiele; man kann ihn sich übrigens
leicht genug versländlich machen, wenn
man die Ruhmsucht der Eäsaren und
ihre Wunsch, vor der Nachwelt zu
glänzen, im Auge behält.
Die Maßlosigkeit der Projekte des
Ealigula und die kurze Zeit seiner Re
gierung Haien bewirkt, daß eine Reihe
seiner Bauten unvollendet liegen ge
blieben ist. Auf dem Palatin in Rom
zeigt man noch die Anfänge zu der
Brücke dS Ealigula." durch die er
über das storunl hinüber den Kaiser
palast mit dem Kapital, dem Heilig
thum der Stadt, verbinden wollte.
Große Wasserleitungen und Eirkuöbau
ten nahm cr 'gleichzeitig in Angriff,
auch das schon öfter erörterte Projekt
eines Kanals durch die Vandenge von
Korinth sollte schleunigst zur Ausfiih-
; rang gebracht werden. Mit dieser Bau
lust'war eine auffallende Zerstörungö-
' sucht verbunden. Erhaltenowerthe Bau
ten wurden aus nichtigen Gründen zer-
stört oder umgestaltet. as aber neu
lntstand, trug zum großen Theil den
Ctcmpel von ganz bizarren Einfällen.
Je unmöglicher uns unsinniger cinc
Aufgabe schien, um so mehr lockte sie
ihn. Am Golfe von Neapel nennt man
IVhcrresti rinc riimi Irlirn .finfcntiniti
mes Ponte di Ealigula" in Erinnerung !
an oen pijnu:'iija)en -üiuacuouu, ven
er dort zur Ausführung eines Wahn
witzigen Gedankens hatte Herskellen
lassen.
Ealigula ließ nämlich über die Bucht
von Sajac eine ricscnlange Schiffs
brücke schlagen, ans derselben eine förm
liche Landstraße mit Schenken und Süß
Wasserleitungen anlegen und führte,
angethan mit dem angeblichen Panzer
Alexanders des Großen, seine Truppen
über die Brücke nach Bajae, fiel mit
seinen Soldaten in die friedliche Stadt
ein, wie um siezu erobern, veranstnl
tete am nachfolgenden Tage aus der
Brücke einen großen Triumphzug mit
gewaltigem Aufputz fingirter Beute
und sin'girker Gefangenen und feierte
schließlich selbst das glorreiche Unterneh
men, die Ueberwindung so vieler Stra
pazen, wie cr sagte, und die Fesselung
des Ozeans in pomphafter Rede und
rauschenden Festen.
Wahnwitzige Prunk- und Verschwen
dungssucht tritt in diesen berühmt ge
wordenen Unternehmen recht kraß her
vor, zugleich aber noch eine andere ganz
eigenthümliche Richtung, die der krank
hafte Größenwahn und das Prunkbe
dürsniß der Fürsten zu nehmen pflegt:
der Heißhunger nach militärischen
Triumphen.
DaS Grausige und daS Lächerliche
nre.:e2 aemdc lücr bart aneinander.
WeZ i'v.cv ?' Vsie'K für irupk.
U5 rud'u1:ze uns für
kli.'ien'che 2inu yv, in.v zu den
schauerlichste F !,','! zu wahren Bot
kermeycleien s. s, schläat sie
andererseits, renn ??r -fein an Stelle
schrei! ier ivirf sei tritt, gir t:;i;t
in'S Komisch :.?i''che um.
Bei Ealigula v.nt diese fettere
Seile der Sache desonde?? scharf dersor.
Die Zeitverdaitiisc waren nicht dar
nach angethan. Mrteje zu fuhren und
kriegerische Triumph? zu gewinnen,
?ie Grenzen waren beruhigt, aus uvi
tere Andednn,i de$ Reiches hatte nun
verzichtet. Eaiigulas echt cä'arisch'
krankhafte Zucht, auch auf militärische:
Gebiete zu glänzen, warf sich deshalb
auf spielerische Mancher und aus einen
theatralischen SiVi. m Stile jenes
Triumpkzuges über den Golf von
Bajae hak er nech mancherlei voll'ührt.
