Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, May 31, 1894, Image 11

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    !
3nferat-5tivim
J'on T. Cunfer.
Die ülentliiie Vetneiaeninti tel Mn'l
lerischen Nachlasse des' Professor X. X.
findet am 12. diese, von 0 Uhr d, in
dem Atelier de, Meister,. G -strahl 7,
statt.
Pm., f. AukiionS-KommissariuS.
Der echt sahle Morqenschein eineS trfl
bei DezembertageS fiel in den engen
Hosraum eine fünfstöckigen Vorstadt,
hause.
Än einem der niedrigen Mansarden
senfler de HZuserkolosieS stand ein klei,
ner Knabe und trommelte ungeduldig
gegen die angelaufene Scheibe. Dann
wandte er sich nach dem engen Zimmer
uiück und sagte in trotziq,einerlichem
Tone: .Mich hungert. Gerhard, giebst
Du uns noch immer nicht zu essen?"
Der Angeredete, ein hagerer, langruf
geschoffener Bursche von etwa fünfzehn
Jahre,', unterdrückle mllhlam den Serif
zer, der seine schmale Brust hob.
,Du mußt ein wenig Geduld haben,
Karl, Du siehst, die leinen sind noch
nicht sertig angezogen.-
Der Knabe warf die Lippe auf und
wanrie sich wieder dem Fenlier zu, wöh
rend Gerhard am Boden knieend, mit
klammen, ungeschickten Fingern bkmilht
war, zwei kleinen schlaftrunkenen M2d
chen die dürftigen Kleidungsstücke anzu
legen. Die Einrichtung des niederen, von
einer dumpfkallen Luft et füllten Zim
rnttS bestand aus einer großen und einer
kleinen mit Strohsäcken gefüllten Bett
statt, einem roh gezimmerten Tisch und
vier Stühlen. In einem kleinen Ber
schlage nebenbei wurden die wenigen Ge
rllhschaslen für die Mahlzeiten ausbe
wahrt. Dort lag auch in einer alten
umgestülpten Holzkiste Gerhards kost
barste Eigenthum, ein paar Blatt wtU
ß,S Papier und einige winzige Stücken
zugespitzter Kohle.
Seine SchlafstLlte hatte er mit dem
Vater gemeinsam in dem größeren Bett.
In dem kleinen schliefen die drei Kinder,
die deS mangelnden Raume wegen nicht
zwischen ihren Strodlöcken hervorkriechen
dursten, wenn der Vater aus Arbeit'
ausgegangen vcat.
Der Anzug der kleinen Mädchen war
beendet und Gerhard schickte sich an, das
Frühstück zu bereiten,
ÄuS dem Verschlage nebenan holte er
einen Topf mit einem Restchen bläulicher
Milch ; er goß die vierfache Portion
Wasser dazu, schnitt ei Stück altes
Brod hinein und erwärmte den Trank
nothdürftig über einer kleinen spärlichen
Flamme.
Carl hatte aufmerksam jede Bewegung
deS BruderS verfolgt.
.Warum giebst Du unS heut so wenig
Milch und so viel Waffer, Gerhard?
Wir bekommen alle Tage weniger Milch
und Brod, und nun schon gar keinen
Kaffee mehr und dabei sah er mit dem
altklugen Blick darbender Kinder den
Bruder so vorwurfsvoll prüfend an, daß
Gerhard schmale bleiche Gesicht noch
farbloser wurde, und nur unrer seinen
dunklen Augen zwei tiefrothe Flecke
brannten.
.Der Vater hat mir nicht mehr Geld
für Euch gegeben," erwiderte er leise.
.Aber Du, bringst Du denn gar kein
Geld mehr von Deinem Maler?"
.DerMaler ist todt, da weißt Du ja,
Karl und in Gerhard Stimme zitier
ten unterdrückte Thränen. Aber der
Kleine war unerbittlich.
.DaS ist dumm von ihm, daß er todt
ist Du mußt Dir einen andern Maler
suchen, dem Du die Pinsel wäschst und
der Dich abermals"
Gerhard schüttelte traurig den dunkel,
lockigen Kopf. Und mit der altklugen
Weisheit der Kinder, denen jeder Pfen
nig vorgerechnet wird, der ins HauS hin
ein und au demselben herauskommt,
fuhr der Kleine fort:
.Der Maler ist noch gar nicht so lange
todt Du hast gewiß noch Geld von ihm
für unS übrig."
Eine große Angst zuckt bei diesen Wor
ten über Gerhard Züge und mit einer
krampfhaften Bewegung faßte er nach
der Brust, als gälte e einen Schah dort
zu brechen. Die Kehle war ihm wie zu
geschnürt, er hatte keine Antwort auf
diese Frage; aber der kleine unbarmher
zize Fragesteller selbst überhob ihn der
selben, indem er sich auf den Morgen
trunk stürzte und ihn heißhungrig ver
schlang.
