Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, June 14, 1894, Image 9

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    Die schöne Amerikanerin.
Van Vrnft Rügen.
E war auf meiner rsten Fahrt nach
Nea Fork, und iemohl ich den ffiej
seither mehrmal machte, denke ich doch
an besonder an dies Erstlinglrei
zurück, denn sie ist für mich mit einer
seltsame Erinnerung erknuvst.
An einem trüben MIrztaz verließ
unser Dampfer Amsterdam, und nach
etlichen Stunden Eanalsahrt gelangten
wir aus offen See. Sturmische Wetter
empfing un und sollt unser treuer Be
aleiter bleiben, wie in Anbetracht der
Jahreszeit wohl auch nicht ander zu er
warten stand. Die erste Kajüte zlhlle
kaum mehr I ein Dutzend Passagiere.
Den zwkiten Tag rschirn eine einzelne
Dame von vornehmer Haltung, welche
die Passagierliste al Mr. Weber au
St. Loui bezeichnete. Sie war schön,
sogar sehr schön. Alle Blicke richteten
sich auf di einfach, doch elegant gekleidete
Frau, die mit leichtem Kopsnicken an dem
f deckten Tisch xlahnahm und die Ver,
ammelten mit einer Art ruhiger Ueber
legenheit musterte. Sie saß zur Rechten
de Capitän, der sie mit ausgesuchter
Ritterlichkeit behandelte, wa übrigen
in ihren großen, klaren Augen all etwa
ganz Selbstverständliche erscheinen
mochte, wenigsten sühlte sie sich durch
die zahlreichen ihr widerfahrenden Au
Zeichnungen keineSmeg beengt, sondern
llem Anschein nach recht behaglich und
afz trotz de heftigen SchaukelnS mit
gutem Appetit.
Offen gestanden, mir imponirte diese
sichere, ungelmungene Benehmen im h!ch
sten Grade, und ich mochte keinen
Blick von der schönen Frau zu wenden.
Darin machte ich nun keine Arinahme
von der übligen Gesellschaft. Eine ein
jige Frau unter so vielen Männern hat
stet gewonnene Spiel, und nun erst
diese l Mr. Weber war mit einem Worte
Ux Brennpunkt de allgemeinen Jn
teresie. Man hitte nur Augen für sie,
nur Ohren für sie. Die schöne Ameri
kanertn nahm indeß von dieser offen
kundigen Bewundkrung nicht die geringste
Notiz.
,Na, sie wird schon ahmer werten
dachte ich und wahrscheinlich noch Man,
cher, angesich! ihres zurückhaltenden
Benehmen. Die Aussicht auf einen
engeren Anschluß, wie solcher durch jede
Seereise hervorgebracht wird, erfüllte sich
indeß nicht. Während wir Anderen wie
gute Bekannte verkehrten und uu gegen
seitig die Langeweile der Fahrt durch
allerlei geselligen Zeitvertreib zu kürzen
suchten, verhartte Mr. Weoer in igrer
rclustoen Stellung. Höflich und zurück
haltend, wie si sich den ersten Tag ge.
zeigt hatte, blieb sie auch fürdeihin.
Abgesehen von den Mahlzeiten, woran
sie auSnahmslo theilnahm, fehlte eigcnt,
lich jede Gelegenheit, ihr nahezukommen.
In ihren Regenmantel gehüllt, verbrachte
sie die ganze Zeit auf Deck, wo sie unge
achtet der stürmischen See stundenlang in
inem sogenannten Oceanfluhl ruhte und
inen Roman nach dem andern las.
Versuchte eS einer von unS, sie gelcgent'
lich in ein Gespilch zu zikhen, dann
macht sie allemal seltsam groß Augen,
I hätt si sagen wollen: WaS wün
schen Sie eigentlich von mir?- und ant,
ortet ebenso bündig wie liebenswürdig.
Trotz oder vielleicht gerade wegen ihren
auffallenden Zurückhaltung, beschäftigten
sich di Reistgefährten auf da Lebhafteste
mit ihrer Person.
Wir näherten un dem sehnsüchtig her
leigemünschten Ziele unserer Reise und
wußten über Mr. Weder nicht mehr,
l zu Beginn der Fahrt. Je näher in,
kt der Moment der Ankunft heran.
Rückt, desto mehr erlahmte auch da all-
Ck.-.lt (Ar hl f.Sn 9Trnr(,
T cuiiui (0ufcllv I " ' n .-
kanertn.