Wir heben nur zwei besonders fpre
chende Beispiele yer?or.
Ganz plot-lich faßte er den Entschluß,
sich zum Heere an den Rhein zu be
geben. HalS über Kopf mußte alles in
Vewegung gesei.'t werden. Bei der
Armee angelommen, zeichnete er sich
zunächst durch eine ganz außergewohn
liche disziplinarische Zirenge auch gegen
Offiziere au?; besonders die Unglück'
lichen Führer, die bei dieser plötzlichen
Mobilmachung nicht schnell genug auf
dem Sammelplav waren, hatten seinen
Zorn zu fühlen. Zugleich schien er, so
wenig er auch selbst an seine eigene
ugcud erinnert werden wollte, auf
Verjüngung der Armee bedacht zu fein ;
er verfügte die Verabschiedung vieler
älterer Eenturionen mit der Begrün
dung, daß sie zu alt oder zu hinfällig
seien. Gegen andere schritt cr wegen
finanzieller Mißbrauche in dcr Vcrwal
tunq ein. Wenn das scharfe Anziehen
der Disziplin auch diesem oder jenem
a!S besondere Schneidigkeit imponirt
haben mag, so hat eS zugleich doch auch,
wie wir aus den Berichten des Zue
ton" ersehen, viel Unzufriedenheit her
vorgerufen, und manche Maßregel
müssen unbefangenen Beurtheilern ge
radezu als eine lächerliche Renommiske
rci erschienen sein, besonders wenn sie
sahen, waS sich nun weiter anschloß.
Ealigula ließ nämlich ein Manöver
über den Rhein hinüber ausführen. Ger
manische Soldaten feiner Leibwache und
als Geiseln anwesende Fürstenföhne
mußte sich als temianenkrieger ver
kleiden und unweit des Rheines Stel
lung nehmen; davon wurde, während
der Kaiser bei Tafel saß, militärische
Meldung durch die Vorposten erstattet,
und über diesen markirten" Feind, der
sich gefangen nehmen ließ, wurde dann
ein glorreicher Sieg erfochten; biedres
sirten Leibsoldatcn und die armen Ger
manenjünglinge paradirtcn als Ge
fangene. Das Soldaten- und Manöverspiel
artete hier schon zu einer von aller
Welt belachten Farce aus.
Fast noch grotesker wirkte die Unter
nchmung gegen Britannien, bei der
Ealigula schließlich seine Soldaten am
Strande Muscheln sammeln ließ. Diese
Beute des Meeres sollte als eine
KricgStrophäe gelten.
Zum zweiten Male kehrte hier der
phantastische Gedanke einer Bezwin
gung des Weltmeeres wieder. Der junge
Kaiser scheint eine ganz besondere, an
sich sympathische, nur auch wieder in'S
Krankhafte verzerrte Vorliebe für die
Tee gehabt zu haben. Wir erwähnten
schon die besonders prunkhafte Ausstat
tung feiner pachten. Wiederholt hören
wir, daß er kleine und große Seereisen
unternahm, und auch in der Schönheit
deS Sturmes scheint cr das Meer auf
gesucht zu haben. Für seine Umgebung
muß die Passion recht unbequem ge
Wesen sein, denn cr scheint rücksichtslos
verlangt zu haben, daß alle feine Vor
liebe theilten und dem armen Silanus,
der einmal bei fkürmischcm Wetter zu
rückgcblicben ww, ist seine Furcht vor
Seekrankheit zura Verderben geworden,
da Caligula, damalö schon ganz in
blindem Mißtrauen blutig wüthend,
andere Motive dahinter vermuthete.