Gerhard fütterte die kleinen Mädchen.
Für ihn selbst blieben kaum ein paar
Tropfen übrig. Er rührte nicht einmal
diese an, sondern schob Carl den Topf
über den Tisch zurück.
Zll er auf die Straße hinauskam,
fühlte er an dem schwankenden Gang und
den kreisenden Punkten vor den Augen,
daß er während der letzten Tage kaum
das Notdürftigste über die Lippen ge
bracht. Aber die Luft war frisch und
herbe, und ein paar kräftige Athemzüge
ersetzten dem, an die härtesten Ent
behrungen gewöhnten Knaben für den
Augenblick die fehlende Nahrung.
Er hatte einen weiten Weg zu machen.
Vom äußersten Osten bis in den fernen
Wetten der großen Kaiserstadt.
Aber er kannte diesen Weg, Schritt
vor Schritt, Stein um Stein.
Drei Monate lang war er täglich um
dieselbe Stunde durch den Riesenkörper
Stadt hinauSgewandert zu dem großen
Maler, der nun, feit wenig Wochen,
unter der Erde den letzten Schlaf schlief.
Gerhard hatte viel. Alles, feine Zu
kunft. vielleicht sein Leben durch diesen
plötzlichen Tod verloren. Dem Maler
war der hagere schwarzäugige Knabe,
der um knappen Sold AuSläilferdiknfle
that, trotz des Menschengewühl im
Mittelpunkte der Stadt ausgefallen.
Da bleiche, edel geschnittene Gesicht,
die ernten, flammenden Augen, die eben
mäßige, hagere Gestalk, die sich unker
allzuschTerer La'! beugte, hatten den
Wunsch in ihm rege gemacht, einen ver
schmachtenden JZmael nach ihm zu malen.
Am nächsten Morgen schon war Ger
hard bei dem Maler eingetreten, aber er
war nicht weit über die Schwelle gekom
men. Ein heftige Zittern hatte ihn
beim Anblick der feenhaften Pracht er
griffen, die der neue Raum umlchloß.
Blühende Blumen, schwere seideneStoffe,
hochstämmige Palmen, kostbare, in schim
mernden Farben schillernde Gewänder,
goldene Harfen und Lauten, Hunderte von
Gegenständen in edlen Holzarten, Silber,
Kupfer, Elfenbein und Marmor. Bilder
an den Wänden und auf Stasseleien füll
ten in buntem Durcheinander dc Maler
üppige Arbeitsstätte.
Der Knabe stand wie gebannt. Er
hat niemals L'cht und Farbe, Glanz und
Schönheit gesehen, und doch war die
Sehnsucht danach, bis zu dieser Stunde
freilich ihm selber unbewußt, in seiner
jungen Brust lebendig gewesen.
Der Maler hatte ihn bei der Hand ge
nooimen und ihn mit gütigen Worten zu
einem Sitz geführt, von dem auS Ger
hard stundenlang daS Feenreich um sich
her betrachten dürfte, während der Maler
daS bleiche Gesicht mit den flammenden
Augen auf seine Leinwand festbannte und
wie die Hand in kläfligen Zügen das
Bildniß förderte, erkannte deS Künstlers
Auge in dem Blick des Knaben die schön
heitsturstigk Seele, den göttlichen Fun
ken, den daS Elend einer dürftigen Eri
stenz nicht auSiulöschen vermocht.
Seit jenem Tage war Gerhard täglich
zu dem Maler gegangen. Er hatte kleine
Dienste für ihn verrichtet, und wenn er
auch niemals ein Geschenk angenommen,
so hatte der Erlös seines kleinen Ver
dienstes nicht nur dazu ausgereicht, die
häuslichen Verhältnisse aufzubessern,
scndern Gerhard war sogar im Stande
gewesen, einen kleinen Bruchtheil für
sich zurückzulegen, um wachenden AugeS
dabei von etwas Schönem, undesinirbar
Herrlichem zu träumen, dem seine Ge;
danken nicht Form noch Namen zu geben
wagten.
Nun war eS auS und vorüber. Der
Ulanb, der ihm so gütig zugesprochen
und seine zaghaften Fragen beantwortet,
war auf ewig vcistummt; die schlanken
weißen Hände, die so wunderbar be
rückende Gebilde auf die Leinwand ge
zaubert halten, starr und gekreuzt über
dem todten Leibe gelegen; der Traum,
den Gerhard geträumt, wird mit dem
Todten inS Grab gesenkt. WaS wußten
die Ueberlebenden von dem hageren Kna
ben mit den fragenden dunklen Augen?