.Maa sie wer und was immer fein, in
wenigen Stunden ist sie ja doch unserem
Gesichtskreise auf alle Zeit entschwun
den," dachten wohl di Meisten, aber ich
ich war damal jung, sehr jung,
und in meinem Kopfe spukte eS von ro
mantischen Begebenheiten, in welchen
schöne Frauen die dankbaisten Rollen zu,
getheilt bekamen.... Immerhin hütete
ich meine tiefe Bewunderung für Mr.
Weber auf da Sorgfältigste. Bis auf
in gelegentliche ,Good lay- hatte ich
och kein SterbeniwSrtlein mit ihr ge
wechselt, und dennoch .... da war so .. .
der Lootse würd an Bord rmartet, und
nahezu all Paffagiere lehnten an der
Brüstung. Wir sahe dem aetterharten
- Mann, zu, wie er aus seinem schwanken
Boot auf unsrn Dampfer kletterte.
Al e nicht mehr zu schauen gab, wen,
det ich mich plötzlich um und gewahrt
Mr. Weber, deren große Augen fest auf
mich gerichtet waren .... sie sirirt mich
auch dann noch, al ich ihren Blick auf,
fing.... ich konnt ihn nicht auehalten
und würd roth, entweder aus Freude
der Verlegenheit.... ich hätte für'
Leben gern etwa gesagt, aber ich brachte
nicht heran, und auch Mr. Weber
sprach kein Wort, sondern hatte blo ein
chwache Lächeln, halb Nachsicht, halb
Koketterik, auf den Lippen.... dann
nahm sie wieder ihr Buch auf und la
weiter ....
Der Tag verlief ziemlich rasch, denn er
bot allerlei Abwechslung. Dr unrer
icbiedlichen Vorbereitungen, welche der
Landung vorauszugehen pflegen, brachten
Willkommen Zerstreuung. Jet hatte
sich um sein Gepäck zu kümmern, wobei
die Paffagiert geschäftig hin und her
liefen, al wär jed Minute von un
schätzbarem Werthe gewesen, wogegen
ir doch hinlängliche Muß ii zum
nächst Morgen hatten. Mr. Weber
bildet auch hierin eine Ausnahme. Sie
ht sich nicht au ihrer souveränen Ruhe
aufscheuchen, sondern schien nach wie vor
gänzlich in ihrer Lektüre aufzugehen und
that blo ab und zu einen Blick auf die
ss't W-'l'i'. (&ti;i 'end ih
Ver
Jahrgang 15.
ten sich die ersten Vorläufer de Fest,
lande, welche von den Paffagieren stet
mit freudigem Jubel begrüszt werden.
Mr. Weber erschien nicht zur Abead
Mahlzeit, sondern verblieb in ihrer Koje.
? achtete übrigen fast Niemand dar
auf. Jeder war allzusehr mit feinen
eigensten Angelegenheiten beschäftigt, und
die Aussicht, den kommenden Tag wieder
festen Boden unter den Fußen zu sah
len, erzeugte ungebundene Fröhlichkeit
welch mehr al einer Flasche den Hai
brach.
.Der letzte Tag, der chönfle Tag.
rief man und trank sich zu.
Den nächsten Morgen wa? Alle früh
zeitig aus den Beinen und harrte der
randung, koch vergeben suchte mein
Blick die schöne Amerikanerin. Da ich
ohnedie mein Handgepäck au der Koje
holen wollte, ging ich hinunter und tras
sie im Salon. Wir waren allem.
.Ein schöner Tag, nicht wahr!- er
widerte sie meinen Gruß. Sie hatte ine
elegante Straßentollette angelegt und
ordnete noch einige Sächelchen, welche in
einer ledernen Tasche Platz finden sollten.
.Wir werden gleich landen drängte
ich.
.Ach, ei dauert noch eine Werte,"
meinte MrS. Weber sorglo und schaute
zu mir auf. Sie kam mir frischer und
anmutbiger denn le vor.
.Sie beabsichtigen wohl in New ?)grk
selbst zu bleiben?- fragte sie nach kurzer
Pause, und da ich die bejahrte, füg! sie
hinzu: .Da möchte ich Sie gern um eine
Freundlichkeit ersuchen.... Wollen Sie
so gut sein, für mich einen Brief abzu
geben?-
uederglucklich, ler schönen grau einen
kleinen Dienst erweisen u dürfen, er
klärte ich mich mit Vergnügen hierzu be
reit.
.Aber nicht wahr, ich darf mich auf
Sie oerlassenk-
.Jch werde den Blies unverzüglich be,
stellen.-
.0, danke, Sie sind sehr lebcnSmllr
big.- sagte sie jetzt mit gewinnendem
Lachein,- entnahm ihrer Tasche einen
Brief mit Adresse und händigte mir den
selben ein. Ich fühlte, daß irgend ein
fester Gegenstand darin lag, überzeugte
mich, daß die ASresse genau angegeben
war, und schob das Schreiben in meine
Brusttasche.
