Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, May 17, 1894, Image 9

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    Eine rScirath wider Willen.
u dem Rul:lchen rsn Ä. Q. !'.
t3a.si jtail FueuuSi'ch s. &icft ff-',
l'u junger Mann, ttr zu den g!änfr.tfitn
H?ffr.uügen dcrech'iqk schien, x.er
mit betonieren Privilez en 5ry.a$'';!
Lehranstalt tnpjrgtirfc", mir it ir
Slaalttiemle getreien und hatte i -
der zahlreichen feiert bürg JUr.iUun
eine Anstellung erhalten.
Der Dienst lastete nicht allu fchar
uf ihm. Die Zögling der pnv.If;!
Schulen brauchten sich nicht mit den ge
meinen Kanzlei Arbeiten zu besassen.
Durch eine entfernten Verwandten
seinem gegenwärtigen Chef enixsohlen,
wurde er von Seiner Ercellenz nicht nur
mit offenen Armen empfangen, sonder
auch in' Hau geladen. jlatl Fefcoro
wilsch'kCarriere konnte daher als gesichert
betrachtet werden, wenn er nur einiger
maßen die Umstände auszunützen ver
(land. An Schlauheit aber bat (3 un
erem Barone nie gefehlt und auf der
Schulbank schon schloß er sich unter seinen
Kameraden nur an die Söhne einflutz'
reicher und hochgestellter Persönlichkeiten
an. Er verstand 9, deren Freundschaft
zu erwerben und sich durch dieselben Ein
gang in di Petersburger vornehme Welt
zu veischaffen, die sogar euch einen
Baren nicht leicht in ihre reise aus
nimmt, besonder! wenn ihm ein Mangel
anhaftet, an dem auch Karl Fedorowitjch
litt.
Er war nLmlich arm.
UebrigenS wußte sich unser Baron auch
da zu helfen. Mit Beihilfe seiner vor.
nehmen Kameraden war 8 ihm gelungen,
sich weitgehenden Credit zu eröffnen, den
er in Anchofiarg baldiger Beförderung
und einer vorteilhaften Heiralh biZ an
die Grenze der Möglichkeit ausnützte.
Alle ging vortrefflich, da ober zog sich
eine duslere Gewitterwolke über fernem
Haupte zusammen.
Pawel Nikolajewitsch Obo!duiSas,or
janZki, der AblheilungSoorstand Karl
Fedorowitsch', war Wittwer, der nur eine
einzige Tochter hatte, Alerandra Pam
lomna, eine hübsche, neunzehnjöhrige
Brünette, welche erst vor einem Jahre
aus dem Pensionat in' Vaterhaus zu
rückgekehrt war. Man behauptete, sie
bekomme eine Mitgift von einer halben
Million. Waren dies auch nur Ge
rächte, so schienen sie mit Rücksicht auf
das ungeheuere Vermögen ObolduiSa
goijanfikt'S keineswegs unaiahrZcheinlich.
Im Haufe befand sich außerdem noch die
-ftllfchaftetin des jungen MSdchenS,
ein Fräulein von etwa 30 Jahren, das
aber, wenn man den bösen Zungen Glau
b:n schenken darf, bei dem eilen Herrn
Lehr viel galt.
Maria Nikolajewa Schein so hieß
lai Fräulein hatte im Hause Pawel
Nikolajemitsch' bis zur Rückkehr seiner
Tochter aus dem Institut, a! Bcschlie.
ßerin gelebt und war erst vom gedachten
Zeitpunkt ab zur Gesellschafterin vor
gerückt.
Oboldui Sagorjanski hatte wieder
holt, doch stets vergeSenL, den Versuch
gemacht, sie an einen seiner Untergebenen
zu verhcirathen. Alle Bemühungen
waren an dem Widerstände Maria Niko,
lajewna'S gkscheitert, die sich nicht tat
schließen konnte, ihre behagliche Stellung
aufzugeben.
Der elegante, junge Baren aber schien
Eindruck auf dieses bisher unnahbare
Herz gemacht zu haben, denn sie be
. zunfiigte ihn sichtlich.
Dem alten Herrn war dies keineswegs
entgangen, doch wagte er eS nicht, einem
Baron ohne Umständen zu befehlen, seine
einstige Haushälterin zu heirathen.
Zu wiederholten Malen schon hatte
Oboldui-Sagorja.iSki gesprächsweise die
Bemerkung hingeworfen, Maria Nikola
tma erhalte ein: Mitgift von fünfund
zaiaiizigtausend Rubel, der Baron aber
schien diese Anspielungen nicht zu ver
stehen oder wollte sie nicht verstehen.