In dem Manöver-und Soldatenspiel
Ealigulas, das wir kcnncn gelernt
haben, in feinen TiSziplin-Marokten
und in den Trimnphzügcn liegt offen
bar ein komödiantischer Zug, der für
das pathologische Bild des Eäsaren
Wahnsinns charakteristisch ist. Er bc
schränkt sich bei Ealigula nicht auf
militärische Komödien. Wir hören von
seiner ungcmessencn Passion sür Thca
ter und Cirkus und mehr als das : wir
hören, wie cr selbst gelegentlich mitzu
agiren begann, wie ihn eine absonder
liche Vorliebe für auffallende Kleidung
und deren fortwährenden Wechsel bc
herrschte, wie diese Permummungs
fpiclcrci dahin ausartete, daß cr sich in
den Masken der verschiedenen Gotthei
ten lGötterund auch Göttinnen!) gefiel
ein Zug, aus den wir in anderem
Zusammenhange noch zurückkommen
wie cr ferner seine eigenen mimischen
Künste bewundern ließ, z. B. Nachts
Senatoren auö ihrcnBcttcn aufschreckte,
nur um ihnen vorzutanzen ; eö wird uns
berichtet, daß cr öffentlich als Cirkus
tänzcr, wie später Nero, auftrat und
sogar, wie später EommoduS. als Gla
diator, also in einer. Rolle, die damals
den Fluch sozialer Acchtung auf den
unglücklichen Träger herabzuziehen
pflegte.
Es kommt bei diesem komödiantischen
Zuge des EäsarenwahnsinnS wohl
zweierlei zusammen, erstens cinc krank
haft phantastische Anlage, , gleichsam
die stehen gebliebene Neigung des Kin
deS. feine Phantnsiegebilde mit der
realen Welt zu verschmelzen, eine Nei
gung, die sich unter Verhältnissen am
besten halten kann, wo an Stelle ein
fachcr Natürlichkeit schon so viel ver
schrobcncö Kvmödienspiel, so viel Fik
tioncn herrschend sind, wie an einem
K'aiserhofe, und dann zweitens daSBc
dürfniß, überall und auf jedem Gebiete
zu glänzen, ein Bedürfniß, das eben
falls durch die eigenartige Stellung
dcö absoluten Herrschers krankhaft ge
nährt wird.
In der Reihe von Hcrrschcrtypcn,
bei denen van ciacntkümlichcr Geistes-
Zranlbeil nicht dlc'Rede fsl, begegnen
wir deshalb ja so oft Persönlichkeiten,
die sich andauernd auf gewissen Gebir
ten jämmerlich bloßsiellen, zum Theil
weil in ihrer Stellung der Zwang und
der Trieb liegt, überall hervorzutreten,
zum Theil weil die Umgebung sie in
dem Glauben erhält, daß sie etwas
tenialeö und gewaltig .ZmponirendeS
leisten, auch wo die lnlldeüen aufrich
kigen Beurtheiler bedenklich den Meff
schütteln.
Ein Gebiet, auf dem Ealigula mit
Vorliebe zu glänzen si:chle. war die
Beredsamkeit; er sprach gern und viel
össenllich, und es wird unS berichtet,
daß er auch ein gewisses Talent dafür
befaß, daß insbesondere ihm die Kunst,
zu verletzen und zu schmähen, eigen war.
Mit Vorliebe wandte er sich gegen die
orliphäen der Vikeratur. Manches bei
ßende Wort gegen sie soll ihm nicht
schlecht gelungen sein. Doch ging sein
unverständiger Fanatismus so weit,
daß er klassische Autoren, wie Homer,
Virgil und ,'ivius, am liebsten aus
allen Bibliotheken verbannt hätte.
Dabei scheint er doch Eitate auS den
verhaßten Autoren manchmal gern in
epigrammatisch zugespitzten Worten
benutzt zu haben, um seine eigene Stel
lung zu bezeichnen. So herrschte er
seine Gäste einstmals mit dem beruhn,
ten Verse des Homer an: Einer sei
Herrscher, Einer nur König! A bc
rühmtcslen geworden ist sein Lieblings
citat aus einem Tragiker: 0rlcnt,
luiii luetirnnt," das heißt mögen sie
bassen, wenn sie nur fürchten," wohl die
zugespivteste Aeußerung seiner cäsariski
schen Auffassung der Beziehungen zwi
schen Regenten uud Volk.