Er war eine? der vielen Modelle des
Meisters gewesen, nicht weiter. Der
Tod wc.r zu schnell gekommen, als daß
der Sterbende ihnen hätte sagen können:
.vergeht deS Knaben mit den flammenden
Augen nicht, in die ein Gott fein heiliges
Feuer gelegt."
Zum letzten Mal wandert Gerhard
heul den weilen Weg, den Rest seiner
kleinen Baarschast auf der Brust. Nur
ein geringes war noch übrig geblieben.
Mit dem größeren Theil hatte er den
Hunger der Kleinen gestillt. Diese letzte
aber war sein, und kein Elend und keine
Macht der Welt wäre im Stande gerne
sen ihm dies Letzte zu entreißen.
Dort draußen in dem Feenreich de
todten Künstlers, das heute Stück sür
Stück zerrissen und unter dem Hammer
gefeilscht werden sollte, wollte er ein letz
teS Andenken an den geliebten Todten
erwerben. Er hatte gehungert und ge
froren, gedarbt und in Gewissensangst
gezittert um diese Andenkens willen,
aber er mußte eS haben, ein greifbar letz,
teS Etwa an den einzigen Freund seiner
Jugend.
Die öffentliche Stimme hatte ver
gebenS dagegen Protest irt, daß deS Ma,
lerS Atelier unter den Hammer kam.
Eine Sammlung, ein Fürst, ein reicher
Mann sollte es als ein Ganze ankau
fen, und der Nachwelt bewahren.
Ader, wo waren sie, die Fürsten, die
Mäcene, die den großen Mann bei seinen
Lebzeiten umschwärmt, die auf den rau
Ichenden Festen in seinem königlich auS
gestatteten Alelier, in feinen hold und
fammetftrotzenden Gewändern n Glanz
und Schönheit, Wein und Weibern sich
berauscht? Wo waren sie Alle, denen
seine Freundschaft wie sein Gold stet zu
Diensten gewesen wo war das Für
stcnhau, für dessen Huldigung der Todte
mit einem Aufwand von Kraft, der ihn
schon damals zu todten drehte, kostbare
prunkende Festzüze veranstaltet, deren
Pracht und historische Treue weit aus
über des Reiches Grenzen, seinen und deS
Fürstenhauses Ruhm verkündet?
Wo waren die weißnackigen blühenden
Frauen mit dem Goldhaar, die ihn ge
liebt hatten, als er groß und mächtig
war? Fort, wie er selbst! Kein Dank,
keine Liebe, keine Treue über da Grab
hinaus. 1
Händler und Trödler waren eS, die da
boten und feilschten um die Schätze, an
denen fein Herz gehangen, und wieder
boten und wieder feilschten, mährend
Gerhard mit hochklovfendem Herzen an;
der Stelle stand, auf der er oft neben
dem Todten gestanden. Er hörte feinem
Ohr ungeheuerlich erscheinende Summen
bieten, Summen, die in Wahrheit dem
Werth der Dinge nicht entfernt nahe ka
men, er sah Stück um Stück des Feen
reichS zerstört, und krampfhaft hielt er
das Geld an die Brust gepreßt; noch
war seine Stunde nicht gekommen.
Es war gegen Abend; da? Atelier
leerte sich mehr und mehr, Hunger und
Erschöpfung drohten ihn umzuwerfen,
aber mit eiserner Energie blieb er Her?
über seinen wankenden Körper. Lang
sam schob er sich durch die noch Anwesen
den Händler und Trödler geringster
Sorte bis nahe an den Tisch, auf dem
eine Fülle von Kleinigkeiten, Münzen,
glaschen, unterschiedliche Gegenstände
von GlaZ und Porzellan ausgebreitet
lagen.
Seine Augen hingen begehrlich an
einem Bündel Pinsel und einem cca;l,
die nachlässig zwischen den übrizen Ge
genständin hingeworfen waren. Er hatte
nur den einen Wunsch, nur den einen
Gedanken, die unscheinbaren Werkzeuge,
die der Todte so oft zwischen seine
schlanken Fingern gehalten, als ein heili
ges Gedenken mit hinaus zu nehmen in
die ihm öde gewordene Welt.
Ein Zittern durchlief seinen Körper,
als der Auktionator die Pinsel ergriff
und gleichzeitig die Hand aus den Spatl
legte. Der Knabe halte die Empsin,
dung. als müßten aller Wünsche so heiß
wie seine eigenen auf daS kleine Bündel
gerichtet fein.
DaS Gel ruht getheilt in seiner Hand.
Die eine Hälfte für die Pinsel, die an
dere für den Lpatl.
So rauh war seine Stimme, als er
auf die Pinsel bot, daß er selbst vor
ihrem heiseren Klang erschrak. Dann
lauschte er stockenden AlhemS. vornüber
gebeugten HaupkeS, ob kein höhere? Ge
bot daS feine übertrumpfen würde
AlleS blieb stumm.