Pawel Nikolajewitsch entsagte aber
deßhalb noch immer nicht jeder Hoffnung
und empsing Karl Fedorowitsch, der ein
-täglicher Gast seines HauseS geworden
war, nach wie vor mit gewinnender Herz
lichkeit.
WaS aber mochte den Baron an
ziehen?.... Etwa doch das Gesell
IchaftSftäule'n? Nein, er strebte
nach Höherem. Die halbe Million,
welche das schöne Mädchen mitbekam,
wurde für ihn ein Magnet, dem zu vi
derstehen er gar nicht versuchte.
Alexandra Pawlowna blieb gegenüber
den ihr dargebrachten Huldigungen deS
Barons auch nicht völlig unemxsinttich,
und zwischen den Beiden entspann sich
ein kleiner Roman. Nachdem daS zärt
licht Liebespaar in Weile geichwärmt,
begann eS an einen Bund sür's Leben zu
denken.
Jetzt aber trat die Frage in den Vor,
dergrund, in welcher Weise man da be
erkstelligen solle? Die Zustimmung
deS Vater! dürfte man nicht erhoffen,
denn bei aller Liebe zu seiner Tochter
würde er nie in eine Verbindung mit
einem in untergeordneter Stellung be,
Endlichen armen Teufel gewilligt haben.
Ein Bron ohne s?nstige Grundlage
zahlte in den Augen OöolduisSazor
saniki'S auch.nicht viel, das wußten die
jungen Leute.
Der Baron ging wie ein Verzweikelter
herum, na, wohl kein Wunver war,
denn die Trostlosigkeit seines Gemüths,
zustandeS erfuhr durch das Drängen der
Gläubiger eine nicht unwesentliche Ver
schärsung.
Ja dieser nichts weniger als sngeneh
inen Stimmung schlenderte er eines Ta
ges c NewSky Prospekt herum, c!3 er
eine Stimme hörte, die ihn anrief:
.He Baron, si.-.d Sie es?
Karl Fedorewitich wandte sich um und
sah auf den zum Eis Dsminik führen,
San S!nf"i seinen alter. Bekannten und
Der
Jahrgang 14.
Freund Sergej Ji?anoitsch Doirowe,
tin. Leide lialen il. Kaft'eehauS, wo
sich Sergej Jan?wi:fch Liqjeur mit
,schxasleikn. der Baren eine Tasse
Kaffee mit Kochen geben ließ.
Nach den ersten einleitenden Qt
spiächen erzählte Karl Fetorowilsch mit
Verschireizui'z d:Z NamenZ der Ge'ieb
ten dem v"u:it seine ganze Her,enS
gefchichte und fragte diesen um Rath,
aal er thun solle.
,DaS ist sehr einfach erwiderte
Sergej Jaanowitsch, der in allen Rechts
angelegenheiten a'.S gerieben bekannt
war. Sie kann mit Ihnen getraut wer,
den, ohne auch nur einen Schritt aus
dem Hause zu thun, ja sogar, während
sie mit ihrem Vater beim Thee sitzt.
Der Baron machte große Augen.
.Sie müsst nur trachtin skldstrer
stündlich mit ihrer Einwilligung in
den Besitz der Papiere Ihrer Braut zu
gelangen. ES wird Ihnen nicht schwer
werden, gegen angemessene Belohnung
eine Person zu finren, die mit Ihnen
zum Altar tritt und in daS Kirchenbuch
lenen Namen einschreibt, auf den die Ur,
künden lauten. Ihre wilkliche Braut
wi"d Sie nicht Lügen strafen und der Va,
ter eS ebensowenig zu einem Scandale
treiben. In dieser Weise wird sich AlleZ
in Wohlgefallen auslösen.
.Und wären Sie geneigt, mir In dieser
Sache Ihren Beistand zu leihen?' fragte
der Baron.
.Warum nicht erwiderte Jwano
witsch. .Für dreihundert Rubel mache
ich Ihnen eine Person ausfindig, welche
sich zu dieser Rolle verfleht. . . . Bringen
Sie mir nur vorerst die Papiere."
Der Baron notirte Dobrowolin'S
Adresse, gab diesem seine Karte und die
beiden Freunde trennten sich.