Die Freude an rücksichtsloser Gewalt
thatigkeit, die sich in dein häufigen Ge
brauch dieses Wortes gleichsam als
obersten Veitmotives ausspricht, be
herrschte seine Stellung zu allen Ver
Hältnissen des öffentlichen Lebens.
Sehen wir zunächst selbst von posi
tivcr Grausamkeit noch ab, so ist eS
ja typisch für diese Art von Eäsaren,
daß fast ihr vornehmstes Interesse, wic
bei Ealigula, darin besteht, Jcdcrmann
ihre Macht fühlen zu lassen, daß sie
nichts mehr ausbringt, als die Empfin
dung, Grenzen dieser Macht anzntref
fen. und daß sie als wirksamstes
Mittel, um jeden Widerstand ihrer
Unterthanen im Keime zu ersticken, die
Verbreitung von Furcht und Schrcckcn
betrachten. Bramarbasirend Pflegen
sie. gleich Ealigula. die Drohung, daß
Jedermann ihre Macht fühlen solle,
in unzähligen Varianten im Munde
zu führen. Das wiederholt sich öfker
in der römischen Kaisergeschichtc und
auch sonst gibt cö Beispiele genug.
Selbst so geniale Eäsarennaturcn wic
Napoleon sind davon nicht frei. Glück
lich das Volk, wenn solche Herrscher
durch die Macht der äußcren Verhält
nisse genöthigt sind, sich mit bloßen
Drohungen zu begnügen und nicht wie
Ealigula zu Thaten übergehen können.
Von dem Streben dcö Herrschers, die
eigene Macht fühlbar zu marhcn, pfleg
ten zunächst nicht fo sehr die breiten
Massen des Volkes wie die höher ge
stellten Gesellschaftsklassen, vornehme
Familien und hohe Beamte, getroffen
zu werden. Die ersten schwachen An
sänge sind allerhand RiicksichtSlosigkei
tcn doch eben nur schwache Anfänge,
denn mit cynischcm Behagen suchen
solche Herrscher bald Alles herabzu-
drücken, waS neben ihnen sclbstständige
Geltung beanspruchen kann. Auch bei
Caligula ist zu beobachten, wie cr cden
Vorzug und besonders jcdcs Verdienst
mit seinem Haß verfolgte, wic er
systematisch alles Ansehen durch Miß
achtung und Hohn zn untergraben
suchte, wie cr darauf ausging, hochge
stellte Männer zu erniedrigen, sie
zwang, als Gladiatoren aufzutreten
(wobei freilich auch sein Gefallen am
Blutvergießen in's Spiel kam), sie
hinter seinem Wagen herlaufen, bei
Tische aufwarten ließ, oder ihnen den
Fuß zum Kusse reichte der Handkuß
galt wohl kaum mehr als eine Ernicdri
guug. sondern eher als eine Ehre ! Ge
flisfentlich verhöhnte cr die uralten
Traditionen vornehmer Familien und
setzte seine eigene Umgebung aus Per
soncn des niedrigsten Standes zusam
men. Kutscher, Gladiatoren, Schau
spiclcr und allerhand fahrendes Volk
feien, so sagte man, sein täglicher Um
gang, während die berufenen Männer
bei Seite geschoben wurden (auch wieder
ein Zug, dem man in der Geschichte
krgnker Herrschergestnlten oft genug be
gcgnet)." Sicherlich hat Caligula auf ähnliche
Weise auch im eigentlichen Staatslcbcn
mit den Stellen der Civilvcrwaltung
und des Heeres gcwirthschaftct.
Gerade an diesem Punkte empfindet
man es besonders schmerzlich, daß die
uns erhaltene Darstellung des TacituS
beim Regierungsantritt des Ealigula
abbricht. Er würde gewiß mit unnach
ahmlichcr Kunst geschildert haben, wic
dieser Eharakkcrzng zersetzend auf die
ganze Staatsverwaltung eingewirkt hat.