.E ist ein kleine Geschenk für eine
Jugendfreundin, aber da ich den nächsten
Zug nach St. Loui denützen will, kann
ich e leider nicht selbst hinbringen, - er,
läuterte Mr. Weber den mir ertheilte
Auftrag, nickte dann noch einmal überaus
huldvoll und begab sich auf Deck.
Wir waren tnzwt chen gelandet. 11(8
drängte die Landungsdrücke hinunter und
umlingte die Zollbeamten, um zuerst die
nothwendige GepäckSrevision vornehmen
zu lassen. Mr. Weber war unter den
iSrflen, die ihr Koffer zu öffnen hatten.
Stück um Stück wurde genau untersucht,
ein förmliche Verhör mit der schönen
Amerikanerin angestellt und schließlich
mußte sie dem Zollbeamten in ein an
grenzende Büreau folgen, während die
Gepaasstucke anderer Passagiere blos
obeiftZchlich auf ihren Inhalt geprüft
wurden, wie ich au einiger Entfernung
beobachten konnte. Mir blieb nicht viel
Zeit übrig, um über den Grund dieser
ungleichen Behandlung nachzudenken,
denn nunmehr stand auch mein Gepäck
unter den ArguSauaen der Zollbehörde,
Meine Siebensachen erfreuten sich indeß
einer sehr geringen Anziehungskraft,
wenigsten klappte man meinen Koffer
bald zu, und ich war absoloirt. Fast
gleichzeitig erschien auch MrS. Weber
coieder aus der Bildflache, Ruhig und
gemessen, wie stet, ließ sie ihr Gepäck
fortschaffen und gab einem Erpreßboten
einen B'ief zur Beförderung mit.
Sie ging mehrmals knapp an mir vor
über, beachtete mich indeß mit keinem
einzigen Blicke, so daß ich endlich ein
sehen mußte, Mr. Weder wollte keine
weitere Notiz von mir nehmen. Dieses
veränderte Benehme machte mich un,
muthig. Ich wollte deshalb der schönen
Amerikanerin keinen weiteren Anlaß bie
ten, daß st mich in so unzaeldkuttger
Weise übersehen müsse, und beschloß,
meinen Weg nach dem Hotel zu suchen,
wohin mein Koffer bereits abgegangen
ivar. Man hatt mir den Weg ziemlich
genau beschrieben, und so trottet ich denn
auf amerikanischem Boden einher, kaum
batte ich etliche hundert Schritte in der
Richtung der Dampffähre zurückgelegt,
al ich meinen Namen rufen hörte. Be
troffen wendete ich mich um und r
blickte dicht hinter mir die schöne Ameri
kanerin.
.Mir scheint, wir gehen einen und
denselben Weg!' rief sie völlig kamerad,
schaftlich und schritt neben mir her, in,
dem sie gleichzeitig den Cicerone spielte.
Dabei war sie von einer entzückenden
Liebenswürdigkeit, so daß ich gar bald
ihr vorhergehendes Benehmen vergessen
hatte.
Inzwischen hatten wir die Dampffähre
bestiegen, welche un über den Hudson
brachte. Mr. Weber wurde mit einem
Male nachdenklich und wortkarg.
.Worüber denken Sie nach?' fragt
i'in.ftWTisfi,
Beilage zum Nebraska Staats-Anzeiger.
.Ich denke eben, daß mein Zug erst
gegen Abend fährt.... Ich häti daher
Zeit genug, meine Freundin selbst aufzu
suchen, ohne ie behelligen zu müssen. -
.Die am, an welche der Brief ge
richtet ist, den ich überbringen sollte?'
.Ach ja, ich gehe lieber selbst hin.
sagte sie jetzt, wie von einem raschen Ent
schluh beseelt.
.Dann wünschen Sie wohl daS Schrei
ben zurück?'
Mr. Weber nickle, und ich händigte
ihr den Brief wieder ein.
Die Dampffähre war ben an Ufer
gestoßen, wo die Pferdebahn für die
Weiterbeförderung bereit stand.
.Sie müssen jenen Wagen dort neh
men,' sagte mein schöne Gefährtin,
nickte mir freundlich zu und trippelte da
von, während ich, wie auS den Wolken
gefallen, zurückblied.
Ein Jahr war seither vergangen. E
hatte mir mancherlei Enttäuschung in der
neuen Welt gebracht, und oftmals mußte
ich zurückdenken, wie glückverheißend die
Riesenstadt vor mir gelegen, IS ich sie
an Mr. Weber'S Seite betrat. Ob ich
sie jemals wiedersehen würde?