Am selben Abend noch fand Karl Fe,
dorowitsch Gelegenheit Alerandra Pam
lowna den Plan mitzutheilen. Nach
langem Schwanken und erst in Folge in
nigen Flehen von Seiten deS BaronS
erklärte sich diese einverstanden. Um aber
in den Besitz ihrer Papiere zu gelangen,
sah sich Alerandra Pawlowna genöthigt,
Marie Nikolajewna inS Vert'.auen zu
ziehen.
.Sie ist mir ganz ergeben und auch dir
qünflig gesinnt versicherte Alerandra
Pawlowna. .Gewiß wird sie sich nicht
weigern, unS hilfreiche Hand zu bieten.'
, Der Baron war außer sich vor Freude
ur.d Entzücken.
Am darauffolgenden Morgen begab er
sich zu Dobrowolin, händigte diesem drei
hundert Rubel tin, mit der Bitte, für
daS Uebrige zu sorgen. Es währte nicht
lange, so war die stellvertretende Person
gesunden.
Während dieser Zeit ereignete sich im
Hause Oboldui, Sagoljanökl's Folgen,
deS :
Nachdem Maria Nikolajewna Geftänd
niß und Bitte Alexandra Pamlowna'S
ruhig bis zu Ende gehört, erklärte sie sich
ohne jedes Besinnen kinoerstanden.
.Es ist allerdings sehr gewagt be
merkte sie nur, .und Ihr Vater wird
schrecklich böse auf mich werden, doch ver,
mag ich eS nicht über mich zu gewinnen,
Ihnen irgend etwa? abzuschlagen.'
Alerandra Pawlowna schloß ihre Es,
fellschafterin in ihre Arme.
Kurze Zeit darauf war Maria Nikola,
jewiia schon im Cadinktk keS alten Herrn.
Zn wenig Worten theilte sie ihm den
Plan semer Tochter und deS BaronS
mit.
.Hm!' brummte Oboldui , Sagor,
janöki und begann im Cabinete auf und
ab zu gehen.
Einige Minuten lang herrschte Schwei
gen.
.Willst du Baronin Kraft werden?'
fragte er plötzlich, vor Maria Ntkola,
jewna stehen bleibend.
Diese wurde blutreth. Der alte Herr
hatte begriffen.
Lege in diese? Couvert statt der Pa,
xirre mtinkr Tochler deine eigenen
Liebende pflegen zerstreut zu fein und
alles zu überhasten. ... Die Verant,
wortung für daS WeitereNbernchme ich
fuhr Pawel Nikolsjewitsch fort.
Maria Nikolajewna entfernte sich.
DaS versiegelte Couoert mit den Pa,
pieren wurde dem Baron durch Alerandra
Pawlowna noch am selben Abende einge
händigt.
Der Baron verabschiede! sich früher
als gewöhnlich und drückte beim Scheiden
mit Innigkeit Maria Nikolsjewna'S
Hand als stummes Zeichen seines Danke.
Die Gesellschafterin schlug erirlhend die
Augen zu Boden.
Karl Fedorowitsch jzgte unv'rweilt zu
Dolrowolin, dem er daS empfangene
Pscket mit seinen eignen Papieren über,
gab. Sergej Jwanoivilsch eröffnete sei,
nem Freunde zu dessen nicht geringer
Freude, di Trauung könnte schon am
nächsten Morgen ftattsinden.
.Die nöthigen Zeugen werden auch da
sein fügte Dobrowolin hinzu, .nämlich
ich und drei meiner Freunde.
Am dirauffolzeuden Morgen um 6
Uhr war der Baron in der Kirche, wo die
Braut, eine reizende Brünette, und Dob,
rowolln mit seinen Freunden ihn er
leten. Die Ceremonie war balv beendet
und K-rcl Feiorowilsch wurde behütet,
CL
Beilage zum Nebraska Ttaats-Llnzeiger.
die Paple:e in einigen Tagen wieder cb
zuholen.
Drei Tage später erhielt er eine Zu,
schrift, in welcher seine Versetzung in eine
entfernte Gouverntmentifladt angeo:dnet
wurde. Im ersten Augenblicke war er
betroffen, be: reiflicher Ueberlezung aber
freu'e er sich sogar darüber.
.Damit ist mir der willkcmmene Vor
wand geboten, meine Frau zu fordern
sagte der Baron selbstzusrieven. Ueb
rigenö kann ich da auch gleich thun
fügte er hinzu, nachdem er auf die Uhr
gesehen.
ES war halb 1 Uhr, eine Stunde, in
der ObolduiSogorjanSki zu Hause zu
sein pflegte.
Karl Fedorowitsch bestieg einkn Wa
gen, holtt dik Papiere und fuhr zu seinem
.Schwiegervater'.