Von geringeren Autoren ist uns jetzt
fast nur der äußere Zug von Wahnsinn
überliefert, wie Ealigula schließlich
einem Pferde die Konsulwürde zu vcr
leihen beabsichtigt haben soll. Die
Stufen, die zu diesem Gipfel bubcnhaf
tcr Verhöhnung führten, müssen wir
uns kombinirend ergänzen. ES fällt
aber nicht schwer, sich vorzustellen, wic
die Mißachtung jeder Sachkenntniß und
jeder auf Fachbildung beruhenden Auto
rität von kaum bemerkbaren Anfängen
an sich dazu fortentwickelt hat.
Nur, zwei Einzelerscheinungen, die
hierher gehören, sind uns zufällig be
kannt. Die Wissenschaft der JuriSpru
denz hat Ealigula in der Praxis völlig
beseitigen, den Stand der Juristen
völlig ausrotten wollen. Mag in dieser
Juristcnfeindschaft auch der gesunde
Kern stcckcn, daß die Existenz einer
FnchjuriSprudcnz dem Wesen des leben
digen Rechtes widerstreitet, so i':izx
Gedanke selbst doch unter den gegebenen
Verhältnissen des damaligen römischen
Lebens wieder echt cäsarisch. Der an-
dcre Vorgang betrifft das Hcc.wesen. '
Eine Anzahl von CirkuSsechtern wurde
anscheinend unvermittelt ai ) bloßer
Laune zu Offizieren seiner veibwacke
ernannt.
Wir dür'en daS Bild uns wobl wei
ter auomalen, wie der &aner Verweil
tungoueamken. O.uastoren oder großen
Steuerpachiern militärischen Rang tx
theilte, alte Soldaten auf wichtige
Eivilrerwallungposten stellle. einge
fleischte Juristen, die auf dem For'im
groß geworden waren, auf schwierige
Stellungen an der Grenze für den Ver
kehr mit fremden Völkerschaften fchickie
oder gichlbriichigc Geheimraibe an die
Spive seiner Tanzerfchaar beforderie.
Nicht toll genug werden wir uns den
Wirrwan, den Widerstreit von Be
fühigUttg UNd AufiiägeN, den Höh öU?
die gesunde Vernunft, der von dem
konsularischen Rcß schließlich gekrönt
wurde, vorstellen können.
Ueber der wild durcheinander gewor
sencn, vcrhoimlen und mit Füßen ge
trctenen servilen Masse des Volke und
aller Stande glaubte der Kaiser selbst
zu thronen, in unnahbarer gvkllicher
Majestät, die für ihn selbst ungeschmä
lert aufrecht stehen blieb, wenn er auch
gelegentlich den Purzelbaum zum Eir
kuS hinunterschlug. Denn daS ist
wesentlich für diese Galtung von Eiisa
rcn, sie glauben an ihr eigenes Recht,
sie meinen eine Mission zu haben, s.nV
lcn sich in einem besonderen Verhältniß
zur Gottheit stehend, halten sich für
die AuSerwählten derselben und bean-
sprachen i,chl:ei;lich für lieh selbst gilt
liche Verehnina.
DaS scheint der äußere Gipfel deS
laiarenwahns zu fein, und doch nahern
sich ihm die Vorstellungen mancher
Herrscher, die noch nicht geradezu für
krank gelten können, auf bedenkliche
Weise Friedrich Wilhelm der Vierte
zum Beispiel bewegte sich, auch als er
noch nicht völlig erkrankt war, in einem
solchen mystischen Jdeentrcisc. Freilich
das ist ja das schmach- und jammer
volle Fundament der ganzen Eäsaren
eristcnz kommt solchen Vorstellungen
die Anschauungsweise der Massen und
besonders der herrschenden Klassen in
den von cigenllich monarchischer Ge
sinnuug durchtränkten Völkern oft auf
die gefährlichste Weise entgegen. Wie
hätte sonst für Alexander, wie hätte für
Cäsar Vergötterung beansprucht werden
können?