Da finde ich eines Tage im .New
Fork Herald' das wohlgetroffene Por
trait der schönen Amerikanerin, doch ich
traue kaum meinen Augen, wie ich die er
läuternde Noti, lese:
.Eine berüchtigte Diamantenschmuzg,
leitn siel gestern in die Hände der Polt
zei. MrS. Weber, rrie sich die übrigen
sehr hübsche Dame nennt, deren Bild mir
obenflehend unseren Lesern vorsühren,
hat während einer Reihe von Jahren
Hunderte und aber Hunderte Steine von
großem Werthe au Europa eingefchmug
gelt, und der durch die entgart genen Zoll,
Hebungen erwachsende Schaden läßt sich
annähernd mit 50,000 6:8 60,000 Dol
lar beziffern. Trotzdem die Zollbehörde
seit Langem gegen die europalustige
Dame Verdacht schöpfte, ergaben doch die
peinlichsten Gepäcks, und LeibeS-Lisita,
tionen keinerlei Resultat. Einem Zufall
blieb eS vorbehalten, die Schmugglerin
au? frischer That zu ertappen. MrS.
Weber war gestern Morgens wieder t'm
mal mit dem Dampfer .Etruria- aus
Europa angekommen, und eine an ihr
vorgenommen Leibesvisitation förderte
keinen einzigen Stein zu Tage. Ein
Geheimpolizist bemerk! indeß einen
gleichfalls gelandeten jungen Deutschen,
der mit Mr. Weber im Einverständnisse
zu sein schien, untersucht ihn und fand
bei demselben inen geschlossenen Brief
vor, der ein Assortiment äußerst werth
voller Diamanten enthielt. Der junge
Mann will allerdings von dem Inhalte
des Briefes nichts gewußt haben und gibt
vor, von MrS. Weber ersucht worden zu
sein, den Brief einer New Yorker Dame
zu überbringen. Ueber den weiteren
Verlauf der interessanten Angelegenheit
werden wir in den nächsten Tagen be
richten.-
Al ich die Notiz zu Ende gelesen hatte,
war mir AlleS klar. Auch ich hatte also
für fremde Rechnung Diamante., ge
schmuggelt.
Lin Jäger in verzweifelter kage.
Von Anfang der fündiger bi Anfang
der sechziger Jahre unser Jahrhunderts
hatt der venstonirte dänische Infanterie,
Kapitän Helgesen seinen Wohnort in der
Nähe der an der Eider im Schleswig,
schen belegenen Stadt Friedrichftadt ge,
nommen, um sich dort fast ausschließlich
mit der Jagd zu beschäftigen. Das nie.
drig telegene Wiesenterrain der dortigen
Gegend mit seinen zahlreichen Gräben
und kleinen, vielfach geschlängelten
Bächen, seinen schilf, und rohrbewachse
ven Sumpfftellen, kleineren und größeren
Teichen und Tümpeln, bot willkommene
Aufenthaltsorte dar für eine Menge von
Wasser und Sumpfvögeln, als Wild,
gänfen, Enten, zuweilen Schwänen, fec
ner Pfuhlschnepfen, Bekassinen und ande
rem wilden Geflügel, und diese war eS,
das Helgesen zum hauptsächlichsten Ge
genftande feiner Jagd machte; ab und zu
mochte in vereinzelter Hase seine Beute
werden, jedoch war dies nur auSnahmS
weise der Fall. Dagegen stellte er mit
Glück und Geschick Füchsen und den
zahlreich in den Gewässern, besonder in
der Eider, sich aufhallenden Fischottern
nach.
Seine beiden beinahe ständigen Beglei,
ter waren ein vorzüglich abgerichteter
Hühnerhund, den er hauptsächlich al
Axporteur benutzte, und, seltsamer Weise,
ein Fischotter, den er jung gesungen
hatte und der nach Art dieser Thier sich
sehr gut hatte zähmen lassen. Derselbe
lag im Hause friedlich neben dem Sunde.
feinem Herrn aber folgte er, auf kürzeren
Jagdgängen, watschelnd zu Lande, oder
er schwamm neben ihm in den Gräben
einber, gelegentlich sich mit Fischfang be,
schäftigead.