.Nun, sind Sie mit Jhrim nkutn Bt
stimmungZorte zufrieden?' fragte ihn der
Burealichef.
.Ich danke ganz ergebenst, doch
uünfchlk ich dahin in Begleitung meiner
Frau zu reisen jagte der Baron in be
stimmtem Tone.
.Daran hindert Sie ja Niemand, wenn
Sie verheirathet sind UebrigenS
wußte ich davon bis zu dieser Stunde
kein Sterbenswort sagt Oboldui,
LagorjanSki ganz verwundert.
.Ja ich habe mich erst kürzlich verhei
rathet und meine Frau besindet sich in
Ihrem Hause fuhr der Baron fort.
.In meinem Hause?' rief Pawel Ni
kolajewitsch, indem er that, als habe er
nicht recht gehört.
.Allerdings.... Hie: sind die Je.
weise
Mit diesen Worten überreichte der
junge Mann dem Ehef seine Papiere,
welche dieser langkam entfaltete und
durchsah, vorauf Obo!dui,Sagorjan!?i
in gütigem Tcne sagte:
.Sie haben sich ohne Vorwissen Ihrer
Behörde verheirathet und damit nicht
recht gethan. Mehr noch aber kränkt
mich, daß Sie Ihr Vorhaben sogar vor
mir, Ihrem guten und aufrichtigen
Freunde geheim hielten.... vor mir,
der ich gegen diese Verbindung ni den
geringsten Einspruch würde rhoben
haben.'
Das hatte Karl Fedorowitsch nicht er,
warte! und er stand eine Weile starr vor
Erstaunen. -
.Ach verfilzen Si .... meine leiden
schaftliche Liebe stammelte er end
lich.
.Mein Gett, es gibt es hier zu ver,
zechen unterbrach ihn hier Oboloui
Sagorjankki. .Di Sache ist nun ein,
mal geschehen und laßt sich nicht mehr
ändern
Damit berührte er die Tischglocke und
befahl dem unmittelbar darauf eintreten
den Dien: .Ich lasse Maria Nikola
jewna hierher bitten
.Wenige Minuten später kam diese.
.Sie sollten sich schämen, meine Gnä
d'.ge sagte Oboldui-Sagorjaniki mit
verstelltem Unmuthe, .daß Sie vor mir,
der stets wie ein Vater an Ihnen ge,
handelt, Geheimniffe hätten. .. .Soeben
hat mir der Baron mitgetheilt, daß er
eine heimliche Ehe mit Ihnen geschlossen
habe. . . .
Bei den letzten Worten war Oboldui,
Sajorganiki zu seinem feuerfesten Geld
schranke getreten und hatt diesen aufge,
fperrt.
.Hier ist Ihre Mitgift. .. .fünfnd
wanzigtausenv Rubel fuhr er dann
fort, indem er ein Bündel Staatspapiere
auf den Tisch legte. Gott möge Ihnen
vergebkn, wie ich hnen vom ganzen Her-
zen verzeihe Sie können Jhrei Gel.-
ten begleiten, der ins 'sch Gouverne
ment versetzt wurde.'
Der Baron stand wie versteinert. Er
verstand kein Wert von Allem dem, was
r hörte.
.Ader ich habe ja nicht Maria Nikola,
jewna geheirakhet stotterte er endlich
mühsam.
.Wie?.... Wen denn sonst?' fragte
dik Ercellenz und reichte ihm die Papiere.
Karl Fedorowitsch durchblätterte sie
hastig und glaubte, in den Erdboden
sinken zu müssen. In der Hand hielt er
den Taufschein Maria Nikolajewna'S mit
dem Zusätze, sie sei in erster Ehe mit dem
Baron Karl Fedorowitsch v. Kraft kirch
lich getraut worden.
Der Baron biß sich die Lippen fast
blutig und warf seiner Gatlin einen zor,
nigen Biick zu, die, gesenkten Hauptes,
mit ihrem Packete Äkaatepzpiere in der
Hand, beifeile stand.
Kurze Zeit darauf reiste das junge
Ehpzzr nach dem 'schen Gouverne
menk ab.
0 cara inemoria.
?ei,ehmigte Uebersetzunz noch dem iUärni--schen
deS fr. A. SmederS.