Bei Caligula ist es ganz offenbar
nicht nur kecke Ausnützung der Volks
auffaffung oder politische Berechnung,
wenn cr göttliche Verehrung bean
spracht, sondern cS ist der helle, nackic
Wahnsinn, der an die eigentliche Gott
lichkeit glaubt, oder doch sich vorüber
'gehend in die Vorstellung derselben
liebevoll versenkt.
Das sehen wir am besten daran, wie
cr mit dem Gedanken gleichsam spielt.
!Bei der Dürftigkeit unserer Nachrichten
Können wir auch hier die Entwickelung
nicht ganz verfolgen die unscheinbaren
Anfänge sind unS nicht deutlich über
Ucfert Daß er schon als Jüngling
lzum Augur und Obcrpriestcr ernannt
wurde, hat möglicher W'eise aus seine
Ideenwelt gewisscnEinsluß geübt. Wir
dürfen wohl nnnchmcn, daß er beim
IGotteödicnft selbst wirklich sungirt
haben wird und daß cS ihm nahe lag.
phantastische .Vorstellungen mit dcr
Ausübung solcher Funktionen zu verbin
den. Weiter wichtiger und bezeichnender
der ist es, daß er eS liebte, in der
Verkleidung von Göttern und Göttin
!nen aufzutreten.
! Wie sich ein schauspielerischer Zug
darin äußert, wurde schon berührt : wir
'müssen unS vorstellen, wie der kaiser
liche Akteur sich gleichsam selbst in die
Stellung der dargestellten Gottheit
hineinschauspielerte. Es ist ja sehr
merkwürdig, wie bei etwas krankhaft
phantastisch angelegten Menschen die
Grenzen zwischen der Wirklichkeit und
dem dargestelltenSchein sich verwischen ;
zunächst spielen sie mit dem Gedan
tcn, etwas mit der dargestellten Figur
gemein zuhaben, in Augenblicken beson
derer Exslase fühlen sie sich mit ihr
eins, und bei ausgesprochener geistiger
Erkrankung glauben sie schließlich
dauernd mit ihr identisch zu sein. Kö
nig Ludwig von Bayern hat gewiß,
wenn er als Lohengrin auf feinem
künstlichen See im Schwanennachen
fuhr, auch Momente gehabt, in denen
die Scheidung zwischen Tarstellung
und Wirklichkeit sich für ihn verwischte.
Vielleicht darf man sagen: es ist die
in Folge von Ucbcrreizung auf das
eigene Subjekt ausgedehnte Illusion,
die wir alle dem Objekt gegenüber ja
bei künstlerischen Reizen aus unsere
Phantasie kenne lernen. Und wenn
nun noch das Auftreten von dritte
Personen und großen Volksmassen, der
Wunsch, auf dieselben Eindruck zu
machen, und das Bedürfniß, eine ganz
unnatürliche Fiktion mit immer ver
stärkten äußcren Mitteln aufrecht zu cr
halten, hinzukommcn! Wer, hat nicht
schon Menschen gekannt, die schließlich
selbst glaubten, das zu sein und das
geleistet zu haben, was sie lange An
deren und dann sich selbst vorgeschwin
dclt hatten?
Bei Ealigula schlugen gelegentlich
seine Vergöttcrungsversuche in eine
tolle Farce um ohne daß wir deshalb
glauben dürfen, er habe den Kultus,
den er feinen Unterthanen aufgezwun
gen hatte, frlbst verhöhnen wollen, um
fo die Schmach noch zu verschärfen. Er
machte sich selbst zum Opferpriestcr
seiner eigenen Gottheit! Und sein
Pferd auch sonst tritt seine Vorliebe
für Pferde in ganz unsinnigen Hand-
lungcn hervor gesellte er sich als iM
legen in dieser Stellung zu !