Bevor ich nun in meiner Ettäbluna
weiter fortfahre, ist eS zum besseren Ver,
ftändniß der Einzelheiten voihmendig.
den Charakter und einige Eigenthümlich,
keilen der dortiger Gegend kurz zu schil
der. Wo die E'der sich in die Nordsee er,
gießt. b,t sich im Lause unge,SHIter
3ötiti. ,d(i5(i it
;j
Jahre zu beiden Seiten ter Mündung
ein mehrere Meilen langes und sehr drei,
teS Marschland gebildet, daS au unab
sehbaren Wiesenflächea besteht und dessen
nördlich der Eider belegener, Halbinsel,
sörmig vorspringender Theil den Namen
Slderstädter Marsch trägt. Dieselbe
bietet eine, nur durch wenige Höhenzüge
unterbrochene, unabsehbare flache Ebene
dar, die im Sommer mit dem schönsten
kniehohen Gras sich bedeckt, im Winter
dagegen einen überaus trostlosen Anblick
darbietet.
Alljährlich, von etwa Mitte Mai an,
werden Tausende von Rindern hierher
gebracht, die aus den üppigen Feltweiden
einige Monat verbleiben, um dann be
sonder nach Hamburg oder nach Eng
land verkauft zu werden und neuen,
mageren Thieren Platz zu machen. Im
September sieht man aber nur noch
wenig Lieb auf diesen Flächen, und im
October ist dort Alle todt und still:
aber die vorhin erwähnten Vögel treiben
nun um s munterer ihr Wesen.
Durch die bereit vorhin erwähnten
Gräben find dies Wiesen tn Felder,
oder, wie man dort sagt, Fennen, abge,
theilt, auf denen da Vieh, da e die
breiten, grundlosen Gräben nicht über,
schreiten kann, Tag und Nacht ohne Hir
ten weidet. Außer von diesen Gräben
sind die Wiesen noch von künstlich ausge
worfenen Dämmen durchzogen, die von
den auf den vorerwähnten Anhöhen an
gelegten Wohnstätten der Besitzer zu den
Fennen führen und die Verbindung mit
denselben herstellen. Eine groß Anzahl
Holzbrücken und Durchlässe, die in diesen
Dämmen angebracht sind, vermitteln den
Ab, und Zufluß des in den Gräben sich
bewegenden Wassers, dessen Höhe sich
nach dem Wasserstande der Eider richtet.
Abgesehen von dem Wechsel, der durch
nasse oder trockene Jahreszeiten veran
laßt wird, ist dieser Wasserftand denjeni
gen täglichen Schwankungen unterwor
fen, welche durch Ebbe und Fluth der
nahen 1 Nordsee hervorgerufen werden.
Die soeben ermähnten, unten ten Däm
men durchführenden Dmchlässe sind größ,
tentheilS aus starken eichenen Bohlen
hergestellt, von denen eine den Boden,
zwei die Seitenwänte und die vierte den
Deckel einer Art vierkantigen Kiste bil,
det, deren Länge der Breite des Dammes
entspricht und die an beiden Enden offen
ist, um den Ein und AuStrilt des Was,
ser zu ermöglichen. Dieselben sind oft
mal nicht geräumiger, al daß ein mit
telstarker Mann sich mühsam durch sie
hindurchzmängen kann, und ihr Lage ist
gewöhnlich so, daß sie bei dem niedrigsten
Wasserftande, al Folge der Ebbe, was,
kerfret sind, während sie bei ansteigender
Fluth sich ganz oder theilveise mit Was,
ser füllen.
Ein solcher Durchlaß ist es, der den
Hauptschauplotz unserer Erzäulung bil,
det. Eines Tages früh begab sich H'.l
gesen auf die Jagd, in der Absicht, Wild,
gänse zu schießen. Mit den besuchtesten
Waideplätzen dieser letzleren genau be
kannt, richtete er auf weiten Umwegen,
stet hinter den vorerwähnten Dämmen
sich verbergend, feine Schritte nach einem
solchen Platz hin, um die dort wahr
scheinlich auch heute weidenden Gänse zu
begleichen. Bei der außerordentlichen
Wachsamkeit dieser Vögel mußte er sehr
vorsichtig fein und hatte deshalb heute
feinen treuen Hund, der ihm leicht zum
Venäther häne werden können, sowie
auch seinen Fischotter zu Hause gelassen.
Wo Helgesen die Gänse zu finden ge
dacht, fand er sie auch wirklich und eS
glückte ihm, gedeckt durch einen Damm,
bis auf etwa hundert Schritte an die,
selben heranzukommen. Zur Abfeuerung
eines wirksamen Schusses war aber die
Entfernung noch zu groß und ein Näher,
kommen schien unmöglich; zwar führte
ein anderer Damm sehr nahe an dem
Weidefelde der Gänse vorbei, aber dieser
war nur zu erreichen, wenn Helgesen
den Damm, hinter dem er sich bil jetzt
verborgen hielt und an den der zweite
Damm sich anschloß, überklettert; dabei
hätte er sich aber unbedingt verrathen,
und die Gänse hätten da Weite gesucht.