Noch zweimal wiederholte de? Auktio
nator seine Frage, dann fiel der Hammer
auf den Tisch.
Der K nabe mit den flammenden Augen
hatte mit fast übermenschlicher Entbeh
rung eine Erinnerung an den todten
Meister erworben.
Die Umstehenden lächelten hämisch
über die unverhältnißmäßig hohe
Summe, die der halb Zerlumpte für ein
Bündel Borsten und ein Stückchen xolir
ten Stahls zahlte.
Er aber preßte fein Eigen wie ein
Heiligthum an's Herz und verließ wan
kenden Schrittes den Saal, ohne nach
dem zerstörten Feenreich zurück zu schauen.
Den, der dereinst der Herr und
Schöpfer diese? Reiches gewesen, würde
der pietätlose Undank der Welt nichi
sonderlich geschmerzt noch gewundert
haben, denn der schweigsame Meister war
weiser als die Welt ihn wähnte.
In dem Liebesopfer des dunkeläugigen
Knaben aber Hölle er auf'ö Neue das
heilige Feuer des zu Leid geborenen
Genius flammen sehen.
?ie Jrxan auf der Z'fttdelialin.
Die Frau auf der Pferdebahn schildert
ein Beobachter, wie er behauptet, nach
.eingehenden Studien", indem er schreibt:
.Unstreitig sind die Frauen Engel, aber
niemals finden sie sofort ihr Gcldläsch
chen, wenn sie die Fahrkarten bezahle
wollen; selbst wenn sie eS in der Hand
haben, suchen sie eS noch in den Kleider
laschen, welche sie natürlich in ihren falti
gen Kleidern ebenfalls nicht sofort finden.
ES ist ein entzückender Anblick, einen
schöien Engel in den Wolken feiner
Hülle nach seiner Tasche suchen zu sehen;
da werden Wolken rechts geschoben,
Wolken linkS geschoben, Wolken hinab
geschoben endlich fährt die feine Hand
n die Tasche u. s. w. Dabei neigt sich
daS hübsche Köpfchen, und von der klei
nen Aufregung malt sich liebliche Röthe
auf den Wangen. Ist der Engel schon
etmaS beleibter, dann furchet sich wohl
auch die Stirne , eS ist ein entzücken-
der Anblick, Zeuge zu fein dieser holden
Verwirrlheit. Unstreitig sind die Frauen
Engel aber selbst wenn sie ihr Geld
taschchen schon offen haben, finden sie
noch immer nicht das Fach mit der nölhi
gen Münze. Zu diesem Behufe haben
die Engel gewöhnlich sehr kleine Geld
töschchen, welche aber ebensooiele Irr
fächer haben, als ein niedliches weid
lcheS Herzchen. Da stecken zusammen
gefaltet Zettel, Marken von Färbern und
Sonnenschirmmachern, hie und da auch,
sorgfältig in Papier gewickelt, der Zeuge
eines kleinen Aberglaubens: ein vier
blätteriges Kleeblatt, ein Hufnagel, auch
eine Denkmünze und Gott weiß was
noch. Endlich ist bezahlt, die Fahrkarte
erworben, nach neuerlichem Wolkenschie
ben das Geldtäschchen in die den Taschen
dieben so zugängliche, der Eignerin stets
so unerfindliche Tasche gesteckt und nun
sitzt der Engel in holder Unbefangenheit
da, die Händchen übereinandergelegt
ein Bild deS Friedens und der Behag
lichkeit. DaS ist nun zum Entzücken
gar! Da kommt der Controleur. . . . Un
streitig sind die Frauen die Krone der
Schöpfung, aber wenn der Controleur
kommt, dann gerathen sie in fürchterliche
Aufregung.
Erst bemerken sie lange nichts, wenn
der Mann aber endlich von ihnen erblickt
wird und er sein: .Bitte die Fahrkarte",
geleiert und der Engel, aus seinen himm
Iischen Träumen aufwachend, begriffen
hat, um was eS sich Handell dann, ja
dann ist eS ein schrecklicher Anblick! Ein
Suchen, Hasten und Tasten beginnt, das
sinnverwirrend für den Zuschauer ist.
Wieder werden die Wolken geschoben
daS Schnupftuch kommt auch noch da
zwischen die Fächer des Geldtäschchen
werden durchsucht. . . . aber die Karte ist
nicht da! Wag nun losbricht, das verhält
sich zu dem vorigen Haften wie der
Sturm zum Lüftchen; es ist ein Stürmen,
ein Jagen, ein Hetzen, ein Wirbelwind
der eifrigsten Suche. War der holde
Engel früher verführerisch ach, jetzt
ist er unwiderstehlich, stnnbcstrickend! Die!