Schon die Zeitgenossen haben Eali
gula für richtig geisteskrank gehalten
und eS ist nicht recht verständlich, wie
ein neuerer Historiker noch daran zwei
fcln kann. Der Entwickelung zu gei
fkigcr 'S'törung entspricht bei ihm ja
auch offenbar eine ursprüngliche krank
haste Anlage.
Von seiner körperlichen Disposition
wissen wir nicht viel, aber doch einiges.
Als er mit zwanzig Jahren zu TiberiuS
kam. war er lang aufgeschossen; dünne
Beine, stark entwickelter Bauch und
unheimlich berührende GesichtSzüge,
mit cinaefallenen Schläfen und Augen.
breiter und fim'ierer Zinn nne;i k?r
peil ich die herv.'rragei'd'ien Merfmile.
5e.be, litt er an Epller'ie uud schrei
liij:r Slilaflo'igkeik.
Von seiner damit zuiammenhangen,
den Rast' und Ruhelosigkeit, von dem
Widerspruchsvollen und der Unbereck'en
baikeit feiner Einsalle und Eindnife
bat uns Tie Eaffius eine lebendige
Schilderung gegeben; es f,n Zu.v der
Nervosität, die an sich noch ni.l't t?,n-,k
haft zu sein brauchen, die erst im
sammenliang mit dem. was wir fxv't
wissen, erhöhte Bedeutung erlangen.
Bald suchte er das Gen nbl der Men
schen, bald wieder die Einsamkeil ; er
unternahm dann wohl eine Reise und
einmal, als er zurückkehrte, war er kaum
wieder zn erkennen, er kalte sich gaz
gegen die 2ii!c der Zeit) einen Bart
und langes Haupthaar wachsen lassen.
Ueber Schmeichler und Freimüthige
ärgerte cr und freute cr sich zugleich.
Bald ließ cr sich, besonders von reuten
niederen Zlaudes, die schlimmsten
Dinge sagen, bald strafte er Nichtigfei'
ten mit dem Tode. Niemand wußte,
waS er thun oder sagen sollte, und
machte es ihm einer recht, so halle cr
eS seinein guten Gluck, nicht seiner
Klugheit zu danken. Er kam aus die
unsinnigste Einfalle, und auch wen
sie vcrhältnißmäßig harmlos waren,
steckte ein Zug von Bosheit in ihnen,
so z. B. wenn cr einen Offizier, der
seine Unzufriedenheit crrcgt kalte, mit
einem ganz inhaltslosen Briefe an
König Plolemauo nach Mauretanien
schickte.
i Meist aber nahm seine Bosheit. daS
Vergnügen am Ou lei,, sehr viel schlim
liiere Formen an. Auch dieser Zug ist
schon auS seiner Jugend überliefert.
Er versäumle es nickst, bei Folterungen
und Hinrichkungen zugegen zu sein.
Dami t verband sich der Hang zu AuS
schweifungen. Zchon ans feinen Kna
benjahren erzählte man sich scheußliche
Dinge. Später, als er bei TiberiuS
,war, besuchte er vermummt die Höhlen
deS Lasters, zugleich geschlechtlichen
,Auöschweisu!ige und dem Trunte er
geben. , Der Hang zu Ausschweisungen, das
Schwelgen im Blutvergießen und die
Freude an grausamen Martern machen
daS Bild des cäsarislischen WüthcrichS
erst recht vollständig. Daß krankhafte
geschlechtliche Neigungen oft mit krank
hastcr Freude am Grausigen, an Blut
opfern und grausamen Oualen Hand in
Hand gehen, ist ja eine auS psychiatri
Wen Beobachtungen überall bekannte
Thatsache. Wie nun diese kombinirte
Erscheinung wieder mit dem Eäsaren
Wahnsinn zusammenhängt, ist im Gro
ben auch für den Laien leicht cinzu
sehen, mag auch die genaue AuScinan
Verlegung der Erscheinung dem Fach
mann noch manche Probleme bieten.