An einem September'Ablnd, so mild
wie an den Palnienlästen deS Mittel
lneereS. stand ich eine Reihe von Jahren
ist seitdem verflossen am Gestade der
Nordsee. Der See , Damm dieses
Forum der Eilelkeiten war schwarz von
Sva;iergängern. Die Gasflammen er,
dkllien die weißen Giebel der Villen und
i
rtitvnrt ftr
Pvr
Restaurant deS belgischen Badeor!eZ
und warfen über die Badezellen hin aus
den feuchten Strand und die Wellen
brecher ein zartes Licht, wie das der
Mondsichel.
Auf der See herrschte Dunkel; kein
S'ern spiegelle sich in ihr. Unten auf
dem feuchten Sande deS Strandes war
eS eben so einsam, wie auf dem Damme
lebendig. BiS dorthin drangen die
Klänge der herrlichen Musik, welcher die
gedrängte Menge im Kursaal und vor
demselben lauschte; aber sie waren ge
dämpft und stimmten geheimnißvoll zu
dichterischem Träumen.
Da Vivloncell sang ja eS sang
unter der Hand eine Meister an diesem
stillen Abend Schubert'S Sehnsucht.
Ich stand mit einem jungen Manne
aus Deutschland, Heilmuth hieß er.
schweigend und lauschend aus einem Wel
lenbrecher, und mir folgten im Gemüth
den Woiken des herrlichen Liedeö: ,O
süße Himmelslust.'
Die tiefen ernsten Klänge, die klagten
und wkiiiltn, rührten die Seele bis in
ihre innerste Tiefe. Die See schien mit
unS zu lauschen, oder sie sang vielmehr
mit; denn ihr Rauschen bildete gleichsam
den Grundton, von welchem die Melodik
sich krhob. Jedk Woge, die über den
Sleinin des Wellenbrechers sich aukbrei
tete, schien sich sirenengleich emporheben
zu vollen, um den Melodiken zuzujauch
zen und dann beaubert in den Schooß
der See zurückzusinken.
Nahe bei uns erblickten wir zwei
dunkle Frauen-Gtstalten, die, eine an
die, andere gelehnt, nur ein Wesen zu
sein schienen" Die Eine hatte ihre Arme
um den Ha'S der Anderen geschlungen
und verbarg ihr Antlitz an deren Schul,
ter.
Heilmuth kannte Beide: eine Mu',ter
mit ihrer Tochter.
Die Tochter lehnte sich an die Mutter
und verlangte mit leidenschastlichrr Gluth
von ihr, was sie, die arme Mutter, ihr
nicht geben konnte.
Ruhig, gelassen, tröstend lautete die
Antwort: aber das Mädchen verstand sie
wohl. Das traurige Herz da drinnen in
der Brust hätt ine andere Sprache
führen müssen, das Mutterhen, das gern
seinen letzten Blutstropfen hingegeben
häjte, um das Kind glücklich zu sehen.
Ärrgela war blind und verlangt!
Zlrgen, um sehen zu können!
Sehen wcllie sie die endlose See, die
ba'd sanfte bald gewaltig sich aufbäii
wende, die nächtlich dunkelnde cder die
im Glanz geschmolzenen GoldeZ, in
Smaragd leuchtende. Sehen wellte sie
den Himmel i feinem tiefblauen Halb
rund, sie, di nicht mußte, was des Him
mrls Bliu war di Millionen diltmani,
funkelnder Sterne, sie, die nicht ahntk,
was in Diamant fein könne. Sehen
wollte sie di Pracht der Blumen, die im
endlosen Raum dahi-isegelnden Mögen,
sehen den Aufgang und Niedergang der
Sonne, wenn sie im Westen feurige und
farbige Landschaften mit Berg und Thal
hervorzaubert, di nur von eines Engels
Fuß betreten werden.
.Gib mir Augen, gib mir Augen, zu
fehenl Warum muß ich in ewiger Nacht
durch die blühende Erde wandeln! Ich
verlange nicht nach der Pracht der Wen,
schen; ich will nur allein EotteZ Wun
derwerke schauen.'
Die hinlichen Töne des Cello, welches
das Lied deS Verlangens und der sehr,!
sucht sang, hi::cn das Gemüth der Blin,
den ergriffen und ein ungestümes Lerlan
gen in demselben erweckt.
Heilmucb, der mit mir die Worte ver
nommcn, stand da, die Hand vor seinen
Augen.
. Sci ruhig. Angsla lispelte die Mu!
ter, deren Haar weiß war wie der Schr.ee,
in tiefer Beazegunz. .Sei ruhia.'
Aber kire Thräne stahl sich über ihre
Wangen und trovfte auf die Stirn der
armen Blinden, die sofort ihr Haurt er,
hob und einen Kuß auf der Mutter Wan
gen drückte.