Suche macht dreimal den Weg um den
ganzen zierlichen Leib, der dabei nach ein
ander eine Reihe classischer Stellungen
einnimmt: dreimal geht e durch die Wol
ken in die Tasche und dreimal in da?
Täschchen endlich steckt die Karte doch
in einem der Vcrierfächer, deS ebenso
zierlich geputzten als unpraktischen Geld,
läschchens. Mit welcher Anmuth, web
cher holdoerschämten Gelassenheit, welche
sagen will: .Ach, ich wußt' es ja, ich
habe ja stets alles bei der Hand", nun
die .verflixte" Karte dem Controleur ge
reicht wird.... nein, noch wird ein Ver
such gemacht, die Karte a! ein and er zu
falten; die unvermeidlichen Handschuhe
machen die? jedoch unmöglich und der
Reoiior ist so galant, daS selbst zu be
sorgen. Aber wenn die Karte endlich zu
rückgegeben. da? GeldiSchchen wieder
eingesteckt ist. dann strahlt wieder der
Himmel rein und in heilerer Klarheit.
Diese? Spiel mit der Fahrkarte ist
nur das einfache, das bürgerliche Lust
spiel. Wenn erst noch ein Korb oder
Körbchen hinzukommt, in welchem tau
send Dinge stecken, natürlich auch das
Taschentuch und daS Geldtäschchen
wenn dieses Körbchen noch einen recht
umständlichen Verschluß hat, bei dem e
zu drehen, zu nesteln, u stecken, zu heben
giebt; dann wird das bürgerliche Lustspiel
zum Jntriguer.stück. Der Korb, seine
Riemchen, Schlößchen. Oesen, sein
Deckel, im Innern feine tausend Ab
gründe und karsthchlenartigen Schlupf
minkel und Jrrgänge, in denen daS Geld
läschchen und die Fahrkarte gesucht wer
den, wirkt wie die Bühne mit zehn Thü
ren, bei denen die Rennpoffenpersonen
aus, und einlaufen und sich Schabernack
über Schabernack spielen."
in gradlmnigcr Schukmcillcr.
Eine muthige und freimüthige Kern
natur war der seiner Zeit in Grünberg
in Schlesien seine? Amtes als Volks
schullehrer wallende .alte Püschel", der
am 15. September 1890 im Ruhestand
gestorben ist. Dieser Mann so lesen
wir in der .BreSlauer Ztg." hat
Zeit feines LebenS mit seiner vorgesetzten
Behörde auf dem Kriegsfuße gestanden
und in allen von ihm durchgcfochtenen
Streitigkeiten selbst seinen höchlten Vor
gesetzten gegenüber die größte Offenheit
gewahrt. Man fand e bequem, ihn füi
einen .Sonderling" zu nehmen. Ein
mal indessen riß der Behörde der Ge
duldssaden und sie war geneigt, den
Alten für unzurechnungsfähig zu halten.
Daß er aber seine fünf Sinne sehr wohl
beisammen, zugleich aber auch Herz und
Mund auf dem rechten Fleck hatte, wer
den die Leser aus folgenden Briefen aus
seiner Hand ersehen. An den Minister
von Räumer schrieb er unter dem 10
Oktober 1858: .Aber Herr Minister.
daS muß ich Ihnen doch sagen: Ehe ich
glaube, von Ihnen Hilfe zu erlangen,
eher glaube ich, daß Gott in den Mond
ein Loch macht, aus welchem für meine
Familie und mich ganze Hemden,
Strümpfe, Schuhe und Kleider herab
fallen. Meine Nachbar Jagdhund
braucht täglich für drei Silbergroschen
Brod, ich habe für eine Person meiner
Familie täglich 14$ Pfennige. Eines
LehierS, der täglich 150 Kinüer unter
richtet!? Ist das nicht zum Lachen!?
O, es ist gräßlich. Weiß so etwas der
König??"
Ein Brief an den Minister von Beth
mann-Hollweg vom 7. Juli 1861 lautet:
.In dieser Stimmung lassen mich der
Herr Minister noch einige Gedanken nie
verschreiben, von dem Standpunkte eines
Sterblichen zu einem Sierblichen. Sie
halten mich gewiß für einen ungeschliffe
ncn Grobian, aller feiner Regungen bar.
Sie irren sich hierin. Ich dränge mich
nie zu großen Herren, um mit ihnen
Kirschen zu essen ; wenn sie mir aber den
noch Stiele und Kerne in' Gesicht wer
fen, so geschieht dies nicht ungestraft, ich
sammle alle zusammen und werfe dann
solchen Unrath mit zehnfacher Kraft zu
rück. Sie lächeln wohl dazu, wenn lch
armer Schulmeister von Ehrgefühl
spreche!? Muß man denn durchaus seine
Urahnen unter den Raubrittern de 11.