Schon oie äußeren Vortheile der ganzen
Stellung verlocken zu früher Zügel
losigkeit, wofür die Ledcnögcschichte
unzähliger Fürstensöhne wohl auö allen
Dynastien Beispiele liefert. Wenn
auch noch die cäfarische Anschauung von
der Unbcgrcnztheit der eigenen An
spräche und von der Nichtigkeit aller
anderen Rechte hinzukommt und wenn
sich dazu cinc Vererbung dieser Fakta
rcn durch einige Generationen gesellt,
dann ist natürlich kein Halten mehr.
In seiner vollendetsten Gestalt
gleichsam zeigt sich der Eäsarenwahn,
wenn Blutdurst, Grausamkeit und
Zuchllosigkeit in den Dienst des Ver
götterungsgednnkenö treten. Auch von
dieser Steigerung seiner Wahnsinns
ausgeburten schien Ealigula der Welt
ein Beispiel in großem Maßstabe hin
tcrlasscn zu wollen, als die Juden
und zwar, wie es scheint, sie allein
sich weigerten, seine Statue in ihrem
Tempcl auszustellen und ihr Anbetung
zu erweisen. Mit Fcucr uud Schwert
war cr im Bcgriff, das ganze Volk zu
seinem Dicnsic zwingen zu wollcn,
als dcr Tod ihn crciltc.
Doch auch von solcher Häufung aller
cäsaristisch-wahnsinnigen Züge nbge
sehen, wirkten deS Ealigula Hang zu
Ausschweifungen und sein Blutdurst
für sich allein schon grausig genug. In
der ersten Zeit nach seinem Regicrungs
antritt scheint er sich einige Mäßigung 1
auferlegt zu haben, aber bald traten
die Neigungen seiner Jugend, von
denen wir schon sprachen, wieder her
vor, und da er jetzt unumschränkter
Selbstherrscher ivar, so ergab cr sich
um so ungezügelter seinen Begierden,
denen Frauen und Mädchen ohne Zahl
zum Opfer fielen.
Zugleich begann er in wahrhaft ent
setzlicher Weise, oft noch durch finan
zielle Motive angestachelt, seiner Mord
gier und der Freude an Martern freien
Lauf zu lassen. Nicht nur spätere Bc-'
richterstattcr haben uns davon berichtet,
sondern auch der Zeitgenosse Sencea
schildert die thierische Freude, die der
Kaiser beim Anblick von Hinrichtungen
empfand, und die Grausamkeit, mit
der er die Ucbcrlcbendcn quältc.
Daß seine MrMuft als Geistes
störung aufzufafse ist, zeigen einige
Geschichten, die i.",S überliefert sind,
wic er seiner Ga.tin oder seiner Ge
liebten nicht den Hals küßte, ohne
davon zu sprechen. Saß dieser schöne
Nacken, sobald cr c? befehle, durch
schnitten werde, oder rie cr beim fröh
lichen Mahle in unb,'7,digcS Gclächter
ausbracb bei dem Gec ,,,ken, daß es nur
eines Winkes bcdürse. um den beide
Konsuln, die neben ihm lagen, die
Kehlen abzuschneiden. Dem römischen
Volke wünschte cr (fc:v Auespruch ist ja
berühmt geworden) tiuw einzigen HalS,
um eS mit einem Speiche köpfen zu .
können. Solche Gefcar.;::i und noch viel
schlimmere, nicht nur einfach blutdür
stige Neigungen, sonder.: auch die aus
gesuchtesten Marteridc,' fetten sich in
eine Unzahl grausiger 'Thaten um, die
cr viclfc.ch mit cyniscl,.'n Wil?cn be
gleitete. Die Einzelheiten sind zu.
scheußlich, um daraus einzugehen.
Genug, ganz Rom setzte er damit in
Schrecken, und doch ermannte sich dieses
Rom nickit, das Joch des ranken, der
wie ein Bluthund wüthete, von sich ab
zuschükteln. Dcr Senat wagte nicht,
ihn abzusehen, eher eine Regentschaft
(oriskhuiiz aus ö. Seite.)