.Verzeih', Mutter, weine nicht. Du
sollst keinen Kummer haben. Ich bin
nun ruhig, nur einen Augenblick habe ich
vergessen, es zu sein. Vergib mir. Mut
ter lieb, vergib!' Und eS schien, als suche
sie durch ein Lächeln dn Mutter Kummer
zu verscheuchen. .DaS Lied, der kla,
gende Seelenton, hatte mich so ergriffen
fuhr sie fort, .und mich gleich einem
dösen Geiste daran erinnert, daß auch ich
etwa zu wünschen habe nein, Mut,
ter, ich habe nichts zu wünschen, nichts . . .
Es ist gut so, wie eS ist,'
Und feurig küßte sie ihr Mutier,
Lsiiosam verließen die Beiden Arm in
Arm den Wellenbrecher.
Angela war ein dildsönes Mädchen
von siebzehn Jahren, ihre Gestalt schlank,
ihr Antlitz bleich, aber von so regelmäßi,
gen Zügen, von so lieblichem Ausdruck,
daß Jeder, der vorüberging, seine Blicke
auf sie richten mußte. Und wenn er sah,
daß sie blind wir, seufzt r auS afnch:
tigem Herzen: Welch' ern Jammer!
Wer Angela mitten unker der Menge
auf dem Damm g?seh:n hat!:, verlor für
einen Augenblick seine Fröhlichkeit, seine
lustig Gkmü.'hstimmrli'g. Dem forz,
losen, ruhigen Leben am Strande schim
tiazS zu fehlen: das Mädchen hat! r'icht
1
i.
riiv
No. 52.
blind sein dürfen! Wer sie in der Kirche
beten sah, war gerührt und betete innig
mit ihr, daß ihr doch dai Licht der Augen
möge gegeben werden, und wer sie so
ruhig und sanft sprechen hörte, der be
wahrte den Ton in seinem Herzen.
Acht Tage darauf verließen Mutter
und Tochter den Badeort. Auch Heil
muth reiste ab; er kehrte mit ihnen in die
Heimath zurück. Ich verstand ihn, wenn
er auch kein Wort darüber zu mir sagte:
er wollte sich Angela weihen.
Wie viel Theilnahme fand die liebe
Blinde, wie viel Freundschaft und Liebe!
Am Bahnhof trug sie den ganzen Arm
voll Blumen, die Freund und Fremde
ihr gespendet, in der Hand aber einig
Blüthen, die sie an die Lippen drückte.
Noch ein Gruß, in Händedruck und der
Zug führt sie. immer von Nacht um-
geben, in ihr heimathliche Welt.
Jahr vergingen. Als ich in der, näch
sien Sommern zurück kam, dacht ich oft
an di blind Angela. Ich suchte ihren
Namen in der Badeliste, auf den Reise.
koffern; ich sucht ihr Gestalt untr dr
Menge auf dem Damm, am lufrizen
Strand, im Conccrtfaal, auf der Pfahl
brücke, welche in den See hireimticht und
zum Spazterzang .im Meer' einladet
vergebens. Ich suchte nach Wesen, die
sie gekannt; doch Niemand sprach mehr
ven ihr. Verschwunden, vergessen!
Allmälig erstarb die Erinnerung, weg,
gewischt wie die Zeichen im Sande des
Strandes durch die spielende Welle, wie
die soeben noch fcahigsegelnd weiß
Wolke von der Sonne auSgesogen wird.
Ich saß auf der Pfahlbrücke, welche
die Einfahrt zum Hafer: schützt. Unter
mir schlugen die Wogen brausend und
klatschend an daS schwarze Pfahlwerk;
ich folgte der Woge, wi si sich auf.
thürmt, ihren Kamm neigte, alle Farben
der Edelsteine annahm und endlich jtr
stäubte. Die Fisch bootk fahren hinaus,
kleiner und kleiner werden sie, endlich
nicht größer, wie Möoen mit gebreiteten
Flügeln, big sie im silbernen Nebel, der
in der Ferne hängt, wie ein geisterhafter
Spuk verschwinden. Der Wind, elcher
hier im Ginster und in den Disteln der
Dünen spielt, liebkost in andern Landen
die Blätter dkr Palmen; er kehrt zurück,
um mit der Woge Hochzeit zu feiern in
rasender Freude, und mit ihr unter
Krachen dS schwache Bauwerk der Men
schenhände zu vernichten.