Jahr Hunderts nachweisen können, um auf
Ehre Anspruch zu machen!? Wenn Sie
glauben, ich bin des Ehrgefühls bar, so
ist dies eitel Thorheit. Mein Rock ist
grob, doch der darunter ftcckeade Kerl hat
Gefühle und will nicht wie fein Kittel
behandelt werden. In meinem Leben
war ich noch nie berauscht. Können Sie
daS von sich auch sagen? Oder von oie
len Andern? Es ist der Regierung ein
Leichte? gewesen, mich für unzurech
nungSsähig zu halten und mir den Kreis
phustkuS in's Haus zu schicken. Aller
dingS der beste Weg, um Jemand ver
rückt zu machen, bei uns gelingt's jedoch
nicht l"
Cincr von Aride.
Dem verstorbenen HanS v. Bülow
wurde einmal in Hannover durch den
Grafen Waldersee der Lord Dumdee, ein
sehr reicher und sehr lustiger Engländer,
vorgestellt.
.Verzeihen Sie, Herr Doktor," fragte
der Lord, .wann haben Sie zuletzt in
London gespielt?"
.Vor zwei Jahren," antwortete
Bülow, und seine Stirne verfinsterte
sich, denn er war damals von einigen
Londoner Blättern gehörig hcrunlerge
rissen worden.
.Und wo spielten Sie?"
.Mit Joachim zusammen im Crvstal
Palace."
.0 ja, ich erinnere mich," sagte der
Lord; .ich habe in der Presse darüber
gelesen. Was spielten Sie doch damals,
was zu fo häßlichen Kritiken Veranlas
sung gab?" bemerkte Lord Dumdee.
.O Du lieber Augustin,' und als
Encore psissen Joachim und ich .God
save ihe Queen." Wollen Sie, Mylord,
vielleicht noch wissen, was wir geges
sen haben? Natürlich Plumpuddmg!"
Sprach'S, stand auf und ging daoon.
AlleS faß da mit verdutzten Gesichtern.
Da kam der Retter in der Noth,
Berendt, HannoserS unverwüstlicher
Komiker.
.Sie, Berendt," rief Waldersee
lachend, .ist Bülow fatisfaktionsfähig?
Er hat hier unseren Lord Dumdee de
leidigi?" .Das kommt auf Bülow'S Gage an
und ob er Zuschuß von zu Hause erhält."
AlleS lachte man verstand die feine
Ironie. Und nun erzählte man Berendt,
waS vo'ge'aller: .Ach Potz Blitz, die
Londoner" Presse halle ja Meister Büloro
damals so furchtbar veirissen, und Ihre
Fla,:: hat er nun für Malice gehalten."
,LaS thut man da?" fragte Wälder
fee. und in demselben Augenblicke kam
Bülow wieder hereinstolzirt. Er trat
direkt an den Komdaltantentisch und
reichte Lord Dumdee harmlos die Hand.
.Ich war Ihnen böse, halte aber keine
Ursache dazu. Ich h'.be Erkundigungen
über Sie eingezogen." Man kann sich
die Situation denken. Und wie sielen
dieselben au. Herr Doktor?" fragte nun
Dumdee, lächelnd zwar, aber sehr dumm
dabei aussehend. .Nun, leider sür mich
nicht günstig," sagte Hans von Bülow.
.Man sagte mir: Wenn ein Bülow sich
mit einem Dumdee über Musik unter
hält, dann ist einer von uns Beiden ein
Ochse. Dieser Ochse, Molord bin ich,"
Das ?Lotorzwtira!.
DaS Neueste im AlleS erobernden
Radsahrsport ist nunmehr die definitive
und in glänzendster Weise gelungene LS
sung deS großen Problems: ein Zweirad
durch Motorbetrieb in Bewegung zu
setzen und dieses Motorzweirad zum Ge
brauche aus ebenen wie bergigen Straßen,
für geringe und große Geschwindigkeiten
in gleich verläßlicher Weise dienstbar zu
machen. Die seit Monaten unausgesetzt
vorgenommenen Probefahrten ergaben
sehr günstige Resultate, die ihrerseits
wieder in Folge gemachter Erfahrungen zu
Abänderungen und Verbesserungen führ
ten, welche dieses neue Fahrrad heute
in einer, selbst den höchsten Ansprüchen
ganz und voll gerecht werdenden Kon
snukiion zeigen. Das Motorzweirad hat
in seiner äußeren Gestaltung den Typus
deS modernen Niederrads fast vollständig
beibehalten, ist gleich leicht lenkbar wie
dieses, noch weit bequemer zu besteigen,
beziehungsweise zu verlassen, verursacht
im Betrieb verschwindend geringe Kosten,
auch läßt sich die treibende Kraft in Be
zug aus Geschwindigkeit nach Belieben
reguliren und sofort ganz einstellen. Vor
etwa drei Jahren wurde der Bau eines
solchen Fahrzeuge? durch den Chef Re
dakieur des .Radfahr-Humor", Herrn
Heinrich Hildedrand aus München, ange
regt und ist nun nach rastloser Arbeit von
dem Maschinenkonsnukteur Herrn Alois
Wolfmüller und dem Maschinentechniker
Herrn Hang Gaisenhof verwirklicht wor
den. DaS Motorzweirad ist in allen
Kulturstaatcn zum Patent angemeldet.