Während er nun vorläufig rathloS hinter
seinem Damm weiter schlich, entdeckte er
einen Durchlaß ter vorhin beschriebenen
Art, und da es gerade Ebbe war, so war
derselbe wasserfrei; wenn er diesen Durch,
laß benutzte, dann konnte r ungesehen
hinter den zweiten Damm gelangen und
nahe an di Gänse herankommen. Er
beschloß also, durch denelben hindurch,
zukriechen, schob sein Gewehr nebst der
Jagdtasche vor sich hin und sich selbst
nach. Da die Bohlen von dem feinen
Schlamm, der sich auf denselben abgesetzt
hatte, und von niederen, seinzelligen und
wasserhaltigen Gewächsen sehr schlüpfrig
geworden waren, so glitt er leicht hinein.
Aber nun konnte er nicht weiter! Seine
Fußspitzen, mit denen er sich weiter zu
schieben versuchte, glitten aus der schlüpfri
gen Bohle ab, ebenso seine Hände; daran
hatte er nicht gedacht! Zu seinem nicht
geringen Schrecken lag er völlig fest,
konnte nicht rück,, nicht vorwärts. Wie
er sich mühte, er kam nicht von der
Stellet Zwar hatte er ein Jagdmesser
in der Tasche, mit dessen Hülse er, wenn
er eS in die Bohle einstieß, sich hätte
13
No. 4.
weiterschieben können, da eS ihm ine
festen AnhaltSpunkt gab, aber der Durch
laß war so eng, daß er den vorgestreckten
Arm nicht nach rückwärts zwängen konnte;
so sehr er sich anstrengte, sich hier und
dorthin wand, e war und blieb vergeb
lich. mit der Hand die Tasche zu erreichen;
mit Entsetzen begriff er letzt da Furcht
bare feiner Lage; er war wie festgenagelt
tn feinem schlüpfrigen, sargahnllchea Be
hälter!
Nach Hilfe rufen, wär vergebliche
Mühe gewesen, da um diese Jahreszeit
nur sehr selten ein Mensch sich auf den
Fennen sehen ließ, und die Hoffnung,
daß man ihn über Nacht in setner Woh
nung vermissen und am andern Morgen
fuchen wurde, konnte ihn nicht trösten,
denn er konnt di Verhältnisse zu gut,
um nicht zu wissen, daß binnen längstens
einer Stunde der Durchlaß in Folge der
zurückkehrenden Fluth sich mit Wasser
füllen würde. Er war rettungslos ver
urtheilt den schrecklichsten Tod des Er
trinken zu erleiden, nicht schnell, wie bei
einem Sturz in die Fluthen, sondern tn
Zoll für Zoll langsam steigendem Was,
ser, in Todesqual von mindesten einer
Stunde, die ihm wie ein Ewigkeit r
scheinen würde. Er dachte daran, sich
lieber freiwillig den Tod zu geben, aber
er konnte in dem engen Raum sein Ge
wehr, da mit der Mündung nach vorn
lag, nicht wenden. Sein Schicksal war
also besiegelt! Und nicht einmal seine
Leiche sollte man finden; wer würde ihn
an einem solchen Ort suchen, und sein
treuer Hund, der sein nasse Grab hätte
verrathen können, war nicht bei ihm.
Schon hatte er, wie stumpfsinnig, die
Stirn auf die gekreuzten Arme gelegt,
al ein von der Fluth getriebene leichte
Wasserwelle ihm Mund und Nase be
netzte. Entsetzt fuhr er auf; da war
also der Anfang de furchtbaren Ende.
Aber war auch, al ob der jähe
Schreck, der ihn durchzuckte, ihm seine
Besonnenheitwiedergegeben hätte! Großer
Gott! An dem Ladestock seine Gewehrs
befand sich ja ein Krätzer! (Ein kork,
zieherähnlicheS Gewinde, mit dem man
die Ladung auS den damals noch allge
mein gebräuchlichen Vorderladergemehren
herausziehen kann ) Wie hatte er so ge.
dankenlo sein können! Nun hatte er ja
einen scharfen Gegenstand, der tn der
Bohle haften und ihn auS seiner Gefan,
genschaft befreien würde I
Mit Anstrengung schiebt er nun sein
Gewehr so weit nach hinten, daß er den
Ladestock herausziehen kann und will den
Krätzer einsetzen, aber er faßt nicht; die
Bohle ist zu hart und da er den Ladestock
nicht aufrichten kann, so will ter Krätzer
nicht halten. Also nun den Ladestock
abbrechen! Aber der au vorzüglichen
Holze gearbeitet Stock bricht nicht, so
sehr Helgesen sich bemüht, der Stock will
nicht brechen! Also nun dennoch oer
loren? Und da Wasser steigt immer
höher; ine schwache Welle nach der ande,
ren gleitet gleichsam vorsichtig, aber
tückisch heran und erhöht um ein Geringes
den Wasserftand. Schon muß r den
Kopf mit aller Macht nach rückaiärt
biegen, wenn er nicht will, daß ihm das
Wasser Mund und Nase bedeckt! Nun
noch ein Versuch, er weiß, eS ist der letzt.