So träumte ich an der S, vornüber
gebeugt über das breite, maueiftste Ge,
ländtr, auf welches Andere Albernheiten
schreiben und schnitzen, die dann wieder
von Anderen verspottet werden.
Es wurde mir leicht auf die Schulter
geschlagen, und als ich aufsah, da blickte
mich ein junger Mann freundlich aus
stiren blauen Augen an. Es schien ihn
zu belustigen, daß ich ihn nicht erkannt.
.Hellmuth sagte er.
.Hellmuth!' rief ich und drückt ihm
herzlich die Hand.
Und Angela? Dies Frag lag auf
meinen Lippen, doch ich hielt sie zurück.
Er schien so glücklich, daß ich es für ein
Unrecht hielt, diesen Glückszauber mit
der Frage zu brechen. Wer weiß! Viel
leicht hat er sie vergessen; vielleicht hatte
die Geschichte der armen Blinden einen
traurigen Schluß; vielleicht eS var
besser, zu schweigen bis später.
Anch er sagte kein Wort, welches mir
Gelegenheit gegeben hätte, den bewußten
Punkt zu berühren. Erst als ich Ab
schied nahm, sagte ich im Tone stark an
geregter Neugierdk nur daS Wörtchen:
.Uns....?'
.O fiel er sofort ein, in Beweis,
biß er meine Frage erwartete, ,o, ich
weiß schon, waS Sie fragen wollen.
Denken Sie noch immer an sie?'
.Oft. sehr oft.'
.Nun, Sie sollen Sie sehen Und
fort war er.
Am Abend, als ich zwischen der wim
melnden und gedankenlosen Menge schien,
derte, wurde plötzlich ein Arm unter den
meinen geschoben. Ich stieg mit Heil
muth die Steintrexpe hinab, welche zum
Strande führte. Wir standen wieder
wie einst, vor vielen Jahren, auf dem
Wellenbrecher.
Nie war die See so prächtig gewesen,
nie so majestätisch. So weit das Auge
reicht:, tanzten geisterhaft Flammen auf
dem dunkeln Waffergchlde.
Zuei Frauen standen Arm in Arm
rezirnzttoS auf dem Wellenbrecher und
schienen gleich uns daS herrliche Na,
tulschauspiel zu bewundern, ein schim,
merndeS Nordlicht, nicht am Himmel,
!ordern auf der Wasserfläche.
.Prächtig! Prächtig!' 'rief ich auS,
und gab meiner Bewunderung rech wei
ter lauten Ausdruck.
Eine der beiden Frauen näherte sich
uns schnell und streckte mir kie beiden
Hände entgegen. .Ich habe Sie an der
Shmine erkannt sagte sie, .so lange
ii auch her sein mag, daß ich Ihr
Sprache gehört habe. Ich bin Angela,
und jetzt . ..jrtz! sehe ich!"
.Angela!' Wir Uücklen cinaud:r die
öand; sie hielt die meinie sch, bis ihre
Mu:tec heimgekommen war und nun
ihrerseits mich in derselben herzlichen
Weise begrüßte.
Heilmuth stand neben unS: .Darf ich
Ihnen, bester Freund, meine Frau vor
stellen?' fragte er luftig.
Ja Angela war sein glücklich
Gattin.
.Er hat sich sagte sie. .für mich ge.
opfert. Ihm danke ich, nächst Gott, da
liebe HimmelSlicht. Hier gelobte er,
jung und reich, sich mir, der armen Blin
den, führte mich zum Altar, um dann
und allem für mich die Geheimnisse der
Heilkunft zu ergründen. Und all er sich
nach Jahren dieselben zu eigen gemacht,
da durste ich wieder Gottes lieben Hirn
mel, durste ich meine liebe Mutter und
ihn anschauen. Nie werde ich die Stunde
vergessen, wo ich zum ersten Mal ausrief:
.Licht. Licht, da, ist da, Licht!'
Ich hatte drei Glückliche gesehen
nein vier, denn ich war so glücklich wie
sie. Ich bewunderte Heilmuth. Wahr
lich. ti gibt doch noch edle Herzen in der
Welt!
Jahre, Jahre siid seitdem verflossen.
AIS ich diese, Jahr eines Abend im
Castno das Cello mit innigem, seelen
vollem Ton daS Lied von ServaiS singen
hörte, erinnerte ich mich wieder lebhaft
der Blinden und sang in meinem Inner
mit: "0 cara meiuoria", o köstliche
Erinnerung!
Hin angenehmer Haft.
Echarrplay: in gefüllleS Restaurant in
Berlin.