Ariesuverschwemmung.
Ein Buchdrucker Allamacher in Ver
sailles erbte von Amerika her unerwarte
ter Weise 25 Millionen Francs. Als
dieser Glücksfill dcS ManneS kaum be
kannt geworden war, strömten nach der
Druckerei, wo er arbeitete, aus ganz
Frankreich Briefe über Briefe zusammen.
Hierunter befanden sich nicht weniger als
800 Zuschriften jedeS Inhalts und For
mates von Frauen; 30 Briefe von Per
fönen, die eine Zeitung herausgeben,
Wachsfigurenkabinette begründen, Was
sermerke, Eisenbahnen, Minen anlegen
oder irgend ein kostspieliges Unternehmen
vom Stapel lassen wollten, neben einer
Myriade verschiedener Angebote von
Kaufleuten, Schriftstellern, Musikern,
Malern, Schauspielern und Ouack.
falbern. Es fehlte auch nicht crn 230
Erfindern, die mit seiner Hilse ein Pa
tent erstrebten, und an 11 Episteln von
Dichtern, die ihm Prachtexemplare ihrer
letzten GeisteSerzeuznlsse anboten. Daß
die Agenten von Lebcnsoeisicherurgen wie
Harpyen ach dcm selten Bissen schnapp
ten, versteht sich eigentlich von selbst.
ictcj)(jon und lcgerljäuptkingc.
Zwei afrikanische Negerhaaptlinge,
welche sich neulich besuchsweise in Lon
don aushielten, konnten die ihnen völlig
neue europäische Welt und die großarli
gen modernen Einrichtungen und Erfin
düngen nicht genug bewundern. Nichts
erregte jedoch ihr Erstaunen und ihren
Schlecken mehr als der Gebrauch iti
Telephons, welchem dieselben anfangs
mit dem größten Mißtrauen begegneten,
indem sie sich nicht einig werden konnten,
ob sie dasselbe für einen ihren vorge
machte Betrug oder als das .Werk
eine englischen Zauberers" betrachten
sollten. Daß die Maschine englisch
sorach, wollten sie ihr noch verzeihen und
für möglich halten, erregte aber anderer
seitS desto mehr ihr Mißtrauen ; ali man
aber die Potentaten in weiter Entfer
nung von einander brachte und durch eine
Telephonleitung mit einander verband,
so daß sie sich in ihrer Landessprache per
Telephon unterhalten und dabei doch
sehen konnten, überzeugten sie sich doch,
daß hier kein Betrug obwalte, so daß sie
sich mit dem Fernsprecher bald besreun
deten, sich solchen alS Geschenk ausbalen
und nach ihrer Heimath mitnahmen.
Bosk,aft
Aeltere? Fräulein: .Herr Müller,
Ihr Name wäre richtiger, wen S
Bummelzug hießen."
Herr : .Warum denn?" .
Fräulein: .Nun, weil Sie überall
anhalten. "
Herr: .Dann müßten Sie aber doch
Courierzug heißen."
Fräulein (betroffen): .Wieso das?"
Herr : .Weil bei Ihnen nie angehal
ten wird."
Dcutli.
Assessor : .Ja, ja, es ist etwas Wun
derbare? um die Mutterliebe, sie bleibt
sich doch immer gleich I Ich glaube nicht,
daß es eine einzige Mutter giebt, die
nicht den allergrößten Schmerz darüber
emxsindet, wenn sie sich von ihrem Kinde
trennen soll !'
Dame (Mutter mehrerer Töchter) :
,O, Herr Assessor, deshalb geniren Sie
sich nur ja nicht I'
kiuman.
Rektor: .Sie haben nach einer n'.ir
zugekommenen Anzeige gestern Nacht
,wei NichlwZchier gerrüg.It. WZ hat
Sie da,u veranlaßt?"
Student : .Meine Humanität, denn
für einen Nachtwüchler wäien die
Prügel doch zu viel gewesen."
Recht fatal.
Junger Philosoph: .ES ist fatal zu
heiralhen. Eine Schöne rh-.e Geld er
laubt mein Vater nicht. Ei Häßliche
mit Geld erlaubt mein Gefühl nicht.
Eine Schöne mit Geld erlaubt ilr Vater
nicht. Eine Häßliche ohne Geld ist
überhaupt nicht eilault."