Und die Verzweiflung stählt feine Hände.
Der Stock bricht und er hat das scharfe
Gewinde in der Rechten! Nun faßt !;
einige wenige Züge und er hat den Kops
draußen!
Gerettet! doch gerettet! er achtet nicht
deZ mit Wasser gefüllten Graben; hin
aus in' Freie mit tiner Eilfertigkeit,
als könnte der unheimliche Sarg ihn zu.
rücksoidern, und in weniger als einer
Minute sitzt er, an ollen Gliedern zit
ternd am Fuße de Damme, dem Him
mel für seine Rettung inbrünstig dankend!
Er ist frei, sein furchtbare Gefängniß
liegt hinter ihm Fast unbewußt zieht er
Flinte und Jagtasche an sich, und durch
einen tüchtigen Trunk au der Feldflasche
belebt er seine erschöpften Lebensgeister
wieder!
Doch dauert e lange, bevor er sich
gänzlich erholen kann. Dann aber er
wacht auch der Jäger wieder in ihm; ein
vorsichtiger Blick über den Damm die
Gänse sind noch da! Aber nun ist da
Gewehr naß. Er gießt daS Wasser au
den Läufen und schraubt die Pifton ab;
da Pulver erscheint trocken, die festen
Filzpfropfen vor der Ladung haben da
Eindringen de Wasser verhindert. Die
PistonS werden wieder aufgeschraubt,
frische Zündhütchen, die in der dicht,
geschlossenen Dose trocken geblieben sind,
wurden ausgesetzt und Helge ent t wieder
schußfertig.
Und r schleicht in der That sich an die
Gänse auf Schußnähe heran, dann rich
tet er sich auf und mit starkem Geräusch
erhebt sich in demselben Augenblick der
ganze Trupp; aber die beiden ohlgeziel.
ten Schüsse de geübten Jäger haben
zwei der Flüchtlinge niedergestreckt und
mit den Flügeln schlagend liegen sie ver
endend am Boden.
Helgesen nimmt seine schwer errungene
Leute an sich und kehrt langsam und sin
nend zu seiner Behausung zurück, aber
ür diesen Herbst ist ihm doch die Gänse
jagd zerleidet. v, B.
Am oc Stttn ?ttchr ??ager'L.
Di .Neu Musik.Zeikung- erzählt
folgende anziehend Geschichte: E war
an einem heißen Junikage de Jahre
IS.., al Wagner unser Kegelbahn, zu
deren Stammgästen er zählte, besuch'.
Sofort machte er sich bcqrem und nt.
ledig sich seine Rocke. Nur die Hand
schuhe behielt r trotz all' unsere Zu
reden beim Spiele an. und mit den hell
grauen G lacke! von feinstem Leder hat
r un oft alle Neune vor der Nase fort
geschoben. Plötzlich lacht Wagner ganz
laut auf. und al wir ihn um die Ui fache
seiner löblichen Heilerkeit fragen, holt
n einen dicken Brief au der Tasche:
.Seht Kinder,- und vor Lachen konni er
kaum fvrechen. da schreibt mir ein jun
ger Student au Halle einen zwölf Sei.
ten lanae. nggeschriebenen Brief, el
cher von Vorwürfen und Angriffen gegen
mich strotzt. .Wie können Sie wagn,
Oxernterte zu dichten, da Si nicht in
mal richtig Deutsch rönnen. .wie louri
du mich befragen, noch Wissen Sorge
tragen, da ist ein Unsinn, in Nonsen,
da werden Sie, Herr Wagner, un tu
der ganzen Syntar nicht nachweisen lön
nen.- Der Brief verbreitete sich nun
de Langen und Breiten über die .völlig
falsche' Anwendung de .noch', welche
immer in .weder' auöbedingt, und
schloß mit dem dringenden und sehr ener
zischen Rathe, die Stelle umzuändern:
.Nie sollst du mich befragen oder Wissen
Sorge tragen. Wagner erheiterte sich
an dieser Philippika de jungen Hallen
ser. .Sie antworteten ihm natürlich
nicht?' meinte einer von un. .Ich
habe ihm bereit geantwortet.- .Und
wa?' .Ich sandte ihm prachtvoll ge,
bundenden KlavierauSzug zum .Lohen
glin' und schrieb al Widmung auf die
rst Seite: .Wie will ich dich befrage,
noch Wissen Sorge tragen Ob .oder'
oder noch-, ein Efel bleibst du doch.