Neumann: Gestatten Si, daß Ich an
Jhrrm Tisch Platz nehmen darf?
Schulze: Bitte, bitte!
Neumann (nach einer Pause): Sie
kommen mir so bekannt vor, ich weiß
nicht. . . .
Schulze: Da komme ich ihnen ganz
richtig vor. Sie werden wohl schon in
meinem Laden Cigarren gekauft haben.
Ich bin nLmlich der Clgarrenhändler
Schulze vom Lindenplatz.
Neumann: Ah, jawohl, jetzt weiß ich.
UebrigenS, mein Name ist Neumann.
Ja, in Ihrem Geschäft bin ich gkwkskn.
Habt auch recht gute preiswerthe Cigar
ren bekommen. ES ist wirklich schade,
daß das Geschäft so versteckt liegt, da
kann sich doch selten ein Kunde hinver
irren ....
Schulze: Oho, rlaubkn Si, ich habe
eine ausgebreitete Kundschaft, und mein
Umsatz ist colossal. DaS Geschäft ist ja
sehr alt, ich habe Kunden, die schon zehn
Jahre lang bei mir kaufen.
Neumann: Wirklich? DaS freut mich.
Neulich war ich bei einem Ihr Concur
renten im Laden er wohnt nicht weit
von Ihnen, den Namen verschweige ich
auS begreiflichen Gründen
Schulze: Ich habt mehrere schädig
Concurrknten.
Neumann: Nun ja, der sagte mir
also, mit Ihnen ginge S zu End,
Sie hätten mehr Schulden als Haare auf
dem Kopfe.
Schulze (verächtlich lächelnd): Ich
kann Ihnen das Gegentheil schwarz auf
weiß zeigen. Sehm Sie hier, wag ist
das!
Neumann: Ein Depotschein der Reichs,
dank über 10.000 Mark auf Ihren Na.
men.
Schulze (triumphirend): Nun? Wa
sagen Sle nun? DaS habe ich bis jetzt
erspart.
Neumann: Aber, mein lieber Herr
Schulze, da ist S mir unbegreiflich, daß
S'.e in Jhrr Steuer-Reklamation von
dem miserablen Gang be 3 Geschäfte
sprechen und von den steuerpflichtigen
Zmien dkr 10,000 Mark kein Wort er,
uZbnen.
Schulze: Wie? WaS?
Neumann: Ich bin nämlich Mitglied
der Steuereinschätzungscommission Ihre
Bezirks.
ßi seltenes Ki.
Man schreibt der .Frankfurter Zei,
tung' aus London, L3. Februar: Ein
Ei des großen Alk, eines nordatlantischen
Tauchervogels, von welchem fett 1844
kein lebendkS Exemplar mehr angetroffen
worden, kam gestern auf einer hiesigen
Auktion zum Verkauf und erzielte den
höchsten Preis, der je für ein Ei dieser
Art bezahlt worden, 300 Guineen (6800
Mark). So viel man weiß, eristiren
überhaupt nur noch 68 dieser Eier, von
denen 19 Museen 29 und 21 Privatleute
39 besitzen. In England und Schott,
land befinden sich 43, in Frankreich 10,
in Deutschland 3, in Holland und Ame.
rika je 2 und je 1 in Dänemark, Portugal
und der Schweiz. DaS gestern zum Ver
kauf gekommene erstand in den dreißiger
Jahren der britische Ornithologe Jarrell
von einem Fischer in Boulogne, der e
zusammen mit einigen Schwancneiern
auf eine Schnur gezogen hatte und auf
die Frage nach dem Preise antwortete:
.Einen Franken für jedes weiße und
zwei für das gefleckte.' Nach Yarrell'S
Tode erhielte 18S6 hiefeS zwei Franken
Ei 21 Pfund Sterling, 1375 ging das,
selbe in den Besty des Baron d'Hanmon
ville über, der als glücklicher Besitzer
dreier anderir Exemplare dieses etwas
kschädigte verkauktn ließ.
Modern.
Hkrr (bei einem Eisenbahnzufammkn
stoßt): .Warum leistet man denn hier
den Verunglückten nicht sofort die nöthige
Hilfe?'
Arbeiter: .Wir warten nur auf den
Photographen!'
vom Regen in die Traufe.
.Aber, liebe Kind, jeden Abend,
wenn ich heimkomme, qaölst Du mich
um einen neuen Sommermantell. . Haft
Du denn gar keimn Sinn für etwa
Anderes?'
,O ja, ein neues Kleid brauch: ich
auch!'