Aka l
Frau (zu ihrem von der Jagd heim
kehrenden Mann): .Nun, was getroffen
heute?"
Mann (mürrisch) : .O ja!"
Frau : ,5ast Du'S schon in die Küche
gebracht?"
Mann: .Nee, aber in Krankenhaus!"
5ut verdeutscht.
Professor : .Wie würden Sie ver
deutschen: .Der Herzog empfing den
Kommerzieniath in lailgerer Audienz?"
Sekundaner: .Der Herzog verlieh
dem Kommerzienrath längeres Gehör."
Ursache und Wirkung.
Hausfrau (zum Dienstmät-chen, das
eben wieder zwei Briefe erhält): .Merk
würdig, seit mir das Schwein geschlachtet
haben, haben Sie eine riesige Koirespon
denz, Anna!"
Ein kritischer Augenblick,
Papa hat eben feinen Jüngsten über?
Knie gelegt, um ihn durchzuprügeln.
In dem Äugenblick komu,t ein Besuch.
Die .Erziehung der Kinder" muß natür
lich einen Augenblick ausgesetzt werden.
AlS der Besuch, der sich r.ur wenige
Minuten aufgehalten, fort ist, faßt sich
der gestrenge Hausherr an die Stirn und
fragt seinen Kleinen, der in eine Ecke ge,
krochen ist : .Hm Paulchcn wovon,
sprachen wir doch gerade?"
Entsetzliche ?rokug
.Herr Müller, Sie kommen zwei
Minuten zu spät ins Bureau "
.Aber Herr Prinzipal, ich "
.Keine' Entschuldigung I Ich möchte
wissen, was Sie fazen würden, wenn ich
Ihnen am Monatsende zwei Pfennig von
Ihrem Salär abzöge I"
l?ohcr preis.
A: .Sie haben wir das Leben geret
teil Wie kann ich Ihnen dafür dankbar
fein?"
B: .Heirathen Sie meine Schwieger
mutier und verlegen Sie Ihren Wohnsitz
nach Australien."
Richtig,
Frau Schmatzeke : .Ach, Herr Sani
tätSrath. wie gut, dah ich Sie treffe I
Mir geht es wieder fo schlecht. Keinen
Appetit und solch ein SchwSchegesühl
die Beine wollen mich nicht tragen l
Bester Herr Sanitätsrath, waS soll ich
da nur nehmen?" Der Sar,i:ätsrath :
,'ne Droschke I"
Anangenehm,
.Sie waren im Be ncr Oberlande,
Herr Lieutenant? Haben Sie auch die
Jungfrau gesehen?"
.Nee I Wurde jerade von 'r.er Menge
Engländer pousstrt ! Konnte nicht heran,
kommen!"
(Originelle Annoncen.
.Mehrere geübte Näherinnen für ein
fällige Hemden werden gesucht."
.Es rst uns zu Ohren gekommen, daß
das Rindvieh und die Pferde in den
Ställen mit brennenden Cigarren und
Pfeifen gesütiert erden, was künftig
mit zehn Mrk bestraft werden soll."
Lr weiß Bcscheio,
Sie : .Wie können Sie Aufmerksam
leiten von mir erwarten, wenn Sie so
vielen jungen Manchen Aufmerksamkeiten
erweisen?"
Er: .Ja, m un ich das n cht thäte,
wären Sie auf uch gar nicht aufme:k-
sam geworden."
Guter Grund.
Angeklagter: .Ich bitte um mildernde
Umstände, Herr Präsident, weil ich an
den gestohlenen Aktien so viel Geld ein
gebüßt habe!"
Schnell verbessert.
Bei einem S cndch.n, das einer Wittwe
am Vorabend ihrer m:ilen Hochzeit ge,
bracht wurde, sang der Cior: .Nur ein
mal blüht im Jahr d:r Mai. nur
(kurze Verlegenheitspause, dann mit
Ueberzeugung) nur zwei mal im
Leben die Liebe!"
Aus der Instruktionsitunde.
Unterofsicier : .Mayer. Sie sind auf
Posten, es kmmt ein Oificier im Man,
ttl, Sie wissen aber nicht, ist es ein
Stabs- oder Subaltern, O!ficier welche
Ehrenbezeugung erweisen Sie?"
Mayer: .Schaut er freundlich drein,
nehm ich .Gewehr auf", sieht er aber
barsch aus dann präserrtir ich lieber!"
Auch eine' Wertigkeit.
.Nun, Mariechen, kannst Du schon
alle Buchstaben schreiben?"
.Nein, Tante, noch nicht."
.Aber was hast Du denn bis ;:tzt in
der Schule gelernt?"
.Tintenklrre ablecken, Tante."
verbrechcchumor
Richter: .Eine feste Wohnung haben
ie wohl nichi?"
Angeklagter: ,Wo,u auch, mich stiehlt
keiner !"