R. W.' Merkwürdigerweise quittirt
später der jung Student in einem
enthusiastischen Schreiben den Empfang
de Auszüge und der Widmung.
Al der große Meister ein andere
Mal vor Eröffnung de Festfpielhaufe
Deutschland bereiste, um geeignet Kräfte
für seine Tktralogi zu gewinnen, führte
ihn sein Weg auch nach Braunschweig.
Hier hörte er .Tannhäuser'. Wie ge
wohnlich nahm auch an diesem Abend
Franz Abt die meisten Tempi reichlich
schnell. Nach der Vorstellung hatten di
Künstler de Hofthealer und Anhänger
de Meister zu seinen Ehren ine kleine
Feier veranstaltet, die sehr angenehm ver
lief, weil der Gast in angeregtefler Sttm
mung war und sich lobend, ja sogar
schmeichelhaft über die gehörten Leiftun,
gen auisprach. AIS er am andern Mor
gen mit dem Schnellzuge weiterfuhr, war
die gesummte Takelrunde volltäblia aus
dem Bahnhofe. Für Jeden hatte Wag,
ner hier noch ein freundliches Wort.
I sich der Zug tn Bewegung setzt.
reichte er Franz Abt zum Abschiede noch,
malS die Hand mit den Worten: .Auf
Wiedersehen, Herr Hoskapeumelfter, aber
bitte, holen Sie mich nur mit Ihrem
Tempi nicht ein!'
?er ganze Vater.
Die Frau eine wohlhabenden Bauer
war eine Knäblein genesen, und der
Zufall hatte eS gewollt, daß gleichzeitig
bei dem im Stalle hausenden Mutter
sch meine sich sieben Junge eingestellt
hatten, von denen eine so schwach schien,
daß eS in kurzer Zeit verendet sein würde,
wenn ihm nicht eine besonder Pflege zu
Theil gkwordkn wäre. Mit Rücksicht
hierauf that der mitleidige Bauer in
Uebrige und bettete, während fein eige
ner Sprößling bei der Mutter im Bett
untergebracht wurde, das sorgfältig ge,
reinigte Schmeivchen in die Wiege de
Ersteren, damit e sich in der Wärme er
holen könne. In der Abenddammerun?
kam nun eine Nachbarin herüber, um sich
nach dem Befinden der Wöchnerin und
de Neugeborenen zu erkundigen. Neu,
gierig näherte sie sich dabei der Wiege, in
welcher fit Letzteren vermuthen mußte,
und in dem natürlichen Dränge der Gut
müthigkeit, der Mutter etwas Schmei
chelhafte zu sagen, rief sie: ,Ach, wat
für en dunnersnetter Jung! Er sieht
grad uit wie sin Vater!'
Zu wenig.
.Herr Wachtmeister, ich kommt zu
melden, daß heut Nacht, al ich nach
Hause ging, jemand eine Pistole auf mich
abftuerte, deren Kugel meinen Hut
durch bohrte. -
.Wenn'S weiter nicht ist! Kommen
Sie wieder, wenn Ihnen die Kugel durch
den Kopf gegangen ist ; vorher interesstrt
mich die Sache nicht. -
vom atheder.
Professor der Chemie : .Di Flüssig,
seit, die Sie in dieser Flasche rblickkn,
ist da, Gefährlichst allr Gift. Ew
Tropf davon irer Katze auf die Zunge
n.trÄiif.Tt 10 im (3;fnK. m.ui
.,. viun. vm ituniica
Mann zu tödtenl'
Groß Unterschiod.
A : .Wie konnten Si nur dem Mever
Ihre Tochter zur Frau geben; der
Mensch hat ja schon zwei Jahre im Ge
fängniß gesessen!'
B: .Was Sie sagen, der Lump....
mir gegenüber hat er immer behauptet,
nur ein und einhalb Jahr 1'
Enttäuscht.
Fremd: .Giebt'S denn hir ignt
lich gar keine Vergnügungen in der
Stadt?'
Hoteldiener: .O doch, tanze Sie?
Fremder (lebhast): .Leidenschaftlich
sogar....'
Hoteldiener : .Schad', da hätten',
vierzehn Tage früher kommen müssen, da
war hier Kirchweih.-